L 10 R 5615/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 454/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5615/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wird im Zusammenhang mit einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben Übergangsgeld gewährt und später rückwirkend Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt, führt dies wegen der Anrechnungsregelung des § 52 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX zu einem Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nach § 104 SGB X.
2. Diesem Erstattungsanspruch steht die Regelung des § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI nicht entgegen. § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bewirkt lediglich eine dem § 107 Abs. 1 SGB X entsprechende Erfüllungsfiktion und entfaltet damit ausschließlich Wirkung gegenüber der Versicherten und gerade nicht gegenüber dem nach § 104 SGB X erstattungsberechtigten Leistungsträger.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.12.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Erstattungsanspruch für die Gewährung von Übergangsgeld bei rückwirkender Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente.

Die Klägerin gewährte der Versicherten A. (im Folgenden: Versicherte) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 97 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in Verbindung mit § 33 und §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) für den Zeitraum vom 23.10.2006 bis 22.01.2009 im Behindertenzentrum S. e.V. und bewilligte u.a. Übergangsgeld als unterhaltssichernde Leistung in Höhe von kalendertäglich 8,21 EUR (Bescheid der Klägerin vom 19.12.2006, Bl. 41 Kl.-Akte). Der Bemessung des Übergangsgeldes lag das Bemessungsentgelt des zuletzt im November 2003 entstandenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld (vgl. Bl. 33/34 Kl.-Akten) zu Grunde.

Später bewilligte die Beklagte der Versicherten auf Grund eines Versicherungsfalles der vollen Erwerbsminderung am 10.01.2006 mit Bescheid vom 16.04.2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.01.2009 (Bl. 51 Kl.-Akte; Bl. 16 Bekl.-Akte); dies teilte die Versicherte der Klägerin noch im April 2007 mit (Bl. 50 Kl.-Akte; zwischenzeitlich bezieht die Versicherte die Rente wegen Erwerbsminderung als Dauerrente, Bl. 60 Bekl.-Akte). Die laufende monatliche Rentenzahlung ab 01.06.2007 betrug 120,44 EUR, die - zunächst einbehaltene und letztlich nicht ausgezahlte (Bl. 29 LSG-Akte) - Nachzahlung für den Zeitraum vom 01.08.2006 bis 31.05.2007 belief sich auf 1.207,60 EUR. Mit Bescheid vom 03.09.2007 hob die Beklagte diesen Rentenbescheid vom 16.04.2007 "nach § 48" Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) wieder auf, berechnete die Rentennachzahlung wegen des stattgefundenen Übergangsgeldbezuges durch die Klägerin vom 23.10.2006 bis 31.05.2007 neu und ermittelte den - vorläufig - einbehaltenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 327,44 EUR (Bl. 39 Bekl.-Akte); diese Nachzahlung bezog sich auf den Zeitraum vom 01.08.2006 bis 22.10.2006, also auf die Zeit vor dem Übergangsgeldbezug durch die Klägerin, und wurde auf Grund eines Erstattungsanspruchs für Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) an das JobCenter S. ausgezahlt (Bl. 57 Bekl.-Akte, Bl. 29 f. LSG-Akte). Für die Zeit vom 23.10.2006 bis 31.05.2007 ergab sich keine Nachzahlung, weil - so die Ausführungen im Bescheid - der Anspruch auf Rente durch das gezahlte Übergangsgeld als erfüllt gelte.

Anlässlich der Rentenbewilligung hob die Klägerin - gestützt auf § 48 SGB X - gegenüber der Versicherten mit Bescheid vom 15.05.2007 den Übergangsgeldbescheid vom 19.12.2006 teilweise auf und bewilligte Übergangsgeld für den Zeitraum vom 23.10.2006 bis 22.01.2009 wegen der Anrechnung der Erwerbsminderungsrente in Höhe von kalendertäglich 4,01 EUR lediglich noch in Höhe von kalendertäglich 4,20 EUR (Bl. 61 Kl.-Akte, Bl. 26 Bekl.-Akte). Eine Rückforderung des überzahlten Übergangsgeldes erfolgte nicht.

