L 7 AS 1826/13 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 15 AS 3146/13 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1826/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine Überprüfung des Konzepts der Stadt Leipzig auf seine Schlüssigkeit ist im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich, weil die vom Sozialgericht vorgenommenen Beanstandungen hieran umfangreiche Ermittlungen erfordern, die im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes nicht durchgeführt werden können.

2. Eine teilweise Bestätigung des Konzepts - wie zum Konzept der Landeshauptstadt Dresden geschehen (SächsLSG, Beschluss vom 29.05.2012 - L 7 AS 24/12 R, juris) - kommt hier nicht in Betracht, weil die Beanstandungen die Grundlagen des Konzepts betreffen.
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Oktober 2013 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es sich um eine vorläufige Zusicherung handelt.

II. Der Antragsgegner trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Erteilung einer Zusicherung zum Umzug in die Wohnung S in L.

Die 1952 geborene Antragstellerin steht beim Antragsgegner im dauerhaften Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie wohnt derzeit noch in der 64,77 m² großen Wohnung S in L , für die eine Gesamtmiete in Höhe von monatlich 528,23 EUR anfällt. Am 20.08.2013 informierte sie den Antragsgegner über den Auszug ihres Sohnes R S zum 01.10.2013 aus ihrer Wohnung. Mit Schreiben vom 21.08.2013 forderte der Antragsgegner die Antrag¬stellerin auf, zum 01.04.2014 die Kosten ihrer Unterkunft und Heizung abzusenken.

Am 13.09.2013 beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner die Erteilung der Zusicherung zum Umzug in die Wohnung S in L und legte ein Mietangebot der Baugenossenschaft L e.G. vor. Die Wohnung sei 47,75 m2 groß, die Kaltmiete betrage 277,00 EUR monatlich, die Betriebskostenvor¬auszahlung 44,00 EUR monatlich und die Heizkostenvorauszahlung 36,00 EUR pro Monat. Diesen Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20.09.2013 ab. Den Widerspruch der Antragstellerin wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbe¬scheid vom 30.09.2013 zurück. Gegen die Ablehnung hat die Antragstellerin Klage zum Sozialgericht Leipzig (S 15 AS 3153/13) erhoben.

Am 30.09.2013 hat sie beim Sozialgericht Leipzig (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie begehre die vorläufige Zusicherung zum Umzug in die S in L. Die Kosten der Unterkunft seien angemessen. Die Richtlinie zu den Kosten der Unterkunft der Stadt L sei rechtswidrig, es seien die Werte der Wohngeldtabelle zugrunde zu legen. Das Wohnungsangebot des Vermieters für die Wohnung in der S gelte lediglich bis Ende Oktober 2013.

Der Antragsgegner hat erwidert, der Umzug sei zwar erforderlich, das Wohnungsangebot entspreche aber nicht den Angemessenheitskriterien der Stadt L.

