S 33 AL 363/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
33
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 363/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AL 135/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung für die gesetzliche Dauer zu bewilligen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger durch seine versicherungspflichtige Arbeit, die er während einer Haftzeit ausgeübt hat, die erforderliche Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Arbeitslosengeld erfüllt hat.

Der 1975 geborene Kläger war in der Zeit vom 25.04.2012 bis 11.06.2013 in der JVA Bielefeld-Senne inhaftiert. Ab 09.05.2012 bis zum 07.06.2013 arbeitete der Kläger als Gefangener in der JVA. Das Land NRW entrichtete aufgrund der Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III entsprechende Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gemäß § 347 Nr. 3 SGB III. Entgegen der bis zum August 2012 gängigen Praxis, wonach in der Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 4 SGB III gemäß den Ausfüllhinweisen der Beklagten "arbeitsfreie Samstage, Sonntage und gesetzliche Wochenfeiertage, die innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnitts liegen , nicht aus der versicherungspflichtigen Zeit heraus zurechnen sind" (vgl. Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 4 SGB III = Anlage 3 zum Anhang 2 - § 312 SGB III zu Geschäftsanweisung Alg-SGB III Stand: 04/2012), forderte die Beklagte in ihren neuen Ausfüllhinweisen zur Arbeitsbescheinigung die Justizvollzugsanstalten dazu auf, arbeitsfreie Tage ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht zu bescheinigen (vgl. Arbeitsbescheinigung gemäß § 312 Abs. 4 SGB III = Anlage 3 zum Anhang 2 - § 312 SGB III zu Geschäftsanweisung Alg-SGB III zu Geschäftsanweisung Alg-SGB III Stand: 09/2012).

Dementsprechend bescheinigte die JVA Bielefeld-Senne für den Kläger mit den Arbeitsbescheinigungen vom 10.06.2013 (vgl. Bl. 6 und Bl. 8 der Verwaltungsakte der Beklagten) für den Zeitraum vom 09.05.2012 bis 19.04.2013 insgesamt 315 versicherungspflichtige Arbeitstage und für den Zeitraum vom 22.04.2013 bis 07.06.2013 insgesamt 27 versicherungspflichtige Arbeitstage.

Am Tag seiner Haftentlassung (11.06.2013) meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 12.06.2013.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 24.06.2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, da er in den letzten zwei Jahren vor dem 11.06.2013 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei.

Den hiergegen fristgemäß eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, seines Erachtens seien die Arbeitstage in der JVA falsch berechnet, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2013 als unbegründet zurück. Die Anwartschaftszeit erfülle gemäß § 142 Abs. 1 SGB III nur, wer in der Rahmenfrist von 2 Jahren ab dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 143 Abs. 1 SGB III) mindestens 12 Monate, d.h. 360 Kalendertage (§ 339 Satz 2 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Innerhalb der für den Kläger geltenden Rahmenfrist vom 12.06.2011 bis 11.06.2013 seien jedoch nur 342 Kalendertage berücksichtigungsfähig, in denen der Kläger versicherungspflichtig i.S.d. § 24, 26 und 28a SGB III gewesen sei. Die Beklagte verwies insoweit auf die Arbeitsbescheinigungen der JVA Bielefeld-Senne.

Hiergegen hat der Kläger fristgemäß Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Zur Begründung trägt er vor:

aufgrund seiner Arbeitstätigkeit in der JVA Bielefeld-Senne vom 09.05.2012 bis 07.06.2013, mithin einem Zeitraum von knapp 13 Monaten, habe er in der Rahmenfrist vom 12.06.2011 bis 11.06.2013 insgesamt 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Soweit die JVA in den Arbeitsbescheinigungen vom 10.06.2013 lediglich 342 Tage bescheinigt habe, so sei dies inhaltlich unzutreffend, da insoweit nur die tatsächlichen Arbeitstage und nicht der gesamte Zeitraum des Versicherungspflichtverhältnisses erfasst seien. Zur Untermauerung seines Vortrags hat der Kläger seine Klage Kopien der Lohnbescheinigungen für die Monate Mai 2012 bis Juni 2013 beigefügt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2013 zu verpflichten, ihm Arbeitslosengeld ab Antragstellung in gesetzlicher Höhe für die gesetzliche Dauer zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid und Widerspruchsbescheid und ergänzt noch:

Anders als in einem Beschäftigungsverhältnis als Arbeitnehmer, in dem der Arbeitnehmer durchgehend, auch wenn er nicht arbeite, ein Arbeitsentgelt erziele, seien Gefangene gemäß der Formulierung des § 26 Abs. 1 Ziff. 4 SGB III nur versicherungspflichtig, wenn sie ein Arbeitsentgelt erhielten. Dies führe zu der auf jeden einzelnen Tag bezogenen Betrachtungsweise. Es bestehe eine Bindung an die aktuelle Weisungslage gemäß der Geschäftsanweisung zu § 26 SGB III, wonach künftig nur noch die Tage anwartschaftsbegründend seien, die mit Entgelt belegt sind und demzufolge in der Arbeitsbescheinigung nur noch die Tage bescheinigt werden dürften, für die der Gefangene Arbeitsentgelt erhalten habe. Tage, die nicht mit Entgelt belegt seien (z.B. Sonn- und Feiertage) seien künftig nicht mehr zu bescheinigen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die den Kläger betreffende Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte den Rechtsstreit gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben sich hiermit einverstanden erklärt.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der ablehnende Bescheid vom 24.06.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 SGG. Er hat gemäß §§ 137, 138 ff. SGB III einen Anspruch auf Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe ab 12.06.2013 für die gesetzliche Dauer.

Gemäß §§ 137, 138 SGB III haben Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet haben und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Nach § 142 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Nach § 143 Abs. 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung einer sonstigen Voraussetzung für den Anspruch auf Alg. Nach den genannten Vorschriften berechnet sich mithin aufgrund der Arbeitslosmeldung und Antragstellung zum 12.06.2013 die Rahmenfrist vom 12.06.2011 bis 11.06.2013.

Entgegen der Ansicht der Beklagten hat der Kläger innerhalb dieser zweijährigen Rahmenfrist auch für mindestens 12 Monate (=360 Tage, vgl. § 339 S. 2 SGB III) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden.

1. Zwar scheidet ein Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigter nach §§ 24,25 SGB III aus, weil der Kläger als Gefangener trotz Arbeitsleistung und Entlohnung zugewiesene Arbeit nicht in einem freien Beschäftigungsverhältnis verrichtet hat, sondern vielmehr in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art (vgl. BSG Beschluss vom 05.12.2001 Az: B 7 AL 74/01 B). Allerdings erfüllt der Kläger den Sondertatbestand der Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III, wonach Gefangene, die Arbeitsentgelt erhalten, versicherungspflichtig sind.

Entgegen ihrer Rechtsauslegung bis August 2012 legt die Beklagte ab diesem Zeitpunkt den Wortlaut dieser Vorschrift dahingehend aus, dass nur noch die Tage anwartschaftsbegründend seien, für die tatsächlich Arbeitsentgelt gezahlt wurde und begründet dies mit einem Vergleich zum Wortlaut der §§ 24,25 SGB III, wonach versicherungspflichtig die Personen sind, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind.

Allerdings rechtfertigt der Wortlaut der eben zitierten Vorschriften nicht die unterschiedliche Behandlung von Gefangenen, die ihre Arbeit gegen Entlohnung in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art verrichten und Arbeitnehmern, die ihrer Arbeitsleistung gegen Entlohnung in einem freien Beschäftigungsverhältnis verrichten.

Auch § 25 Abs. 1 SGB III stellt darauf ab, dass versicherungspflichtig die Personen sind, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. Der Wortlaut des § 26 Abs. 1 Nr. 4, wonach Gefangene, die Arbeitsentgelt erhalten versicherungspflichtig sind, unterscheidet sich mithin zum Wortlaut des § 25 SGB III lediglich darin, dass nicht auf ein (freies) Beschäftigungsverhältnis abgestellt wird. Hintergrund hierfür ist, wie bereits erwähnt, allein der Umstand, dass Gefangene keine Arbeitnehmer sind, weil sie zugewiesene Arbeit verrichten und in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art stehen (vgl. Ute Winkler in "info also 2/2013 Seite 92".

Es ist auch kein sachlicher Grund erkennbar, die Anwartschaftszeit und damit den Arbeitslosengeldanspruch von Gefangenen, die in einem öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art gegen Arbeitsentgelt arbeiten und der Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III unterliegen, anders zu behandeln, als Arbeitnehmer, die in einem reinen Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt arbeiten und gemäß § 24,25 SGB III versicherungspflichtig sind. Sind bei Letzteren arbeitsfreie Samstage und Sonntage sowie gesetzliche Wochen-Feiertage, die innerhalb eines zusammenhängenden Arbeits- oder Ausbildungsabschnitts liegen, nicht aus der versicherungspflichtigen Zeit heraus zurechnen (sog. "umfasste" allgemeine arbeitsfreie Tage) ist kein sachlich rechtlicher Grund ersichtlich, dies in Abkehr der bis zum August 2012 auch bei versicherungspflichtigen Gefangenen praktizierten Berechnung nunmehr auf die Tage mit Arbeitsentgelt ohne umfasste allgemeine arbeitsfreie Tage zu beschränken.

Vielmehr spricht die Gesetzhistorie dafür, dass der Gesetzgeber mit der Einführung der Versicherungspflicht für Gefangene gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III die Arbeit der Gefangenen, der Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gleichstellen wollte (vgtl. BSG Urteil vom 22.03.1979 Az: B 7 RAr 98/78). So lautet etwa § 3 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz: "Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden". Nach § 37 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz hat die Arbeit in der Haft das Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern; Die zugewiesene Arbeit soll nach § 37 Abs. 4 und 5 Strafvollzugsgesetz wirtschaftlich ergiebig, also keine sinnlose "Strafarbeit" sein. Nach § 43 Abs. 1 Strafvollzugsgesetz wird die Arbeit der Gefangenen durch Arbeitsentgelt und Freistellung von der Arbeit anerkannt; Die Freistellung beträgt für die Arbeit eines Jahres nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Strafvollzugsgesetz 18 Tage und kann nach § 43 Abs. 11 Strafvollzugsgesetz bei der Entlassung durch Geld ausgeglichen werden; § 43 Abs. 2 S. 2 und 3 Strafvollzugsgesetz legen der Entlohnung einen Tagessatz als Eckvergütung in Höhe des 250ten Teils der jährlichen Bezugsgröße des § 18 SGB IV zugrunde. In den bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zu § 37 Strafvollzugsgesetz Abs. 4 heißt es: "Die Arbeitszeit der Gefangenen soll sich nach der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im öffentlichen Dienst richten, in dringenden Fällen darf die regelmäßige Arbeitszeit der Gefangenen bis zu der für die freie Arbeitnehmer zugelassenen Höchstdauer überschritten werden. An Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen, in der Regel auch an Samstagen ruht die Arbeit, soweit nicht unaufschiebbare Arbeiten ausgeführt werden müssen. Mehrarbeit und Arbeit nach Satz 2 sollen möglichst durch Freizeit ausgeglichen werden." Hat der Gesetzgeber also gerade die Angleichung der Verhältnisse eines arbeitenden Strafgegangenen mit denen eines in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehenden Arbeitnehmers beabsichtigt, ist vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG, also gerade kein sachlicher Grund für die nunmehr mit der jetzigen Berechnungspraxis gegebenen Ungleichbehandlung zwischen arbeitenden Strafgefangenen und Arbeitnehmern in einem freien Beschäftigungsverhältnis gegeben.

Das BSG hat die bisherige Berücksichtigung von arbeitsfreien Wochenenden und Wochenfeiertragen als Versicherungspflichtzeiten bei Gefangenen in Anlehnung an die Situation von Arbeitnehmern auch bereits ausdrücklich gebilligt und mit der Berechnung der Beiträge für die Versicherungszeit der Gefangenen in § 1 der Gefangenen-Beitragsverordnung begründet, nach der jeder Arbeitstag mit einem 250-tel der Beitragsbemessungsgrundlage für ein Jahr angesetzt wird (vgl. BSG Urteil vom 07.11.1990 Az: B 9b 7RAr 112/89; s. auch LSG NRW Urteil vom 15.10.2008, Az: L 12 AL 40/07 und vom 18.03.2003, Az: L 1 AL 18/02).

Auch die Lohnfindung und Beitragsbemessung entsprechen der arbeitnehmerähnlichen Gestaltung des Arbeitsumfangs. Nach § 43 Abs. 2 S. 2 und 3 Strafvollzugsgesetz wird der Gefangene wie ein Arbeitnehmer mit 250 Arbeitstagen als Jahresarbeitsleistung entlohnt. Gemäß § 1 Abs. 2 der Gefangenenbeitragsverordnung werden die Beiträge nach der Formel BBGrdl x T/250 x B/250 berechnet. Setzt man einen Monat mit 20 Arbeitstagen an, ergibt sich folgende Berechnung: 29106 EUR x 20/250 x 3/100 = 69,85 EUR. Dass damit nur rund 250 Tage in die Berechnung nach der Gefangenenbeitragsverordnung einfließen spricht nicht gegen, sondern für den Einbezug "umfasster" allgemein arbeitsfreie Tage als Zeiten eines Versicherungspflichtverhältnisses. Denn aus dem Teiler 250 sind die allgemeinen arbeitsfreien Tage bereits heraus gerechnet, weil er für die Arbeitstage im Kalenderjahr steht (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Gefangenenbeitragsverordnung BRDrs. 3/77 vom 05.01.1977 Seite 3 [zu § 1]; Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, BRDrs. 1051/97 vom 23.12.1997, Seite 3 [zu § 1]). Da je kleiner der Teiler ist, die geschuldeten Beiträge um so größer werden, bezahlen die Bundesländer die arbeitsfreien Wochenenden und Feiertage bereits mit. Werden für einen Gefangenen somit aber für ein Jahr Beiträge entrichtet, muss dem auch ein Jahr Versicherungspflichtverhältnis entsprechen.

Die Auffassung der Beklagten hätte dem gegenüber die Folge, dass ein Gefangener, der durchgängig ein Jahr mit 250 Arbeitstagen gearbeitet hat, noch 110 Arbeitstage für die Erfüllung der Anwartschaftszeit nacharbeiten müsste. Die 110 Arbeitstage-Differenz zu den 360 Kalendertagen der Anwartschaftszeit ergäben sich aus den nicht berücksichtigten Wochenenden und Feiertagen. 110 Arbeitstage entsprechen rund 5 Monaten, die zusätzlich zu arbeiten wären. Um eine Anwartschaftszeit von 12 Monaten zu erfüllen, müsste ein Gefangener also rund 17 Monate durchgehend arbeiten und wäre damit wesentlich schlechter gestellt als Arbeitnehmer in einem freien Beschäftigungsverhältnis. Außerdem müssten die Länder gut das 1,4-fache eines Jahresbetrages für einen Gefangenen zahlen, um 12 Monate Anwartschaftszeit zu finanzieren. Da es im Vollzug immer wieder Phasen ohne Arbeit gibt, ergäbe sich zudem die erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass zurückliegende Beitragszeiten durch die Rahmenfrist von 2 Jahren gekappt würden. Die Beiträge der Länder würden damit im größeren Umfang verpuffen, ohne dass Gefangene hierdurch Ansprüche erwürben.

Damit sprechen Wortlaut der Vorschrift, Systematik des Gesetzes, der Wille des Gesetzgebers, die Vorschriften der Beitragsentrichtung sowie letztlich der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz gegen die aktuell praktizierte Berechnung der Anwartschaftszeit bei versicherungspflichtigen Gefangenen gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III durch die Beklagte. Es sind daher bei der Berechnung der Anwartschaftszeit des Klägers die "umfassten" allgemein arbeitsfreien Tage (arbeitsfreie Samstag, Sonntage und gesetzliche Wochenfeiertage, die innerhalb eines zusammenhängenden Arbeitsabschnitts liegen) als versicherungspflichtige Zeiten mit zu berücksichtigen, so dass der Kläger vorliegend unzweifelhaft die erforderlichen 360 Tage in einem Versicherungspflichtverhältnis gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 4 SGB III gestanden und damit die Anwartschaftszeit erfüllt hat.

Ihm steht Arbeitslosengeld ab 12.06.2013 in gesetzlicher Höhe für die gesetzliche Dauer zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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