L 9 SO 16/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 46 SO 244/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 16/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Hilfe zur Beschaffung eines KFZ nach § 8 EinglHVO wird nur dann gewährt, wenn der behinderte Mensch ständig oder regelmäßig d. h. täglich oder fast täglich auf die Benutzung eines KFZ angewiesen ist.

2. Ist die erforderliche Mobilität in zumutbarer Weise durch andere Hilfsmittel, z. B. durch die Nutzung eines Behindertenfahrdienstes oder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder in sonstiger Weise (Krankentransport, Taxi, Mietauto) sichergestellt, ist der behinderte Mensch nicht auf die Nutzung eines eigenen KFZ angewiesen.

3.Die Beförderung durch Taxis, Mietautos oder einen Behindertenfahrdienst ist zumutbar, auch wenn solche Beförderungsmöglichkeiten nicht sofort und ständig zur Verfügung stehen.

4. Auch einem behinderten Menschen kann zugemutet werden, gewisse Unannehmlichkeiten und Zeitverzögerungen in Kauf zu nehmen, die mit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder von Behindertenfahrdiensten verbunden sein können.

5. Allein für Freizeitaktivitäten wie Verwandten- und Bekanntenbesuche, Urlaub, Besuche von kulturellen Veranstaltungen, Einkäufe und Fahrten zu Behörden oder Ärzten ist ein eigenes KFZ nicht notwendig.

6. Für den Schulbesuch, das Studium oder vom behinderten Menschen profimäßig betriebenem Sport kann im Einzelfall die Nutzung eines eigenen KFZ erforderlich sein.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. März 2011 wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind auch im Berufungsver- fahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges (Kfz).

Der Kläger ist am -. - 1990 geboren. Er leidet an einer Spina bifida (so genannter offener Rücken). Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 100 festgestellt und es sind die Merkzeichen "G", "B", "aG‘" und "H" zuerkannt worden.

Am 27. Januar 2008 beantragte der Kläger u. a. die Übernahme der Kosten für die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz. Zu diesem Zeitpunkt wohnte er bei seinen Eltern und besuchte den 12. Jahrgang eines Gymnasiums. Zur Begründung führte er an, er sei auf die vollständige Hilfe seiner Eltern angewiesen, die ihn zur Schule und zu anderen Aktivitäten befördern müssten. Außerdem spiele er Rollstuhl-Basketball und sei Mitglied der U23-Nationalmannschaft. Daher müsse er zweimal wöchentlich in H- und einmal wöchentlich in L- trainieren und an den Wochenenden zu Spielen seiner Mannschaft fahren. Zudem seien noch Fahrten zu Terminen wie Physiotherapie, Arztbesuchen, Klavierunterricht und weitere persönliche Aktivitäten und Veranstaltungen erforderlich.

Trotz Befürwortung des Sozialpädagogischen Dienstes vom 19. März 2008 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 14. Mai 2008 ab. Hiergegen legte der Kläger am 2. Juni 2008 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 28. Ok¬tober 2008 zurückgewiesen wurde. Der Kläger hat am 27. November 2008 Klage erhoben und vorgetragen, er sei wegen des Schulbesuches und seiner sportlichen Aktivitäten auf die Nutzung eines Kfz angewiesen. Die Busse der Schülerbeförderung könne er wegen der tobenden Schüler und des Gedränges nicht nutzen. Außerdem spiele er Rollstuhl-Basketball sowohl in der U23-Nationalmannschaft und für L- in der Oberliga sowie für H- in der 2. Bundesliga. Wegen des Trainings und der Spiele an den Wochenenden sei er daher auf die Benutzung eines Kfz angewiesen.

&8195; Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid vom 14. Mai 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeugs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, die Schülerbeförderung sei für den Kläger zumutbar. Hinsichtlich der Teilnahme am Training in H- hat sie darauf verwiesen, dass auch Nichtbehinderte in einer auswärtigen Mannschaft nicht Sport treiben könnten, wenn ihnen hierfür die Transportmöglichkeiten fehlten.

Im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens hat der Kläger mit Kaufvertrag vom 18. August 2009 ein gebrauchtes Kfz erworben, das bereits behindertengerecht umgerüstet war. Nach dem Abitur ist der Kläger zum 1. September 2009 nach Neu-A umgezogen zwecks Studiums an der Fachhochschule Bad H.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 16. Februar 2011 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Hinblick auf das Einkommen der Eltern des Klägers abgelehnt.