Gleichzeitig machte die Klägerin mit Schreiben vom 15.05.2007 und unter Berufung auf § 104 SGB X bei der Beklagten den hier streitgegenständlichen Erstattungsanspruch für die Zeit vom 23.10.2006 bis 30.04.2007 in Höhe von 757,89 EUR geltend (Bl. 72 Kl.-Akte, Bl. 26 Bekl.-Akte). Die Beklagte lehnte diesen Anspruch unter Hinweis auf die Erfüllungsfiktion des § 116 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab (s. insbes. Bl. 97 ff. Kl.-Akte, Bl. 42, 45 Bekl.-Akte).

Erstattungsansprüche für den streitigen Zeitraum machten - erfolglos - auch das JobCenter S. (bewilligte monatliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 480,15 EUR, im Hinblick auf die Rentengewährung nach § 48 SGB X teilweise aufgehoben, Bl. 23 Bekl.-Akte) und das Sozialamt der Stadt S. (Leistungen nach § 92 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII -, wofür ein - aus der Rente zu erstattender - Kostenbeitrag in Höhe von monatlich 20,086 EUR anfalle, Bl. 24, 28 Bekl.-Akte) geltend.

Das am 19.01.2009 von der Klägerin angerufene Sozialgericht Stuttgart hat der Klage mit dem - ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG ergangenen und die Berufung zulassenden - Urteil vom 02.12.2010 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 757,89 EUR zu erstatten. Es hat außerdem festgestellt, dass § 116 Abs. 3 SGB VI auf ein von der Klägerin gemäß §§ 97 ff. SGB III gezahltes Übergangsgeld nicht anzuwenden ist, da § 52 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) angesichts des Gesetzeswortlauts und der Gesetzessystematik für alle Rehabilitationsträger gelte, während § 116 Abs. 3 SGB VI nur für das Verhältnis der Rentenversicherungsträger untereinander bestimmt sei.

Die Beklagte hat am 21.12.2011 gegen das ihr am 09.12.2011 zugestellte Urteil Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Neben einer Rüge der verspäteten Urteilsausfertigung hat sie sich auf die Erfüllungsfiktion des § 116 Abs. 3 SGB VI berufen und die Ansicht vertreten, § 52 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX sei nur bei gleichzeitigem Bezug beider Leistungen anzuwenden. Die Feststellungsklage hat die Klägerin nach Hinweis des Senats zurückgenommen (Bl. 39 LSG-Akte).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 02.12.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 38, 40 LSG-Akte).

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Gegenstand des Rechtsstreits ist nur noch der von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachte und vom Sozialgericht zugesprochene Anspruch auf Erstattung des von der Klägerin im Zeitraum vom 23.10.2006 bis 30.04.2007 gezahlten Übergangsgeldes in Höhe von kalendertäglich 4,01 EUR und damit (189 Tage * 4,01 EUR) in Höhe von 757,89 EUR.

Soweit das Sozialgericht darüber hinaus in seinem Urteil eine Feststellung getroffen hat, ist dieses Urteil insoweit durch die im Berufungsverfahren von der Klägerin erklärte Klagerücknahme gegenstandslos geworden (§ 202 SGG i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Soweit die Beklagte mit Hinweis auf die verspätete Abfassung des am 02.12.2010 ergangenen und ihr am 09.12.2011 zugestellten Urteils (Bl. 19 f. LSG-Akte) einen Verstoß gegen §§ 134 Abs. 2, 202 SGG in Verbindung mit § 547 Nr. 6 ZPO und damit eine fehlende Begründung des Urteils (dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 134 SGG Rdnr. 4 m.w.N.) rügt, bedarf dies keiner weiteren Erörterung. Insbesondere kann offen bleiben, ob ein derartiger Verfahrensfehler angesichts des Umstandes, dass das angefochtene Urteil ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, tatsächlich vorliegt. Denn ein solcher Verfahrensfehler erster Instanz würde jedenfalls durch die Entscheidung des Senats geheilt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 136 SGG Rdnr. 7h). Der Umstand, dass es sich um einen absoluten Revisionsgrund handeln könnte, ist im Berufungsverfahren somit ohne Bedeutung.

