L 2 AL 2/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 17 AL 418/07
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 2/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. September 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 2. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld für die Zeit vom 8. März 2007 bis zum 1. April 2007.

Der 1965 geborene Kläger war zuletzt seit dem 1. Dezember 1992 als Bohrer bei der Z. GmbH & Co KG beschäftigt. Vom 22. Februar 2006 bis zur Erschöpfung der Höchstanspruchsdauer am 5. März 2007 bezog der Kläger von der G. Ersatzkasse Krankengeld. Am 8. Januar 2007 stellte er einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente bei der Deutschen Rentenversicherung N. (DRV N.). In der Zeit vom 10. November 2006 bis zum 3. Januar 2007 befand sich der Kläger in der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des A.-Klinikums H. in vollstationärer und vom 6. Februar 2007 bis zum 13. April 2007 in tagesklinischer Behandlung.

Am 8. März 2007 beantragte der zum Betreuer des Klägers bestellte Diplom-Sozialpädagoge W.S. unter Vorlage einer Kopie der Bestellungsurkunde per Telefax für den Kläger Arbeitslosengeld. Mit weiterem gleichfalls per Telefax übermitteltem Schreiben vom 9. März 2007 bat der Betreuer des Klägers, den Arbeitslosengeldanspruch nach § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zu behandeln. Mit Schreiben vom 15. März 2007 forderte die Beklagte den Betreuer des Klägers unter Hinweis auf die Fax-Schreiben vom 8. und 9. März 2007 auf, persönlich zu erscheinen, da eine Arbeitslosmeldung nach § 122 SGB III nur persönlich erfolgen könne. Hierauf reagierte der Betreuer mit Schreiben vom 20. März 2007, in dem er unter Beifügung des Beschlusses des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Februar 2007 (L 1 B 6/07 AL, juris) die Auffassung vertrat, eine persönliche Meldung des Betreuers sei nicht erforderlich, da sich die Gründe für die Notwendigkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung, nämlich die Prüfung der Vermittlungsfähigkeit und der frühzeitige Beginn von Vermittlungsbemühungen, im Verhältnis zum Vertreter des Arbeitslosen ohnehin nicht verwirklichen ließen. Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger wegen einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung voraussichtlich in Zukunft eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten werde.

Am 2. April 2007 erschien der Kläger in Begleitung einer Mitarbeiterin der Tagesklinik des A.-Klinikums H. bei der Beklagten und stellte sich im Rahmen des zu erwartenden ärztlichen Gutachtens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung.

Mit Bescheid vom 11. Mai 2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab dem 2. April 2007 Arbeitslosengeld für 360 Tage in Höhe von täglich 32,77 EUR.

Hiergegen legte der Betreuer des Klägers wegen des Anspruchsbeginns unter Bezugnahme auf seinen Schriftsatz vom 20. März 2007 Widerspruch ein.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Bezug von Arbeitslosengeld nach der Regelung des § 125 SGB III den Kläger nicht von der Verpflichtung zur persönlichen Arbeitslosmeldung entbinde. Die schriftliche Antragsstellung durch den Betreuer vom 8. März 2007 reiche nicht aus, da auch die Meldung nach § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III durch den Vertreter persönlich zu erfolgen habe. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld für den streitigen Zeitraum lasse sich auch nicht aus einer Verletzung der Beratungspflicht aus den Grundsätzen zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch herleiten, da sich die materielle Anspruchsvoraussetzung der persönlichen Arbeitslosmeldung nicht nachträglich durch eine Amtshandlung der Beklagten herstellen lasse. Im Übrigen sei zweifelhaft, ob eine Verletzung der Beratungspflicht überhaupt vorliege. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein- Westfalen vom 28. Februar 2007 (a.a.O.) führe zu keinem anderen Ergebnis, da es sich um eine Einzelfallentscheidung handele, in der zudem ausgeführt sei, dass zu der Notwendigkeit des persönlichen Erscheinens des Vertreters keine höchstrichterliche Entscheidung vorliege.

