S 2 KA 352/12

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 352/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist eine sachlich-rechnerische Berichtigung.

Die Klägerin ist eine Berufsausübungsgemeinschaft mit Sitz in E, deren Mitglieder Fachärzte für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie sind (www.cardio-din.de). Die Ärzte nehmen am CorBene-Vertrag teil, einem "Vertrag zur Integrierten Versorgung nach § 140 a ff. SGB V zur Verbesserung der Versorgung der kardiologisch behandlungsbedürftigen Versicherten mit der Indikation Herzinsuffizienz" (Näheres unter www.corbene.de). Die Anlage 2b dieses Vertrages sieht im Modul 4 eine Vergütung ambulant tätiger Kardiologen für "Ambulante Herzkatheteruntersuchung" in Höhe von 732,00 EUR vor.

In der Honorarabrechnung für das Quartal 3/2011 strich die Beklagte ausweislich der "Liste aller Regelwerksaktionen" im Behandlungsfall N T, geb. 00.00.1939, die Gebührenordnungspositionen (GOPen) 34292 und 40302 EBM, da nur mit Basisnummer im Behandlungsfall (abrechenbar). Diese Leistungen waren nach der entsprechenden "Fallinfo" am 03.08.2011 erbracht worden.

Dem Abrechnungsbescheid für das Quartal 3/2011 vom 24.01.2012 widersprach die Klägerin. Natürlich sei bei dem Patienten unmittelbar vor PTCA eine Koronarangiographie durchgeführt worden, die zu dem behandlungsbedürftigen Befundbild geführt und die dann durchgeführte PTCA bedingt hätte. Diese Koronarangiographie sei allerdings über den IV-Vertrag CorBene abgerechnet worden, dürfe auch nach den Kriterien des IV-Vertrages nicht zusätzlich dann über die KV abgerechnet werden. PTCA-Leistungen seien in diesem IV-Vertrag nicht vorgesehen. Die zusätzliche Abrechnung der Koronarangiographie über die KV, nur um diesem Formalismus gerecht zu werden, wäre Betrug. Insofern sei die vorausgehende Leistung also erbracht, nur anders abgerechnet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Leistung nach der GOP 34291 sei nicht über sie, sondern über den IV-Vertrag CorBene abgerechnet worden. Da die GOP 34292 nur im Zusammenhang mit der GOP 34291 abgerechnet werden könne, müsse es bei der Streichung verbleiben. Ebenso sei die Streichung der GOP 40302 zu Recht erfolgt.

Hiergegen richtet sich die am 09.07.2012 erhobene Klage.

Die Klägerin trägt vor, sie habe unstreitig die "Grundleistung" der Koronarangiographie (GOP 34291 EBM) erbracht und diese Leistung korrekterweise über den IV-Vertrag CorBene außerhalb der Gesamtvergütung abgerechnet. Die Koronarangiographie mittels Durchführung einer interventionellen Maßnahme (PTCA, Stent) gemäß GOP 34292 EM und die PTCA-Sachkosten nach GOP 40302 EBM seien nicht Gegenstand des CorBene-Vertrages und könnten daher über die Kassenärztliche Vereinigung abgerechnet werden. Voraussetzung für die Abrechnungsfähigkeit dieser EBM-Ziffern sei nicht, dass auch die Grundleistung nach GOP 34291 EBM bei der Beklagten zur Abrechnung gebracht worden sei, sondern dass die Grundleistung tatsächlich erbracht worden sei. Anderenfalls bliebe ihr nur die Möglichkeit, komplett auf die Vergütung der nach EBM zustehenden Zuschläge und Sachkosten zu verzichten.

Auch unabhängig von geltenden IV-Verträgen gebe es Situationen, die "getrennte" Abrechnungen rechtfertigten. Beispielsweise dann, wenn die diagnostische Koronarangiographie (GOP 34291 EBM) im Vorquartal erbracht worden sei, die den Zuschlag (GOP 34292 EBM) auslösende PTCA als therapeutische Maßnahme jedoch im Folgequartal, obwohl es sich nach dem BMV-Ä nicht um einen Behandlungsfall handele. Oder der Umstand, dass die Invasivdiagnostik im stationären Bereich erbracht worden sei, die PTCA aber, zeitlich versetzt, im ambulanten Bereich. Auch hier stünde den Leistungserbringern ein Anspruch auf Vergütung entsprechender Zuschläge zu, weil die Grundleistung unstreitig erbracht worden sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Abrechnungsbescheides vom 24.01.2012 für das Quartal III/2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2012 die Beklagte zu verurteilen, die gestrichenen Leistungen nach GOP 34292 und 40302 EBM bezüglich des Patienten N T nachzuvergüten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält ihre Entscheidung für rechtmäßig.

