S 11 AS 346/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AS 346/14
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Geschäftsgebühr in Höhe von 80, Euro ist als Vergütung eines Rechtsanwaltes für ein Widerspruchsverfahren gegen eine Mahngebühr angemessen.
I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Tatbestand:


Streitig ist die Höhe der, dem Kläger zu erstattenden Kosten eines Widerspruchsver-fahrens gegen eine von der Beklagten festgesetzte Mahngebühr.

Der Kläger bezog Leistungen beim Jobcenter A-Stadt. Dieses erließ am 11.03.2013 Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, mit welchen der Kläger zur Rückzahlung eines Betrags in Höhe von insgesamt 375,17 Euro verpflichtet wurde, wovon am 29.04.2013 noch ein Betrag in Höhe von 321 Euro offen war.

Mit Bescheid vom 29.04.2013 mahnte die Beklagte beim Kläger die Begleichung dieses Betrags an und setzte eine Mahngebühr in Höhe von 1,90 Euro fest.

Mit Schreiben vom 14.05.2013.2013 legte der Bevollmächtigte des Klägers gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, dass gegen den zu Grunde liegenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid Widerspruch eingelegt worden sei.

Mit Abhilfebescheid vom 26.07.2013 hob die Beklagte die festgesetzte Mahngebühr auf, erkannte die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten an und verpflichtete sich, dem Kläger die notwendigen Aufwendungen zu erstatten.

Am 30.08.2013 rechnete der Bevollmächtigte gegenüber dem Kläger nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ab und übersandte der Beklagten die Kostennote. Der Rechnungsbetrag in Höhe von 566,44 Euro enthielt eine Geschäftsgebühr gemäß § 14 RVG, Nr. 2400 VV RVG in Höhe von 456,00 Euro, wobei als Grund für die Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG angegeben worden ist, da es sich um vier Auftraggeber handele.

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 29.10.2013 setzte die Beklagte die zu erstattenden Kosten auf einen Betrag in Höhe von 114,24 Euro fest und legte dabei eine Geschäftsgebühr in Höhe von 80 Euro zu Grunde. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass der Kostenansatz des Bevollmächtigten unbillig gewesen sei. Sowohl die rechtliche Schwierigkeit, als auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sowie die Bedeutung der Angelegenheit für die Widerspruchsführerin würden im Vergleich zu den üblichen sozialgerichtlichen Verfahren weit unter dem Durchschnitt liegen.

Mit Schreiben vom 08.11.2013 legte der Bevollmächtigte des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbescheid Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.01.2014 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Bedeutung der Mahngebühr in Höhe von 1,90 Euro sei unterdurchschnittlich. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei weit unterdurchschnittlich, der Sachverhalt sei leicht zu erfassen. Dasselbe gelte für die rechtliche Schwierigkeit.

Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 10.02.2014, Eingang bei Gericht am 12.02.2014, Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er nunmehr im Rahmen einer Ermessensausübung nur noch eine Geschäftsgebühr in Höhe von 120 Euro als die hälftige Schwellengebühr fordere und damit der niedrigen Summe der Hauptsache Rechnung trage. Der niedrige Streitwert in sozialgerichtlichen Verfahren dürfe nicht per se zur Reduzierung der Gebühren führen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei genauso wie sonst auch. Es habe auch ein Besprechungstermin mit dem Kläger stattgefunden. Zudem habe die Beklagte in ähnlichen Fällen bereits die Geschäftsgebühr in Höhe von 120 Euro anerkannt, so dass eine Selbstbindung der Verwaltung entstanden sei.

In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass bezüglich der ursprünglichen Gebührenfestsetzung ein Fehler unterlaufen sei, da man irrtümlich von mehreren Widerspruchsführern ausgegangen sei. Es werde nunmehr nur noch eine Geschäftsgebühr in Höhe von 95 Euro gefordert. Eine Reduktion der Mittelgebühr auf 1/3 sei angesichts des erforderlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit nicht gerechtfertigt.