Mit Bescheid der DRV N. vom 21. März 2007 war dem Kläger aufgrund eines am 10. November 2006 eingetretenen Leistungsfalls ab 1. Juni 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 31. Mai 2009 bewilligt worden. Nachdem die Beklagte hiervon am 6. Juni 2007 Kenntnis erhalten hatte, hob sie mit Bescheid vom 8. Juni 2007 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 11. Juni 2007 auf.

Der Kläger hat am 25. Juni 2007 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass sich aus dem Wortlaut des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III ausdrücklich nicht ergebe, auf welche Weise die Meldung durch den Vertreter zu erfolgen habe. Sinn und Zweck der Arbeitslosmeldung liefen bei einer persönlichen Meldung des Vertreters ins Leere. Ein Betreuer habe seine Arbeitszeit effizient und zielgerichtet zum Wohle des Betreuten einzusetzen, und es sei ihm nicht zumutbar, Zeit auf den Fluren der Arbeitsverwaltung zu vergeuden. Der Antrag sei am 8. März 2007 zur Sicherung der Leistungsansprüche und nicht zur Wiederaufnahme einer Arbeit gestellt worden, weil der Kläger schwer chronisch krank und auf unabsehbare Zeit leistungsgemindert gewesen sei.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass die Arbeitslosmeldung nach § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III persönlich zu erfolgen habe. Dies werde durch § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III lediglich dadurch eingeschränkt, dass die Meldung durch einen Vertreter erfolgen könne, wenn die persönliche Meldung dem Leistungsgeminderten aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei. Es sei jedoch nicht geregelt, dass die Meldung in diesen Fällen auch schriftlich vorgenommen werden könne. Wäre dies vom Gesetzgeber so gewollt gewesen, wäre es entweder im § 122 oder im § 125 SGB III aufgenommen worden.

Auf Anforderung des Sozialgerichts hat der Kläger ein Schreiben seines behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie R.S. vom 24.08.2007 vorgelegt. Darin heißt es, dass der Kläger aufgrund einer zugespitzten schweren Depression, z.T. mit Produktivsymptomatik, während der Zeit vom 8. März 2007 bis 1. April 2007 nicht in der Lage gewesen sei, seine eigenen Dinge selber sinnvoll wahrzunehmen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14. September 2010 die streitigen Bescheide abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger Arbeitslosengeld für die Zeit vom 8. März 2007 bis zum 1. April 2007 zu zahlen. Außer den Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld hätten auch die Voraussetzungen nach § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III vorgelegen, weil der Kläger nach den Feststellungen der DRV N. seit dem 10.November 2006 voll erwerbsgemindert und nach der Beurteilung des behandelnden Nervenarztes R.S. in seinem Schreiben vom 24. August 2007 aufgrund einer zugespitzten schweren Depression während der Zeit vom 8. März 2007 bis zum 1. April 2007 nicht in der Lage gewesen sei, seine eigenen Dinge selber sinnvoll wahrzunehmen. Daher habe er sich wegen gesundheitlicher Einschränkungen im streitigen Zeitraum nicht persönlich arbeitslos melden können. Das per Fax am 8. März 2007 bei der Beklagten eingegangene Schreiben des Betreuers des Klägers, mit dem er Arbeitslosengeld für den Kläger beantragt habe, sei als ausreichende Arbeitslosmeldung im Sinne des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III zu werten. Entgegen der Ansicht der Beklagten sei im Falle der Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter nach § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III dessen persönliches Erscheinen bei der Agentur für Arbeit nicht erforderlich. Dem Wortlaut der Vorschrift des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III könne nicht entnommen werden, ob die Arbeitslosmeldung durch den Vertreter persönlich zu erfolgen habe. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift sei jedoch davon auszugehen, dass eine schriftliche Meldung des Vertreters ausreichend sei. Die Regelung des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III solle verhindern, dass ein Leistungsanspruch nicht entstehen könne, weil der Betroffene wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen die Arbeitsagentur nicht persönlich aufsuchen könne. Dieser Schutzzweck lege es nahe, die Anforderungen an die Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter im Interesse des gesundheitlich beeinträchtigten Arbeitslosen nicht zu streng auszulegen. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2007, L 1 B 6/07 AL, juris) hat es ausgeführt, dass wesentliche Gründe für die Notwendigkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung, nämlich die Prüfung der Vermittlungsfähigkeit und der frühzeitige Beginn von Vermittlungsbemühungen, sich im Verhältnis zum Vertreter des Arbeitslosen ohnehin nicht verwirklichen ließen. Der Arbeitslosengeldanspruch sei auch nicht wegen des eingetretenen Leistungsfalls, aufgrund dessen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden sei, entfallen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach § 125 SGB III entfalle nämlich erst zum Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung über die Rentenbewilligung bei der Arbeitsagentur (Hinweis auf Brand in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 125 Rdnr. 7). Vorliegend sei davon auszugehen, dass die Beklagte erst nach dem 1. April 2007 Kenntnis von der Rentenbewilligung erhalten habe, da sie erst mit Bescheid vom 8. Juni 2007 die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Wirkung vom 11. Juni 2007 aufgehoben habe.

