S 18 AS 1422/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 AS 1422/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Höhe der Kostenerstattung für ein isoliertes Vorverfahren.

Der Kläger bezog vom Jobcenter Herford Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Im Hinblick auf einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.03.2013 machte das Jobcenter Herford gegen den Kläger eine Erstattungsforderung von 147,24 EUR geltend.

Mit Schreiben vom 08.04.2013 mahnte die Beklagte schriftlich die Zahlung des Betrages an und setzte zugleich Mahngebühren in Höhe von 1,00 EUR fest. Gegen die Festsetzung der Mahngebühren legte der Kläger am 07.05.2013, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein, den er damit begründete, dass gegen den Bescheid vom 06.03.2013 Widerspruch erhoben sei, der aufschiebende Wirkung entfalte.

Mit Bescheid vom 08.05.2013 half die Beklagte dem Widerspruch hinsichtlich der Festsetzung von Mahngebühren ab und hob den Bescheid vom 08.04.2013 auf. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten erkannte die Beklagte als notwendig an und erklärte sich zur Übernahme der notwendigen Aufwendungen für das Widerspruchsverfahren bereit.

Am 17.05.2013 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers eine Kostennote für das Widerspruchsverfahren über 195,16 EUR. In der Folgezeit machte die Firma Q S GmbH aus N den Anspruch auf Kostenerstattung von 195,16 EUR gegenüber der Beklagten geltend. Sie berief sich hierbei darauf, dass die Forderung mit Zustimmung des Klägers an sie abgetreten worden sei. Die Forderung setzte sich aus einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG von 144,00 EUR und der Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR zzgl. der Umsatzsteuer zusammen.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 28.06.2013 setzte die Beklagte die erstattungsfähigen Kosten auf 114,24 EUR fest. Sie begründete dies damit, dass Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit unterdurchschnittlich gewesen seien. Die rechtliche Problematik habe auf der Hand gelegen. Die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sei allenfalls durchschnittlich. Hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Angelegenheit seien sie als unterdurchschnittlich anzusetzen. Ein Haftungsrisiko sei unbeachtlich. Entsprechend sei eine Geschäftsgebühr in Höhe der doppelten Mindestgebühr von 80,00 EUR angemessen. Mit 16,00 EUR für die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen und 18,24 EUR Umsatzsteuer ergeben sich 114,24 EUR.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2013 wies die Beklagte den hiergegen erhobenen Widerspruch als unbegründet zurück. Die Gebührenfestsetzung durch den Bevollmächtigten sei unbillig gewesen. Die Angelegenheit bezog sich nur auf die betragsmäßig geringe Mahngebühr. Die Bedeutung der Angelegenheit sei daher als unterdurchschnittlich zu bewerten. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit tendiere in Richtung der Mindestgebühr, da nur ein einziges kurzes Schreiben versandt worden sei, das in einer Anzahl identischer Fälle ebenso verwandt worden sei. Die doppelte Mindestgebühr von 80,00 EUR sei daher angemessen.

Hiergegen hat der Kläger am 08.08.2013 Klage erhoben.

