Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
10 KR 39/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 220/14
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Gemäß § 240 Abs. 1 SGB V ist bei der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder sicherzustellen, daß die
Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds "berücksichtigt".
2. Für freiwillig versicherte Rentner bestimmt § 238a SGB V, daß der Beitragsbemessung (auch) die sonstigen
Einnahmen zugrundegelegt werden, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds "bestimmen".
3. § 238a SGB V gilt gemäß § 240 Abs. 2 SGB V für alle freiwilligen Mitglieder, und ist im Verhältnis zu § 240 Abs. 1 SGB V die jüngere Vorschrift.
4. Also hat die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aller freiwilligen Mitglieder so zu erfolgen,
daß nur diejenigen sonstigen Einnahmen verbeitragt werden können, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des
Mitglieds bestimmen, mithin wesentlich beeinflussen.
5. Eine (steuerfreie) Lehrvergütung, die lediglich etwa 4 % des Jahreseinkommens ausmacht, bestimmt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht.
Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds "berücksichtigt".
2. Für freiwillig versicherte Rentner bestimmt § 238a SGB V, daß der Beitragsbemessung (auch) die sonstigen
Einnahmen zugrundegelegt werden, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds "bestimmen".
3. § 238a SGB V gilt gemäß § 240 Abs. 2 SGB V für alle freiwilligen Mitglieder, und ist im Verhältnis zu § 240 Abs. 1 SGB V die jüngere Vorschrift.
4. Also hat die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aller freiwilligen Mitglieder so zu erfolgen,
daß nur diejenigen sonstigen Einnahmen verbeitragt werden können, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des
Mitglieds bestimmen, mithin wesentlich beeinflussen.
5. Eine (steuerfreie) Lehrvergütung, die lediglich etwa 4 % des Jahreseinkommens ausmacht, bestimmt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht.
I. Die Bescheide vom 18.09.2013 und vom 08.10.2013 sowie der Widerspruchsbescheid vom 08.01.2014 werden aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Verbeitragung von Lehrvergütungen.
Der am xx.xx.1985 geborene Kläger ist Beamter und bei der Beklagten freiwillig kranken-versichert.
Mit – nicht streitigem – Bescheid vom 18.09.2013 setzte die Beklagte für den Zeitraum ab 01.03.2013 den monatlichen Gesamtbeitrag des Klägers auf 400,05 EUR fest. Die Beklagte legte beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 2.473,26 EUR zugrunde und errechnete daraus einen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 368,52 EUR sowie einen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 31,53 EUR monatlich.
Im Monat September 2013 erzielte der Kläger als Lehrvergütung einen steuerfreien Bruttobetrag von 640,00 EUR.
Daraufhin setzte die Beklagte mit streitigem Bescheid vom 18.09.2013 die beitragspflichtigen Einnahmen für den Monat September auf 3.113,26 EUR fest.
Mit weiterem – nicht streitigem – Bescheid vom 18.09.2013 setzte die Beklagte für den Zeitraum ab Oktober 2013 wieder beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 2.473,26 EUR fest.
Mit Widerspruch vom 02.10.2013 wendet sich der Kläger gegen die Verbeitragung der Lehrnebenvergütung. Es handele sich hierbei nicht um Arbeitsentgelt.
Im Monat Juni 2013 bezog der Kläger als Lehrvergütung einen steuerfreien Bruttobetrag von 520,00 EUR.
Mit streitigem Bescheid vom 08.10.2013 setzte die Beklagte die beitragspflichtigen Einnahmen für den Monat Juni 2013 auf 2.993,26 EUR fest.
Dagegen legte der Kläger am 04.11.2013 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2014 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Die Beitragserhebung der freiwillig Krankenversicherten erfolge gemäß § 240 SGB V. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehörten alle Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbracht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung.
Dagegen hat der Kläger am 31.01.2014 Klage erhoben.
Zu den Beiträgen zur gesetzlichen Pflegeversicherung wurde das Verfahren S 10 P 20/14 angelegt. Jenes Verfahren wurde mit Verbindungsbeschluss vom 11.02.2014 dem vorliegenden Verfahren hinzuverbunden.
In der mündlichen Verhandlung am 13.03.2014 weist der Vorsitzende darauf hin, dass § 238 a SGB V mit Bezug auf § 240 Abs. 1 SGB V von denjenigen Einnahmen spricht, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds "bestimmen". Durch lediglich gelegentliche Einnahmen werde jedoch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht "bestimmt".