Gegen das ihr am 7. Dezember 2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Hamburg hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Januar 2011 am gleichen Tage Berufung eingelegt. Zur Begründung weist sie auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 4. Mai 2012 - L 2 AL 33/10, juris) hin und bekräftigt ihre Rechtsauffassung. Sowohl unter Berücksichtigung des Wortlautes und des Zwecks des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III als auch vor dem Hintergrund des § 309 SGB III sei eine Arbeitslosmeldung durch den Vertreter persönlich vorzunehmen. Dies sei auch zumutbar und sachgerecht, da nur in einem persönlichen Gespräch mit dem Vertreter Unklarheiten bei der Antragsstellung oder über die Vermittlungsfähigkeit geklärt werden könnten. Die persönliche Arbeitslosmeldung solle überdies nicht nur gewährleisten, dass die Beklagte Schritte zur Arbeitsvermittlung einleiten könne, sondern der Beklagten auch ermöglichen, den Eintritt des Versicherungs- und Leistungsfalls zu prüfen. Andernfalls wäre eine persönliche Arbeitslosmeldung in Fällen des § 125 SGB III auch für den Arbeitslosen selbst entbehrlich. Für eine Leistungsgewährung bestehe überdies ein Legitimationserfordernis. Auch systematisch kenne das SGB III nur die persönliche Arbeitslosmeldung, z. B. in § 38 Abs. 1 SGB III. Das gegenteilige Vorbringen des Betreuers gehe an der gesetzlichen Aufgabe des Betreuers vorbei, die in einer persönlichen Betreuung und nicht in einer Betreuung vom Schreibtisch aus bestehe. Die Betreuerfunktion verlange faktische Handlungen, wenn diese zur Vorbereitung einer Rechtshandlung erforderlich oder zur Durchführung einer rechtlich relevanten Handlung nötig seien. Spätestens nach der Aufforderung der Beklagten zum persönlichen Erscheinen sei er nach seinem Aufgabenkreis hierzu verpflichtet gewesen. Bei Zweifeln wäre eine Rechtsauffassung des zuständigen Vormundschaftsgerichts einzuholen gewesen. Die Notwendigkeit einer persönlichen Vorsprache zeige auch der vorliegende Sachverhalt, weil nicht habe erörtert werden können, warum eine persönliche Meldung des Klägers nicht habe erfolgen können. Des Weiteren habe dem Vertreter nicht die Zuständigkeit des Reha-Teams aufgezeigt werden können. Auch sei der Hinweis der Beklagten, dass eine persönliche Arbeitslosmeldung durch den Vertreter erforderlich sei, nicht beachtet worden. Für den Fall, dass gleichwohl eine schriftliche Meldung als ausreichend angesehen werde, bestünden auch Bedenken, ob der Kläger die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 4 SGB III erfüllt habe, wonach er sich unverzüglich persönlich nach Wegfall des Grundes der Verhinderung bei der Beklagten zu melden habe. Es sei auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine persönliche Vorsprache des Klägers nicht rechtzeitig in Begleitung des Betreuers oder in Begleitung einer anderen Person möglich gewesen sein sollte. Eine ärztliche Feststellung der Tagesklinik, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen die Beklagte nicht allein habe aufsuchen können, liege nicht vor. Die Bescheinigung des behandelnden Arztes R.S. sei nicht nachvollziehbar, da eine von ihm beschriebene Zuspitzung der Erkrankung bei einer tagesklinischen Behandlung nicht mehr vorgelegen habe dürfte. Andernfalls hätte der Kläger vollstationär behandelt werden müssen. Im Übrigen sei es auch Aufgabe des Kliniksozialdienstes gewesen, den Kläger bei notwendigen Behördengängen zur Sicherung seiner Leistungsansprüche zu begleiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Kläger bezieht sich auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils. Er meint, dass bereits der Umstand, dass für ihn eine Betreuung eingerichtet sei, zeige, dass er seine Angelegenheiten nicht oder nur unzureichend besorgen könne. Weitere Ausführungen zum Krankheitsbild seien daher nicht erforderlich. Eine Weiterleitung des Antrages auf Arbeitslosengeld an die zuständige Reha-Abteilung sei auch ohne persönliche Arbeitslosmeldung des Vertreters problemlos möglich gewesen. Sinn und Zweck des Erfordernisses der persönlichen Arbeitslosmeldung des Versicherten könnten durch den Vertreter nicht erfüllt werden, die insbesondere darin bestünden, Vermittlungsbemühungen einleiten zu können. Weil bei Leistungsgeminderten diese Anforderung keinen Sinn mache, lasse das Gesetz sinnvollerweise die Antragstellung durch einen Vertreter – ohne persönliche Vorsprache – genügen und fordere die persönliche Vorsprache erst dann, wenn seine gesundheitliche Situation dies zulasse. Wenn die Annahme zuträfe, eine höchstpersönliche Vorsprache des Vertreters sei erforderlich, um die Beklagte ausreichend und vollständig zu informieren und ihr insbesondere Vermittlungsbemühungen zu ermöglichen, wäre die persönliche Vorsprache des Versicherten nach seiner Genesung nicht erforderlich. Allein aus dem Umstand, dass der Kläger im streitigen Zeitraum teilstationär behandelt worden sei, lasse sich nicht ableiten, dass gesundheitliche Gründe einer persönlichen Arbeitslosmeldung des Klägers nicht entgegengestanden hätten. Eine stationäre Behandlung diene bei einer depressiven Erkrankung, wie sie bei dem Kläger vorgelegen habe, dem Schutz vor Selbstgefährdung und der Einstellung einer medikamentösen Behandlung und dauere nicht bis zur Genesung an.

