L 18 AS 2232/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 AS 15122/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2232/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 81/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Beschwerde beim BSG / Beschluss (-)
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Oktober 2011 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern zu 1. und 3. unter Änderung des Ablehnungsbescheides vom 24. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Monat März 2010 in Höhe von jeweils 1,- Euro zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1964 geborene Klägerin zu 1. und ihre 1989 bzw. 1991 geborenen Söhne, die Kläger zu 2. und 3., bezogen seit Anfang 2005 ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Sie bewohnten eine der Klägerin zu 1. gehörende Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 103 m². Der Kläger zu 2., der im September 2009 die Schule abgebrochen hatte, absolvierte vom 18. Januar 2010 bis 11. April 2010 ein mit einem Bruttomonatsgehalt von 1.450,- Schweizer Franken (CHF) – entspricht etwa 1.187,55 Euro - vergütetes Praktikum als Veranstaltungstechniker bei der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft in D (Schweiz), um sich mit dieser Berufssparte vertraut zu machen. Aus dieser Tätigkeit flossen ihm am 2. Februar 2010 500,- CHF (= 339,37 Euro), am 25. Februar 2010 1.114,04 CHF (= 761,33 Euro), am 25. März 2010 1106,15 CHF (= 774,61 Euro) und am 3. Mai 2010 764,21 CHF (= 532,07 Euro) zu. Die monatliche Miete für die Unterkunft in der Schweiz betrug umgerechnet 169,93 Euro.

Mit ihrem für die Kläger gestellten Fortzahlungsantrag vom 1. Dezember 2009 legte die Klägerin zu 1. die Einnahmen und Ausgaben im Zeitraum 1. Juli 2009 bis 25. November 2009 der drei von ihr betriebenen Gewerbe (Schreibdienst: Gewinn von 4.369,88 Euro, Interneteinzelhandel: Gewinn von 146,00 Euro, Pension in der Uckermark: Verlust von 2.909,48 Euro) dar und errechnete als Berechnungsgrundlage für den zukünftigen Bedarfszeitraum aus dem "Gesamtüberschuss" von 1.606,40 Euro ein monatliches Durchschnittseinkommen von 267,73 Euro. Mit Bescheid vom 11. Dezember 2009 versagte der Beklagte die Leistungen für die Kläger ab dem 1. Januar 2010, weil die Klägerin zu 1. nicht getrennt für jedes Unternehmen Prognosen für die in den Monaten Januar bis Juni 2010 erwarteten Einnahmen vorgelegt hätte. Mit Bescheid vom 18. Januar 2010 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Leistungen ab 1. Januar 2010 ab, weil die Kläger nicht hilfebedürftig seien. Dabei erkannte der Beklagte von dem für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 25. November 2009 für den Schreibdienst und den Einzelhandel dargelegten Ausgaben die Kfz-Kosten und die Aufwendungen für Fremdarbeiten und Kosten des Geldverkehrs nicht an, weil die entsprechenden Nachweise nicht vorgelegt worden seien. Die Einnahmen und Ausgaben aus dem Pensionsbetrieb wurden insgesamt nicht berücksichtigt, weil ein Verlustausgleich aus mehreren selbständigen Tätigkeiten nicht möglich sei. Mit Bescheid vom 25. Januar 2010 hob der Beklagte den Bescheid vom 11. Dezember 2009 auf. Die Kläger legten am 26. Januar 2010 Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Dezember 2009 (gemeint: 18. Januar 2010) ein. Ihr Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde mit Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 17. Februar 2010 – S 77 AS 2247/10 ER – zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 23. März 2010 teilte die Klägerin zu 1. mit, dass sich das "Wohngeld" (Betriebskosten) für ihre Eigentumswohnung für die Monate März bis Mai 2010 um Sonderzahlungen von monatlich 206,11 Euro erhöht hätte. Daraufhin nahm der Beklagte eine Neuberechnung vor, der ein Einkommen des Klägers zu 2. aus seinem Praktikum in Höhe von (iHv) monatlich 778,- Euro (Nettoeinkommen abzüglich Miete für Unterkunft in der Schweiz) und bezüglich des Einkommens der Klägerin zu 1. die unterdessen eingereichte abschließende Einnahmenüberschussrechnung für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 31. Dezember 2009, auf die Bezug genommen wird, zugrunde gelegt wurde. Da nur der Schreibdienst einen Gewinn erzielt hatte, wurde vom Beklagten ein sich daraus ergebenden durchschnittlicher monatlicher Gewinn von 1.005,38 Euro als Einkommen im Wege der "Schätzung" angesetzt. Kfz-Kosten wurden nunmehr berücksichtigt; die Fremdarbeiten blieben weiterhin mangels Einreichen entsprechender Nachweise unberücksichtigt. Auf dieser Grundlage setzte der Beklagte mit drei Änderungsbescheiden vom 24. März 2010 für Januar 2010 eine Leistung iHv 25,43 Euro sowie für April 2010 iHv 269,78 Euro, für Mai 2010 iHv 498,66 Euro und für Juni 2010 iHv 292,55 Euro vorläufig fest. Den Klägern wurde mitgeteilt, dass für die Monate Januar, April, Mai und Juni 2010 Kranken- und Pflegeversicherungsschutz bei der BKK Sekurvita bestehe. Es wurde ferner darauf hingewiesen, dass Grundlage für die abschließende Entscheidung der binnen zwei Monaten nach Ende des Bewilligungszeitraums vorzulegende Nachweis über das tatsächliche Einkommen im Bewilligungszeitraum sei. Bei nicht fristgerechter Vorlage könne das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit geschätzt werden. Mit Ablehnungsbescheid vom 24. März 2010 lehnte der Beklagte einen Anspruch der Kläger auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Monate Februar und März 2010 (endgültig) ab. Als monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) setzte der Beklagte in den Bescheiden vom 24. März 2010 monatliche Beträge iHv 442,39 Euro für Januar und Februar 2010 sowie für März bis Juni 2010 iHv 648,50 Euro an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Januar 2009 (gemeint: 2010) in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. März 2010 zurück. Den mit Schreiben vom 16. April 2010 gegen die Änderungsbescheide vom 24. März 2010 erhobenen Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2010 als unzulässig zurück.