Mit Urteil vom 23. März 2011 hat das Sozialgericht den Bescheid vom 14. Mai 2008 und den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines behindertengerechten Kfz unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Es hat ausgeführt, der Kläger habe dem Grunde nach gemäß §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), in Verbindung mit § 55 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX), in Verbindung mit § 8 der Eingliederungshilfeverordnung (EinglH VO) Anspruch auf eine Kfz-Beihilfe in Form der Anschaffung eines auf seine Behinderung angepassten Kfz. Der vom Gesetz vorgesehene Schwerpunkt der Versorgung mit einem Kfz liege in der Eingliederung in das Arbeitsleben. Andere, nicht das Arbeitsleben betreffende Eingliederungsziele seien jedoch nicht ausgeschlossen. Sie müssten aber vergleichbar gewichtig und die Benutzung eines eigenen Kfz müsse notwendig und regelmäßig erforderlich sein. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung sei der Kläger als Schüler an einem Gymnasium ständig auf die Benutzung eines Kfz angewiesen. Es sei ihm nicht zuzumuten, den öffentlichen Personennahverkehr bzw. den Schulbus zu benutzen. Außerdem benötige er das Kfz, um am Basketballtraining in L- und in H- teilnehmen zu können. Dem Anspruch stehe auch nicht entgegen, dass der Kläger sich bereits ein Kfz angeschafft habe, denn die Beklagte habe die dem Kläger zustehende Hilfe abgelehnt. Daher habe die Beklagte eine Kfz-Beihilfe zu gewähren, müsse allerdings noch über den "angemessenen Umfang" entscheiden und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers überprüfen. Das Urteil ist der Beklagten am 9. Juni 2011 zugestellt worden.

Diese hat am 23. Juni 2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, nach dem Kauf des Kfz sei keine Notlage mehr gegeben, so dass der Kläger keinen Anspruch mehr auf eine Beihilfe für die Anschaffung eines Kfz gehabt habe. Außerdem habe der ursprüngliche Bedarf des Klägers für Fahrten zur Schule, zum Training, zum Klavierunterricht usw. in L- zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung und nach der Anschaffung des Kfz in dieser Form nicht mehr vorgelegen, denn er sei zum Studium verzogen. Eine Bedarfsdeckung für die Vergangenheit sei nicht mehr möglich. Im Übrigen sei die Mobilität in L- durch den öffentlichen Personennahverkehr, durch Taxibenutzung oder Krankentransporte gewährleistet gewesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. März 2011 aufzuheben und die Klage des Klägers abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er beruft sich auf die Gründe des angegriffenen Urteils und führt aus, er habe das Kfz anschaffen müssen, da er von der Beklagten keine Leistungen erhalten habe und auf dieses angewiesen gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung hat er vorgetragen, während des Studiums sei er auch auf die Nutzung des Kfz angewiesen gewesen wegen der unterschiedlichen Veranstaltungszeiten. Außerdem habe er weiter Rollstuhl-Basketball in der Bundesliga für den dortigen F- Verein gespielt.

Der Senat hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 16. April 2013 wegen der Einkommensverhältnisse der Eltern des Klägers abgelehnt.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und Beiakten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. März 2011 verletzt die Beklagte nicht in ihren Rechten und ist daher nicht aufzuheben. In diesem Urteil hat das Sozialgericht zutreffend die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeuges unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, denn der Kläger habe Anspruch auf eine Beihilfe zur Anschaffung eines Kfz. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe des Urteils vom 23. März 2011 Bezug genommen.

Zu ergänzen ist insbesondere im Hinblick auf den Vortrag im Berufungsverfahren:

Das Sozialgericht ist davon ausgegangen, dass als maßgeblichen Zeitpunkt auf die letzte Verwaltungsentscheidung, hier also auf den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2008, abzustellen sei. Dem ist allerdings nicht zuzustimmen.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg benennt zwar in seinem Urteil vom 28. September 2007 (Az.: 3 L 231/05 –, FEVS 59, S. 280) diesen Grundsatz, führt aber weiter aus, dass die zeitliche Fixierung nicht uneingeschränkt gelte. Eine Ausnahme sei dann zu machen, wenn die Behörde den Hilfefall für einen längeren Zeitraum geregelt habe oder die Ablehnung einer Bewilligung einen längeren Zeitabschnitt erfasse. Habe der Sozialhilfeträger die Kostenübernahme für ein Hilfsmittel von längerer Gebrauchsdauer, das der Hilfesuchende für einen in die Zukunft hineinreichenden Bedarfszeitraum begehre, für die Dauer dieses Zeitraumes abgelehnt, sei – sofern sich im Hinblick auf den in Rede stehenden Bedarf aus dem Bescheid nicht ein anderer Regelungszeitraum ergebe – auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (OVG Magdeburg, a.a.O., S. 280 f.). Das Bundessozialgericht (BSG, Urteil vom 23. August 2013 – B 8 SO 24/11 R –) stellt – jedenfalls hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse – auf den Zeitpunkt der Entstehung der Kosten, also in der Regel der Anschaffung des Kfz, ab. Es ist daher nicht nur der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung maßgebend. Vielmehr kommt es darauf an, ob bei prognostischer Beurteilung der im maßgeblichen Beurteilungszeitraum bekannten Umstände zu erwarten ist, dass der Hilfesuchende auf die regelmäßige Benutzung eines Kfz angewiesen ist. Es ist also nicht nur eine Momentaufnahme, sondern zugleich eine vorausschauende Einschätzung unter Berücksichtigung absehbarer zukünftiger Lebensumstände geboten (OVG Magdeburg, a.a.O., S. 281).

Bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2008 war der Kläger wegen des Schulbesuchs und seiner sportlichen Aktivitäten auf die Nutzung eines Kfz angewiesen. Dies galt auch zum Zeitpunkt der Anschaffung des Pkws am 18. August 2009 und danach wegen des Studiums und auch der weiter geführten sportlichen Betätigung.

Allerdings kommt es – entgegen der Auffassung der Beklagten – jedenfalls im Bereich der Sozialhilfe (anders im Unfallversicherungsrecht: BSG, Urteil vom 15. De¬zember 1994 – 4 Ra 44/93 –; Urteil vom 29. April 1997 – 8 RKn 31/65 –; LSG Thüringen, Urteil vom 2. Juli 2003 – L 1 U 676/02 –; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 – L 8 U 36/11 –), nicht darauf an, dass der Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens einen Pkw erworben hat, denn, richtet sich der geltend gemachte Anspruch – wie hier – auf eine Geldleistung, ist es rechtlich unerheblich, ob der Kläger zwischenzeitlich ein Kfz angeschafft hat. Insbesondere stehen §§ 2, 18 SGB XII (Nachrang der Sozialhilfe, Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen (so: BSG, Urteil vom 23. August 2013 B 8 SO 24/11 R , recherchiert bei juris, Rn. 13; Sozialgericht Gotha, Urteil vom 2. Juni 2006 – S 14 SO 1391/06 –).

Der Kläger gehört unstreitig zu dem eingliederungshilfeberechtigten Personenkreis des § 53 SGB XII. Behinderte Menschen haben gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX Anspruch auf Eingliederungshilfe und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hierzu gehört gemäß § 8 EinglH-VO auch die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz. Sie wird in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kfz angewiesen ist. Das ist nur dann zu bejahen, wenn aus den geltend gemachten Gründen eine ständige oder jedenfalls regelmäßige, d. h. tägliche oder fast tägliche Benutzung des Kfz erforderlich ist. Ausgeschlossen ist die Kfz-Beihilfe daher bei einer nur gelegentlichen Inanspruchnahme, weil dies nicht mit dem "Normalfall" vergleichbar ist, den die Gesetzgebung vor Augen hatte, nämlich mit dem Angewiesensein auf ein Kfz, um am Arbeitsleben teilnehmen zu können (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. Sep-tember 2011 – L 9 SO 40/04). Ob der behinderte Mensch auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist, beurteilt sich maßgeblich anhand der Art und Schwere der Behinderung und zum anderen anhand der gesamten Lebensumstände und der Verhältnisse des Behinderten. Es ist zu berücksichtigen, dass ein Kraftfahrzeug typischerweise ein der Eingliederung eines Behinderten dienendes Hilfsmittel ist. Ist die erforderliche Mobilität in zumutbarer Weise durch andere Hilfen, z. B. durch die Benutzung eines Behindertenfahrdienstes oder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder in sonstiger Weise (Krankentransport, Taxi, Mietauto) sichergestellt, ist der Behinderte nicht auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges ständig angewiesen (OVG Magdeburg, Beschluss vom 28. September 2007 – 3 L 231/05). Der Senat ist der Auffassung, dass die Beförderung durch Taxis, Mietautos oder einen Behindertendienst zumutbar ist, auch wenn solche Beförderungsmöglichkeiten nicht ständig zur Verfügung stehen (anderer Ansicht: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. März 2009 L 15 SO 262/07). Außerdem teilt der Senat nicht die Auffassung, eine regelmäßige Benutzung eines Autos sei schon dann gegeben, wenn gelegentliche Besuche von Bekannten, Verwandten und Freunden mittels Pkw durchgeführt werden müssten, weil ein behinderter Mensch nicht darauf verwiesen werden dürfe, Besuche zu Hause zu empfangen (so aber LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Mai 2007 – L 8 SO 20/07 ER). "Angewiesen sein" bedeutet somit wegen Fehlens anderweitiger Beförderungsmöglichkeiten die Notwendigkeit der ständigen Nutzung eines eigenen Kfz, also nicht nur vereinzelt und gelegentlich (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 29. Juni 2010 – L 8 SO 132/09 –, recherchiert bei juris, Rn. 35; Sächsisches LSG, Beschluss vom 27. Juni 2013 – L 3 AL 124/13 ER –, Info also 2013, S. 216, 219).