Auf Anforderung des Berichterstatters im Erörterungstermin am 1. März 2013 hat der Kläger eine Stellungnahme der Sozialpädagogin Silke Niendorf aus der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des A.-Klinikums vom 22. März 2013 vorgelegt. Darin heißt es u.a., der Kläger sei aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht in der Lage gewesen, den Termin allein wahrzunehmen. Eine Begleitung durch eine Mitarbeiterin der Einrichtung sei unüblich, nicht leistbar und nicht vor dem 2. April 2007 möglich gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte S 17 AL 418/07 = L 2 AL 2/11 und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Mai 2007, mit dem die Beklagte dem Kläger erst ab dem 2. April 2007 Arbeitslosengeld gewährt hat, ist rechtmäßig, da sich der Kläger vor diesem Zeitpunkt nicht persönlich bei der Beklagten arbeitslos gemeldet hat und die schriftliche Meldung und Antragsstellung durch den Betreuer des Klägers nicht ausreicht, die auch in § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III in der hier anzuwendenden, bis 31. März 2012 geltenden Fassung (nachfolgend als SGB III a.F. bezeichnet), im Wesentlichen unverändert fortgeschrieben als § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB III, vorgesehene Meldung zu ersetzen.

Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III a.F. hatten in der hier streitigen Zeit Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, wenn sie arbeitslos waren, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatten. Gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. war hierfür grundsätzlich die persönliche Meldung bei der zuständigen Agentur für Arbeit erforderlich. Allerdings konnte unter den Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III a.F. die Meldung durch einen Vertreter erfolgen, wenn sich der Leistungsgeminderte wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich arbeitslos melden konnte.