Nachdem die Klägerin zu 1. während des den Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 betreffenden Klageverfahrens mit Schreiben vom 22. Juni 2010 eine die Einnahmen und Ausgaben nicht getrennt nach den einzelnen Gewerbezweigen aufführende Einnahmenüberschussrechnung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 bei dem Beklagten eingereicht hatte, die Betriebseinnahmen von 14.462,33 Euro (ohne vereinnahmte Umsatzsteuer) sowie einen Verlust iHv 2.435,64 Euro auswies, hat der Beklagte bei der Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 23. Juli 2010 für jedes einzelne Unternehmen Einnahmeüberschussrechnungen angefordert und darauf hingewiesen, dass bei Nichtvorlage dieser Unterlagen bis zum 9. August 2010 das Einkommen aus Selbständigkeit geschätzt werden könne. Auf die Mitteilung der Klägerin zu 1. (Schreiben vom 26. Juli 2010), einer Trennung nach Unternehmen bedürfe es nicht, hat der Beklagte mit zwei an den Kläger zu 3. gerichteten Bescheiden vom 14. September 2010 aufgrund von für ihn und "die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen" eingetretenen Änderungen (endgültig) Leistungen für Januar 2010 sowie für April und Mai 2010 iHv jeweils 0,- Euro "bewilligt". Dabei legte er ein geschätztes Einkommen der Klägerin zu 1. aus ihrer selbständigen Tätigkeit von monatlich 1.800,- Euro zugrunde. Mit weiteren die "endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs und Erstattung von Leistungen" betreffenden und an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheiden vom 14. September 2010 hat der Beklagte jeweils von sämtlichen Klägern einzeln die in den Monaten Januar, April und Mai 2010 erbrachten Leistungen nebst den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückgefordert und ferner hinsichtlich der Berechnung des zugleich verneinten Leistungsanspruchs auf den Bescheid vom 14. September 2010 verwiesen. Die hiergegen erhobenen Widersprüche hat der Beklagte mit drei Widerspruchsbescheiden vom 25. Oktober 2010 als unzulässig zurückgewiesen, weil sämtliche Bescheide gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden seien. Hinsichtlich der Erstattungsentscheidungen in den Widerspruchsbescheiden vom 25. Oktober 2010 sind Klagen der zum 1. Juni 2010 nach O (Uckermark) verzogenen Klägerin zu 1. sowie der Kläger zu 2. und 3. beim SG Neuruppin bzw. SG Berlin anhängig bzw. anhängig gewesen.

Nachdem die Kläger im hiesigen Klageverfahren zunächst (höhere) SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 sowie die Übernahme von Kosten für eine private Krankenversicherung iHv 207,- Euro monatlich für die die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. März 2010 begehrt hatten, haben sie, nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Berlin am 27. Oktober 2011 die Erstattung freiwillig gezahlter Krankenversicherungsbeiträge für die Monate Januar bis März 2010 für den Fall einer bestandskräftigen Feststellung ihrer Hilfebedürftigkeit in diesen Monaten zugesichert hatte, nur noch (höhere) SGB-Leistungen unter Zugrundelegung eines einheitlichen Einkommens der Klägerin zu 1. aus ihren drei selbständigen Gewerbezweigen für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 begehrt. Sie haben vorgetragen: Die Einnahmen und Ausgaben müssten für alle drei Gewerbezweige in einer Gesamtberechnung saldiert werden. § 5 der Arbeitslosengeld II-Verordnung (im Folgenden Alg II-V) schließe einen Verlustausgleich nur zwischen verschiedenen Einkommensarten aus. Bei der selbständigen Arbeit handele es sich um eine Einkommensart. Innerhalb dieser sei bei dem Betrieb verschiedener selbständiger Gewerbezweige eine Saldierung von Einnahmen und Ausgaben zulässig. In der vom Beklagten vorgenommenen Auslegung sei die Vorschrift des § 5 Alg II-V, die auch keine Ausnahme für Härtefälle vorsehe, verfassungswidrig. Die Zulässigkeit eines Verlustausgleichs für die verschiedenen selbständigen Gewerbe entspreche allein den Besonderheiten einer selbständigen Tätigkeit, bei der die Rentabilität oftmals saisonalen Schwankungen unterworfen sei und die typischerweise zu Beginn keinen Gewinn abwerfe. Dieser Besonderheit trage auch die Möglichkeit Rechnung, die selbständigen Tätigkeiten über einen Zeitraum von zwei Jahren durch öffentliche Leistungen wie z. B. das Einstiegsgeld fördern zu können. Die Klägerin zu 1. habe den Pensionsbetrieb mit Wissen des Beklagten aufgenommen. Die beim Pensionsbetrieb auftretenden Verluste resultierten aus der unvermeidbaren Anfangsphase. Das SG Berlin hat die Klage mit Urteil vom 27. Oktober 2011 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten die Kläger nicht in ihren Rechten. Diese hätten keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II unter Zugrundelegung eines Einkommens der Klägerin zu 1. aus der Saldierung aller Einnahmen und Ausgaben aus den drei Gewerbezweigen. Die Ermittlung des Einkommens der Klägerin zu 1. aus der selbständigen Tätigkeit richte sich nach § 3 Alg II-V in der vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2011 geltenden Fassung. Nach § 3 Abs. 1 Alg II-V sei bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von den Betriebseinnahmen auszugehen. § 3 Abs. 2 Alg II-V bestimme, dass zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die in dem Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen seien. Ein Übertragen von Verlusten aus einem Gewerbebetrieb auf einen anderen lasse § 3 Alg II-V nicht zu. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Regelung in § 5 Alg II-V. Danach seien Ausgaben höchstens bis zur Höhe der Einnahme aus derselben Einkunftsart abzuziehen. Einkommen dürfe nicht um Ausgaben einer anderen Einkommensart vermindert werden. Diese Regelung gelte auch für den Ausgleich von Verlusten innerhalb einer Einkommensart, wie die Entstehungsgeschichte dieser im Rahmen der Neufassung der Alg II-V zum 1. Januar 2008 eingeführten Norm zeige. Dieses Verständnis der §§ 3 und 5 Alg II-V entspreche auch dem Sinn und Zweck des SGB II. Der eine öffentliche Fürsorgeleistung begehrende Hilfebedürftige sei verpflichtet, von ihm erzieltes Einkommen zunächst für seinen Lebensunterhalt einzusetzen. Dies schließe es aus, vom Einkommen andere Verbindlichkeiten und Schulden, die mit der Erzielung des Einkommens in keinem unmittelbaren Zusammenhang stünden, von diesem abzusetzen. Der selbständig tätige Leistungsempfänger sei verpflichtet, Einkommen, welches nach Abzug der konkreten betriebsbezogenen Werbungskosten verbleibe, zur Deckung seiner Lebensunterhaltskosten zu verwenden. Wegen des Bezugs öffentlicher Mittel sei er in seiner unternehmerischen Freiheit eingeschränkt. Es sei ihm daher zuzumuten, das verlustbringende Gewerbe aufzugeben und sich auf das gewinnbringende Gewerbe zu konzentrieren. Sofern er sich gleichwohl entschließe, das verlustbringende Gewerbe fortzuführen, könne er dies nicht auf Kosten der Sozialgemeinschaft tun. Gegen diese Auslegung des § 5 Alg II-V bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Vorschriften der §§ 3 und 5 Alg II-V in Ausnahmefällen eine Auslegung ermöglichten, nach der bei Vorliegen eines unzumutbaren Härtefalles eines Verrechnung von Einkünften mit bestimmten Verlusten möglich wäre. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzumutbaren Härte seien im Falle der Kläger aber nicht ersichtlich. Allein die durch den Pensionsbetrieb verbliebenen Verbindlichkeiten rechtfertigten die Annahme eines Härtefalles nicht. Die Kläger hätten auch nichts dafür vorgetragen, dass die Finanzierung des Verlustes aus dem Pensionsbetrieb auf andere Weise für sie eine unzumutbare Härte darstelle.