Dem Sozialgericht kann daher insoweit nicht gefolgt werden, als es meint, auch Freizeitaktivitäten des Klägers wie Verwandten- und Bekanntenbesuche, Urlaube, Besuche von kulturellen Veranstaltungen, Einkäufe und sonstige Besorgungen sowie Fahrten zu Behörden führten dazu, dass dieser auf ein Kfz angewiesen gewesen sei (so auch SG München, Urteil vom 27. März 2012 – S 48 SO 485/10 –, ZFSH-SGB 2012, S. 549; wohl auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. September 2012 L 2 SO 1378/11 , FEVS 64, S. 407). Für Fahrten zu Ärzten sind die Krankenkassen zuständig (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. September 2011 – L 9 SO 40/09 –, recherchiert bei juris, Rn. 57). Soweit Besuche von Konzerten, Festen und ähnlichen Veranstaltungen stattfinden, kann der behinderte Mensch auch auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden. Es ist auch einem behinderten Menschen zuzumuten, gewisse Unannehmlichkeiten und Zeitverzögerungen in Kauf zu nehmen, die damit verbunden sein können, dass er gewisse Zeit auf einen Bus warten muss, dass gegebenenfalls ein behindertengerechter Bus angefordert bzw. ein Behindertendienst eingeschaltet werden muss. Grundsätzlich spricht ebenfalls nichts dagegen, bei dem Besuch von Bekannten und Verwandten über längere Entfernungen die Bahn in Anspruch zu nehmen. Die Deutsche Bahn ist verpflichtet, behinderte Menschen zu transportieren, und sie ist hierauf grundsätzlich auch eingerichtet. Der Kontakt zu weiter entfernt wohnenden Verwandten und Bekannten kann auch von diesen gesucht werden. Auch diejenigen Nichtbehinderten, die über knappe finanzielle Mittel verfügen, können Kontakte zu weiter entfernt wohnenden Freunden, Verwandten und Bekannten nicht ständig dadurch pflegen, dass sie selbst diese besuchen, denn die dafür entstehenden Kosten können sie nur in sehr begrenztem Rahmen bestreiten. Sie sind daher darauf angewiesen, dass der Besuch auch zu ihnen kommt. Es stellt keine, aus der Behinderung resultierende Benachteiligung dar, wenn diesbezüglich behinderte Menschen gleichbehandelt werden.