Der Kläger beantragt:
1. Die Bescheide vom 18.09.2013 und vom 08.10.2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2014, werden aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt meine außergerichtlichen Kosten.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Auf diese, die Prozessakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben und insgesamt zulässig.
Die Klage ist auch begründet. Die streitigen Einnahmen haben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht "bestimmt".
Die beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig Versicherter sind zunächst in § 240 SGB V geregelt.
Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften des § 240 Abs. 1 bis 2 SGB V lauten wie folgt:
"(1) Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. (2) Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Abstufungen nach dem Familienstand oder der Zahl der Angehörigen, für die eine Versicherung nach § 10 besteht, sind unzulässig. Der in Absatz 4 Satz 2 genannte Existenzgründungszuschuss und der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nach § 57 des Dritten Buches in Höhe von monatlich 300 Euro dürfen nicht berücksichtigt werden. Die §§ 223 und 228 Abs. 2, § 229 Abs. 2 und die §§ 238 a, 247 Abs. 1 und 248 dieses Buches sowie § 23 a des Vierten Buches gelten entsprechend."
Zur Frage der Einordnung der streitigen steuerfreien Einnahmen des Klägers als Arbeitsentgelt folgt das Gericht den Ausführungen des Klägers. Der Kläger hat Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter bzw. Ausbilder erzielt. Diese Einnahmen sind gemäß § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz bis zu einer Höhe von insgesamt 2.400,00 EUR im Jahr steuerfrei. Derartige Einnahmen gelten gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV nicht als Arbeitsentgelt.
Bei einem versicherungspflichtig Beschäftigten wären derartige Einnahmen daher nicht beitragspflichtig, § 226 SGB V.
§ 240 Abs. 1 SGB V ist in seiner alten Fassung (damals noch § 249 Abs. 1) zum 01.01.1989 in Kraft getreten. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 11/2237, S. 225 zu § 249) lautete wie folgt:
"Die Vorschrift ermöglicht es allen Krankenkassen, das Beitragsrecht für freiwillige Mitglieder autonom in der Satzung zu regeln. Dieses Recht hatten bisher nur die Ersatzkassen. Damit können sachgerechte Sonderregelungen insbesondere für Selbständige und einkommenslose freiwillig versicherte Ehegatten getroffen werden. Bei der Beitragsgestaltung ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, d. h. alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, sind ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Diese Regelung bedeutet aber auch, daß der Beitragsberechnung nicht automatisch bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt unterstellt werden können, ohne daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprüft wird."
Die Vorgaben aus der zitierten Gesetzesbegründung sowie aus § 240 Abs. 1 SGB V hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in § 3 Abs. 1 seiner Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.10.2008 wie folgt umgesetzt:
"Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, sind entsprechend den für die Sachbezüge geltenden Regelungen der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu bewerten. Die Einnahmen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen; eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen findet nicht statt."
Mit diesem Stand sprechen im vorliegenden Fall gute Gründe dafür, eine Beitragspflicht der streitigen Einnahmen anzunehmen.
Jedoch trat zum 01.01.1993 § 238 a SGB V in Kraft:
"Bei freiwillig versicherten Rentnern werden der Beitragsbemessung nacheinander der Zahlbetrag der Rente, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, das Arbeitseinkommen und die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen (§ 240 Abs. 1), bis zur Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt."
Die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 12/3608, S. 115) zur Einführung des § 238 a lautet wie folgt:
"Die neue Vorschrift klärt Zweifelsfragen, die in der Praxis hinsichtlich der Reihenfolge der zur Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Rentner heranzuziehenden Einnahmearten entstanden waren."
Zwar bezieht sich die Gesetzesbegründung (lediglich) auf die Reihenfolge der zur Bei-tragsbemessung für freiwillig versicherte Rentner heranzuziehenden Einnahmearten. Die – im Verhältnis zu § 240 Abs. 1 SGB V jüngere – gesetzliche Vorschrift des § 238 a SGB V selbst enthält jedoch einen neuen Begriff, nämlich: die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen. Nachdem § 238 a SGB V dabei direkt auf § 240 Abs. 1 SGB V verweist, ordnet das Gericht diesen neuen Begriff als Konkretisierung des § 240 Abs. 1 SGB V ein.