Mit der Berufung haben die Kläger ihr (letztes) erstinstanzliches Begehren zunächst in vollem Umfang weiter verfolgt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 23. Mai 2012 hat der Kläger zu 2. erklärt, er verzichte auf weitere Klagansprüche für die Monate Februar und März 2010. Die Kläger tragen ergänzend vor: Weder der Wortlaut des § 3 Alg II-V noch die Gesetzesbegründung bestimmten eine Einzelberechnung nach einzelnen Gewerben. Der Wortlaut fordere im Gegenteil eine einheitliche Berechnung. Danach gebe es nur das Einkommen aus selbständiger Arbeit, also schon der Formulierung nach ein einzelnes, einheitliches Einkommen. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Berücksichtigung bestimmter steuerlicher Gestaltungen ausgeschlossen werden sollte, die nach der Gesetzesbegründung dazu geführt hätten, dass das steuerrechtliche Einkommen Selbständiger niedriger gewesen sei, als das zum Leben tatsächlich zur Verfügung stehende Einkommen. Mit der Neuregelung sollten lediglich Steuergestaltungen wie die so genannte Ansparabschreibung ausgeschlossen werden, die zu einer bloß rechnerischen Verminderung des steuerlichen Einkommens auf kurze Sicht geführt hätten. Nicht aber sollte die Berücksichtigung der normalen Betriebsausgaben ausgeschlossen werden. Denn § 3 Abs. 2 Alg II-V bestimme dazu ausdrücklich, dass die tatsächlichen Ausgaben ohne Rücksicht auf steuerliche Vorschriften abzusetzen sei. Damit sei im Einzelfall sogar eine stärkere Berücksichtigung von Betriebsausgaben gegenüber der vorherigen gesetzlichen Regelung möglich. Um solche normalen Betriebsausgaben handele es sich bei den Verlusten aus der Pension der Klägerin zu 1., nicht um eine Minderung aufgrund von Steuergestaltungsmöglichkeiten. Die Einkommensart selbständige Tätigkeit schließe alle Einkommen aus selbständiger Tätigkeit zusammen (vgl. § 3 Abs. 1 und 2 Alg II-V). Würden diese Einnahmen zusammengefasst, müssten auch alle Ausgaben zusammengefasst werden. Folgerichtig sei auch nur die Verrechnung von Ausgaben einer anderen Einkommensart ausgeschlossen. Soweit das SG ausführe, mit der Einführung des § 5 Alg II-V habe der Verordnungsgeber beabsichtigt, einen Verlustausgleich generell auszuschließen, habe das SG übersehen, dass das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarheit gelte. Die klar formulierte Norm des § 5 Alg II-V könne nicht durch anderslautende Auslegungen und Ziele des Verordnungsgebers ungenau gemacht werden. Im Übrigen komme es auch nicht auf den subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers an. Wenn das SG die Auffassung vertrete, im Hinblick auf die Steuerfinanzierung der SGB II-Leistungen sei der Hilfebedürftige verpflichtet, von ihm erzieltes Einkommen zunächst für seinen Lebensunterhalt einzusetzen und dies schließe es aus, vom Einkommen Verbindlichkeiten oder Schulden abzusetzen, die mit der Erzielung des Einkommens in keinem Zusammenhang stünden, so gingen diese Ausführungen am entscheidenden Fall vorbei. Es sei zwar richtig, das Einkommen zum Lebensunterhalt eingesetzt werden müsse. Im vorliegenden Fall gehe es hier jedoch um die Frage der Anrechnung von Betriebsausgaben, also eine Frage, die der Feststellung des Einkommens vorgelagert sei und die deshalb zwingend mit der Erzielung des Einkommens in Zusammenhang stehe. Soweit das SG meine, es sei den selbständigen Leistungsempfängern zuzumuten, ein verlustbringendes Gewerbe aufzugeben und sich auf das gewinnbringende Gewerbe zu konzentrieren, sei dieser Begründung in ihrer Pauschalierung falsch. Es müsse in jedem Einzelfall untersucht werden, ob eine Aufgabe des Gewerbes zu einer Belastung der Sozialgemeinschaft führen würde. Ohne die Neugründung des Pensionsgewerbes durch die Klägerin zu 1. hätten die Kläger dauerhaft im Leistungsbezug gestanden. Bei der Bedarfsberechnung für die streitigen Monate seien auch die von der Klägerin zu 1. im Hinblick auf die Versagung vom 18. Januar 2010 erforderlich gewordenen Aufwendungen der Klägerin zu 1. für die freiwillige Krankenversicherung der Kläger in Höhe von 207,- Euro monatlich einzubeziehen.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Januar 2010 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. März 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2010 sowie in der Gestalt der Änderungs- und Erstattungsbescheide vom 14. September 2010 zu verurteilen, den Klägern zu 1. und 3. für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 sowie dem Kläger zu 2. für Januar 2010 und die Zeit vom 1. April 2010 bis 31. Mai 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Zugrundelegung eines einheitlichen Einkommens der Klägerin zu 1. aus ihren drei selbständigen Gewerbezweigen sowie unter Ansetzung eines einheitlichen Abzugs der für alle drei Gewerbezweige angefallenen Betriebsausgaben zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

Der Senat hat der Klägerin zu 1. mit Beschluss vom 23. Mai 2012 aufgegeben, binnen eines Monats getrennte Einnahmenüberschussrechnungen für die von ihr betriebenen drei Gewerbe für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 vorzulegen. Mit Schreiben vom 12. November 2012 hat die Klägerin zu 1. mitgeteilt, dass sie dieser Auflage nicht nachkommen werde.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats durch Urteil ohne (weitere) mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§§ 124 Abs. 2, § 155 Abs. 3 und 4 SGG).