Er ist der Ansicht, es bestünde ein Anspruch in Höhe von 195,16 EUR. Es seien insgesamt 5 Merkmale bei der Gebührenbemessung zu berücksichtigen. Die geringen wirtschaftlichen Verhältnisse und das geringe Haftungsrisiko würden von der hohen Wertigkeit der SGB II- Leistungen ausgeglichen. Bei der konkreten Bemessung sei von der Mittelgebühr auszugehen. Ausgehend von 280,00 EUR entfielen je 112,00 EUR auf den Umfang und die rechtliche Schwierigkeit und 56,00 EUR auf die Wichtigkeit. Die Wichtigkeit sei wegen der geringen Mahngebühr auf 11,20 EUR zu kürzen, da rechtswidrig die Zwangsvollstreckung angedroht wurde. Beim Umfang sei das Mandantengespräch, welches wegen der angedrohten Zwangsvollstreckung nicht leicht gewesen sei, zu berücksichtigen. Dies entspreche einem Umfang von 74,66 EUR. Bei der rechtlichen Schwierigkeit sei zu beachten, dass die Feststellung der aufschiebenden Wirkung oft nicht trivial sei. Dies ergebe einen angemessenen Betrag von 67,20 EUR. Insgesamt also 153,06 EUR. Da von der Beklagten in der Vergangenheit 144,00 EUR als angemessen angesehen worden sind, sei dieser Betrag angesetzt worden. Die Tätigkeit sei höher zu bewerten als eine Untätigkeitsklage, bei der in der Regel 80,00 EUR angemessen seien. Sie liege aber unter dem üblichen Ansatz von 2/3 der Mittelgebühr (166,67 EUR) im Fall eines Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2013 zu verurteilen, die Kosten des Widerspruchsverfahrens vom 07.05.2013 gegen den Mahngebührenbescheid vom 08.04.2013 i.H.v. 195,16 EUR abzüglich der bereits gezahlten 114,24 EUR zu tragen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist hierzu auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten. Dieser lag vor und war Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid vom 28.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Es kann offenbleiben, ob der Kläger noch Inhaber des verfahrensrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs aus § 63 Abs. 3 SGB X ist. Denn die Firma Q S GmbH hat in dem Anschreiben gegenüber der Beklagten angegeben, dass die Forderung mit ausdrücklicher Zustimmung des Mandanten an sie abgetreten wurde. Falls der Kostenerstattungsanspruch aus § 63 Abs. 3 SGB X wirksam nach § 398 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) abgetreten ist, wäre der Kläger nicht mehr aktivlegitimiert und damit die Klage bereits deshalb unbegründet (vgl. hierzu LSG NRW, Beschluss vom 25.11.2013, L 19 AS 1685/13 B und Beschluss vom 30.07.2012, L 7 AS 1125/12 B).

Jedenfalls besteht kein Kostenerstattungsanspruch, der über den Betrag von 114,24 EUR hinausgeht.

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit ein Widerspruch erfolgreich ist. Nach § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen gemäß § 63 Abs. 3 SGB X fest. Nachdem die Beklagte die Erstattung der notwendigen Aufwendungen und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Abhilfebescheid vom 08.05.2013 für notwendig erklärt hat, ist nur noch die Höhe der Vergütung selbst streitig.

Die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts (Gebühren und Auslagen) bestimmt sich nach den Vorschriften des RVG (§ 1 Abs. 1 RVG). Gemäß § 3 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren. Nach § 3 Abs. 2 RVG gilt Entsprechendes für eine Tätigkeit außerhalb des gerichtlichen Verfahrens. Da der Kläger ein kostenprivilegierter Beteiligter im Sinn des § 183 Satz 1 SGG ist, findet das GKG gem. § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG keine Anwendung.

Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Dabei ist auch das Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Das ist dann der Fall, wenn die von ihm bestimmte Gebühr um mehr als 20 % von der angemessenen Gebühr abweicht (BSG, Urteil vom 01.07.2009, Az. B 4 AS 21/09 R).

Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis, welches dem RVG als Anlage 1 angefügt ist (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Die Höhe der Gebühr im Wider-spruchsverfahren richtet sich nach Nr. 2400 VV RVG in der bis zum 31.07.2013 gültigen Fassung (a.F.). Nach Nr. 2400 VV RVG a.F. liegt die Geschäftsgebühr zwischen 40,00 EUR und 520,00 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (sog. Schwellengebühr).

Bei der Bestimmung der Gebühr nach § 14 RVG ist grundsätzlich von der Mittelgebühr auszugehen, bei der Gebühr nach Nr. 2400 VV RVG zunächst begrenzt auf die Höhe der Schwellengebühr. Die Mittelgebühr ist der nach § 14 RVG angemessene Betrag, wenn als Ergebnis aller nach dieser Vorschrift anzustellenden Erwägungen die Feststellung zu treffen ist, dass es sich um einen Durchschnittsfall handelt (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R). Unter einem solchen "Normalfall" ist ein Fall zu verstehen, in dem sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts unter Beachtung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG nicht nach oben oder unten vom Durchschnitt aller sozialrechtlichen Fälle abhebt. Ein Abweichen von der Mittelgebühr ist bei einem Durchschnittsfall nicht zulässig (LSG NRW, Beschluss vom 28.05.2013, L 9 AS 142/13 B m.w.N.).

Die vom Prozessbevollmächtigten geltend gemachte Gebühr von 144,00 EUR für sein Tätigwerden im Widerspruchsverfahren ist im Hinblick auf den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seines Auftragsgebers auch unter Berücksichtigung des Haftungsrisikos im Sinne von § 14 RVG unbillig.