Der Kläger hat aber hier nach den oben genannten Grundsätzen einen Anspruch auf eine Beihilfe zur Anschaffung eines Kfz. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, benötigte der Kläger ein Kfz für den Schulbesuch. Der Schulbesuch ist gleichwertig der Teilhabe am Arbeitsleben (OVG Magdeburg, Beschluss vom 28. Septem¬ber 2007 – 3 L 231/05 –, FEVS 59, 280, 284). Der Kläger musste regelmäßig, d. h. an fünf Tagen in der Woche, zur Schule und zurück fahren. Am Donnerstag hatte er erst so spät Unterricht, dass Schulbusse zu diesem Zeitpunkt nicht fuhren. Im Übrigen war ihm – wie vom Kläger geschildert und vom Sozialgericht zutreffend gewürdigt worden ist – die Benutzung im Rahmen der Schülerbeförderung nicht zuzumuten. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass bei der Fülle in den Bussen bei der Schülerbeförderung und dem Gedränge beim Ein- und Aussteigen gefährliche Situationen für Rollstuhlfahrer entstehen können und dass es Busfahrern bereits aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, Rollstuhlfahrer in der gebotenen Weise zu unterstützen. Dem kann die Beklagte nicht wirksam mit der pauschalen Behauptung entgegentreten, die Benutzung der Busse der Schülerbeförderung sei für den Kläger zumutbar. Wie vorher wegen des Schulbesuchs war der Kläger auch nach seinem Umzug nach Neu-A auf die Nutzung eines Kfz angewiesen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Lehrveranstaltungen zu Zeiten stattgefunden hätten, zu denen er diese mit dem öffentlichen Personennahverkehr nicht hätte erreichen können. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass er daher auch hinsichtlich des Besuchs der Lehrveranstaltungen nicht auf den öffentlichen Personennahverkehr verwiesen werden konnte.

Die Zumutbarkeit hält der Senat bei dem "normalen" öffentlichen Personenverkehr in Bussen und Bahnen für gegeben, weil dieser auf behinderte Menschen eingerichtet sein muss und grundsätzlich auch eingerichtet ist.

Im Übrigen war aber im besonderen Fall des Klägers auch die Benutzung des Kfz nötig im Rahmen des von ihm betriebenen Sports. Der Kläger hat in der Woche zweimal in L- und einmal in H- trainiert. Außerdem musste er an den Wochenenden zu Punktspielen fahren. Er war Mitglied der U23-Mannschaft für die Europameisterschaft im Rollstuhl-Basketball der Herren. Im Wesentlichen an den Wochenenden zu Basketballspielen und zum Training nach H- war der Kläger auf die Nutzung eines Kfz angewiesen. Hierfür erhielt er zwar eine geringfügige Unterstützung (0,10 EUR/km) für die laufenden Betriebskosten. Die Anschaffung eines Kfz ist damit aber nicht zu bewerkstelligen. Das war offenbar auch der wesentliche Grund für den Bereich Soziale Sicherung der Beklagten, mit Schreiben vom 19. März 2008 eine Kfz-Beihilfe "unbedingt" zu befürworten.

Die Notwendigkeit der Kfz-Nutzung setzte sich auch insoweit nach seinem Umzug fort. Gleich zu Beginn seines Studiums hat der Kläger seine sportlichen Aktivitäten bei einem Bundesligaverein in F- aufgenommen. Dort musste er ebenfalls zu Trainingsspielen fahren und an den Wochenenden entweder zu Spielen dieser Bundesligamannschaft oder, wenn die Mannschaft geschlossen mit dem Bus gefahren ist, jedenfalls nach F-, um von dort den Bus zu nehmen.

Der Nutzung eines Kfz für sportliche Aktivitäten in der vom Kläger betriebenen Form kann nicht entgegen gehalten werden, diese sei nicht notwendig, denn Fahrten zu Training und Spielen seien freiwillig. Eine solche Überlegung mag ggf. auf "lediglich" hobby-mäßig betriebenen Sport zutreffen. Gerade für behinderte Menschen stellt sportliche Betätigung eine Form der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft dar. Jedenfalls, wenn es in dem Maße – profihaft – betrieben wird, wie hier im Falle des Klägers, dient sie auch der Gesundheit, weil sie der durch die Behinderung bedingten Unbeweglichkeit bzw. dem sich-Abfinden mit der vermeintlichen völligen Unbeweglichkeit positiv und nachhaltig entgegen wirkt. Das psychische und physische Wohlbefinden des behinderten Menschen kann – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend verdeutlicht hat – dadurch gestärkt und die Folgen der Behinderung gemildert werden. Der hier profimäßig betriebene Sport stellt sich in seiner konkreten Ausgestaltung als aktive Teilnahme am Leben in der Gesellschaft dar. Eine solche umfasst gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 SGB XII auch ein gesellschaftliches Engagement, zu dem unter anderem der Spitzensport im Amateurbereich gehört.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG durch den Senat zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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