In Zusammenschau beider Vorschriften ist § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V nunmehr so zu lesen, dass die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds dadurch zu berücksichtigen ist, dass (nur) die sonstigen Einnahmen zu verbeitragen sind, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds "bestimmen".
Im Hinblick auf die Einschränkung im letzten Satz der Gesetzesbegründung zu § 240 Abs. 1 (s. o.) kann der Begriff "bestimmen" nach Ansicht des Gericht nur im Sinne von "prägen" verstanden werden. Damit wird auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 240 Abs. 2 SGB V Rechnung getragen. Gemäß Peters im Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Rdnr. 31 zu § 240 SGB V, ist auch heute noch Sinn der Vorschrift des § 240 Abs. 2 SGB V, zu verhindern, dass ein freiwilliges Mitglied beitragsmäßig geringer belastet wird als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter.
Das Gericht versteht "prägen" im Sinne von "wesentlich beeinflussen".
Im vorliegenden Fall sind dem Kläger insgesamt 1.160,00 EUR an Lehrvergütungen zugeflossen, aufgeteilt auf 640,00 EUR im September 2013 und 520,00 EUR im Juni 2013. Der Kläger war im Jahr 2013 ganzjährig beschäftigt, mit einem monatliche Gesamtbrutto von 2.473,26 EUR im Oktober 2013. Daraus resultiert ein Jahresgesamtbrutto von etwa 29.000,00 EUR. Die Lehrvergütung entspricht damit etwa 4 % der übrigen Bruttoeinnahmen des Klägers. Damit hat nach Ansicht des Gerichts die Lehrvergütung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht wesentlich beeinflusst, damit nicht geprägt und damit auch nicht bestimmt.
Gemäß § 240 Abs. 2, letzter Satz SGB V gilt § 238 a entsprechend (vgl. o.). Zur Bezugnahme des § 240 Abs. 2, letzter Satz SGB V auf § 238 a SGB V enthält die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 12/3608, S. 115) folgende Ausführungen:
"Durch die Bezugnahme auf § 238 a wird die dort für Rentner festgelegte Reihenfolge der Einnahmearten zur Beitragsbemessung auch für alle übrigen freiwillig Versicherten verbindlich vorgegeben."
§ 238 a SGB V gilt damit auch für den Kläger.
Der Klage war daher wie tenoriert stattzugeben, auch hinsichtlich der streitigen Pflegebeiträge. Gemäß § 57 Abs. 4 SGB XI ist für die Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Berufung wird zugelassen, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung für die Anwendung des § 240 Abs. 1 SGB V (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Berufung bedurfte der Zulassung, denn es sind weder wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen, noch ein Betrag von mehr als 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 SGG). Die streitige Beitragsforderung beträgt etwa 200,00 EUR.
II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendig entstandene außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Verbeitragung von Lehrvergütungen.
Der am xx.xx.1985 geborene Kläger ist Beamter und bei der Beklagten freiwillig kranken-versichert.
Mit – nicht streitigem – Bescheid vom 18.09.2013 setzte die Beklagte für den Zeitraum ab 01.03.2013 den monatlichen Gesamtbeitrag des Klägers auf 400,05 EUR fest. Die Beklagte legte beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 2.473,26 EUR zugrunde und errechnete daraus einen Beitrag zur Krankenversicherung in Höhe von 368,52 EUR sowie einen Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 31,53 EUR monatlich.
Im Monat September 2013 erzielte der Kläger als Lehrvergütung einen steuerfreien Bruttobetrag von 640,00 EUR.
Daraufhin setzte die Beklagte mit streitigem Bescheid vom 18.09.2013 die beitragspflichtigen Einnahmen für den Monat September auf 3.113,26 EUR fest.
Mit weiterem – nicht streitigem – Bescheid vom 18.09.2013 setzte die Beklagte für den Zeitraum ab Oktober 2013 wieder beitragspflichtige Einnahmen in Höhe von 2.473,26 EUR fest.
Mit Widerspruch vom 02.10.2013 wendet sich der Kläger gegen die Verbeitragung der Lehrnebenvergütung. Es handele sich hierbei nicht um Arbeitsentgelt.
Im Monat Juni 2013 bezog der Kläger als Lehrvergütung einen steuerfreien Bruttobetrag von 520,00 EUR.