Ob in diesem, inzwischen in § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB III geregelten Fall der Vertreter die Meldung persönlich vorzunehmen hat, ist umstritten.

Dem angefochtenen Urteil beipflichtend haben sich Teile der Instanzrechtsprechung und der Literatur geäußert (SG Berlin, Urteil vom 27. März 2012 – S 80 AL 1650/10, juris; Brand in: Niesel, SGB III, 6. Aufl. § 145 Rn. 14; Winkler in: Gagel, SGB II/ SGB III, § 145 Rn. 138; Aubel in: jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 145 Rn. 28, Steinmeyer in: info also 2012, 123 ff., offen gelassen: LSG für das Land Nordrhein- Westfalen, Beschluss vom 28. Februar 2007 – L 1 B 6/07, juris). Da es Sinn und Zweck einer persönlichen Arbeitslosmeldung sei, die Vermittlungsfähigkeit des Arbeitslosen zu prüfen und möglichst frühzeitig mit den Vermittlungsbemühungen zu beginnen, dies im Verhältnis zu dem Vertreter jedoch nicht möglich sei, bedürfe es einer persönlichen Vorsprache des Vertreters zur Arbeitslosmeldung nicht. Zwar sei auch in den Nahtlosfällen die subjektive Verfügbarkeit Voraussetzung für den Leistungsanspruch; ob und welche Arbeit noch zumutbar sei, müsse aber zunächst medizinisch abgeklärt werden. Weil in der Anzeige des Leistungsfalls grundsätzlich die Erklärung enthalten sei, sich diesem Verfahren zu unterziehen, bedürfe es keiner persönlichen Vorsprache des Vertreters, diese abzufragen. Aus der in § 125 Abs. 1 Satz 4 SGB III a.F. geforderten persönlichen Vorsprache des Arbeitslosen, sobald dieser imstande sei, die Agentur für Arbeit aufzusuchen, gehe hervor, dass eine Vorsprache des Vertreters nicht die persönliche Arbeitslosmeldung ersetze, sondern nur den Beginn des Anspruchs nach § 118 SGB III a.F. sichern solle (vgl. Steinmeyer, a.a.O.).

Abweichend hiervon wird in der Rechtsprechung anderer Instanzgerichte und Teilen der Literatur die Auffassung vertreten, dass mit § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III a.F. lediglich das Erfordernis der persönlichen Meldung durch einen Vertreter ersetzt werde. Eine telefonische oder schriftliche Arbeitslosmeldung sei nicht ausreichend, da unter einer Meldung im Sinne des SGB III grundsätzlich die persönliche Vorsprache zu verstehen sei (§ 309 SGB III a.F.). Das Erfordernis der persönlichen Vorsprache eines Vertreters sei auch nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar, weil im Gespräch mit einem Vertreter Unklarheiten bei der Antragstellung oder Vermittlungsfähigkeit geklärt werden könnten (SG Düsseldorf, Urteil vom 11. Juni 2007 – S 13 (20) AL 58/06, juris). Das Gesetz gehe davon aus, dass sich der Arbeitslose entweder selbst persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos melde oder – wenn er hierzu objektiv aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei – ein Vertreter dies zu tun habe (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. September 2013 – L 18 AL 126/12 –, juris; Sauer in: Jahn, SGB III, Stand 2011, § 125 Rn. 10a). Da der Vertreter an Stelle des Arbeitslosen handele, müsse er sich persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos melden, eine andere Auslegung widerspräche dem Zweck der Regelung. Dies zeige sich bereits daran, dass der Arbeitslose sich auch dann vertreten lassen müsse, wenn er selbst sich schriftlich melden könnte (Kreikebohm: Komm. z. Sozialrecht, SGB III, 3. Aufl. 2013, § 145 Rn. 16). Das SG Berlin (a.a.O.) habe deshalb entgegen dem Wortlaut der Norm eine schriftliche Meldung des Arbeitslosen für die Entstehung des Leistungsanspruchs nach § 125 SGB III ausreichen lassen. Weil es nicht sein könne, dass eine schriftliche Meldung des Vertreters ausreichen solle, nicht aber des Arbeitslosen selbst, dessen schriftliche Meldung ggf. einen höheren Informationsgehalt aufweise, sind auch Rokita/Weinholtz (in: Schönefelder u.a.: SGB III, Arbeitsförderung, 3. Aufl., Stand Mai 2010, § 125 Rn. 67-69) der Auffassung, dass auch die Meldung des Vertreters persönlich zu erfolgen habe. Im Übrigen hält auch Steinmeyer (a.a.O.) diese Begründung für ein starkes Argument.