Vertragliche Regelungen mit Dritten könnten keine Auswirkung auf die Abrechnungsregelungen ihr gegenüber haben. Leistungs- und Abrechnungssplitting nach dem EBM sei nicht vorgesehen bzw. ausgeschlossen. Die Klägerin müsse auch nicht komplett auf die in Rede stehenden (Zuschlags-)Ziffern nach EBM verzichten; sie könne lege artis vielmehr ausschließlich nach EBM abrechnen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtmäßig sind.

Die Beklagte ist aufgrund von § 106 a Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und die Abrechnungen nötigenfalls richtigzustellen (BSG, Urteil vom 17.07.2013 - B 6 KA 14/12 R -). Gegenstand des Richtigstellungsverfahrens ist, die Abrechnung des Vertragsarztes auf ihre Übereinstimmung mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebotes - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.06.2010 - B 6 KA 12/09 R -).

Auf dieser Grundlage hat die Beklagte im Fall N T die zur Abrechnung gestellten GOP 34292 und 40302 EBM zu Recht durch Streichung berichtigt.

Für die Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich. Dies gründet sich zum einen darauf, dass das vertragliche Regelwerk dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen von Ärzten und Krankenkassen dient und es vorrangig Aufgabe des Normgebers des EBM - des Bewertungsausschusses - gemäß § 87 Abs. 1 SGB V ist, Unklarheiten zu beseitigen. Zum anderen folgt die primäre Bindung an den Wortlaut aus dem Gesamtkonzept des EBM als einer abschließenden Regelung, die keine Ergänzung oder Lückenfüllung durch Rückgriff auf andere Leistungsverzeichnisse bzw. Gebührenordnungen oder durch analoge Anwendung zulässt. Raum für eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der in innerem Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Leistungstatbestände ist dann, wenn der Wortlaut eines Leistungstatbestandes zweifelhaft ist und es einer Klarstellung bedarf. Eine entstehungsgeschichtliche Auslegung kommt bei unklaren oder mehrdeutigen Regelungen ebenfalls in Betracht, kann allerdings nur anhand von Dokumenten erfolgen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben. Diese Auslegungsgrundsätze gelten nicht allein für Vergütungstatbestände, sondern auch für Kostenerstattungstatbestände, soweit diese nicht auf die Erstattung des konkreten Kostenaufwands angelegt sind, sondern - wie hinsichtlich der hier relevanten GOP 40302 EBM - Pauschalerstattungen vorsehen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 14/13 R -).

Der Wortlaut beider gestrichener GOPen ist eindeutig. Nr. 34292 EBM ist ein "Zuschlag zu der GOP 34291 bei Durchführung einer interventionellen Maßnahme (z.B. PTCA, Stent), einmal im Behandlungsfall" (10.800 Punkte, Wert 378,52 EUR). Nr. 40302 EBM ist eine "Kostenpauschale für die Durchführung einer PTCA an einem Gefäß, ggf. einschl. Stent, entsprechend der GOP 34292" (Betrag: 1.058,40 EUR). Beide Ziffern stellen nach ihrem Wortlaut auf andere GOPen ab und nicht lediglich auf die von diesen erfassten Leistungen. Zuschlagsziffern und Sachkostenpauschalen sind innerhalb des EBM Annexe zu anderen Gebührenziffern, die Grundleistungen vergüten. Diese Grundleistungen müssen im System, d.h. im Rechtsverkehr mit der Kassenärztlichen Vereinigung, abgerechnet werden; die bloße Erbringung der Grundleistungen reicht für die Abrechnung daran anknüpfender Ziffern nicht aus.