Materiell-rechtlich hat das Sozialgericht in seinem Urteil vom 02.12.2010 im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des Betrages von 757,89 EUR hat. Bei diesem Betrag handelt es sich um den Teil des Übergangsgeldes, das die Versicherte im Zeitraum vom 23.10.2006 bis 30.04.2007 tatsächlich bezog und auf welches die Erwerbsminderungsrente - bei rechtzeitiger Bewilligung - anzurechnen gewesen wäre. Dabei sind Fehler in der Berechnung nicht ersichtlich und die Beklagte hat insoweit ausdrücklich keine Einwände erhoben (Bl. 38 LSG-Akte).

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruches ist § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Nach dieser Vorschrift ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hatte, soweit ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 SGB X vorliegen, und soweit der vorrangig zuständige Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist nach Satz 2 der Regelung ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.

Diese Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt. Denn die Klägerin war im Verhältnis zur Beklagten nachrangig zur Leistung verpflichtet, weil bei rechtzeitiger Bewilligung (und Zahlung) der Rente wegen Erwerbsminderung (Leistungsbeginn: 01.08.2006) von der Klägerin Übergangsgeld für den streitigen Zeitraum nur unter Anrechnung der Rente hätte gezahlt werden müssen.

Diese Anrechnung folgt - wovon die Klägerin und das Sozialgericht zutreffend ausgehen - aus § 52 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX. Nach dieser Regelung werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf das Übergangsgeld angerechnet, wenn sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit auf die Höhe des Übergangsgeldes nicht ausgewirkt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nachdem die Klägerin die Höhe des Übergangsgeldes auf der Grundlage des Bemessungsgeldes des zuletzt im November 2003 entstandenen Anspruchs auf Arbeitslosengeld und damit aus einem Einkommen, das vor Eintritt der Erwerbsminderung im Januar 2006 lag, errechnet hatte, wirkte sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht auf die Höhe des Übergangsgeldes aus (dazu statt Vieler Mrozynski/Jabben, SGB IX Teil 1, 2. Aufl. 2011, § 52 Rdnr. 8 m.w.N.).

Der Einwand der Beklagten, § 52 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX sei vorliegend nicht anzuwenden, weil tatsächlich kein gleichzeitiger Bezug von Übergangsgeld und Erwerbsminderungsrente stattfand (Bl. 20 LSG-Akte), greift nicht durch. Denn gerade die - mangels rechtzeitiger Bewilligung der Rente - unterbliebene Anrechnung der Rente auf das Übergangsgeld ist Voraussetzung für den hier geltend gemachten Anspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X. Dem entsprechend geht es nicht um die Anrechnung als solche, sondern aus dem Regelungsgehalt des § 52 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX (Anrechnung bei rechtzeitiger Leistungsbewilligung und deshalb gleichzeitigen Bezuges) folgt das Vorrang-/Nachrangverhältnis zwischen den Leistungen Übergangsgeld und Erwerbsminderungsrente (siehe hierzu und generell bei fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Verweisung auf § 104 SGB X Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 104 Rdnr. 6).

Ein Fall des § 103 Abs. 1 SGB X liegt nicht vor. Nach dieser Regelung ist ein für die entsprechende Leistung zuständiger Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein anderer Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat und der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist, soweit der eigentlich zuständige Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Einen Wegfall des Anspruches auf Übergangsgeld im Falle der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ordnet das Gesetz nicht an (zum Anwendungsbereich des § 103 Abs. 1 SGB X s. KassKomm-Kater, Sozialversicherungsrecht, § 103 SGB X Rdnrn. 70 ff.).

Da somit der Anspruch auf Übergangsgeld gegenüber dem von der Beklagten zu erfüllenden Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nachrangig ist, leistete die Klägerin an die Versicherte im Umfang der anzurechnenden Rente als vorrangiger Leistungsträger. Da die Beklagte die bewilligte Rente für den streitigen Zeitraum an die Versicherte nicht auszahlte, sind die Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 SGB X erfüllt.