Mit streitigem Bescheid vom 08.10.2013 setzte die Beklagte die beitragspflichtigen Einnahmen für den Monat Juni 2013 auf 2.993,26 EUR fest.
Dagegen legte der Kläger am 04.11.2013 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2014 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Die Beitragserhebung der freiwillig Krankenversicherten erfolge gemäß § 240 SGB V. Dabei sei sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtige. Zu den beitragspflichtigen Einnahmen gehörten alle Einnahmen und Geldmittel, die zum Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbracht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung.
Dagegen hat der Kläger am 31.01.2014 Klage erhoben.
Zu den Beiträgen zur gesetzlichen Pflegeversicherung wurde das Verfahren S 10 P 20/14 angelegt. Jenes Verfahren wurde mit Verbindungsbeschluss vom 11.02.2014 dem vorliegenden Verfahren hinzuverbunden.
In der mündlichen Verhandlung am 13.03.2014 weist der Vorsitzende darauf hin, dass § 238 a SGB V mit Bezug auf § 240 Abs. 1 SGB V von denjenigen Einnahmen spricht, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds "bestimmen". Durch lediglich gelegentliche Einnahmen werde jedoch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht "bestimmt".
Der Kläger beantragt:
1. Die Bescheide vom 18.09.2013 und vom 08.10.2013, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2014, werden aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt meine außergerichtlichen Kosten.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Auf diese, die Prozessakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist form- und fristgerecht erhoben und insgesamt zulässig.
Die Klage ist auch begründet. Die streitigen Einnahmen haben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht "bestimmt".
Die beitragspflichtigen Einnahmen freiwillig Versicherter sind zunächst in § 240 SGB V geregelt.
Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Vorschriften des § 240 Abs. 1 bis 2 SGB V lauten wie folgt:
"(1) Für freiwillige Mitglieder wird die Beitragsbemessung einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt. Dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt. (2) Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Abstufungen nach dem Familienstand oder der Zahl der Angehörigen, für die eine Versicherung nach § 10 besteht, sind unzulässig. Der in Absatz 4 Satz 2 genannte Existenzgründungszuschuss und der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil des Gründungszuschusses nach § 57 des Dritten Buches in Höhe von monatlich 300 Euro dürfen nicht berücksichtigt werden. Die §§ 223 und 228 Abs. 2, § 229 Abs. 2 und die §§ 238 a, 247 Abs. 1 und 248 dieses Buches sowie § 23 a des Vierten Buches gelten entsprechend."
Zur Frage der Einordnung der streitigen steuerfreien Einnahmen des Klägers als Arbeitsentgelt folgt das Gericht den Ausführungen des Klägers. Der Kläger hat Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter bzw. Ausbilder erzielt. Diese Einnahmen sind gemäß § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz bis zu einer Höhe von insgesamt 2.400,00 EUR im Jahr steuerfrei. Derartige Einnahmen gelten gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 SGB IV nicht als Arbeitsentgelt.
Bei einem versicherungspflichtig Beschäftigten wären derartige Einnahmen daher nicht beitragspflichtig, § 226 SGB V.
§ 240 Abs. 1 SGB V ist in seiner alten Fassung (damals noch § 249 Abs. 1) zum 01.01.1989 in Kraft getreten. Die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 11/2237, S. 225 zu § 249) lautete wie folgt:
"Die Vorschrift ermöglicht es allen Krankenkassen, das Beitragsrecht für freiwillige Mitglieder autonom in der Satzung zu regeln. Dieses Recht hatten bisher nur die Ersatzkassen. Damit können sachgerechte Sonderregelungen insbesondere für Selbständige und einkommenslose freiwillig versicherte Ehegatten getroffen werden. Bei der Beitragsgestaltung ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, d. h. alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, sind ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Diese Regelung bedeutet aber auch, daß der Beitragsberechnung nicht automatisch bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt unterstellt werden können, ohne daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprüft wird."
Die Vorgaben aus der zitierten Gesetzesbegründung sowie aus § 240 Abs. 1 SGB V hat der Spitzenverband Bund der Krankenkassen in § 3 Abs. 1 seiner Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler vom 27.10.2008 wie folgt umgesetzt:
"Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen. Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, sind entsprechend den für die Sachbezüge geltenden Regelungen der Sozialversicherungsentgeltverordnung zu bewerten. Die Einnahmen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten abzugrenzen; eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen findet nicht statt."