Die Leistungsakten des Beklagten (5 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger ist lediglich im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Soweit der Beklagte von den Klägern die Erstattung von Leistungen für die Monate Januar, April und Mai 2010 fordert, sind die an die Klägerin zu 1. adressierten und während des Klageverfahrens ergangenen Bescheide vom 14. September 2010 über die "endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs und Erstattung von Leistungen" nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG geworden, da insoweit keine Ersetzung bzw. Änderung der ursprünglich angegriffenen Bescheide eingetreten ist. Folgerichtig haben die Kläger die Erstattungsentscheidungen in gesonderten Verfahren vor dem SG Berlin bzw. SG Neuruppin angegriffen. Streitgegenstand im hiesigen Verfahren sind die an die Klägerin zu 1. gerichteten Bescheide vom 14. September 2010, die mit den an den Kläger zu 3. gerichteten Bescheide vom selben Tage eine Bescheideinheit bilden, aber insoweit, als sie endgültig eine Leistung für die Monate Januar, April und Mai 2010 ablehnen bzw. die Leistung auf 0,- Euro festsetzen, die vorläufigen Änderungsbescheide vom 24. März 2010 gegenstandslos machen und – da die Klage nicht nur auf Bewilligung höherer vorläufiger Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R = BSGE 108, 86) gerichtet war - gemäß § 96 SGG einzubeziehen sind (vgl. auch LSG Berlin –Brandenburg, Beschluss vom 24. Oktober 2011 - L 26 AS 660/11 B PKH -, juris). Weiterhin ist noch Gegenstand des hiesigen Verfahrens der Ablehnungsbescheid vom 24. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 12. April 2010, mit dem aufgrund einer neuen Ein-kommensberechnung Leistungen für den Zeitraum 1. Februar 2010 bis 31. März 2010 abgelehnt worden waren. Insoweit lag eine den Ablehnungsbescheid vom 18. Januar 2010 ersetzende neue Regelung vor. Da mit der vorläufigen Bewilligung vom 24. März 2010 die Ablehnungsentscheidung vom 18. Januar 2010 auch für die restliche Zeit des Bewilligungszeitraums im Wege konkludenter Aufhebung gegenstandslos geworden ist, hat sich der Ablehnungsbescheid vom 18. Januar 2010 schließlich zur Gänze erledigt und ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

Die Klage der Kläger zu 1. und 3. ist nur in geringfügigem Umfang begründet, im Übrigen erweist sie sich als unbegründet. Die Klage des Klägers zu 2. ist – soweit sie noch anhängig ist – in vollem Umfang unbegründet.

Die Kläger zu 1. und 2. haben für den Monat März 2010 einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der hier anwendbaren und bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung (aF) iHv von jeweils 1,- Euro. Im Übrigen sind die Kläger zu 1. und 3. wie auch der Kläger zu 2. durch die angegriffenen Bescheide, soweit der Beklagte die Gewährung von SGB II-Leistungen abgelehnt hat, nicht in ihren Rechten verletzt.

Die Kläger zu 1. und 3. wie auch der Kläger zu 2. haben – mit der angeführten Ausnahme des Monats März 2010 für die Kläger zu 1. und 3. - für den jeweiligen streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Die erwerbsfähigen Kläger hatten zwar in dem streitbefangenen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht erreicht sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II aF). Letzteres traf insbesondere auch für den sich zeitweise im Ausland aufhaltenden Kläger zu 2. zu, der – familiär in Berlin verwurzelt und von vorneherein zur Rückkehr nach Berlin entschlossen - sich nur vorübergehend zur Durchführung seines "Schnupperpraktikums" in D aufgehalten hatte. Nach den gesamten erkennbaren Umständen war der Kläger zu 2. auch nicht aus der Eigentumswohnung der Klägerin zu 1. ausgezogen. Der Umstand, dass er eine gewisse Zeit nicht "da" war (vgl. Schreiben der Klägerin zu 1. vom 26. Januar 2010, Bl. 41 R der Gerichtsakten), ändert nichts daran, dass er seinen Lebensmittelpunkt und damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. Spellbrink/G. Becker, in Eicher, SGB II, 4. Aufl., § 7 Rn. 20) weiter in Berlin hatte. Die Kläger sind jedoch - mit Ausnahme der Kläger zu 1. und 3. im März 2010 - nicht hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II aF gewesen. Hilfebedürftigkeit ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann (§ 9 Abs. 1 SGB II aF). Die Kläger zu 1. und 3. waren lediglich im März 2010 hilfebedürftig; in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 28. Februar 2010 und vom 1. April 2010 bis 31. Mai 2010 waren sie nicht hilfebedürftig, da sie in diesen Zeiträumen ihren Lebensunterhalt aus dem nach § 11 SGB II aF anrechenbaren Einkommen sichern konnte. Der Kläger zu 2. war im gesamten noch streitbefangenen Zeitraum (Januar, April und Mai 2010) nicht hilfebedürftig und kann mithin schon aus diesem Grund keine Leistungen verlangen.

Die Einkommensberechnung ist für die Kläger entgegen deren Auffassung nicht unter Zugrundelegung eines Einkommens der Klägerin zu 1. aus der Saldierung aller Einnahmen und Ausgaben aus den drei Gewerbezweigen vorzunehmen.

Die Ermittlung des Einkommens der Klägerin zu 1. aus ihrer selbständigen Tätigkeit richtet sich nach § 3 Alg II-V in der vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2011 geltenden Fassung (aF). Nach § 3 Abs. 1 Alg II-V aF ist bei der Berechnung des Einkommens aus selbständiger Arbeit von den Betriebseinnahmen auszugehen. § 3 Abs. 2 Alg II-V aF bestimmt, dass zur Berechnung des Einkommens von den Betriebseinnahmen die im Bewilligungszeitraum tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II aF abzusetzenden Beträge ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzusetzen sind. Nach diesen Maßgaben ist zunächst auf die Einnahmen von einem konkreten Betrieb und eben nicht allgemein auf Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit abzustellen. Werden - wie hier - mehrere selbständige Gewerbezweige nebeneinander betrieben, sind deshalb die Einnahmen eines jeden einzelnen Betriebes gesondert zu ermitteln. Vor den so ermittelten Einnahmen sind die tatsächlich geleisteten notwendigen Ausgaben abzusetzen. Notwendige Ausgaben sind in diesem Sinne nur solche Ausgaben, die für die Erzielung der Einnahmen des konkreten Betriebs erforderlich sind, also mit diesen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Werden mehrere selbständige Gewerbezweige nebeneinander betrieben, so können danach nur die Ausgaben den Betriebseinnahmen gegenüber gestellt werden, die für den jeweiligen einzelnen Gewerbezweig angefallen sind. § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Alg II-V aF geben damit eine betriebsbezogene Betrachtung vor. Dementsprechend sind Einnahmen und Ausgaben nur hinsichtlich des einzelnen betriebenen Gewerbes zu saldieren. § 3 Alg II-V aF lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass Verluste aus einem Gewerbebetrieb auf einen anderen übertragen werden können.