Entsprechend galt der Anspruch der Versicherten gegenüber der Beklagten auf Auszahlung der Rente für den streitigen Zeitraum nach § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt. Gerade mit dieser Erfüllungsfiktion lehnte die Beklagte gegenüber der Versicherten im Bescheid vom 03.09.2007 eine (Nach)Zahlung der Rente für den streitigen Zeitraum ab.

Es bedarf hier keiner weiteren Erörterung, ob § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI - danach gilt bei Zahlung von Übergangsgeld und nachträglicher Feststellung eines Anspruches auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für denselben Zeitraum dieser Anspruch als erfüllt - zusätzlich zu § 107 Abs. 1 SGB X - und damit überflüssigerweise - Anwendung findet oder ob sich der Anwendungsbereich des § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI - was nahe liegt - vor allem auf die Fälle beschränkt, in denen Übergangsgeld durch den Rentenversicherungsträger geleistet wurde, weil in derartigen Fallkonstellationen § 107 Abs. 1 SGB X keine Anwendung findet, da der sowohl Übergangsgeld wie Erwerbsminderungsrente leistende Rentenversicherungsträger trotz dieser Doppelleistung (gegen sich selbst) keinen Erstattungsanspruch haben kann.

Auf eine Erfüllungsfiktion nach § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI kann sich die Beklagte jedenfalls im Verhältnis zur Klägerin nicht berufen. Denn auch § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI bewirkt lediglich eine dem § 107 Abs. 1 SGB X entsprechende Erfüllungsfiktion und entfaltet damit ausschließlich Wirkung gegenüber der Versicherten und gerade nicht gegenüber der Klägerin. Dies ergibt sich bereits aus Wortlaut und Systematik der Regelung. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 zweiter Halbsatz SGB VI "gilt dieser Anspruch bis zur Höhe des gezahlten Übergangsgeldes als erfüllt." Der dort genannte Anspruch ("dieser Anspruch") kann sich gesetzessystematisch nur auf den in § 116 Abs. 3 Satz 1 erster Halbsatz SGB VI genannten Anspruch des Versicherten auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehen und gerade nicht auf einen Erstattungsanspruch eines anderen Sozialleistungsträgers (wie hier SG Karlsruhe, Urteil vom 14.07.2011, S 11 R 5530/10, juris Rdnr. 15; aus der Literatur KassKomm-Kater, a.a.O., § 116 SGB VI Rdnr. 12; Pflüger in jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 116 Rdnr. 57; Deutsche Rentenversicherung Bund, SGB VI, 17. Aufl. 2013, § 116, Anm. 3; Schmidt in Kreikebohm, SGB V, 3. Aufl. 2008, § 116 Rdnr. 22). Damit regelt § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI - wie § 107 Abs. 1 SGB X - ausschließlich die Erfüllung eines Anspruches des Versicherten. Vorliegend steht aber nicht ein Anspruch der Versicherten, sondern ein hiervon rechtlich unabhängiger, weil an eigenständige Voraussetzungen geknüpfter Erstattungsanspruch der Klägerin im Raum.

Auch die übrige gesetzliche Systematik bestätigt dieses Ergebnis. Durch die Zahlung von Übergangsgeld in Höhe von 8,21 EUR kalendertäglich statt - wie bei rechtzeitiger Bewilligung der Rente erfolgter Anrechnung - kalendertäglich 4,20 EUR erfüllte die Klägerin den Anspruch der Versicherten gegen die Beklagte auf Zahlung von Rente in Höhe von 4,01 EUR. Hiervon geht auch die Beklagte aus. Denn sie machte - wie bereits erwähnt - gegenüber der Versicherten diesen Einwand der Erfüllung im Bescheid vom 03.09.2007 geltend (betragsmäßig 4,01 EUR kalendertäglich) und verweigerte damit eine Rentennachzahlung. Dies bedeutet, dass die Beklagte im streitigen Zeitraum an die Versicherte kalendertäglich 4,01 EUR Rente nicht zu zahlen hatte und nach wie vor diesen Betrag in ihrem Vermögen hat. Aus welchen Gründen dann aber die Klägerin, die im streitigen Zeitraum an die Versicherte kalendertäglich 4,01 EUR zu viel zahlte (jene 4,01 EUR, mit denen der Rentenanspruch nach § 107 Abs. 1 SGB X erfüllt wurde), diese Aufwendungen nicht erstattet erhalten soll, ist unerfindlich.

