L 12 AS 920/14 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 53 AS 1242/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 920/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.05.2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die fristgerecht erhobene und damit zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 07.05.2014 war aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die ausführlichen und zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zur eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).

Ergänzend und klarstellend weist der Senat zu der Rechtsfrage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches (SGB II) zu Lasten der Antragsteller eingreift und gegen Europäisches Recht verstößt, auf folgendes hin:

Bei der Prüfung der Frage, ob die Antragstellerin zu 1) und ihre Kinder als bulgarische Staatsangehörige nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind oder ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Artikel IV VO (EG) 883/2004 hinter diese zurücktritt, handelt es sich um eine umstrittene Rechtsfrage, die in Rechtsprechung und Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet ist (vgl. hierzu Beschluss des LSG NRW vom 21.05.2014 - L 7 AS 652/14 B ER m. w. N. - und Beschlüsse des erkennenden Senats vom 20.12.2013 - L 12 AS 2265/13 B ER -, vom 19.03.2013 - L 12 AS 1023/13 B ER - und vom 25.06.2014 - L 12 AS 232/14 B ER -). Die Komplexität der gesetzlichen Regelungen unter Berücksichtigung der Einwirkungen der europarechtlichen Rechtsnormen auf die nationalen Gesetze lässt sich auch dem beim BSG unter dem Aktenzeichen B 14 AS 9/13 R geführten Verfahren entnehmen. Das BSG hat das Verfahren nach Art. 267 Abs. 1 und 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausgesetzt, um eine Vorabentscheidung des EuGH zu verschiedenen Fragen einzuholen, u. a. ob das Gleichbehandlungsgebot Art. IV VO (EG) 883/2004 mit Ausnahme des Exportausschlusses des Art. 70 Abs. 4 VO (EG) 883/2004 auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 70 Abs. 1 , 2 VO (EG) 883/2004 gilt (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R -).

Aufgrund der Komplexität der bei Subsumtion der Sachverhalts zu klärenden Rechtsfragen kann die Rechtslage in einem einstweilligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilt werden, sodass anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden ist (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005-1 BVerfG 569-).

Diese Folgenabwägung fällt zu Gunsten der Antragsteller aus. Hierbei sind insbesondere die Bedeutung der beantragten Leistungen für die Antragsteller gegen die fiskalischen Interessen des Antragsgegners, die vorläufig erbrachten Leistungen im Fall des Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise nicht zurück zu erhalten, abzuwägen. Das Interesse des Antragsgegners muss im konkreten Fall hinter den Interessen des Antragstellers zurück treten. In Anbetracht dessen, dass die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, können die Antragsteller im Lichte des in Art. I i.V.m. Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verankerten Gebots des effektiven Rechtschutzes und der Menschenwürde nicht zugemutet werden, ohne jede staatliche Existenzsicherung eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten ( LSG NRW, Beschluss vom 03.04.2013 - L 7 AS 2403/12 B -).

Über diese grundsätzlichen Erwägungen hinaus führen auch die fallbezogen angeführten Argumente des Antragsgegners nicht zu einer abweichenden Entscheidung. Mit der Meldebescheinigung vom 11.11.2013 hat die Antragstellerin zu 1) nachgewiesen, dass sie sich in der Wohnung G-Straße 00 in E aufhält. Hierbei handelt es sich um die Wohnung ihres Lebenspartners und Vaters des gemeinsamen Sohnes, des Antragstellers zu 2). Das ergibt sich aus dem an den Lebenspartner Herrn I L gerichteten Bescheids des Sozialamtes E vom 16.05.2014. Desweiteren hat die Antragstellerin zu 1) vorgetragen, ihre Tochter, die Antragstellerin zu 3), lebe mit ihr dort. Da die Antragstellerin zu 3) ausweislich der Geburtsurkunde der Republik Bulgarien erst im Oktober 2007 geboren wurde, mithin noch keine Sieben Jahre alt ist, hat der Senat keine Zweifel, an der Richtigkeit dieser Angaben. Gleiches gilt für den im Februar 2014 in E geborenen Sohn der Antragstellerin zu 1), den Antragssteller zu 2). Damit bilden die Antragsteller gemeinsam mit Herrn L eine Bedarfsgemeinschaft, der nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere unter Berücksichtigung der Leistungen des Herrn L, die dieser vom Sozialamt nach dem SGB XII bezieht, Leistungen zu bewilligen sind. Eine Beiladung des Sozialamtes, wie vom Antragsgegner angeregt, hält der Senat nicht für erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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