Etwas anderes ist auch nicht aus der Regelung des § 5 Alg II-V zu schließen sein. Nach dieser zum 1. Januar 2008 eingeführten Vorschrift sind Ausgaben höchstens bis zur Einnahme aus derselben Einkommensart abzuziehen (Abs. 1). Das Einkommen darf nicht um die Ausgaben einer anderen Einkommensart vermindert werden (Abs. 2). Mit dieser Bestimmung hat der Verordnungsgeber klargestellt, dass Ausgaben nicht abgesetzt werden dürfen, wenn sie die Höhe der Einnahmen übersteigen. Dieses Verbot des Verlustausgleiches entspricht dem Vorrang des Einsatzes positiver Einnahmen zur Bestreitung des Lebensunterhalts im Sinne einer Verringerung der Hilfebedürftigkeit. Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift, der lediglich auf einen Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten Bezug nimmt, wird vereinzelt geschlossen, dass bei Ausübung von zwei Tätigkeiten oder Beschäftigungen in derselben Einkommensart, z. B. zwei selbständigen Tätigkeiten, ein Verlustausgleich zwischen diesen selbständigen Tätigkeiten möglich sei (vgl. Sauer, SGB II, 2011, § 11b Rn. 64; Mecke, in Eicher, SBG II, 3. Aufl., § 13 Rn. 61). Dieser Auffassung ist zwar einzuräumen, dass die auf § 5 bezugnehmende Begründung des Entwurfs der Alg II-V, wonach die Regelung auch für den Ausgleich von Verlusten innerhalb einer Einkommensart gelte, wenn z. B. zwei selbständige Tätigkeiten betrieben werden, im Wortlaut des § 5 Alg II-V keine ausdrückliche Stütze findet. Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass § 5 Alg II-V im Widerspruch zum Subsidaritätsprinzip einen Verlustausgleich innerhalb einer Einkunftsart erlaubt. Bereits vor der Einführung des § 5 Alg II-V war es überwiegende Auffassung, dass ein Verlustausgleich zwischen verschiedenen Einkommensarten im Grundsicherungsrecht nicht möglich sei (vgl. LSG Chemnitz, Urteil vom 24. November 2011, - L 3 AS 190/08 -, juris, mwN.). Nach Sinn und Zweck erfasste dieser Ausschluss auch den Verlustausgleich innerhalb einer Einkommensart. Dementsprechend erschien es folgerichtig, mit der Einfügung des § 5 Alg II-V den entsprechenden Ausschluss klarzustellen. Aus dem Umstand, dass diese Klarstellung insoweit missglückt ist, als sie auf einen Verlustausgleich innerhalb einer Einkommensart nicht Bezug nimmt, lässt sich jedoch nicht schließen, dass eine Änderung des Rechtszustandes eingetreten sein könnte. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass auch unter der Geltung der ab 1. Januar 2008 geltend Alg II-V ein Verlustausgleich innerhalb einer Einkommensart nicht möglich war (vgl. Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand: November 2011, § 11 SGB II, Rn. 95, Hengelhaupt, in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Februar 2012, § 13, 239 f., Klaus, in GK-SGB II, Stand: Januar 2012, § 5 Alg II-V, Rn. 9). Soweit die Kläger auf die Möglichkeiten zur Förderung einer selbstständigen Tätigkeit durch öffentliche Leistungen wie zB das Einstiegsgeld verweisen, spricht jedoch die Existenz dieser gesetzlich geregelten Förderungsinstrumente gerade gegen die Zulässigkeit des begehrten Verlustausgleichs. Denn mit einem solchen Verlustausgleich würde faktisch eine Subvention für Existenzgründer gewährt, ohne dass der Sozialleistungsträger – anders als bei der Entscheidung über die Gewährung eines Einstiegsgeldes/Gründungszuschusses etc - die wirtschaftliche Tragfähigkeit derartiger Existenzgründungen (vorab) prüfen könnte.

Nach alledem war das anrechenbare Einkommen der Klägerin zu 1. ohne Berücksichtigung allfälliger Verluste aus einzelnen Gewerbezweigen zu ermitteln.

Für die Monate Januar, April und Mai 2010 war der Beklagte in den insoweit maßgeblichen abschließenden Bescheiden vom 14. September 2010 im Wege der Schätzung von einem durchschnittlichen monatlichen Erwerbseinkommen von 1.800,- Euro ausgegangen, wovon nach Abzug der Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II aF ein Betrag iHv 1.520,- Euro angerechnet worden war. Zu dieser Schätzung war der Beklagte gemäß § 3 Abs. 6 Alg II-V aF berechtigt, weil die Klägerin zu 1. das tatsächliche Einkommen nicht binnen 2 Monaten nach Ende des Bewilligungszeitraums, für im Wege vorläufiger Entscheidungen nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB Leistungen bewilligt worden waren, nachgewiesen hatte. Insofern genügte es nicht – wie oben dargelegt – eine undifferenzierte Einnahmenüberschussrechnung einzureichen. Erforderlich war vielmehr der Nachweis des Einkommens im Wege einer nach Gewerbezweigen getrennten Einnahmenüberschussrechnung. Der Beklagte war daher berechtigt nach § 3 Abs. 6 Alg II-V aF vorzugehen. Es kann offen bleiben, ob die in dieser Vorschrift genannte Frist eine Ausschlussfrist darstellt (verneinend: Geiger, Die Anrechnung von Einkommen Selbständiger nach § 3 der neuen Alg-II-Verordnung [Fassung 1.1.2009], ZFSH/SGB 2009, 9, 15) und mithin nach ihrem Ablauf kein Anspruch auf (Erhöhung der) Leistung entstehen kann, wenn später nachgewiesen wird, dass das Einkommen zu hoch geschätzt worden war. Denn die Klägerin zu 1. hat sich auch noch im Berufungsverfahren geweigert, die erforderlichen Unterlagen zum Nachweis eines niedrigeren Einkommens vorzulegen. Die Schätzung des Einkommens der Klägerin zu 1. ist weder verfahrensfehlerhaft zustande gekommen noch ist sie in der Höhe zu beanstanden.