Eine Rechtfertigung hierfür und eine Begründung für die Anwendung des § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI gegenüber dem nachrangigen Leistungsträger liefert insbesondere auch das Beratungsergebnis "des hierfür zuständigen Gremiums beim Verband Deutscher Rentenversicherungsträger" vom 09.08.2005 (Bl. 98 Kl.-Akte) nicht, auf das sich die Beklagte beruft. Denn es setzt sich gerade nicht mit der offensichtlichen Regelungsstruktur des § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB VI und den Konsequenzen einer derartigen Auffassung auseinander.

Dem Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte stehen keine Erstattungsansprüche anderer Leistungsträger entgegen. Zwar meldeten sowohl das JobCenter S. als auch das Sozialamt der Stadt S. Erstattungsansprüche an und auch insoweit liegen die Voraussetzungen nach § 104 Abs. 1 SGB X vor (s. KassKomm-Kater, a.a.O., § 104 Rdnrn. 58 ff., 73 ff.). Indessen kommt dem Erstattungsanspruch der Klägerin Vorrang zu.

Die Rangfolge bei mehreren Erstattungsberechtigten regelt § 106 SGB X. Nach Abs. 2 Satz 2 der Regelung ist, wenn mehrere Leistungsträger Ansprüche nach § 104 SGB X geltend machen, zuerst derjenige zu befriedigen, der im Verhältnis der Leistungsträger untereinander einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X hätte. Damit werden die nach § 104 SGB X erstattungsberechtigten Leistungsträger nicht gleichgeordnet, sondern das Gesetz geht hinsichtlich ihrer Leistungsverpflichtungen wiederum von einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis aus. Als erster ist zu befriedigen, wer in der Reihenfolge die letzte Stelle einnimmt (KassKomm-Kater, a.a.O., § 106 Rdnr. 11), wobei sich die Rangfolge nach dem materiell-rechtlichen Leistungsrecht beurteilt (KassKomm-Kater, a.a.O., § 106 Rdnr. 12). Insoweit ist die bereits oben dargestellte Anrechnungsvorschrift des § 52 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX maßgebend. Daraus ergibt sich, dass bei Zusammentreffen des Übergangsgeldes mit der Erwerbsminderungsrente das Übergangsgeld nur unter Anrechnung der Rente zusteht. Nur in dieser - geminderten - Höhe steht es dem Versicherten zur Deckung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung, so dass es auch nur in dieser Höhe im Rahmen der Leistungen nach SGB II und SGB XII berücksichtigt werden kann. Wird somit der das Übergangsgeld leistende Träger (hier die Klägerin) durch die von der Beklagten gewährte Erwerbsminderungsrente durch diese Anrechnungsvorschrift auch im Verhältnis zu Leistungen nach SGB II und SGB XII (teilweise) entlastet, muss dies auch für die rückwirkende Rentengewährung gelten. Entsprechend steht der Klägerin im Verhältnis zu den Leistungsträgern nach SGB II und SGB XII ein vorrangiger Erstattungsanspruch zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung und berücksichtigt sowohl das Unterliegen der Beklagten beim Leistungsbegehren als auch den Umstand, dass die Klägerin eine unzulässige Feststellungsklage erhoben und diese in der Berufung wieder zurückgenommen hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere verneint der Senat eine grundsätzliche Bedeutung der Sache, weil sich die von den Beteiligten im Zusammenhang mit § 116 Abs. 3 SGB VI aufgeworfenen Fragen unmittelbar anhand des Gesetzes beantworten lassen.
Rechtskraft
Aus
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