Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 54 AS 2864/12
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 518/13
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Erfolgt während des Leistungsbezugs eine Aufnahme in einem Krankenhaus oder einer Rehabilitationseinrichtung gemäß § 107 SGB V, ist für die Prüfung der Frage, ob ein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 und 3 SGB II besteht, auf den Tag der Aufnahme im Krankenhaus abzustellen.
2. Bei der danach zu treffenden Prognoseentscheidung sind alle Umstände bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu berücksichtigen.
3. Bei von vornherein feststehenden aufeinander folgenden Aufenthalten in einem Krankenhaus gemäß § 107 Abs. 1 SGB V und in einer Vorsorge oder Rehabilitationseinrichtung gemäß § 107 Abs. 2 SGB V sind für die Prüfung der voraussichtlichen Aufenthaltsdauer beide Aufenthalte zusammenzurechnen.
2. Bei der danach zu treffenden Prognoseentscheidung sind alle Umstände bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu berücksichtigen.
3. Bei von vornherein feststehenden aufeinander folgenden Aufenthalten in einem Krankenhaus gemäß § 107 Abs. 1 SGB V und in einer Vorsorge oder Rehabilitationseinrichtung gemäß § 107 Abs. 2 SGB V sind für die Prüfung der voraussichtlichen Aufenthaltsdauer beide Aufenthalte zusammenzurechnen.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.06.2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Monat Oktober 2012 wegen eines stationären Aufenthalts der Klägerin in einer Klinik.
Die 1979 geborene Klägerin bezog seit Mai 2009 Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. Mit Bescheid vom 25.04.2012, geändert durch Bescheid vom 23.07.2012, bewilligte dieser der Klägerin zuletzt Leistungen bis einschließlich 31.10.2012 in Höhe von 984 EUR.
Am 02.08.2012 teilte die Klägerin dem Beklagten telefonisch mit, dass sie ab 03.08.2012 in einer Klinik ("V." im Klinikum S.) aufgenommen werde und die Rentenversicherung (DRV) bereits eine darin anschließende Therapie bewilligt habe. Die DRV Bayern Süd bestätigte, dass sie der Klägerin mit Bescheid vom 05.07.2012 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von voraussichtlich sechs Monaten bewilligt habe. Die Bewilligung erfolgte ursprünglich für das Therapiezentrum B.; dem Antrag auf Änderung der Rehabilitationseinrichtung wurde mit Bescheid vom 04.09.2012 entsprochen. Bereits am 14.8.2012 informierte die Klägerin den Beklagten darüber, dass die medizinische Rehabilitation im P. Therapiezentrum A. erfolgen werde.
Mit Bescheid vom 29.08.2012 hob daraufhin der Beklagte die Bescheide über die Bewilligung von Leistungen vom 25.04.2012 und vom 23.07.2012 für die Zeit ab dem 01.10.2012 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vollständig auf, da die Klägerin ab dem 03.08.2012 länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei, so dass nach § 7 Abs. 4 SGB II die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nicht mehr vorliegen würden. Die Klägerin wurde aufgefordert, Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) beim Bezirk Oberbayern zu beantragen.
Am 30.08.2012 wurde die Klägerin im Therapiezentrum A. zur stationären Drogenentwöhnungsbehandlung aufgenommen. Nach der Aufnahmeanzeige vom selben Tag kam sie direkt aus der "V." im S. Krankenhaus. Die Therapiedauer betrage voraussichtlich sechs Monate.
Mit Widerspruch vom 31.08.2012 machte die Klägerin geltend, dass die Behandlung voraussichtlich nur bis zum 26.02.2012 und damit nicht länger als sechs Monate dauern werde. Die vorherige Behandlung zur Entgiftung im S. Krankenhaus müsse unberücksichtigt bleiben, da es sich um eine andere Behandlungsform gehandelt habe.
Der Beklagte holte mit Schreiben vom 25.09.2012 die Anhörung zum Aufhebungsbescheid vom 29.08.2012 nach und wies mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück. Bereits der stationäre Aufenthalt im Therapiezentrum führe zu einem Leistungsausschluss, da die Maßnahme vom Kostenträger für die Dauer von sechs Monaten bewilligt worden sei.
Am 15.11.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München. Bei der Entgiftungsbehandlung im Klinikum S. habe es sich um eine Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und bei der anschließenden Drogenentwöhnungsbehandlung um eine Rehabilitationsleistung nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB IX) und damit um zwei verschiedene Maßnahmen mit unterschiedlichen Behandlungskonzepten und unterschiedlichen Behandlungszielen gehandelt. Eine Zusammenrechnung der beiden Behandlungszeiträume sei unzulässig. Die am 30.08.2012 beginnende Rehabilitationsmaßnahme ende voraussichtlich am 26.02.2013 und damit vor Ablauf von sechs Monaten.