Der Kläger beantragt,

der Bescheid der Beklagten vom 29.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2014 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger im Widerspruchsverfahren entstandene Kosten unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr in Höhe von 95 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zum Einwand des Klägers, dass auf Grund der mehrmaligen Festsetzung einer Geschäftsgebühr in Höhe von 120 Euro eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten sei, hat die Beklagte mitgeteilt, dass es sich hier um besonderes gelagerte Einzelfälle und um Verfahren im Zuständigkeitsbereich des SG München gehandelt habe. Aktuell würden Kostenfestsetzungsbeschlüsse mit einer höheren Gebühr als 80 Euro in der Regel mit der Erinnerung bzw. Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts wegen der Einzelheiten auf die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts verwiesen.



Entscheidungsgründe:


1. Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kostenfestsetzungsbescheid vom 29.10.2013 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 14.01.2014 ist rechtmäßig ergangen.

2. Streitgegenstand ist der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 29.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.01.2014, mit welchem die Beklagte, die dem Kläger zu erstattende Geschäftsgebühr auf 80 Euro festgesetzt hat.

3. Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und wurde form- und fristgerecht erhoben.

4. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die von der Beklagten erfolgte Kostenfestsetzung nicht zu beanstanden ist. Ein höherer Vergütungsanspruch ist nicht gerechtfertigt.

5. Gemäß §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Hierbei ist grundsätzlich von der so genannten Mittelgebühr auszugehen, also der Hälfte der Höchst- zuzüglich der Mindestgebühr. Die Mittelgebühr ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen Schwierigkeitsgrades, bei denen die vom Rechtsanwalt geforderte und auch tatsächlich entwickelte Tätigkeit ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war, anzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009, B 4 AS 21/09 R).

Die Gebührenbestimmung ist dann unbillig und daher unverbindlich, wenn die vom Bevollmächtigten geltend gemachten Gebühren die Toleranzgrenze von ca. 20 % zur tatsächlich objektiv angemessenen Gebührenhöhe überschreiten (BSG, a.a.O., Rn. 19).

6. Im hier vorliegenden Fall ist nur eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG in der damals gültigen Fassung in Höhe von 80,00 EUR angemessen. Die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin bestimmte Gebühr von 456,00 EUR ist damit unverbindlich, weil sie unbillig ist, da sie die angemessene Rahmengebühr in Höhe von 80,00 EUR um mehr als 20 % überschreitet. Soweit der Kläger nunmehr die Festsetzung von einer Geschäftsgebühr in Höhe von 95 Euro fordert, führt dies jedoch nicht dazu, dass die ursprünglich festgesetzte Gebühr unbillig war und daher von der Beklagten im Rahmen eines Kostenfestsetzungsbescheids abweichend festgesetzt werden durfte. Für die Frage der Billigkeit der festgesetzten Gebühr kommt es auf den ursprünglich vom Bevollmächtigten geltend gemachten Betrag an.

7. Die vom Bevollmächtigten angesetzte Geschäftsgebühr war unbillig, da die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowohl nach der Rechts- auch als nach der Sachlage weit unterdurchschnittlich war. Ebenso ist von einem unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit und unterdurchschnittlicher Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger auszugehen.

Die Rechtslage ist eindeutig. Es besteht die klare gesetzliche Regelung, dass der Widerspruch gegen einen Erstattungsbescheid gemäß § 86a Abs. 1 S. 1 SGG, § 39 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) aufschiebende Wirkung hat. Insoweit braucht der Bevollmächtigte keine typische anwaltliche Tätigkeit wie Recherche in der Rechtsprechung oder Kommentarliteratur entfalten. Es reicht - wie auch tatsächlich geschehen - der einfache Hinweis auf den eingelegten Widerspruch.

Auch die Sachlage ist eindeutig und es bedarf keiner weiteren anwaltlichen Tätigkeit. Dies gilt umso mehr, wenn der Bevollmächtigte bereits selbst den Widerspruch gegen den Erstattungsbescheid eingelegt hat. In diesem Fall erübrigt sich sogar das Aktenstudium. Es genügt ein Blick in die Handakte.