Wie die Beklagte vertritt auch der Senat die Auffassung, dass eine persönliche Meldung des Vertreters nach § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III a.F. nicht entbehrlich ist. Hierfür sprechen außer dem Sinn und Zweck der persönlichen Arbeitslosmeldung vor allem gesetzessystematische Gründe (nachstehend 1.) Auch der Entstehungsgeschichte (nachstehend 2.) oder dem Wortlaut des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III a.F (nachstehend 3.) kann nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber das Erfordernis der persönlichen Arbeitslosmeldung bei Tätigwerden eines Vertreters als entbehrlich angesehen hat.

1. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Arbeitslosmeldung nicht auf die Vermittlungstätigkeit der Agentur für Arbeit allein bezogen, sondern dient auch der Anzeige des Eintritts des in der Arbeitslosenversicherung gedeckten Risikos Arbeitslosigkeit. Sie soll nicht nur Informationen über die Verwendbarkeit des Arbeitslosen sowie seine objektive und subjektive Verfügbarkeit vermitteln, sondern durch die persönliche Meldung Angaben zum Eintritt des Versicherungsfalls insgesamt herbeiführen und seine möglichst rasche Behebung ermöglichen. Die Arbeitslosmeldung ist als konstitutive Voraussetzung des Leistungsanspruchs Tatsachenerklärung über den Eintritt der Arbeitslosigkeit (BSG, Urteil vom 14. Dezember 1995 – 11 RAr 75/95, BSGE 77, 175-181). Diese Funktion der persönlichen Arbeitslosmeldung kann in Fällen der objektiven Unmöglichkeit der Arbeitslosmeldung aus gesundheitlichen Gründen der Vertreter erfüllen. Darauf, dass in der Person des Vertreters die Vermittlungsmöglichkeiten nicht geprüft werden können, kommt es mithin nicht an. Mit dem Argument, dass eine Prüfung der Verfügbarkeit in den Nahtlosfällen ohnehin nicht erforderlich sei, übersieht die Gegenansicht, dass mit dieser Begründung auf eine persönliche Arbeitslosmeldung in den Nahtlosfällen insgesamt verzichtet werden könnte. Dass dies vom Gesetz nicht gewollt ist, ergibt sich zum einen aus § 125 Abs. 1 Satz 4 SGB III a.F., zum anderen aber auch daraus, dass auch in den Nahtlosfällen die subjektive Verfügbarkeit, nach der der Arbeitslose bereit sein muss, alle seiner objektiven Leistungsfähigkeit entsprechenden und nach Art und Umfang zumutbaren Beschäftigungen aufzunehmen, zu prüfen ist. Dem Einwand, dass die subjektive Verfügbarkeit sinnvoll erst nach Abschluss der medizinischen Ermittlungen abgeprüft werden könne und die Erklärung, sich diesem Verfahren zu unterziehen, bereits die Bereitschaft des Arbeitslosen enthalte, sich im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung zu stellen, steht die Vorschrift des § 125 Abs. 1 Satz 4 SGB III a.F. entgegen, der die Nachholung der persönlichen Meldung des Arbeitslosen vorschreibt, sobald dieser imstande ist, die Agentur für Arbeit aufzusuchen. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt § 125 Abs. 1 Satz 4 SGB III a.F. deshalb gerade nicht den Schluss zu, dass wegen der Pflicht zur Nachholung der persönlichen Meldung des Arbeitslosen die Meldung durch den Vertreter nicht persönlich vorgenommen werden muss.

Der Beklagten ist auch darin zuzustimmen, dass in einer persönlichen Gesprächssituation am besten Unklarheiten bezüglich unterschiedlicher Zuständigkeiten, des Bezugs anderer Sozialleistungen, der gesundheitlichen Voraussetzungen zum Verzicht auf die persönliche Arbeitslosmeldung, der Probleme, die sich stellen, wenn objektiv keine Leistungsminderung festzustellen ist, sowie der Nachholungspflicht zur persönlichen Meldung geklärt werden können. In einem persönlichen Gespräch lässt sich auch die Legitimation des Vertreters zuverlässiger prüfen und möglicherweise durch Beratung eine den Interessen des Arbeitslosen mutmaßlich zuwiderlaufende zu frühe Arbeitslosmeldung verhindern.

2. Die Entbehrlichkeit einer persönlichen Arbeitslosmeldung des Vertreters lässt sich auch nicht der Entstehungsgeschichte des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III a.F. entnehmen. Ob der Gesetzgeber im Arbeitsförderungs-Reformgesetz vom 24. März 1997 durch Schaffung des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III, der in § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB III fortgeschrieben wurde, auf die Entscheidung des BSG vom 9. August 1990 (11 RAr 141/88, SozR 3-4100 § 105a Nr. 2) hin einen dort anklingenden Korrekturbedarf umgesetzt hat (so Steinmeyer a.a.O.) ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar, kann aber offen bleiben. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass die Regelung verhindern soll, einen Leistungsanspruch nicht entstehen zu lassen, weil der Betroffene etwa wegen akuter gesundheitlicher Beeinträchtigungen das Arbeitsamt nicht persönlich aufsuchen kann (BT-Drucksache 13/4941 S. 177). Hätte der Gesetzgeber Abstand von der Erforderlichkeit der persönlichen Arbeitslosmeldung des Vertreters nehmen wollen, hätte es nahegelegen, eine schriftliche Arbeitslosmeldung des Arbeitslosen selbst genügen zu lassen. Gerade dies ist nicht geschehen. Der mit der Gesetzesbegründung verfolgte Zweck lässt sich ohne Weiteres auch mit dem Erfordernis einer persönlichen Meldung des Vertreters erreichen. Der mit einer Verpflichtung zur persönlichen Arbeitslosmeldung verbundene Arbeitsaufwand ist hinzunehmen, da er, wie von der Beklagten zu Recht aufgezeigt, zum Aufgabenkreis eines Betreuers gehört und dieser im Übrigen veranlassen kann, dass ein anderer Vertreter zur persönlichen Arbeitslosmeldung des Versicherten bevollmächtigt wird, denn Vertreter kann jede volljährige Person sein, wie z.B. Angehörige oder professionelle Helfer von Einrichtungen.

3. Letztlich spricht vor diesem Hintergrund auch die Wortlautauslegung eher für das Erfordernis einer persönlichen Meldung des Vertreters. Die Vorschrift des § 125 Abs. 1 Satz 3 SGB III a.F. lautet: Kann sich der Leistungsgeminderte wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich arbeitslos melden, so kann die Meldung durch einen Vertreter erfolgen. Es ist anzunehmen, dass der Gesetzgeber zur Vermeidung der Verdoppelung des Wortes persönlich, auf dieses im Beisatz, der sich auf das "persönliche arbeitslos melden" bezieht, verzichtet hat. Die Vorschrift ist also bei zutreffendem Verständnis ihres Wortlautes so zu lesen: Kann sich der Leistungsgeminderte wegen gesundheitlicher Einschränkungen nicht persönlich arbeitslos melden, so kann die (persönliche) Meldung durch einen Vertreter erfolgen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob für die Arbeitslosmeldung durch einen Vertreter nach § 125 Abs. 1 Satz 3 SGG a.F. (jetzt: § 145 Abs. 1 Satz 3 SGB III) dessen persönliche Vorsprache erforderlich ist, grundsätzliche Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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