Laut Entlassungsbericht endete die Entwöhnungsbehandlung am 01.02.2013.
Mit Urteil vom 11.06.2013 wies das Sozialgericht München die Klage ab. Die Entscheidung über die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 01.10.2012 sei rechtmäßig erfolgt. Nach der mit Bescheid vom 25.04.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.07.2012 erfolgten Leistungsbewilligung sei mit der stationären Aufnahme der Klägerin in das Klinikum S. am 03.08.2012 eine wesentliche Änderung eingetreten, die den Leistungsanspruch der Klägerin gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II habe entfallen lassen. Auch das Therapiezentrum A. sei ein Krankenhaus im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II. Die beiden Aufenthalte seien zusammenzurechnen, da es sich um ein- und dasselbe Krankheitsereignis und damit eine einheitliche Maßnahme gehandelt habe. Zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme habe bereits die Entscheidung über die Bewilligung der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vorgelegen. Dies entspreche der gängigen Praxis, wonach eine Aufnahme im Krankenhaus zur Durchführung einer Entgiftungsbehandlung regelmäßig erst dann erfolge, wenn im Vorfeld die Kostenträgerschaft für die anschließende Rehabilitationsmaßnahme geklärt sei, um eine nahtlose Aufnahme und Weiterbehandlung in einer Drogenentwöhnungseinrichtung sicherzustellen. Beide Aufenthalte seien daher medizinisch-therapeutisch sowie zeitlich aufeinander abgestimmt gewesen und hätten demselben Ziel, nämlich der Behandlung der Drogensucht gedient.
Gegen das der Klägerin am 13.07.2013 zugestellte Urteil hat diese am 13.08.2013 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Aufhebung des zuletzt ergangenen Bewilligungsbescheids vom 23.07.2012 hätte allenfalls nach § 45 SGB X, nicht aber nach § 48 SGB X erfolgen können, weil zu diesem Zeitpunkt der Bewilligungsbescheid vom 05.07.2012 bereits ergangen gewesen sei. Trotz Kenntnis vom anstehenden Reha-Aufenthalt habe der Beklagte aber am 23.07.2012 noch einen endgültigen Leistungsbescheid für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 31.10.2012 erlassen. Schließlich sei bezüglich des Prognosezeitpunkts auf den Antrag abzustellen, vorliegend also auf den Weiterbewilligungsantrag vom April 2012. Der danach ergangene Bewilligungsbescheid vom 25.04.2012 beinhalte bezogen auf den darin geregelten Bewilligungszeitraum eine negative Prognose dahingehend, dass die Klägerin in diesem Zeitraum voraussichtlich keinem Leistungsausschluss unterliegen werde, die entsprechend dem Wesen einer Prognose nachträglich nicht mehr zu ihren Lasten abgeändert werden könne. Im Übrigen könnten die Krankenhausbehandlung und die medizinischen Reha-Maßnahme nicht zusammengerechnet werden, weil es sich dabei jeweils um Unterbringungen in völlig unterschiedlichen Einrichtungen mit gänzlich verschiedenen Zielrichtungen gehandelt habe. Der Anspruch auf die Krankenhausbehandlung bestehe unabhängig von der anschließenden Reha-Maßnahme, die umgekehrt auch ohne vorangegangenen Krankenhausaufenthalt möglich wäre. Nach der Auffassung des Sozialgerichts würden alle diejenigen besser gestellt, die vor einer Drogenlangzeitentwöhnung nicht erst eine stationäre Entgiftung durchführten, sondern entweder an einem ambulanten Drogen-Screening teilnehmen oder direkt aus einer Justizvollzugsanstalt kämen. Schließlich müsse die Prognose des Fachpersonals berücksichtigt werden, das als voraussichtliches Entlassdatum von vornherein den 26.02.2013 genannt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.06.2013 und den Bescheid des Beklagten vom 29.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
Der Beklagte und der Beigeladene haben sich der Auffassung des Sozialgerichts angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten des Beklagten und des Beigeladenen sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß §§ 143,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber unbegründet, weil der Beklagte gegenüber der Klägerin die Leistungsbewilligung für Oktober 2012 zu Recht aufgehoben hat.
Die Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 25.04.2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23.07.2012 ist rechtmäßig auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III und § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfolgt. Die Klägerin war während des Aufenthalts im Klinikum S. vom 03.08.2012 bis zum 30.08.2012 und des anschließenden Aufenthalts im Therapiezentrum A. vom 30.08.2012 bis zum 01.02.2012 und damit auch im Oktober 2012 gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 und 3 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil von einer voraussichtlichen Aufenthaltsdauer von mindestens sechs Monaten auszugehen war.