Zudem ist auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als unterdurchschnittlich einzustufen. Es ist für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren einzig ein Schreiben mit einem Hinweis auf den eingelegten Widerspruch erforderlich gewesen. Soweit der Bevollmächtigte vorträgt, es habe eine Besprechung stattgefunden, kann dies nicht zu einer Erhöhung des erforderlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit führen. Der Bevollmächtigte kann seine anwaltliche Tätigkeit ausgestalten und ausführen, wie er möchte. Jedoch können Gebühren nur für den erforderlichen Umfang der Tätigkeit geltend gemacht werden. Eine Besprechung war in diesem eindeutigen Fall nicht erforderlich. Insbesondere konnte der Kläger auch nichts zur Klärung des eindeutigen Sachverhalts beitragen, da nur das Tätigwerden des Bevollmächtigten selbst (Einlegung des Widerspruchs) maßgeblich war.

Schließlich ist die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger auch unter Berücksichtigung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse als unterdurchschnittlich einzustufen, da die festgesetzte Mahngebühr 1,90 Euro beträgt und damit nur knapp 0,5 % des monatlichen Regelsatzes. Dies ist selbst im Bereich der Grundsicherungsleistungen ein sehr geringer Betrag, der für den Kläger keine gesteigerte Bedeutung haben kann (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.04.2014, L 7 AL 94/13). Soweit der Bevollmächtigte geltend macht, dass - soweit kein Widerspruch eingelegt werden würde - jedoch die Vollstreckung der gesamten Forderung in nicht unbeträchtlicher Höhe drohe, ist darauf hinzuweisen, dass der Widerspruch nur die Festsetzung der Mahngebühr erfasst. Nur dies stellt einen angreifbaren Verwaltungsakt dar. Die Geltendmachung der zu Grunde liegenden Forderung stellt keinen Verwaltungsakt dar und wird daher auch nicht mit dem Widerspruch angegriffen. Soweit die Beklagte Vollstreckungsmaßnahmen einleiten würde, wäre hiergegen direkt der entsprechende Rechtsschutz zu suchen.

8. Aus in vergleichbaren Fällen ergangenen gerichtlichen Entscheidungen ist nicht ersichtlich, dass im vorliegenden Fall eine höhere Geschäftsgebühr als 80 Euro als angemessen anzusehen wäre.

Im Bereich der Rechtssprechung der Kammern, die für Angelegenheiten nach dem SGB II zuständig sind, haben auch das SG Detmold, Urteil vom 23.01.2014, S 18 AS 1422/13, und das SG Berlin, Beschluss vom 14.03.2013, S 165 SF 18406/11, die Angemessenheit der Geschäftsgebühr in Höhe von 80 Euro bestätigt.

Zuletzt hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen sogar mit Beschluss vom 10.04.2014, L 7 AL 94/13, die Angemessenheit einer Geschäftsgebühr in Höhe von 40 Euro bestätigt.

Soweit das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 21.11.2012, L 19 AS 1878/12 B , eine Geschäftsgebühr in Höhe von 144 Euro als angemessen akzeptiert, kann hieraus nicht gefolgert werden, dass dies die aus Sicht des Gerichts angemessene Gebühr ist, da diese Geschäftsgebühr so vom Beklagten festgesetzt wurde und daher keine Aussage des entscheidenden Senats zu treffen war, ob auch eine darunterliegende Gebühr angemessen wäre.

9. Soweit vorgetragen wird, dass durch die Anerkennung der halben Geschäftsgebühr in anderen Fällen eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten sei, kann dem nicht gefolgt werden.

Es handelt sich bei der Festsetzung der angemessenen Gebühr bereits nach dem Wortlaut des § 14 RVG jeweils um Einzelfallentscheidungen. Eine Selbstbindung der Verwaltung und damit eine Ermessensreduzierung auf Null setzt zudem voraus, dass es zur Ausübung des Ermessens bei der Festsetzung der Geschäftsgebühr ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften der Beklagten gab oder gibt, die von dieser im maßgeblichen Zeitpunkt so gehandhabt wurden, dass die beantragte Festsetzung einer ständigen Praxis der Beklagten entsprochen hat (ständige Rechtsprechung). Daran fehlt es vorliegend. Wie die Hinweise der Beklagten sowie die zahlreichen Klagen des Bevollmächtigten diesbezüglich zeigen, gab es in der betreffenden Zeit auch anderslautende Entscheidungen. Zudem weist die Beklagte darauf hin, dass anderslautende Kostenbeschlüsse und Kostenentscheidungen angegriffen würden und die Festsetzung der Gebühr in Höhe von 120 Euro im Bereich des SG München erfolgt sei.

10. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved