L 18 AS 1272/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 103 AS 3571/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1272/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 12. April 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit ab 10. Juni 2011 bis zum Abschluss seines Studiums am 31. März 2013.

Der 1986 geborene Kläger begann am 1. April 2010 an der – nichtstaatlichen - Internationalen Berufsakademie (IBA) im Rahmen eines entsprechenden privaten Ausbildungsvertrags mit der A GmbH ein duales betriebswirtschaftliches Vollzeitstudium zum Bachelor of Arts – Studienrichtung Hotel- und Tourismusmanagement – (Studienvertrag vom 12. April 2010; Immatrikulationsurkunde der IBA vom 1. April 2010). Am 10. Juni 2011 beantragte er bei dem Beklagten SGB II-Leistungen, die dieser mit Bescheid vom 29. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2012.

Die Klage auf "Regelleistungen und Kosten der Unterkunft" blieb erfolglos (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts – SG – Berlin vom 12. April 2013). Das SG hat zur Begründung im Wesentlichen auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid des Beklagten und die Entscheidungen des SG Berlin und des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 3. April 2012 (- S 94 AS 3571/12 ER -) bzw vom 1. Juni 2012 ( - L 19 AS 1027/12 B ER -) Bezug genommen, in denen ein Anordnungsanspruch des Klägers verneint worden war.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Ein Anspruch auf SGB II-Leistungen sei nicht nach § 7 Abs. 5 SGB II ausgeschlossen, weil die von ihm durchlaufene Ausbildung dem Grunde nach nicht nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) förderungsfähig sei. Da es an der nach § 2 Abs. 2 BAföG erforderlichen Gleichstellungsentscheidung der zuständigen Behörde vorliegend fehle, sei das von ihm absolvierte Studium gerade nicht förderungsfähig, und zwar aus nicht in seiner Person liegenden Gründen.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin 12. April 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 29. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 10. Juni 2011 bis 31. März 2013 Regelleistungen und Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten des SG Berlin – S 94 AS 3571/12 ER – (2 Bände) , die Verwaltungsakte des Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Vorsitzenden und Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten in dem streitigen Zeitraum vom 10. Juni 2011 (Antragstellung) bis 31. März 2013 (Abschluss des Studiums) keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen. Er unterfällt dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II in den seit 1. April 2011 bzw 1. April 2012 geltenden Fassungen. Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist, über die Leistungen nach § 27 SGB II hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Ausschlussregelung des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II liegt die Erwägung zu Grunde, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder eine Förderung gemäß den §§ 60 bis 62 bzw – seit 1. April 2012 - den §§ 51, 57 und 58 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB) III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und die Grundsicherung nach dem SGB II nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen. Die Ausschlussregelung im SGB II soll die nachrangige Grundsicherung mithin davon befreien, eine - versteckte - Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen.

Ob eine Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig nach dem BAföG ist, richtet sich allein nach abstrakten Kriterien; unbeachtlich sind in der Person des Auszubildenden liegende individuelle Versagens- oder Ausschlussgründe (vgl st Rspr des BSG; Urteil vom 22. März 2012 – B 4 AS 102/11 R – juris; Urteil vom 27. September 2011 – B 4 AS 160/10 R = SozR 4-4200 § 26 Nr 2; Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 67/08 R – juris; Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 28/07 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 9; Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS36/06 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 6), zB wegen der Staatsangehörigkeit (vgl § 8 BAföG) oder des Überschreitens der Regelaltersgrenze (vgl § 10 Abs. 3 BAföG). Die Prüfung, ob eine Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig nach dem BAföG ist, richtet sich nach § 2 BAföG (vgl dazu BSG, Urteil vom 19. August 2010 – B 14 AS 24/09 R – juris). § 2 BAföG regelt - von den Besonderheiten des Fernunterrichts (vgl § 3 BAföG) und der Ausbildungen im Ausland (§§ 5, 6 BAföG) abgesehen - den Bereich der (abstrakt) förderungsfähigen Ausbildungen abschließend (vgl BSG aaO). Demgegenüber umschreibt § 7 Abs 1 Satz 1 BAföG den Grundanspruch auf Ausbildungsförderung und individualisiert (insbesondere durch die grundsätzliche Beschränkung der Förderung auf die erste - sei sie erfolgreich oder erfolglos beendete - Ausbildung) in dem durch § 2 BAföG abstrakt gezogenen Rahmen den Begriff der förderungsfähigen Ausbildung.

Der Kläger hat während seines Studiums an der IBA zwar keine Ausbildungsstätte iS des § 2 Abs. 1 BAföG besucht. Bei der IBA handelt es sich um eine Ausbildungsstätte in Gestalt einer nichtstaatliche Hochschule, die auch keine "öffentliche Einrichtung" iSv § 2 Abs. 1 Satz 3 BAföG ist. Denn unter Berücksichtigung der insoweit heranzuziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ist dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang des § 2 BAföG zu entnehmen, dass der Bundesgesetzgeber unter einer öffentlichen Einrichtung eine nach öffentlich-rechtlichen Grundsätzen organisierte Ausbildungsstätte versteht und mit diesem Begriff lediglich eine Abgrenzung zur privaten Ausbildungsstätte vornehmen will, bei der einschränkende Regelungen für eine Ausbildungsförderung gelten (vgl BSG aaO mit Nachweisen aus der Rspr des BVerwG). Gemäß § 2 Abs. 2 BAföG wird für den Besuch von Ergänzungsschulen und nichtstaatlichen Hochschulen Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn die zuständige Behörde anerkennt, dass der Besuch der Ausbildungsstätte dem Besuch einer in § 2 Abs. 1 BAföG bezeichneten Ausbildungsstätte gleichwertig ist. Eine solche Gleichstellung ist indes hier nicht erfolgt (vgl Auskunft der IBA 20. Mai 2011). Dessen ungeachtet ist davon auszugehen, dass die von dem Kläger durchlaufene Ausbildung an der IBA iSv § 7 Abs. 5 SGB II "dem Grunde nach" förderungsfähig nach dem BAföG ist.

"Dem Grunde nach" förderungsfähig nach dem BAföG ist eine Ausbildung, wenn sie überhaupt – abstrakt – nach jenem Gesetz gefördert werden kann. Es kommt nach der zitierten Rspr des Bundessozialgerichts (BSG) nicht darauf an, ob oder aus welchen Gründen sie tatsächlich nicht gefördert wird, insbesondere nicht darauf, ob Leistungen nach dem BAföG etwa aus Gründen, die in der Person des Auszubildenden liegen, nicht gewährt werden. Ebenso wenig ist daher entscheidend, ob bzw dass der Leistung von Ausbildungsförderung im konkreten Fall entgegensteht, dass die Ausbildung an einer Ausbildungsstätte stattfindet, deren Besuch nicht als dem Besuch einer in § 2 Abs.1 BAföG aufgeführten Ausbildungsstätte gleichwertig anerkannt ist (§ 2 Abs. 2 BAföG). Auch diese Regelung schließt nicht aus, dass die Ausbildung als solche – nach Prüfung und Anerkennung der Gleichwertigkeit des Besuchs der Ausbildungsstätte (die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BAföG auch "von Amts wegen im Rahmen des Bewilligungsverfahrens" erfolgt) oder auch an einer anderen Ausbildungsstätte – "dem Grunde nach" ("grundsätzlich") forderungsfähig ist. Ein Schüler oder Student, der einer Ausbildung nachgeht, die – beim Besuch bestimmter, ggf als gleichwertig anerkannter Ausbildungsstätten – "dem Grunde nach" forderungsfähig ist, kann den in § 7 Abs. 5 SGB II bestimmten Ausschluss von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II nicht dadurch umgehen (oder ihm entgehen), dass er – aus welchen Gründen auch immer – eine andere Ausbildungsstätte wählt, für deren Besuch Ausbildungsförderung nach dem BAföG nicht geleistet wird. Der Kläger ging in dem streitbefangenen Zeitraum einer nach diesen Maßstäben "dem Grunde nach" forderungsfähigen Ausbildung nach, so dass er dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II unterfällt (vgl ebenso der vorliegend im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangene Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 1. Juni 2012 – L 19 AS 1027/12 B ER -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Mai 2008 – L 14 B 571/08 AS ER – juris). Denn die von ihm durchlaufene Ausbildung wurde und wird – nach ihrem Inhalt - auch an Ausbildungsstätten iS des § 2 Abs. 1 BAföG angeboten, zB der – staatlichen - Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin als duales sechssemestriges Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Abschluss Bachelor of Arts (vgl Internetauftritt der Hochschule für Wirtschaft und Recht). Für den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II ist es ohne Bedeutung, ob der in Ausbildung befindliche Hilfebedürftige tatsächlich anderweitig Ausbildungsförderung erhält.

Auch ein Anspruch des Klägers nach § 27 SGB II, insbesondere nach § 27 Abs. 4 SGB II, besteht nicht. Ein besonderer Härtefall liegt nicht vor. Der Kläger hat seine konkrete Ausbildung in Ansehung des Umstandes begonnen, dass eine BAföG-Förderung nicht in Betracht kommt und auch seine Eigenmittel augenscheinlich von vornherein nicht ausreichten, um seinen Lebensunterhalt während des dreijährigen Studiums zu finanzieren. Die Voraussetzungen für die Annahme einer besonderen Härte nach Maßgabe der Rspr des BSG liegen somit nicht vor (vgl etwa BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 67/08 R -).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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