Ein Abrechnungssplitting - wie hier vorgenommen - schließt der EBM aus (vgl. - in anderem Kontext - LSG NRW, Urteile vom 28.10.2009 - L 11 KA 60/08 - und vom 01.07.2010 - L 11 KA 68/07 -; LSG Niedersachsen, Urteile vom 13.10.2000 - L 3/5 KA 48/99 und L 3/5 KA 49/99 -). Ein solches sieht auch der CorBene-Vertrag selbst nicht vor. Nach dessen § 11 Abs. 2 werden Leistungen, die im EBM 2000 Plus abgebildet sind, weiterhin - soweit nicht abweichend vereinbart - nach diesen Gebührenordnungspositionen in ihrer jeweils gültigen Fassung und in der bisherigen Art und Weise vorgenommen. Damit nimmt der CorBene-Vertrag selbst Bezug auf die innere Systematik des EBM; diese erfordert die Abrechnung der Grundleistung als Voraussetzung für Zuschlagsziffern und Sachkostenerstattungen.

Nur wenn auch die Grundleistung zur Abrechnung gebracht wird und der Vertragsarzt in der Sammelerklärung versichert, diese Grundleistung entsprechend ihrem Leistungsinhalt auch tatsächlich erbracht zu haben (zur Funktion der Sammelerklärung vgl. BSG, Urteil vom 11.03.2009 - B 6 KA 62/07 R -), kann im Übrigen die Kassenärztliche Vereinigung davon ausgehen, dass damit der Anknüpfungstatbestand für die Zuschlags- und Kostenerstattungsziffer als Annex vorliegt. Das zeigt gerade die vorliegende Situation. Die Grundleistung nach Nr. 34291 EBM erfordert als obligaten Leistungsinhalt die Herzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie, ferner die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Leistungserbringung stehenden Begleitleistungen sowie die Kontrastmitteleinbringung(en). Ob dieser Leistungsinhalt erbracht ist, wenn ein Kardiologe im Modul 4 des CorBene-Vertrages die dortige Leistung "ambulante Herzkatheteruntersuchung" abrechnet, ist nicht selbsterklärend. Herzkatheteruntersuchungen können in verschiedenen Untersuchungsverfahren durchgeführt werden, z.B. Rechtsherz-Katheter (venöser Katheter), Linksherz-Katheter (arterieller Katheter), Herzkranzgefäß-Doppler, intravaskulärer Ultraschall (s. http://www.uk-essen.de/kardiologie/hkl). Die Kassenärztliche Vereinigung müsste daher bei Abrechnung lediglich von Zuschlags- und Kostenerstattungsziffern in jedem Einzelfall durch Rückfrage bei dem Vertragsarzt klären, ob und inwieweit der Leistungsinhalt der Grundleistung erfüllt ist. Das ist im Bereich der Massenverwaltung, zu der auch die vertragsärztliche Honorarverteilung gehört (LSG NRW, Urteil vom 22.06.2006 - L 11 KA 6/06 -), ausgeschlossen.

Sofern die Ärzte der Klägerin bei Versicherten, die am CorBene-Programm teilnehmen, Veranlassung für weitergehende therapeutische Maßnahmen (PTCA) im Anschluss an eine Herzkatheter-Untersuchung sehen, können sie diese Leistungen selbstverständlich mit der Kassenärztlichen Vereinigung nach den Bestimmungen des EBM (Nrn. 34292, 40302) abrechnen. Das erfordert dann die Abrechnung der Grundleistung nach Nr. 34291 EBM, allerdings zu einem Nominalwert von 310,70 EUR anstatt von 732,00 EUR nach dem CorBene-Vertrag. Jedenfalls bleibt auf diese Weise keine erbrachte Leistung unvergütet. Auf die von der Klägerin hypothetisch entwickelten Fallgestaltungen kommt es deshalb insofern nicht an.

Soweit der CorBene-Vertrag dem Vernehmen nach vor einer bundesweiten Ausdehnung steht, unterliegt es der Vertragsfreiheit der beteiligten Partner, den Vertragsinhalt ggf. an die Nichtabrechnungsfähigkeit allein der Zuschlags- und Sachkostenziffern des EBM anzupassen. Dass umgekehrt der Bewertungsausschuss den EBM an den CorBene-Vertrag oder an andere Verträge der integrierten Versorgung annähert, dürfte aus systematischen Gründen wohl eher nicht in Betracht kommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 Satz 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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