Das SG hat mit Beschluss vom 17.10.2013 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zuzusichern, die Aufwendungen für die Wohnung in der S in L in Höhe von monatlich 357,00 EUR (Kaltmiete in Höhe von 277,00 EUR, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 44,00 EUR und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 36,00 EUR) zu übernehmen. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund seien glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin erfülle die Grundvoraussetzungen der §§ 7, 8, 9 und 19 SGB II. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass der Umzug erforderlich sei, weil die Antragstellerin auf Dauer nicht in der zu großen und zu teuren Wohnung S in L wohnen könne. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.08.2013 aufgefordert, die Kosten ihrer Unterkunft und Heizung abzusenken. Die Kosten der Unterkunft für die neue Wohnung in der S in L seien angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Die Richtlinie der Stadt L vom 18.09.2012 entspreche nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Nach dem Urteil des BSG vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R könne ein schlüssiges Konzept sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Lege ein Grundsicherungsträger seinen Daten nur die Wohnungen des sogenannten einfachen Standards zugrunde, müsse er nachvollziehbar offenlegen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen habe. In diesem Fall sei als Angemessenheitsgrenze der Spannoberwert, das heißt der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne, zugrunde zu legen. Der von der Stadt L in der Richtlinie vom 18.09.2012 festgelegte Eckwert aus dem operativen Datensatz von 4,24 EUR je m² entspreche als Mittelwert nicht dieser Maßgabe (vgl. SG Leipzig, Entscheidungen vom 30.11.2012 – S 26 AS 3505/12 ER; vom 11.03.2013 – S 26 AS 312/13 ER; vom 02.05.2013 – S 25 AS 2006/12). So setze sich der in dem operativen Datensatz ausgewählte Wohnungsbestand für die Ermittlung der angemessenen Mietwerte nur aus Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II zusammen. Das BSG habe im Urteil vom 06.10.2010 – B 14 AS 131/10 R ausgeführt, dass – wenn nur Wohnungen von Leistungsempfängern nach dem SGB II als Datengrundlage herangezogen würden und von den so erhaltenen Werten nochmals der Durchschnitt gebildet werde – sich ein nicht akzeptabler Angemessenheitswert ergebe. Wenn der Leistungsträger – wie vorliegend – bei der Datenerhebung nur die Wohnungen einfachen Standards zugrunde lege, müsse er als Angemessenheitsgrenze die obere Preisgrenze dieses Segments wählen. Inwiefern nun die Heranziehung des unteren Spannwerts für einfachen Wohnraum für 4,24 EUR je m² diesen Zirkelschluss vermeiden solle, sei nicht nachvollziehbar (vgl. SG Leipzig, Entscheidung vom 30.11.2012 – S 26 AS 3505/12 ER und vom 06.03.2012 – S 25 AS 641/12 ER). Der Antragsgegner habe nach der Richtlinie vom 18.09.2012 zwar ab 01.10.2012 die nach seiner Ansicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung leicht erhöht, jedoch sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass im Vergleich zur Richtlinie vom 31.05.2011 die vom SG geäußerten Zweifel an der Schlüssigkeit des Konzepts beseitigt worden wären. Es sei immer noch nicht nachvollziehbar, dass der Berechnung ein schlüssiger operativer Datensatz zugrunde gelegt worden sei, insbesondere dass – wie der Antragsgegner behaupte – der Median aus dem operativen Datensatz in Höhe von 4,24 EUR pro m² zu 80 % aus Wohnungen des einfachen Standards und mindestens zu 20 % des mittleren und gehobenen Standards gebildet worden sei. Auch die Heranziehung des so genannten Quantils aus dem Mietspiegel 2012 in Höhe von 4,71 EUR pro m², aus dem sich unter Berücksichtigung des operativen Datensatzes eine Angemessenheitsgrenze von nunmehr 4,48 EUR pro m² ab 01.10.2012 ergeben solle, vermöge das SG nicht nachzuvollziehen (vgl. SG Leipzig, Entscheidungen vom 26.10.2012 – S 14 AS 3947/12 ER; vom 11.03.2013 – S 26 AS 312/13 ER; vom 02.05.2013 – S 25 AS 2006/12). Zudem bestünden Zweifel, ob überhaupt in ausreichenden Maße Wohnungen zu dem nach dem Mietspiegel 2012 im Mittelwert angegebenen Quadratmeterpreis zur Verfügung stünden (vgl. SG Leipzig, Beschluss vom 11.03.2013 – S 26 AS 312/13 ER). Liege ein schlüssiges Konzept nicht vor, würden die angemessenen Kosten der Unterkunft nach der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) begrenzt (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R). Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes könne auf die Angemessenheitsobergrenze nach dem Tabellenwert des § 12 WoGG – rechte Spalte – abgestellt werden (Sächsisches Landessozialgericht (SächsLSG), Beschluss vom 05.04.2012 – L 7 AS 425/11 B ER, Juris). Danach sei für einen Ein-Personen-Haushalt (bei Mietstufe III) eine Bruttokaltmiete in Höhe von monatlich 330,00 EUR angemessen. Hinzu kämen die angemessenen Heizkosten. Die Kosten der Antragstellerin für die Bruttokaltmiete beliefen sich jedoch insgesamt monatlich nur auf 321,00 EUR, so dass sie nach dem Wohngeldgesetz angemessen seien. Die Antragstellerin habe auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die Eilbedürftigkeit des Antrags auf Sicherung zur Übernahme der Wohnkosten sei jedenfalls deshalb gegeben, weil das derzeit noch offene Wohnungsangebot bei Abwarten des Abschlusses des Hauptsacheverfahrens für die Antragstellerin nicht mehr verfügbar wäre (SächsLSG, Beschluss vom 05.04.2012 – L 7 AS 425/11 B ER, Juris). Die Reservierung der Wohnung S gelte nur bis Ende Oktober 2013.