Der Beklagte hat die Klägerin zu 1. zuletzt mit Schreiben vom 23. Juli 2010 darauf hingewiesen, dass sie nach Ablauf des 9. August 2010 mit einer Schätzung ihres Erwerbseinkommens rechnen müsse, wenn sie nicht getrennte Einnahmenüberschussrechnungen einreiche. Sie hat der Klägerin zu 1. damit hinreichend Gelegenheit gegeben, die Schätzung abzuwenden. Einer Mitteilung darüber, in welcher Höhe das Einkommen geschätzt werden solle, bedurfte es hingegen nicht (a.A. Geiger ebda.). Eine Anhörung nach § 24 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) war ohnehin im Hinblick darauf, dass durch die vorläufige Entscheidung keine gesicherte Rechtsposition entstanden und mithin mit der endgültigen Festsetzung kein Eingriff verbunden war, entbehrlich (vgl. Düe, in Brand, SGB III, 6. Aufl., § 328 Rn. 24).

Das von dem Beklagten gewonnene Schätzergebnis eines monatlichen Durchschnittseinkommens von 1.800,- Euro sprengt nicht den durch den Sachverhalt vorgegebenem Schätzungsrahmen, den der Beklagte bei der Ausübung des ihm zustehenden Schätzungsspielraums zu beachten hatte (vgl. zur Einkommensschätzung nach § 3 Abs. 6 Alg II-V eingehend: Geiger, ebda; ferner zur Schätzung nach § 162 Abgabenordnung: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 1. April 2008 – 6 K 1108/07 -, juris). Der Beklagte durfte bei seiner Schätzung schon deshalb von der für die Entscheidungen vom 24. März 2010 auf der Grundlage der Einnahmenüberschussrechnung für das 2. Halbjahr 2009 erstellten Prognose eines durchschnittlichen monatlichen Erwerbseinkommens iHv 1.005,38 Euro nach oben abweichen, weil ihm auf der Grundlage der von der Klägerin zu 1. vorgelegten Einnahmeüberschussrechnung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 neue Erkenntnisse zur Einkommenssituation der Klägerin zu. 1 im hier streitigen Zeitraum vorlagen, die geeignet waren, den Schluss auf ein höheres monatliches Durchschnittseinkommen als schlüssig, wirtschaftlich möglich und der tatsächlichen Situation möglichst nahekommend erscheinen zu lassen. Bleiben – wie hier aufgrund der Weigerung der Klägerin zu 1., näheren Aufschluss über ihre Einnahmen und Ausgaben zu geben – unausräumbare, vom Selbständigen zu vertretende Zweifel über die konkrete wirtschaftliche Situation, ist die Schätzung nicht auf den Betrag begrenzt, der auch im ungünstigsten Fall als sicher vereinnahmt angesehen werden kann. Es liegt im Wesen der Schätzung, dass die durch sie ermittelten Größen von den tatsächlichen Verhältnissen mehr oder minder abweichen Bei großen Manipulationsmöglichkeiten, die hier jedenfalls im Hinblick auf das von der Klägerin zu 1. nach ihren Behauptungen verlustbringend geführte touristische Gewerbe bestehen, darf sich der SGB II-Träger bei seiner Schätzung am oberen Rand eines einschlägigen Schätzungsrahmens orientieren (vgl. Geiger, ebda). Die Einnahmenüberschussrechnung wies für die von der Klägerin zu 1. geführten Gewerbe durchschnittliche Betriebseinnahmen im Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Mai 2010 von monatlich 2.892,47 Euro (14.462,33 Euro: 5) auf. Da eine konkrete Zuordnung der Betriebsausgaben zu den einzelnen Gewerbezweigen nicht möglich war, mussten für die Schätzung mangels anderer Möglichkeiten die Betriebsausgaben pauschal angesetzt werden. Ausgehend von dem schließlich geschätzten Monatseinkommen von 1.800,- Euro ergibt sich, dass der Beklagte monatlich 1.092,47 Euro (= 37,77 % der Betriebseinnahmen) als Betriebsausgaben berücksichtigt hat. Der Abzug von Betriebsausgaben iHv von mehr als einem Drittel der Betriebseinnahmen erscheint vor dem Hintergrund, dass bei diversen selbständigen Tätigkeiten steuerrechtlich ein pauschaler Abzug von Betriebseinnahmen allenfalls in Höhe von 25 % bis 30 % vorgenommen werden kann (zB 30 % bei hauptberuflich ausgeübter journalistischer oder schriftstellerischer Tätigkeit, 25 % für Hebammen und Tagesmütter, vgl. http://www.steuernetz.de/aav steuernetz/lexikon/K12717.xhtml?currentModule=home), schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig. Nach alledem hat der Senat die Schätzung des Beklagten in vollem Umfang nachvollzogen und macht sie sich aufgrund eigener Prüfung zu eigen (vgl. BSG, Urteil vom 14. Juli 1988 – 11/7 RAr 41/87 = SozR 4100§ 115 Nr. 2).

Soweit die Klägerin zu 1. ihre damalige wirtschaftliche Situation als deutlich schlechter einschätzt, hat sie dieses Vorbringen nicht einmal im Ansatz substantiiert und es sind auch im Übrigen keine hinreichende Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die vom Beklagten geschätzte Einkommenssituation im streitbefangenen Zeitraum nicht ungefähr der tatsächlichen entsprochen hatte. Die Auffassung der Kläger (vgl. Schriftsatz vom 12. November 2012), mit der vom Senat geforderten Einreichung getrennter Einnahmeüberschussrechnungen setzte sich die Klägerin zu 1. in Widerspruch mit der von ihr vertretenen Rechtsposition, ist schlechthin nicht nachvollziehbar.

Auf der Grundlage der zutreffenden Schätzung des monatlichen Einkommens der Klägerin zu 1. iHv 1.800,- Euro ergibt sich, dass die Kläger für die Monate Januar, April und Mai 2010 keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II haben.

Im Januar 2010 hatten die Kläger insgesamt einen Bedarf iHv 1.375,39 Euro (Regelleistungen 359,- Euro + 2 x 287,- Euro + 442,39 KdU). Dieser Bedarf konnte bereits aus dem anrechenbaren Einkommen der Klägerin zu 1. iHv 1.520,- Euro (geschätztes Einkommen 1.800,- Euro abzüglich Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II aF iHv 280,- Euro) gedeckt werden, sodass kein SGB II-Leistungsanspruch für Januar 2010 bestand.