1.
Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 20.12.2011 erhält keine Leistungen nach dem SGB II, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen
1. wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 SGB V) untergebracht ist oder
2. wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (§ 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II).
Bei Anwendung dieser Vorschrift ist eine Prognose dahingehend anzustellen, ob bei vorausschauender Betrachtungsweise voraussichtlich von einer insgesamt mindestens sechs Monate andauernden Unterbringung auszugehen sein wird (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 60/06, Rdnr. 12 m.w.N.).
Das Wesen einer Prognoseentscheidung besteht darin, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt (Prognosezeitpunkt) für die Zukunft ein bestimmter Sachverhalt vorhergesagt (prognostiziert) wird. Dabei steht der Verwaltung kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum im eigentlichen Sinn zu (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage 2012, § 54 Rdnr. 31a; a.A. wohl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II K § 16c). Allerdings haben die Gerichte bei der Überprüfung einer Prognoseentscheidung vergleichbar der Überprüfung von Beurteilungs- oder Ermessenspielräumen insbesondere zu prüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt und alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt worden sind. Grundlage der Prognose sind, sofern sich aus dem materiellen Recht nicht Abweichendes ergibt, alle bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des Widerspruchsbescheids erkennbaren Umstände, wobei der aufgrund der Angaben des Antragstellers verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung maßgebend ist (BSG, Urteile vom 17.10.2012, B 6 KA 49/11 R, Rdnr. 28, mit einer Darstellung der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, und vom 28.11.2013, B 3 Ks 2/12 R). Danach ist auch vorliegend auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch, also den Erlass des Widerspruchsbescheids am 24.10.2012, abzustellen. Wäre zu diesem Zeitpunkt die ursprüngliche Prognoseentscheidung aufgrund der im Widerspruchsverfahren gewonnen Erkenntnisse oder auch aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung nicht mehr haltbar ("falsifiziert"), könnte an ihr nicht mehr festgehalten werden, auch wenn die Prognoseentscheidung ursprünglich rechtmäßig getroffen wurde (BSG, Urteil vom 11.05.2000, B 7 AL 18/99 R).
2.
Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch, also am 24.10.2012, war von einer voraussichtlichen Aufenthaltsdauer von mindestens sechs Monaten seit dem Beginn des stationären Aufenthalts am 03.08.2012 auszugehen.
Nicht entscheidend ist daher, ob bezüglich der voraussichtlichen Dauer des stationären Aufenthalts weiterhin auf den Bewilligungsbescheid vom 05.07.2012 bzw. die Aufnahmeanzeige des Therapiezentrums vom 30.08.2012 abzustellen ist, wonach ursprünglich von einer voraussichtlichen Behandlungsdauer von sechs Monaten bis zum 28.02.2013 auszugehen war, oder ob inzwischen die mit dem Widerspruchsschreiben vom 31.08.2012 bescheinigte geringfügig kürzere Behandlungsdauer bis zum 26.02.2013 zugrunde zu legen wäre.
2.1.
Bezüglich des Beginn des Prognosezeitraums ist jedenfalls dann, wenn wie hier bereits eine Leistungsbewilligung vorliegt, auf den Beginn des stationären Aufenthalts abzustellen. Die klägerseits vertretene Auffassung, eine Leistungsaufhebung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei während eines laufenden Bewilligungsabschnittes nicht möglich, weil der Bewilligung bereits eine negative Prognose dahingehend zugrunde liege, dass im laufenden Bewilligungsabschnitt kein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II eintrete, erscheint lebensfremd und ist weder mit den Regelungen des SGB X noch mit dem Leistungsrecht des SGB II in Einklang zu bringen. Dies ergibt sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der auf den Zeitpunkt der maßgeblichen Änderung in den Verhältnissen abstellt, und in materieller Hinsicht daraus, dass eine Prognoseentscheidung erst möglich ist, wenn sich die Änderung der Verhältnisse bereits konkret abzeichnet. Der theoretisch mögliche Eintritt eines Leistungsausschlusses stellt keine Änderung in den leistungsrechtlich erheblichen Verhältnissen dar.
2.2.
Auf die umstrittene Frage, ob bei einer noch nicht erfolgten Leistungsbewilligung immer auf den Beginn des stationären Aufenthalts oder, falls der Antrag später gestellt wird, auf den Tag der Antragstellung abzustellen ist, kommt es in dieser Konstellation nicht an (für eine Berechnung ab dem Beginn des Aufenthalts: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2008, L 5 AS 31/08 und Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II,K § 7 , Rdnr. 245; vgl. auch die Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD; BT-Drucksache 16/1410, a.A. LSG Bayern, Urteil vom 06.11.2013 - L 11 AS 661/11 -; offengelassen BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 60/06 R).