Es handelt sich um einen deutlich unterdurchschnittlichen Fall.

Die Bedeutung der Angelegenheit war weit unterdurchschnittlich. Bei der Beurteilung der Bedeutung einer Angelegenheit ist auf das unmittelbare Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, die Auswirkungen des Verfahrens auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers oder auf seine Stellung im öffentlichen Leben, sein Ansehen, seinen Namen sowie die rechtliche und tatsächliche Klärung für andere Fälle abzustellen. Vorliegend waren Gegenstand des Widerspruchsverfahrens keine SGB II-Leistungen, die das soziokulturelle Existenzminimum sichern, sondern die Festsetzung von Mahngebühren in Höhe von 1,00 EUR. Bei der in der Mahnung enthaltenen Festsetzung von Mahngebühren handelt es sich um einen Verwaltungsakt gemäß § 31 Satz 1 SGB X, der mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 26.05.2011, B 14 AS 54/10 R). Im Hinblick darauf ist die Bedeutung im Vergleich mit den sonstigen bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängigen Streitsachen als weit unterdurchschnittlich zu bewerten. Die Beschwer des Klägers betrug lediglich 1,00 EUR.

Die Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Klägers sind erheblich unterdurchschnittlich. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisses sind im Vergleich mit denjenigen des Durchschnitts der Bevölkerung zu vergleichen. Die Einkommensverhältnisse sind beim Kläger als SGB II-Bezieher als erheblich unterdurchschnittlich zu bewerten (BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R).

Schwierigkeit und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sind als unterdurchschnittlich zu beurteilen. Bei der Beurteilung der Schwierigkeit anwaltlicher Tätigkeit ist zu berücksichtigen, ob sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf den reinen Sachvortag von Tatsachen sowie die Würdigung von Ermittlungsergebnisse beschränkte oder ob die Auseinandersetzung mit sozialrechtlichen Fragestellungen oder Fragen aus anderen Rechtsgebieten erforderlich war. Als Routinefall auf dem Gebiet des Sozialrechts wertet das Bundessozialgericht die Darlegung eines Anspruchs auf Leistungen mittels Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Rechtsvorschriften, aber ohne umfangreichere Beweiswürdigung und eingehende Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur. Vorliegend wurde mit dem Widerspruch lediglich darauf hingewiesen, dass gegen die zugrundeliegende Erstattungsforderung Widerspruch erhoben wurde, welcher aufschiebende Wirkung hat. Eine besondere Schwierigkeit hinsichtlich tatsächlicher oder rechtlicher Fragestellungen stellte sich daher nicht. Auch der Umfang ist im Hinblick auf das unter Abzug des Briefkopfes knapp eine Seite umfassende Widerspruchsschreiben als unterdurchschnittlich anzusehen.

Das Haftungsrisiko ist im Hinblick auf die streitige Summe von 1,00 EUR Mahngebühren ebenfalls als weit unterdurchschnittlich anzusehen.

Unter Abwägung aller Kriterien des § 14 RVG, die allesamt als (weit) unterdurchschnittlich zu bewerten sind, kommt dem Widerspruchsverfahren eine unterdurchschnittliche Bedeutung zu, so dass der Ansatz einer Gebühr von 80,00 EUR, das heißt einer doppelten Mindestgebühr, durch die Beklagte nicht zu beanstanden ist. Damit hat der Prozessbevollmächtigte die Toleranzgrenze von bis zu 20% beim Ansatz einer Gebühr von 144,00 EUR (80,00 EUR plus 20 % = 96,00 EUR) deutlich überschritten.

Ausgehend von einer angemessenen Geschäftsgebühr von 80,00 EUR besteht Anspruch auf eine Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) von 16,00 EUR (20 % der Gebühren, höchstens 20,00 EUR). Mit Umsatzsteuer von 18,24 EUR (19 % von 96,00 EUR) ergibt sich ein Gesamtbetrag von 114,24 EUR. Dieser wurde von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid auch festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe die Berufung zuzulassen bestehen nicht. Die Berufung ist zulassungsbedürftig, da der Berufungsstreitwert von 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG) nicht erreicht wird. Zulassungsgründe im Sinne von § 144 Abs. 2 SGG liegen jedoch nicht vor, denn die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht die Entscheidung von der Rechtsprechung der Obergerichte ab.
Rechtskraft
Aus
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