Für April 2010 bestand für die Kläger ein Bedarf iHv 1.581,50 Euro (Regelleistungen von 359,- Euro bzw. 2 x 287 Euro zuzüglich 648,50 Euro KdU), welcher bereits aus dem anrechenbaren Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. iHv 1.520,- Euro sowie dem um die Versicherungspauschale nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V aF von 30,- Euro zu vermindernde Kindergeld (154,- Euro) des Klägers zu 3. gedeckt werden konnte. Demenentsprechend ergab sich für die Kläger kein Leistungsanspruch.

Für den Monat Mai 2010 war der Kläger zu 3. – was von ihm auch nicht bezweifelt wird - aufgrund des ihm in diesem Monat zugeflossenen Erwerbseinkommens iHv 532,07 Euro, das nach Abzug der Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II aF iHv 186,41 Euro iHv 345,66 Euro anzurechnen war, sowie des auf ihn entfallenden Kindergelds iHv 184 Euro nicht Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft (BG) mit den übrigen Klägern, weil er seinen Bedarf iHv 503,17 Euro (Regelleistung 287,- Euro + KdU 216,17 Euro) selbst decken konnte (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II aF). Die Kläger zu 1. und 3. konnten im Mai 2010 ihren Bedarf iHv 883,34 Euro (Regelleistungen von 359,- Euro und 287 Euro zuzüglich 2 x 216,17 Euro KdU) bereits durch den Einsatz des anrechenbaren Erwerbseinkommens der Klägerin zu 1. iHv 1520,- Euro decken, sodass für sämtliche Kläger im Monat Mai 2010 kein SGB II-Leistungsanspruch bestand.

Für die Monate Februar und März 2010 war der Beklagte im insoweit maßgeblichen Ablehnungsbescheid vom 24. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. April 2010 aufgrund der für das 2. Halbjahr 2009 von der Klägerin zu 1. vorgelegten Einnahmenüberschussrechnung von einem durchschnittlichen Erwerbseinkommen von 1.005,38 Euro ausgegangen, wovon nach Abzug der Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II aF ein Betrag iHv 744,38 Euro angerechnet worden war. Der Durchschnittsbetrag iHv 1.005,38 Euro ergab sich unter Berücksichtigung eines im 2. Halbjahr 2009 mit dem Schreibdienst erzielten Überschusses von 6.032,25 Euro, wobei der Beklagte die als Betriebsausgaben deklarierten "Fremdarbeiten" iHv insgesamt 1.366,10 Euro zu Recht nicht gewinnmindernd berücksichtigte. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte auf der Grundlage der von ihm mangels hinreichender Angaben zu den "Fremdarbeiten" zutreffend korrigierten Einnahmenüberschussrechnung ein monatliches Einkommen der Klägerin für das erste Halbjahr 2010 iHv 1.005,38 Euro prognostiziert und im Rahmen der hier nach der Teilrücknahme der Klage durch den Kläger zu 2. in der mündlichen Verhandlung nur noch für die Kläger zu 1. und 3. streitigen Ablehnung von SGB II- Leistungen für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis 31. März 2010 berücksichtigt hat.

Im Einzelnen gilt für Februar 2010 Folgendes: Der Kläger zu 2. war in diesem Monat – was von ihm wiederum nicht bezweifelt wird - aufgrund des ihm in diesem Monat zugeflossenen Erwerbseinkommens iHv 1.453.41 Euro, das seinen Bedarf offensichtlich weit überstieg, nicht Mitglied einer BG mit den übrigen Klägern (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II aF). Der Bedarf der Kläger zu 1. und 3. betrug in diesem Monat insgesamt 940,90 Euro (Regelleistungen von 359;- Euro und 287,- Euro plus 2 x 147,45 Euro KdU). Entgegen der Auffassung der Kläger ist hierbei der für Krankenversicherungsbeiträge geltend gemachte Aufwand nicht in die Berechnung des Bedarfs nach §§ 19 ff. SGB II aF einzustellen. Denn derartige Aufwendungen sind ggfs. auf (gesonderten) Antrag von der Bundesagentur zu übernehmen, falls Personen unter Berücksichtigung dieser Aufwendungen hilfebedürftig würden (vgl. § 26 Abs. 3 SGB II aF). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem SG die Übernahme derartiger Beiträge unter bestimmten Bedingungen zugesagt hatte und die Kläger daraufhin ihr Klagebegehren beschränkt hatten. Der Bedarf für KdU der Kläger zu 1. und 3. ist auch nicht in Abweichung vom regelmäßig zu beachtenden Kopfteilprinzip (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 85/12 -, juris) um den auf den Kläger zu 2. entfallenden Anteil zu erhöhen. In der Konsequenz bedeutet das Kopfteilprinzip, dass innerhalb einer BG die Aufteilung der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung grundsätzlich nach Kopfteilen zu erfolgen hat und es ohne Belang ist, wer den Mietzins schuldet und wer welchen Teil der Wohnung tatsächlich nutzt. Gleiches gilt grundsätzlich auch, wenn (nur) eine Haushaltsgemeinschaft unter Verwandten vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 2013, aaO.). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip kommt zwar in Betracht, wenn die Unterkunft von einem Mitglied der BG oder – was hier zeitweise wegen der Nichtbedürftigkeit des Klägers zu 2. vorliegt - der Haushaltsgemeinschaft für einen bestimmten Zeitraum nicht genutzt wird und mithin in Bezug auf dieses Mitglied kein aktuell bestehender Unterkunftsbedarf gedeckt wird (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 42). Eine derartige Konstellation liegt hier jedoch nicht vor, denn es ist trotz der weitgehenden praktikumsbedingten Abwesenheit des Klägers zu 2. von einer mit zumindest gelegentlichem Aufenthalt verbundenen und auch sonst (etwa durch Aufbewahrung von persönlichen Gegenständen) die Unterkunft in Anspruch nehmenden Nutzung der Eigentumswohnung der Klägerin zu 1. durch den Kläger zu 2. in der Zeit des Praktikums auszugehen. Hierfür spricht bereits, dass der Kläger zu 2. gegenüber dem Beklagten mit seinem Fortzahlungsantrag auch für diesen Zeitraum einen eigenen Wohnbedarf hinsichtlich der Eigentumswohnung der Klägerin zu 1. geltend gemacht hatte und hiervon auch während der Dauer des Praktikums in der Schweiz nicht abgerückt war (vgl. das Schreiben der Klägerin zu 1. vom 23. März 2010, mit dem erhöhte KdU für die "Familie" geltend gemacht worden sind). Aufgrund des ihm zustehenden Erwerbseinkommens von 1.450,- CHF monatlich sowie des Kindergeldes war der Kläger zu 2. auch wirtschaftlich in der Lage, sich eine "doppelte Haushaltsführung" für die Zeit des Praktikums leisten und sich - was von ihm letztlich nicht in Abrede gestellt wird - an den in dieser Zeit anfallenden KdU für die Eigentumswohnung der Klägerin zu 1. anteilig zu beteiligen. Damit befand er sich während seines zeitweisen Aufenthalts in der Deutschland unmittelbar benachbarten Schweiz in der einem "unechten Grenzgänger" vergleichbaren Situation eines Arbeitnehmers, der seinen Lebensmittelpunkt weiterhin im Heimatland hat und insbesondere seine dortige Unterkunft aufrecht erhält und – wenn auch in beschäftigungsbedingt reduziertem - Umfang nutzt, um weiterhin seine engen Bindungen an die im Heimatland verbliebenen Familienmitglieder zu pflegen. Nach alledem erscheint es nicht gerechtfertigt, für die Zeit des Praktikums in der Schweiz vom Kopfteilprinzip zugunsten der Kläger zu 1. und 3. abzuweichen.