Gegen den dem Antragsgegner am 21.10.2013 zugestellten Beschluss hat er am 05.11.2013 Beschwerde beim SächsLSG eingelegt. Die angemessene Wohnfläche für die Antragstellerin betrage 45 m² (SächsLSG, Beschluss vom 29.05.2012 – L 7 AS 24/12 B ER). Örtlicher Vergleichsraum sei das Gebiet der Stadt L. Zum 01.10.2012 sei die Verwaltungsrichtlinie der Stadt L "Kosten der Unterkunft" in Kraft getreten. Die Verwaltungsrichtlinie erfülle die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept. Gegenstand für die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten sei der einfache Standard, wobei der Eckwert der angemessenen Kaltmiete aus dem gewichteten Mittelwert der Kosten aller Hilfeempfänger aller Haushalte und des aktuellen Mietspiegels ermittelt werde. Dieser betrage im streitgegenständlichen Zeitraum 4,48 EUR/m². Hinsichtlich der kalten Betriebskosten sei auf den jeweils aktuellen Mittelwert der Betriebskostensammlung des Sozialamts zurückzugreifen. Dieser betrage 1,33 EUR je m². Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze ergebe sich für einen Ein-Personen-Haushalt eine angemessene Bruttokaltmiete von 261,45 EUR (45 m² x 4,48 EUR + 45 m² x 1,33 EUR). Die Heizkosten würden nach dem schlüssigen Konzept unter Bezugnahme auf die Datensammlung der Betriebskostenbroschüre in Höhe von maximal 1,20 EUR/m², mithin monatlich 54,00 EUR (45 m² x 1,20 EUR) festgesetzt. Die Heizkosten der neuen Wohnung der Antragstellerin lägen mit monatlich 36,00 EUR unter diesem Wert. Es errechne sich somit eine als angemessen anerkennungsfähige monatliche Bruttowarmmiete der Antragstellerin von 297,45 EUR (261,45 EUR Bruttokaltmiete + 36,00 EUR Heizkosten). Der Mittelwert aus dem operativen Datensatz sei nicht der abschließende angemessene Eckwert. Der Mittelwert aus dem operativen Datensatz besage, dass alle Bedarfsgemeinschaften im Durchschnitt eine bestimmte Kaltmiete pro m² bezahlten. Dies sei für die weitere Angemessenheitsermittlung der "Ist-Wert" und funktional für die weitere Berechnung ein unterer Schwellenwert. Zur Verifizierung werde der errechnete Mittelwert des operativen Datensatzes (Altmieten) mit dem Durchschnittswert des aktuellen Mietspiegels, das seien 5,00 EUR (Neumieten) über alle Wohnungsstandards (einfach bis Luxus), in Beziehung gesetzt. Nahezu 80 % aller Mieten von SGB II-Empfängern lägen unter der Marke von 5,00 EUR des Mietspiegels. Wenn der Mittelwert des operativen Datensatzes über eine Zahlenreihe gerechnet werde, bei der 80 % mindestens den einfachen Wohnungsstandard erfüllten und mindestens 20 % einen höheren Wohnungsstandard abbildeten, dann könne der gefundene Wert, der die Kosten für einfachen Standard der Leistungsberechtigten abbilden solle, nicht zu niedrig angesetzt sein. Nicht auszuschließen sei hingegen, dass der Wert für nur einfachen Wohnungsstandard in Wahrheit noch niedriger liege. Höher als 5,00 EUR könne er nicht liegen, weil einfacher Standard das untere Preissegment beschreibe und das untere Preissegment niemals höher sein könne als der Durchschnitt über alle Preissegmente. Es sei denn, man wolle ernsthaft behaupten, dass 80 % aller in L existierenden Wohnungen überhaupt nur einfachen Standard haben und die verbleibenden 20 % den mittleren, gehobenen und Luxusstandard umfassten.