2.3.
Die für die Frage des Leistungsausschlusses maßgebliche Prognose war unter Berücksichtigung beider Unterbringungen zu treffen, weil von vornherein feststand, dass sich die Klägerin unmittelbar im Anschluss an den Aufenthalt im Klinikum S. in das Therapiezentrum begeben würde. Dies ergibt sich aus den Mitteilungen der Klägerin vom 02.08.2012 und vom 14.08.2012 sowie aus der Bestätigung des Klinikums S. vom 08.08.2012.
Auch das Therapiezentrum A. ist als Krankenhaus im Sinne des § 107 SGB V anzusehen, nämlich als eine Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung gemäß § 107 Abs. 2 SGB V (Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7, Rdnr. 129), so dass es sich bezogen auf die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 SGB II um gleichgelagerte Sachverhalte gehandelt hat. Andernfalls käme es auf die hier noch streitigen Fragen von vornherein nicht mehr an, weil die Klägerin dann nämlich ab dem 30.08.2012 unabhängig von der Dauer der Unterbringung von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen wäre.
Davon, dass vorhersehbar aufeinanderfolgende Aufenthalte zusammenzurechnen sind, geht auch der Gesetzgeber aus, der in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 09.05.2006 (BT-Drucks. 16/1410 S. 20) ausdrücklich ausführt:
"Der Begriff des Krankenhauses richtet sich nach § 107 SGB V. Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation sind in diesem Zusammenhang dabei Krankenhäusern gleichgestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Aufenthalte in beiden Einrichtungen zu addieren sind. Das heißt, eine Person die sich zunächst im Krankenhaus und im Anschluss daran in einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung aufhält, ist vom Leistungsbezug ausgeschlossen, wenn der prognostizierte Aufenthaltszeitraum insgesamt sechs Monate übersteigt."
Die vom Sozialgericht vertretene Auffassung, dass eine Zusammenrechnung zweier aufeinander folgender stationärer Aufenthalte nur dann möglich sein soll, wenn beide Behandlungen aufeinander abgestimmt sind beziehungsweise ein und demselben Krankheitsereignis zuzurechnen sind (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.12.2007, L 20 AS 2/07), wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Entscheidend ist, dass bereits im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung bei vorausschauender Betrachtungsweise insgesamt von einer von mindestens sechs Monaten andauernden Unterbringung in einer oder auch mehreren stationären Einrichtungen auszugehen ist (Spellbrink/G. Becker, a.a.O., Rn. 130). Denn vor dem Hintergrund der Ziele des SGB II, die nicht in einer gegenüber dem Leistungssystem des SGB XII auskömmlicheren Alimentierung, sondern in einer Vermittlung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Arbeit bestehen, spielt es keine Rolle, ob sich jemand aufgrund einer in einem inneren Zusammenhang stehenden Erkrankung nachfolgend in mehreren Einrichtungen aufhält. Allerdings wären, was das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, auch diese Voraussetzungen erfüllt.
Dass es sich um sozialversicherungsrechtlich verschiedenen Trägern zuzurechnende Behandlungen gehandelt hat, ist daher ebenso unerheblich, wie die Tatsache, dass auf Wunsch der Klägerin mit Bescheid vom 04.09.2012 eine andere Therapieeinrichtung bestimmt wurde, ohne dass die Bewilligung der Maßnahme im Übrigen aufgehoben worden wäre.
3.
Dem Wesen einer Prognoseentscheidung entspricht es, dass sie auch wegen nachträglich eingetretener Entwicklungen nicht abzuändern ist, wenn sie zum Prognosezeitpunkt bei vorausschauender Betrachtung zutreffend gewesen ist (BSG, Urteil vom 06.09.2007, a.a.O., Rn. 13 nach juris). Es ist daher rechtlich unerheblich, dass die Klägerin tatsächlich schon vorzeitig am 01.02.2013 aus dem Therapiezentrum entlassen wurde. Auch eine Zäsur, die eine Neubewertung des Sachverhalts erforderlich machen würde, ist nicht eingetreten.
4.
Die Aufhebung der Leistungsbewilligung ist auch materiell rechtmäßig ergangen. Insbesondere hat der Beklagte zu Recht auf § 48 SGB X und nicht auf § 45 SGB X abgestellt. Denn auch der Änderungsbescheid vom 23.07.2012, mit dem der Klägerin zuletzt Leistungen bis 31.10.2012 bewilligt worden sind, ist nicht bereits anfänglich rechtswidrig gewesen, sondern erst nachträglich mit der zum Leistungsausschluss führenden maßgeblichen Änderung durch die Aufnahme der Klägerin im Krankenhaus am 03.08.2012 rechtswidrig geworden. Die Ankündigung bzw. die Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme stellen noch keine leistungsrechtlich relevante Änderung dar.
Die zunächst unterbliebene Anhörung wurde im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für den Monat Oktober 2012 wegen eines stationären Aufenthalts der Klägerin in einer Klinik.
Die 1979 geborene Klägerin bezog seit Mai 2009 Leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten. Mit Bescheid vom 25.04.2012, geändert durch Bescheid vom 23.07.2012, bewilligte dieser der Klägerin zuletzt Leistungen bis einschließlich 31.10.2012 in Höhe von 984 EUR.
Am 02.08.2012 teilte die Klägerin dem Beklagten telefonisch mit, dass sie ab 03.08.2012 in einer Klinik ("V." im Klinikum S.) aufgenommen werde und die Rentenversicherung (DRV) bereits eine darin anschließende Therapie bewilligt habe. Die DRV Bayern Süd bestätigte, dass sie der Klägerin mit Bescheid vom 05.07.2012 eine stationäre Rehabilitationsbehandlung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von voraussichtlich sechs Monaten bewilligt habe. Die Bewilligung erfolgte ursprünglich für das Therapiezentrum B.; dem Antrag auf Änderung der Rehabilitationseinrichtung wurde mit Bescheid vom 04.09.2012 entsprochen. Bereits am 14.8.2012 informierte die Klägerin den Beklagten darüber, dass die medizinische Rehabilitation im P. Therapiezentrum A. erfolgen werde.
Mit Bescheid vom 29.08.2012 hob daraufhin der Beklagte die Bescheide über die Bewilligung von Leistungen vom 25.04.2012 und vom 23.07.2012 für die Zeit ab dem 01.10.2012 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vollständig auf, da die Klägerin ab dem 03.08.2012 länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht sei, so dass nach § 7 Abs. 4 SGB II die Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen nicht mehr vorliegen würden. Die Klägerin wurde aufgefordert, Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) beim Bezirk Oberbayern zu beantragen.
Am 30.08.2012 wurde die Klägerin im Therapiezentrum A. zur stationären Drogenentwöhnungsbehandlung aufgenommen. Nach der Aufnahmeanzeige vom selben Tag kam sie direkt aus der "V." im S. Krankenhaus. Die Therapiedauer betrage voraussichtlich sechs Monate.
Mit Widerspruch vom 31.08.2012 machte die Klägerin geltend, dass die Behandlung voraussichtlich nur bis zum 26.02.2012 und damit nicht länger als sechs Monate dauern werde. Die vorherige Behandlung zur Entgiftung im S. Krankenhaus müsse unberücksichtigt bleiben, da es sich um eine andere Behandlungsform gehandelt habe.
Der Beklagte holte mit Schreiben vom 25.09.2012 die Anhörung zum Aufhebungsbescheid vom 29.08.2012 nach und wies mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2012 den Widerspruch als unbegründet zurück. Bereits der stationäre Aufenthalt im Therapiezentrum führe zu einem Leistungsausschluss, da die Maßnahme vom Kostenträger für die Dauer von sechs Monaten bewilligt worden sei.
Am 15.11.2012 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München. Bei der Entgiftungsbehandlung im Klinikum S. habe es sich um eine Leistung nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und bei der anschließenden Drogenentwöhnungsbehandlung um eine Rehabilitationsleistung nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB IX) und damit um zwei verschiedene Maßnahmen mit unterschiedlichen Behandlungskonzepten und unterschiedlichen Behandlungszielen gehandelt. Eine Zusammenrechnung der beiden Behandlungszeiträume sei unzulässig. Die am 30.08.2012 beginnende Rehabilitationsmaßnahme ende voraussichtlich am 26.02.2013 und damit vor Ablauf von sechs Monaten.
Laut Entlassungsbericht endete die Entwöhnungsbehandlung am 01.02.2013.
Mit Urteil vom 11.06.2013 wies das Sozialgericht München die Klage ab. Die Entscheidung über die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 01.10.2012 sei rechtmäßig erfolgt. Nach der mit Bescheid vom 25.04.2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23.07.2012 erfolgten Leistungsbewilligung sei mit der stationären Aufnahme der Klägerin in das Klinikum S. am 03.08.2012 eine wesentliche Änderung eingetreten, die den Leistungsanspruch der Klägerin gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II habe entfallen lassen. Auch das Therapiezentrum A. sei ein Krankenhaus im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II. Die beiden Aufenthalte seien zusammenzurechnen, da es sich um ein- und dasselbe Krankheitsereignis und damit eine einheitliche Maßnahme gehandelt habe. Zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme habe bereits die Entscheidung über die Bewilligung der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme vorgelegen. Dies entspreche der gängigen Praxis, wonach eine Aufnahme im Krankenhaus zur Durchführung einer Entgiftungsbehandlung regelmäßig erst dann erfolge, wenn im Vorfeld die Kostenträgerschaft für die anschließende Rehabilitationsmaßnahme geklärt sei, um eine nahtlose Aufnahme und Weiterbehandlung in einer Drogenentwöhnungseinrichtung sicherzustellen. Beide Aufenthalte seien daher medizinisch-therapeutisch sowie zeitlich aufeinander abgestimmt gewesen und hätten demselben Ziel, nämlich der Behandlung der Drogensucht gedient.
Gegen das der Klägerin am 13.07.2013 zugestellte Urteil hat diese am 13.08.2013 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Die Aufhebung des zuletzt ergangenen Bewilligungsbescheids vom 23.07.2012 hätte allenfalls nach § 45 SGB X, nicht aber nach § 48 SGB X erfolgen können, weil zu diesem Zeitpunkt der Bewilligungsbescheid vom 05.07.2012 bereits ergangen gewesen sei. Trotz Kenntnis vom anstehenden Reha-Aufenthalt habe der Beklagte aber am 23.07.2012 noch einen endgültigen Leistungsbescheid für die Zeit vom 01.08.2012 bis zum 31.10.2012 erlassen. Schließlich sei bezüglich des Prognosezeitpunkts auf den Antrag abzustellen, vorliegend also auf den Weiterbewilligungsantrag vom April 2012. Der danach ergangene Bewilligungsbescheid vom 25.04.2012 beinhalte bezogen auf den darin geregelten Bewilligungszeitraum eine negative Prognose dahingehend, dass die Klägerin in diesem Zeitraum voraussichtlich keinem Leistungsausschluss unterliegen werde, die entsprechend dem Wesen einer Prognose nachträglich nicht mehr zu ihren Lasten abgeändert werden könne. Im Übrigen könnten die Krankenhausbehandlung und die medizinischen Reha-Maßnahme nicht zusammengerechnet werden, weil es sich dabei jeweils um Unterbringungen in völlig unterschiedlichen Einrichtungen mit gänzlich verschiedenen Zielrichtungen gehandelt habe. Der Anspruch auf die Krankenhausbehandlung bestehe unabhängig von der anschließenden Reha-Maßnahme, die umgekehrt auch ohne vorangegangenen Krankenhausaufenthalt möglich wäre. Nach der Auffassung des Sozialgerichts würden alle diejenigen besser gestellt, die vor einer Drogenlangzeitentwöhnung nicht erst eine stationäre Entgiftung durchführten, sondern entweder an einem ambulanten Drogen-Screening teilnehmen oder direkt aus einer Justizvollzugsanstalt kämen. Schließlich müsse die Prognose des Fachpersonals berücksichtigt werden, das als voraussichtliches Entlassdatum von vornherein den 26.02.2013 genannt habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.06.2013 und den Bescheid des Beklagten vom 29.08.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keine Anträge gestellt.
Der Beklagte und der Beigeladene haben sich der Auffassung des Sozialgerichts angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Leistungsakten des Beklagten und des Beigeladenen sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist gemäß §§ 143,151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist aber unbegründet, weil der Beklagte gegenüber der Klägerin die Leistungsbewilligung für Oktober 2012 zu Recht aufgehoben hat.
Die Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 25.04.2012 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23.07.2012 ist rechtmäßig auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III und § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X erfolgt. Die Klägerin war während des Aufenthalts im Klinikum S. vom 03.08.2012 bis zum 30.08.2012 und des anschließenden Aufenthalts im Therapiezentrum A. vom 30.08.2012 bis zum 01.02.2012 und damit auch im Oktober 2012 gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 und 3 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil von einer voraussichtlichen Aufenthaltsdauer von mindestens sechs Monaten auszugehen war.
1.
Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II in der Fassung vom 20.12.2011 erhält keine Leistungen nach dem SGB II, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen
1. wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 SGB V) untergebracht ist oder
2. wer in einer stationären Einrichtung untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (§ 7 Abs. 4 Satz 3 SGB II).
Bei Anwendung dieser Vorschrift ist eine Prognose dahingehend anzustellen, ob bei vorausschauender Betrachtungsweise voraussichtlich von einer insgesamt mindestens sechs Monate andauernden Unterbringung auszugehen sein wird (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2007, B 14/7b AS 60/06, Rdnr. 12 m.w.N.).
Das Wesen einer Prognoseentscheidung besteht darin, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt (Prognosezeitpunkt) für die Zukunft ein bestimmter Sachverhalt vorhergesagt (prognostiziert) wird. Dabei steht der Verwaltung kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum im eigentlichen Sinn zu (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage 2012, § 54 Rdnr. 31a; a.A. wohl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II K § 16c). Allerdings haben die Gerichte bei der Überprüfung einer Prognoseentscheidung vergleichbar der Überprüfung von Beurteilungs- oder Ermessenspielräumen insbesondere zu prüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt und alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt worden sind. Grundlage der Prognose sind, sofern sich aus dem materiellen Recht nicht Abweichendes ergibt, alle bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens durch Erlass des Widerspruchsbescheids erkennbaren Umstände, wobei der aufgrund der Angaben des Antragstellers verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung maßgebend ist (BSG, Urteile vom 17.10.2012, B 6 KA 49/11 R, Rdnr. 28, mit einer Darstellung der Rechtsprechung der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes, und vom 28.11.2013, B 3 Ks 2/12 R). Danach ist auch vorliegend auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch, also den Erlass des Widerspruchsbescheids am 24.10.2012, abzustellen. Wäre zu diesem Zeitpunkt die ursprüngliche Prognoseentscheidung aufgrund der im Widerspruchsverfahren gewonnen Erkenntnisse oder auch aufgrund einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung nicht mehr haltbar ("falsifiziert"), könnte an ihr nicht mehr festgehalten werden, auch wenn die Prognoseentscheidung ursprünglich rechtmäßig getroffen wurde (BSG, Urteil vom 11.05.2000, B 7 AL 18/99 R).
2.
Im Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch, also am 24.10.2012, war von einer voraussichtlichen Aufenthaltsdauer von mindestens sechs Monaten seit dem Beginn des stationären Aufenthalts am 03.08.2012 auszugehen.
Nicht entscheidend ist daher, ob bezüglich der voraussichtlichen Dauer des stationären Aufenthalts weiterhin auf den Bewilligungsbescheid vom 05.07.2012 bzw. die Aufnahmeanzeige des Therapiezentrums vom 30.08.2012 abzustellen ist, wonach ursprünglich von einer voraussichtlichen Behandlungsdauer von sechs Monaten bis zum 28.02.2013 auszugehen war, oder ob inzwischen die mit dem Widerspruchsschreiben vom 31.08.2012 bescheinigte geringfügig kürzere Behandlungsdauer bis zum 26.02.2013 zugrunde zu legen wäre.
2.1.
Bezüglich des Beginn des Prognosezeitraums ist jedenfalls dann, wenn wie hier bereits eine Leistungsbewilligung vorliegt, auf den Beginn des stationären Aufenthalts abzustellen. Die klägerseits vertretene Auffassung, eine Leistungsaufhebung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei während eines laufenden Bewilligungsabschnittes nicht möglich, weil der Bewilligung bereits eine negative Prognose dahingehend zugrunde liege, dass im laufenden Bewilligungsabschnitt kein Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 SGB II eintrete, erscheint lebensfremd und ist weder mit den Regelungen des SGB X noch mit dem Leistungsrecht des SGB II in Einklang zu bringen. Dies ergibt sich in verfahrensrechtlicher Hinsicht aus § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X, der auf den Zeitpunkt der maßgeblichen Änderung in den Verhältnissen abstellt, und in materieller Hinsicht daraus, dass eine Prognoseentscheidung erst möglich ist, wenn sich die Änderung der Verhältnisse bereits konkret abzeichnet. Der theoretisch mögliche Eintritt eines Leistungsausschlusses stellt keine Änderung in den leistungsrechtlich erheblichen Verhältnissen dar.
2.2.
Auf die umstrittene Frage, ob bei einer noch nicht erfolgten Leistungsbewilligung immer auf den Beginn des stationären Aufenthalts oder, falls der Antrag später gestellt wird, auf den Tag der Antragstellung abzustellen ist, kommt es in dieser Konstellation nicht an (für eine Berechnung ab dem Beginn des Aufenthalts: LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.12.2008, L 5 AS 31/08 und Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II,K § 7 , Rdnr. 245; vgl. auch die Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD; BT-Drucksache 16/1410, a.A. LSG Bayern, Urteil vom 06.11.2013 - L 11 AS 661/11 -; offengelassen BSG, Urteil vom 06.09.2007 - B 14/7b AS 60/06 R).
2.3.
Die für die Frage des Leistungsausschlusses maßgebliche Prognose war unter Berücksichtigung beider Unterbringungen zu treffen, weil von vornherein feststand, dass sich die Klägerin unmittelbar im Anschluss an den Aufenthalt im Klinikum S. in das Therapiezentrum begeben würde. Dies ergibt sich aus den Mitteilungen der Klägerin vom 02.08.2012 und vom 14.08.2012 sowie aus der Bestätigung des Klinikums S. vom 08.08.2012.
Auch das Therapiezentrum A. ist als Krankenhaus im Sinne des § 107 SGB V anzusehen, nämlich als eine Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung gemäß § 107 Abs. 2 SGB V (Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7, Rdnr. 129), so dass es sich bezogen auf die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 SGB II um gleichgelagerte Sachverhalte gehandelt hat. Andernfalls käme es auf die hier noch streitigen Fragen von vornherein nicht mehr an, weil die Klägerin dann nämlich ab dem 30.08.2012 unabhängig von der Dauer der Unterbringung von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen gewesen wäre.
Davon, dass vorhersehbar aufeinanderfolgende Aufenthalte zusammenzurechnen sind, geht auch der Gesetzgeber aus, der in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 09.05.2006 (BT-Drucks. 16/1410 S. 20) ausdrücklich ausführt:
"Der Begriff des Krankenhauses richtet sich nach § 107 SGB V. Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation sind in diesem Zusammenhang dabei Krankenhäusern gleichgestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Aufenthalte in beiden Einrichtungen zu addieren sind. Das heißt, eine Person die sich zunächst im Krankenhaus und im Anschluss daran in einer medizinischen Rehabilitationseinrichtung aufhält, ist vom Leistungsbezug ausgeschlossen, wenn der prognostizierte Aufenthaltszeitraum insgesamt sechs Monate übersteigt."
Die vom Sozialgericht vertretene Auffassung, dass eine Zusammenrechnung zweier aufeinander folgender stationärer Aufenthalte nur dann möglich sein soll, wenn beide Behandlungen aufeinander abgestimmt sind beziehungsweise ein und demselben Krankheitsereignis zuzurechnen sind (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.12.2007, L 20 AS 2/07), wird vom erkennenden Senat nicht geteilt. Entscheidend ist, dass bereits im Zeitpunkt der Prognoseentscheidung bei vorausschauender Betrachtungsweise insgesamt von einer von mindestens sechs Monaten andauernden Unterbringung in einer oder auch mehreren stationären Einrichtungen auszugehen ist (Spellbrink/G. Becker, a.a.O., Rn. 130). Denn vor dem Hintergrund der Ziele des SGB II, die nicht in einer gegenüber dem Leistungssystem des SGB XII auskömmlicheren Alimentierung, sondern in einer Vermittlung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Arbeit bestehen, spielt es keine Rolle, ob sich jemand aufgrund einer in einem inneren Zusammenhang stehenden Erkrankung nachfolgend in mehreren Einrichtungen aufhält. Allerdings wären, was das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, auch diese Voraussetzungen erfüllt.
Dass es sich um sozialversicherungsrechtlich verschiedenen Trägern zuzurechnende Behandlungen gehandelt hat, ist daher ebenso unerheblich, wie die Tatsache, dass auf Wunsch der Klägerin mit Bescheid vom 04.09.2012 eine andere Therapieeinrichtung bestimmt wurde, ohne dass die Bewilligung der Maßnahme im Übrigen aufgehoben worden wäre.
3.
Dem Wesen einer Prognoseentscheidung entspricht es, dass sie auch wegen nachträglich eingetretener Entwicklungen nicht abzuändern ist, wenn sie zum Prognosezeitpunkt bei vorausschauender Betrachtung zutreffend gewesen ist (BSG, Urteil vom 06.09.2007, a.a.O., Rn. 13 nach juris). Es ist daher rechtlich unerheblich, dass die Klägerin tatsächlich schon vorzeitig am 01.02.2013 aus dem Therapiezentrum entlassen wurde. Auch eine Zäsur, die eine Neubewertung des Sachverhalts erforderlich machen würde, ist nicht eingetreten.
4.
Die Aufhebung der Leistungsbewilligung ist auch materiell rechtmäßig ergangen. Insbesondere hat der Beklagte zu Recht auf § 48 SGB X und nicht auf § 45 SGB X abgestellt. Denn auch der Änderungsbescheid vom 23.07.2012, mit dem der Klägerin zuletzt Leistungen bis 31.10.2012 bewilligt worden sind, ist nicht bereits anfänglich rechtswidrig gewesen, sondern erst nachträglich mit der zum Leistungsausschluss führenden maßgeblichen Änderung durch die Aufnahme der Klägerin im Krankenhaus am 03.08.2012 rechtswidrig geworden. Die Ankündigung bzw. die Bewilligung der Rehabilitationsmaßnahme stellen noch keine leistungsrechtlich relevante Änderung dar.
Die zunächst unterbliebene Anhörung wurde im Widerspruchsverfahren wirksam nachgeholt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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