Der Bedarf der Kläger zu 1. und 3. war durch das iHv 744,84 Euro (prognostiziertes Einkommen von 1.005,38 Euro abzüglich Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II aF iHv 260,54 Euro) anzurechnende Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. sowie durch das der Klägerin zu 1. zuzurechnende Kindergeld für den (nicht bedürftigen) Kläger zu 2. (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II aF) und das um die Versicherungspauschale von 30,- Euro zu vermindernde Kindergeld für den volljährigen Kläger zu 3. gedeckt. Insgesamt stand den Klägern zu 1. und 3. mithin ein Betrag iHv 1.098,84 Euro (744,84 Euro plus 184,- Euro plus 154,- Euro) zur Verfügung, was einen SGB II-Leistungsanspruch der Kläger zu 1. und 3. für Februar 2010 entfallen lässt. Den Klägern zu 1. und 3. steht für März 2010 jeweils ein Leistungsanspruch iHv 1,- Euro zu. Der Kläger zu 2. konnte auch in diesem Monat seinen Bedarf aus eigenen Mitteln, nämlich dem am 25. März 2010 zugeflossenen Gehalt iHv 774,61 Euro sowie dem Kindergeld iHv 184,- Euro decken und war mithin nicht Mitglied der BG. Unter Berücksichtigung dieser Gehaltszahlung errechnet sich nach Absetzung der Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II aF iHv 278,70 Euro ein anrechenbares Erwerbseinkommen von 495,91 Euro. Für den von den Klägern angesetzten Abzug der Miete für die "Zweitwohnung" in der Schweiz (vgl. Schriftsatz vom 12. November 2012, S. 2) oder von "trennungsbedingten" Mehraufwendungen (Regelsatzdifferenz) ergibt sich nach dem SGB II keine gesetzliche Grundlage. Zur Deckung dieser und eventuell sonstiger, durch seinen zeitweiligen Auslandsaufenthalt bedingter Aufwendungen ist der Kläger auf die Inanspruchnahme der ihm gewährten Freibeträge nach §§ 11 Abs. 2 Satz 2, 30 SGB II aF zu verweisen. Unter Berücksichtigung des Kindergeldes von 184,- Euro - ergibt sich für den Kläger zu 2. ein bereinigtes Einkommen von 679,91 Euro, mit dem Kläger zu 2. seinen von ihm selbst zutreffend bemessenen (vgl. Schriftsatz vom 12. November 2012, S. 2) Bedarf iHv. 503,17 Euro (Regelleistung 287,- Euro + KdU 216,17 Euro) decken konnte. Der Bedarf der Kläger zu 1. und 3. betrug im März 2010 insgesamt 1.078,34 Euro (Regelleistungen von 359,- Euro und 287,- Euro plus 2 x 216,17 Euro KdU). Dem stand ein anrechenbares Einkommen von 1.075,58 Euro (744,84 Euro Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1. zuzüglich 176,74 Euro für den Kläger zu 2. nicht benötigtes Kindergeld zuzüglich das um die Versicherungspauschale von 30,- Euro zu vermindernde Kindergeld des Klägers zu 3.) gegenüber, sodass ein ungedeckter Bedarf der BG iHv 2,76 Euro verblieb. Dieser war nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II aF im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf der BG auf deren Mitglieder aufzuteilen. Unter Berücksichtigung eines Anteils von 53,34 % am Gesamtbedarf ergibt sich rechnerisch ein noch zu deckender Bedarf von 1,47 Euro der Klägerin zu 1. und unter entsprechender Berücksichtigung des Anteils von 46,66 % des Klägers zu 3. ein Bedarf von 1,29 Euro. Unter Beachtung des § 41 Abs. 2 SGB II aF ergibt sich mithin ein Leistungsanspruch von jeweils 1,- Euro für die Kläger zu 1. und 3.

Der Ablehnungsbescheid vom 24. März 2010 erweist sich schließlich auch nicht deshalb, weil der Beklagte Leistungen für Februar und März 2010 nicht vorläufig, sondern vorbehaltslos abgelehnt hat, als rechtswidrig. Zwar hat das Bundesozialgericht (BSG) mit Urteil vom 29. November 2012 – B 14 AS 6/12 R = BSGE 112, 221 ausgeführt, der Erlass eines endgültigen (Bewilligungs-)Bescheides sei kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung der Einkommenssituation bestehe. In diesen Fällen sei typischer Weise der Anwendungsbereich des § 40 Abs. 1 Satz 12 Nr. 1a SGB II aF iVm § 328 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung -(SGB III) eröffnet und der Erlass eines endgültigen Bescheides statt eines vorläufigen Bescheides sei dann von Anfang an rechtswidrig. Diese Rechtsprechung ist freilich nicht auf die hier gegebene Konstellation der Ablehnung einer Leistungsbewilligung zu übertragen, weil nach § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nur dann vorläufig entschieden werden kann, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Bei einer – wie hier - auf eine positive Einkommensprognose gestützten Ablehnungsentscheidung liegt jedoch gerade keine Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vor; es ist vielmehr aus Sicht der Behörde sicher, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen. Da eine vorläufige Ablehnung ausscheidet, kann und muss der SGB II-Leistungsträger seine auf eine positive Einkommensprognose gestützte (endgültige) Ablehnungsentscheidung durch den Erlass eines Änderungsbescheides nach § 44 ff SGB X korrigieren, wenn und sobald die Voraussetzungen für einen (höheren) Leistungsanspruch des Selbständigen vorliegen (vgl. LSG Essen, Urteil vom 22. April 2013 – L 19 AS 149/13 -, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Angesichts des nur geringfügigen Unterliegens des Beklagten ist es unbillig, ihm die Erstattung von außergerichtlichen Kosten der Kläger zu. 1 und 3. aufzuerlegen.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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