Der Antragsgegner beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17.10.2013 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Sie erachtet den erstinstanzlichen Beschluss für zutreffend.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin mit Bescheid vom 29.11.2013 für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.03.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 919,23 EUR (Regelleistung in Höhe von 391,00 EUR; Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 528,23 EUR) und für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis 30.06.2014 in Höhe von 712,56 EUR (Regelleistung in Höhe von 391,00 EUR; Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 321,56 EUR) bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 12.12.2013 hat er die Bewilligung für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 30.06.2014 in Höhe von 688,45 EUR monatlich (Regelleistung 391,00 EUR, Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 297,45 EUR) vorgenommen.

Dem Senat liegen die Verfahrensakten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners vor.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG mit Beschluss vom 17.10.2013 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern die vorläufige Zusicherung der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung S in L zu erteilen.

Der Antragstellerin steht ein Anspruch auf Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung zu.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Gerichte auf Antrag, der gemäß § 86 b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen.

1. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch für den Umzug in die neue Wohnung glaubhaft gemacht. Nach § 22 Abs. 4 SGB II soll die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II wird nur der bisherige Bedarf für Unterkunft und Heizung anerkannt, wenn sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen.

Das Erfordernis, die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II einzuholen, ist lediglich eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, stellt also keine Anspruchsvoraussetzung dar (BSG, Urteil vom 30.08.2010 - B 4 AS 10/10 R, RdNrn. 17, 18; BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R, RdNr. 27; SächsLSG, Beschluss vom 04.03.2011 - L 7 AS 753/10 B ER). § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II kommt nach der Rechtsprechung des BSG jedoch die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden (BSG, Urteil vom 30.08.2010, a.a.O., RdNr. 17). Die Regelung dient dem Schutz der Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II, die in der nur gekürzten Übernahme der tatsächlichen angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Übergangsfrist bestehen (BSG, Urteil vom 30.08.2010, a.a.O.). Den Leistungsberechtigten steht jedoch auch bei fehlender Zusicherung nach § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II dem Grunde nach ein Anspruch auf Übernahme der angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu (SächsLSG, a.a.O.; SächsLSG, Beschluss vom 12.03.2012 – L 7 AS 985/11 B ER).

Zur Erteilung der Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 Satz 1 SGB II ist der kommunale Träger nach Satz 2 der Vorschrift lediglich verpflichtet, wenn die Kosten der neuen Unterkunft ihrerseits angemessen sind und der Umzug erforderlich ist. Umgekehrt bedeutet dies, dass auch nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen ein Anspruch auf Erteilung der Zusicherung besteht. Ein Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde (SächsLSG, Beschluss vom 12.03.2012, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 08.12.2009 - L 2 AS 4587/09, juris, RdNr. 43; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.11.2009 - L 29 AS 1196/09 B ER, juris, RdNr. 29).

Unter Beachtung dieser Maßgaben hat die Antragstellerin vorliegend einen Anordnungsanspruch für den Umzug in die neue Wohnung glaubhaft gemacht.

a) Der Umzug ist vorliegend erforderlich, er dient nämlich der Reduzierung der Kosten der Unterkunft. Für die bisherige Wohnung fallen Bedarfe für der Unterkunft und Heizung in Höhe von 528,23 EUR/Monat an. Für die neue Wohnung sind Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 357,00 EUR/Monat zu zahlen. Von dem Grund des Umzugs, die monatlichen Wohnungskosten zu reduzieren, würde sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen. Zudem hat der Antragsgegner die Antragstellerin mit Schreiben vom 21.08.2013 zur Reduzierung der Kosten der Unterkunft und Heizung aufgefordert.

b) Die Kosten der neuen Wohnung sind nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung auch angemessen.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der seit 01.04.2011 geltenden Fassung werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Angemessenheit der Aufwendungen für die Unterkunft ist nach der Rechtsprechung des BSG in einem mehrstufigen Verfahren zu bestimmen (BSG, Urteile vom 12.06.2013 – B 14 AS 60/12 R, RdNr. 18 und vom 26.05.2011 – B 14 AS 132/10 R, RdNrn. 17 ff.): "Die abstrakt angemessene Leistung für die Unterkunft ist in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln: a) Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu bestimmen. b) Alsdann ist der maßgebliche örtliche Vergleichsraum festzulegen. c) Im nächsten Schritt ist unter Berücksichtigung des angemessenen einfachen Wohnungsstandards festzustellen, welche Nettokaltmiete pro qm Wohnfläche für die angemessene Wohnungsgröße auf dem Wohnungsmarkt des maßgeblichen Vergleichsraumes zu zahlen ist, um die nach der Produkttheorie angemessene Nettokaltmiete zu ermitteln. d) Zu der so ermittelten Nettokaltmiete sind noch die kalten Betriebskosten hinzuzurechnen." (vgl. auch BSG, Urteil vom 22.08.2012 – B 14 AS 13/12 R, RdNr. 14)

Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, sind bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete folgende Grundsätze zu berücksichtigen:

Es ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard zugrunde zu legen; die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und darf keinen gehobenen Wohnungsstandard aufweisen, wobei es genügt, "dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist" (BSG, Urteile vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R, RdNr. 20; vom 11.12.2012 – B 4 AS 44/12 R, RdNr. 13; vom 22.03.2012 – B 4 AS 16/11 R, RdNr. 12; vom 13.04.2011 – B 14 AS 106/10 R, RdNr. 23). Die festgelegte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss so gewählt werden, "dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine ‚angemessene’ Wohnung anzumieten" (BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R, RdNr. 19).

Nach diesen inhaltlichen Vorgaben hat die Festlegung der Mietobergrenze auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu erfolgen. Das Konzept des Grundsicherungsträgers muss hinreichende Gewähr dafür bieten, dass es die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarkts wiedergibt (BSG, Urteile vom 20.08.2009 – B 14 AS 65/08 R, RdNr. 16; Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 73/08 R, RdNr. 26). Das "schlüssige Konzept" muss bereits im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung vorliegen (BSG, Urteile vom 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R, RdNr. 21 und vom 19.10.2010 – B 14 AS 65/09 R, RdNr. 28). Es müssen darin "die Faktoren, die das Produkt ‚Mietpreis’ bestimmen, in die Auswertung eingeflossen sein. Zu diesen Faktoren zählen im Regelfall zumindest der Standard, die Größe und die Ausstattung der Wohnung, wobei sich der Standard nach Lage der konkreten Verhältnisse auch im Jahr des ersten Bezugs bzw. der letzten Renovierung ausdrücken kann" (BSG, Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 65/08 R, RdNr. 16). Das BSG hat die Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Urteil vom 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R, RdNrn. 18 ff. folgendermaßen definiert: "Dabei muss der Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen einfachen oder qualifizierten Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen (vgl Urteil des 7b. Senats vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R, BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3; BSG, Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R = juris RdNr 7). Entscheidend ist vielmehr, dass den Feststellungen des Grundsicherungsträgers ein Konzept zu Grunde liegt, dieses im Interesse der Überprüfbarkeit des Ergebnisses schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein ‚angemessenes Maß’ hinreichend nachvollziehbar ist.

Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall.

Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt: - Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung), - es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen - Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße, - Angaben über den Beobachtungszeitraum, - Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel), - Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten, - Validität der Datenerhebung, - Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und - Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze). Bislang hat der Gesetz- und Verordnungsgeber davon abgesehen, der Verwaltung normative Vorgaben darüber zu machen, wie sie die Angemessenheitsgrenze ermittelt. Die Verwaltung ist daher bis auf Weiteres nicht auf eine bestimmte Vorgehensweise festgelegt. Sie selbst kann auf Grund ihrer Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten am besten einschätzen, welche Vorgehensweise sich für eine Erhebung der grundsicherungsrechtlich erheblichen Daten am besten eignen könnte. So kann es je nach Lage der Dinge etwa ausreichend sein, die erforderlichen Daten bei den örtlichen Wohnungsbaugenossenschaften zu erheben, wenn die für Hilfeempfänger in Betracht kommenden Wohnungen zum größten Teil im Eigentum dieser Genossenschaften steht. Hingegen sind derartige Auskünfte allein nicht ausreichend, wenn die Genossenschaften über keinen ins Gewicht fallenden Anteil am Wohnungsbestand des Vergleichsraumes verfügen und eine Mietpreisabfrage keine valide Datengrundlage für die Angemessenheitsgrenze ergeben kann. Ein schlüssiges Konzept kann sowohl auf Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand (einfacher, mittlerer, gehobener Standard) als auch auf Wohnungen nur einfachen Standards abstellen. Legt der Grundsicherungsträger seiner Datenerhebung nur die Wohnungen so genannten einfachen Standards zu Grunde, muss er nachvollziehbar offen legen, nach welchen Gesichtspunkten er dabei die Auswahl getroffen hat. In diesem Fall ist als Angemessenheitsgrenze der Spannenoberwert, dh der obere Wert der ermittelten Mietpreisspanne zu Grunde zu legen."

Gemessen an diesen Vorgaben der Rechtsprechung des BSG ergibt sich für die Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft für den Ein-Personen-Haushalt der Antragstellerin in der Stadt L durch den Antragsgegner Folgendes:

Eine Überprüfung des Konzepts der Stadt L auf seine Schlüssigkeit (vgl. zur Prüfung der Schlüssigkeit des Konzepts der Landeshauptstadt D SächsLSG, Urteil vom 19.12.2013 - L 7 AS 637/12 juris-Veröffentlichung vorgesehen) ist im Rahmen des hiesigen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes und angesichts des unmittelbar bevorstehenden Umzugs der Antragstellerin nicht möglich (vgl. Ermittlungen des Senats zu dieser Frage im Hauptsacheverfahren L 7 AS 725/13). Die vom SG im zugrunde liegenden Beschluss und anderen Entscheidungen (u.a. Urteil vom 02.05.2013 – S 25 AS 2006/12) vorgenommenen Beanstandungen, - die verwendeten Daten des operativen Datensatzes seien dem Gericht nicht übermittelt worden; - es fehle die Angabe zum Beobachtungszeitraum im Konzept der Stadt L ; - die Stadt L habe nicht nur Wohnungen einfachen Standards untersucht, sondern auch Wohnungen mittlerer und gehobener Ausstattung der Leistungsempfänger; entschließe sich der Grundsicherungsträger zu einer Untersuchung der Wohnungen einfachen, mittleren und gehobenen Standards müsse eine Betrachtung des Gesamtwohnungsbestandes der Stadt, nicht lediglich der Wohnungen der Leistungsbezieher erfolgen; - der aus dem operativen Datensatz gewonnene Mittelwert stelle einen Durchschnittswert der von allen Leistungsempfängern aufzubringenden Kosten der Unterkunft dar; er lasse außer Acht, dass die Grundmiete pro m2 nach Wohnungsgrößen verschieden sei; daher hätten der Berechnung differenzierte Mittelwerte für verschiedene Wohnungsgrößen zugrunde gelegt werden müssen; - die konkrete Verfügbarkeit von Wohnungen zu den von der Stadt L als angemessen angesehenen Werten sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht, erfordern umfangreiche Ermittlungen, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht durchgeführt werden können. Eine teilweise Bestätigung des Konzepts im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – wie zum Konzept der Landeshauptstadt D geschehen (SächsLSG, Beschluss vom 29.05.2012 – L 7 AS 24/12 B ER, juris, RdNrn. 43 ff.) – kommt hier nicht in Betracht, weil die Beanstandungen die Grundlagen des Konzepts betreffen. Daher ist im vorliegenden Eilverfahren vielmehr auf die "Angemessenheitsobergrenze" nach dem Tabellenwert zu § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitsabschlages abzustellen (so bereits SächsLSG, Beschluss vom 05.04.2012 – L 7 AS 425/11 B ER, juris; BSG, Urteil vom 26.05.2011 – B 14 AS 132/10 R, RdNr. 29; vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, RdNr. 23, 27; vom 18.02.2010 – B 14 AS 73/08 R, RdNr. 29). Daraus ergibt sich als Obergrenze für die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung für den 1-Personen-Haushalt der Antragstellerin in der Mietstufe 3 für die Stadt L (vgl. Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Mietenstufen der Gemeinden nach Ländern ab 1. Januar 2009, S. 63) eine Grundmiete einschließlich Nebenkosten ohne Heizkosten in Höhe von monatlich 330,00 EUR. Diesem Betrag ist ein Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % hinzuzurechnen (BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 4 AS 87/12 R, Terminbericht). Angemessen sind daher, unter Beachtung dieser Maßgaben, Kosten der Unterkunft (ohne Heizkosten) in Höhe von 363,00 EUR monatlich. Da die Gesamtkosten der Unterkunft und Heizung der Antragstellerin (eingeschlossen der Heizkosten) sogar unter diesem Wert liegen und 357,00 EUR betragen, war der Anordnungsanspruch gegeben.

2. Zu Recht hat das SG einen Anordnungsgrund bejaht. Ein solcher besteht, wenn der Betroffene bei Abwarten bis zur Entscheidung der Hauptsache Gefahr laufen würde, seine Rechte nicht mehr realisieren zu können, oder gegenwärtige schwere unzumutbare rechtliche oder wirtschaftliche Nachteile erlitte. Die individuelle Interessenslage des Betroffenen - unter Umständen auch unter Berücksichtigung der Interessenslage des Antragsgegners und der Allgemeinheit - muss es unzumutbar erscheinen lassen, den Betroffenen zur Durchsetzung seines Anspruchs auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen.

In einem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Verfahren beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Antrag entscheidet. Im Beschwerdeverfahren ist dies grundsätzlich der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 30.06.2008 - L 2 B 331/08 AS-ER m.w.N.).

Eilbedürftigkeit liegt – wie vom SG zutreffend angenommen – vor, da das offene Wohnungsangebot für die Wohnung S in L lediglich zeitlich befristet besteht und bei Abwarten des Abschlusses des Hauptsacheverfahrens in einem bis zwei Jahren voraussichtlich nicht mehr verfügbar wäre (SächsLSG, Beschluss vom 05.04.2012 – L 7 AS 425/11 B ER, juris) sowie der Antragsgegner die Antragstellerin zur Kostensenkung mit Wirkung ab 01.04.2014 aufgefordert hat.

Nach alledem war die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

3. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.

Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.

Weinholtz Brügmann Dr. Anders
Rechtskraft
Aus
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