L 4 AS 50/14 NZB

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Gotha (FST)
Aktenzeichen
S 28 AS 8811/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 4 AS 50/14 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Frage, ob die durch einen kommunalen Träger im Wege einer Richtlinie festgelegte angemessene Nettokaltmiete auf einem schlüssigen Konzept beruht, besitzt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichtes Gotha vom 12. November 2013 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere auch statthaft.

Das Sozialgericht hat die Berufung nicht zugelassen. Sie ist nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG auch nicht statthaft, denn der maßgebliche Beschwerdewert von mehr als 750 Euro wird nicht erreicht. Die Kläger begehren für November 2010 um insgesamt 98,55 Euro höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Die Beschwerde ist indes unbegründet.

Die Berufung war nicht nach § 144 Abs. 2 SGG - im Urteil oder auf die Beschwerde durch das Landessozialgericht - zuzulassen. Dies kommt nur dann in Betracht, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unter-liegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG).

Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne hat eine Sache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist und zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheitlichkeit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Für die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist hinsichtlich der Klärungsbedürftigkeit auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen (vgl. den Senatsbeschluss vom 8. September 2011 - L 4 AS 855/11 NZB). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann nicht mehr, wenn sie schon entschieden ist oder durch Auslegung des Gesetzes eindeutig beantwortet werden kann (BSG, Beschluss vom 30. September 1992 – 11 BAr 47/92, juris). Die Frage, ob eine Rechtssache im Einzelfall richtig oder unrichtig entschieden ist, verleiht ihr noch keine grundsätzliche Bedeutung (BSG, Beschluss vom 26. Juni 1975 – 12 BJ 12/75, juris). Hinsichtlich Tatsachenfragen kann über § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG eine Klärung nicht verlangt werden.

Eine so verstandene grundsätzliche Bedeutung ist vorliegend nicht ersichtlich und wurde von der Klägerin auch nicht substantiiert dargelegt. Die sinngemäß aufgeworfene Frage, ob die angemessene Nettokaltmiete im Zuständigkeitsbereich des Beklagten auf einem schlüssigen Konzept beruht, besitzt keine grundsätzliche Bedeutung im vorgenannten Sinne. Die rechtlichen Grundlagen für die Beantwortung dieser Frage sind geklärt. Ausgangspunkt ist § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, wonach Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind. Hierzu ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes hinreichend geklärt, dass es sich bei dem Begriff der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II um einen der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff handelt, dass eine Einzelfallprüfung auf der Grundlage des Produkttheorie vorzunehmen ist, und an Hand welcher Kriterien und Maßstäbe zu beurteilen ist, ob die vom kommunalen Träger fest-gelegten Angemessenheitsgrenzen auf einem schlüssigen Konzept beruhen (vgl. hierzu bei-spielhaft die umfangreichen Ausführungen und Rechtsprechungsnachweise bei Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II, § 22 Rn. 44 ff.; Luik, in: Eicher, SGB II, § 22 Rn. 72 ff.). Die Frage, ob eine bestimmte Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift eines kommunalen Trägers, in der Angemessenheitsgrenzen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II festgelegt werden, den gesetzlichen und vom Bundessozialgericht ausgeformten Anforderungen genügt, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (so Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18. Dezember 2013 – L 3 AS 1613/13 NZB, juris; vgl. auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. September 2013 – L 19 AS 1304/13 NZB).

Der Hinweis der Kläger, beim Thüringer Landessozialgericht sei bereits ein Verfahren anhängig, das sich mit der Rechtmäßigkeit der Unterkunftsrichtlinie des Beklagten befasst, ändert an dieser Beurteilung nichts.

Ebenfalls nicht durchzudringen vermag der Hinweis der Kläger, dass ein größerer Personen-kreis betroffen sei. Es mag zutreffen, dass die Entscheidung, ob die vom kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen auf einem schlüssigen Konzept beruhen, für eine Viel-zahl von Verfahren mit einer Vielzahl von leistungsberechtigten Personen von Bedeutung ist. Dies ändert aber nichts daran, dass Bezugspunkt der von den Klägern als klärungsbedürftig angesehenen Rechtsfrage eine bestimmte Richtlinie oder Verwaltungsvorschrift ist, das heißt, dass es um die Anwendung von Rechtsvorschriften im Einzelfall geht (Sächsisches Landesso-zialgericht, a.a.O.).

Das Urteil des Sozialgerichts weicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG auch nicht von einer Ent-scheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab. Eine solche Ab-weichung liegt nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil oder der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts nicht den Kriterien entspricht, die übergeordnete Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das Sozialgericht weicht nur dann von einer Entscheidung ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage übergeordneter Gerichte entgegen steht und dem erstinstanzlichen Urteil tragend zu Grunde liegt (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 15. März 2011 - L 6 KR 516/10 NZB und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Februar 2011 - L 19 AS 1011/10 NZB). Im Übrigen sind auch Ausführungen zu verlangen, denen hinreichend klar entnommen werden kann, dass das Urteil auf der Abweichung beruht (vgl. zum Ganzen: Senatsbeschluss vom 8. September 2011, a.a.O., m. w. N.).

Aus den Gründen des angefochtenen Urteils ist nicht im Ansatz erkennbar, dass das Sozialgericht der Rechtsprechung übergeordneter Gerichte widersprochen und abweichend hiervon andere Maßstäbe aufgestellt hat.

Im Kern rügen die Kläger die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Ein Rechtsirrtum bzw. die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet aber keine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (vgl. Thüringer Landessozialgericht und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).

Das Vorliegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG haben die Kläger nicht gerügt.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Da die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen (§ 73a SGG in Verbindung mit den §§ 114 ff. Zivilprozessordnung).

Mit diesem Beschluss wird das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG). Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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