Mit diesem Stand sprechen im vorliegenden Fall gute Gründe dafür, eine Beitragspflicht der streitigen Einnahmen anzunehmen.
Jedoch trat zum 01.01.1993 § 238 a SGB V in Kraft:
"Bei freiwillig versicherten Rentnern werden der Beitragsbemessung nacheinander der Zahlbetrag der Rente, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, das Arbeitseinkommen und die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen (§ 240 Abs. 1), bis zur Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt."
Die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 12/3608, S. 115) zur Einführung des § 238 a lautet wie folgt:
"Die neue Vorschrift klärt Zweifelsfragen, die in der Praxis hinsichtlich der Reihenfolge der zur Beitragsbemessung für freiwillig versicherte Rentner heranzuziehenden Einnahmearten entstanden waren."
Zwar bezieht sich die Gesetzesbegründung (lediglich) auf die Reihenfolge der zur Bei-tragsbemessung für freiwillig versicherte Rentner heranzuziehenden Einnahmearten. Die – im Verhältnis zu § 240 Abs. 1 SGB V jüngere – gesetzliche Vorschrift des § 238 a SGB V selbst enthält jedoch einen neuen Begriff, nämlich: die sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds bestimmen. Nachdem § 238 a SGB V dabei direkt auf § 240 Abs. 1 SGB V verweist, ordnet das Gericht diesen neuen Begriff als Konkretisierung des § 240 Abs. 1 SGB V ein.
In Zusammenschau beider Vorschriften ist § 240 Abs. 1 Satz 2 SGB V nunmehr so zu lesen, dass die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds dadurch zu berücksichtigen ist, dass (nur) die sonstigen Einnahmen zu verbeitragen sind, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds "bestimmen".
Im Hinblick auf die Einschränkung im letzten Satz der Gesetzesbegründung zu § 240 Abs. 1 (s. o.) kann der Begriff "bestimmen" nach Ansicht des Gericht nur im Sinne von "prägen" verstanden werden. Damit wird auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 240 Abs. 2 SGB V Rechnung getragen. Gemäß Peters im Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Rdnr. 31 zu § 240 SGB V, ist auch heute noch Sinn der Vorschrift des § 240 Abs. 2 SGB V, zu verhindern, dass ein freiwilliges Mitglied beitragsmäßig geringer belastet wird als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter.
Das Gericht versteht "prägen" im Sinne von "wesentlich beeinflussen".
Im vorliegenden Fall sind dem Kläger insgesamt 1.160,00 EUR an Lehrvergütungen zugeflossen, aufgeteilt auf 640,00 EUR im September 2013 und 520,00 EUR im Juni 2013. Der Kläger war im Jahr 2013 ganzjährig beschäftigt, mit einem monatliche Gesamtbrutto von 2.473,26 EUR im Oktober 2013. Daraus resultiert ein Jahresgesamtbrutto von etwa 29.000,00 EUR. Die Lehrvergütung entspricht damit etwa 4 % der übrigen Bruttoeinnahmen des Klägers. Damit hat nach Ansicht des Gerichts die Lehrvergütung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers nicht wesentlich beeinflusst, damit nicht geprägt und damit auch nicht bestimmt.
Gemäß § 240 Abs. 2, letzter Satz SGB V gilt § 238 a entsprechend (vgl. o.). Zur Bezugnahme des § 240 Abs. 2, letzter Satz SGB V auf § 238 a SGB V enthält die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 12/3608, S. 115) folgende Ausführungen:
"Durch die Bezugnahme auf § 238 a wird die dort für Rentner festgelegte Reihenfolge der Einnahmearten zur Beitragsbemessung auch für alle übrigen freiwillig Versicherten verbindlich vorgegeben."
§ 238 a SGB V gilt damit auch für den Kläger.
Der Klage war daher wie tenoriert stattzugeben, auch hinsichtlich der streitigen Pflegebeiträge. Gemäß § 57 Abs. 4 SGB XI ist für die Beitragsbemessung in der sozialen Pflegeversicherung § 240 SGB V entsprechend anzuwenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Berufung wird zugelassen, denn die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung für die Anwendung des § 240 Abs. 1 SGB V (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Berufung bedurfte der Zulassung, denn es sind weder wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen, noch ein Betrag von mehr als 750,00 EUR (§ 144 Abs. 1 SGG). Die streitige Beitragsforderung beträgt etwa 200,00 EUR.
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