L 18 AS 2967/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 47 AS 3004/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2967/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 278/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB (abgelehnt)
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt für die Zeit vom 1. November 2009 bis 30. April 2010 ergänzende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Der Kläger ist 1971 geboren. Er war im streitbefangenen Zeitraum alleinstehend und entsprechend seiner Gewerbe-Ummeldung vom 8. Januar 2004 als Kurierdienstfahrer bzw. Transportunternehmer selbständig von seiner Privatwohnung aus tätig. Der Kläger bewohnte eine 33,55 qm große Mietwohnung, für die er eine monatliche Miete in Höhe von insgesamt 183,95 EUR (Grundmiete 113,07 EUR, Nebenkosten 40,84 EUR, Heizkosten 22,49 EUR, Modernisierungsumlage 5,76 EUR, Antennenanschluss 1,79 EUR) zahlte.

Am 30. September 2009 beantragte er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende –, die der Beklagte mit Bescheid vom 8. Oktober 2009 und auf ein entsprechendes Schreiben des Klägers vom 14. Oktober 2009 mit Überprüfungsbescheid vom 4. November 2009 bestandskräftig ablehnte, weil der Kläger nicht hilfebedürftig sei.

Am 30. November 2009 beantragte der Kläger mündlich erneut SGB II-Leistungen "ab" diesem Datum, was er am selben Tag durch Unterschrift bestätigte; einen schriftlichen Antrag, auf dem der Beklagte als Tag der Antragstellung den 30. November 2009 vermerkte, unterzeichnete der Kläger am 21. Januar 2010. Der Kläger erklärte hiermit (Anlage VM), über Geld- und Vermögenswerte zu verfügen, die sich nach Maßgabe entsprechender Belege auf nachfolgende Beträge beliefen: - Girokonto: 1.500 EUR - Bargeld: 200 EUR - Aktien: Gesamtkurswert 3.181,93 EUR - Private Rentenversicherungen (Z D H) o Auszahlungsbetrag per 1. Dezember 2010 zu: 2.701,52 EUR (Beiträge: 4.081,17 EUR) o Auszahlungsbetrag per 1. Dezember 2010 zu: 1.776,38 EUR (Einzahlung 3.379,42 EUR) - Rentenversicherung A: Rückkaufwert 2.650 EUR (Einzahlung 4.081 EUR) - R+V Rentenversicherung (Rückkaufwert 2.730 EUR (Beiträge vom 1. Dezember 2004 bis 1. Dezember 2010: 4.081,21 EUR) - KfZ (Fiat Doblo, 188.000 km; Kastenwagen mit Erdgasbetrieb) - Motorrad (Yamaha, 50.000 km) mit Restkredit in Höhe von ca. 500 EUR.

Ferner gab der Kläger an, im Zeitraum von November 2009 bis Mai 2010 aus seiner Tätigkeit als Kurier voraussichtliche Einnahmen in Höhe von 8.952 EUR zu erzielen bei voraussichtlichen Ausgaben in Höhe von 10.267 EUR. Ferner beantragte er einen Zuschuss zu den Beiträgen seiner vier privaten, kapitalbildenden Rentenversicherungen ohne Verwertungsausschluss nach § 165 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) wegen einer Befreiung von der Versicherungspflicht, die er am 10. Februar 2010 bei der Deutschen Rentenversicherung beantragte; diese lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 18. März 2011). Kranken- bzw. pflegeversichert war der Kläger im streitbefangenen Zeitraum nicht.

Aufgrund der Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Finanzamts Potsdam vom 22. Februar 2010 wegen einer Gesamtforderungshöhe von 29.450,85 EUR wegen säumiger Umsatz- und Einkommensteuer im Zeitraum von März 1997 bis 6. August 2009 wurde vom Konto des Klägers am 19. März 2010 das Guthaben in Höhe von 1.641,25 EUR eingezogen.

Einen Ablehnungsbescheid vom 23. Februar 2010 (zum "Antrag vom 30. November 2009") nahm der Beklagte auf den Widerspruch des Klägers am 11. Juni 2010 zurück.

Mit seinen abschließenden Angaben vom 2. Juli 2010 zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft (Abschl. EKS) nach Ablauf des Bewilligungszeitraums vom 30. November 2009 bis 30. April 2010 gab der Kläger an, im November 2009 1.392,30 EUR, im Dezember 2009 1.798,09 EUR, im Januar 2010 1.441,09 EUR, im Februar 2010 1.270,92 EUR, im März 2010 1.919,53 EUR und im April 1.610,07 EUR, insgesamt 9.432 EUR Betriebseinnahmen gehabt zu haben. Seine Betriebsausgaben hätten sich im November 2009 auf 800,38 EUR, im Dezember 2009 auf 571,74 EUR, im Januar 2010 auf 830,06 EUR, im Februar 2010 auf 699,66 EUR, im März 2010 auf 2.276,19 EUR und im April auf 263,67 EUR, insgesamt auf 5.441,70 EUR belaufen.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2010 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 30. November bis 30. April 2010 ab, da der Kläger wegen übersteigenden Einkommens nicht hilfebedürftig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. August 2010 wegen "Ablehnung von Leistungen für November 2009 bis April 2010" wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Dem Bedarf des Klägers in Höhe von insgesamt 536,16 EUR ständen Einnahmen von 1.572 EUR im Monat (9.432 EUR in sechs Monaten) gegenüber. Es seien Ausgaben für Wareneinkauf von 140,48 EUR, Kfz-Steuern von 124 EUR, Kfz-Versicherung von 587,61 EUR, Benzin mit einem Wert von insgesamt 1.158,90 EUR, Reparaturkosten in Höhe von 256,10 EUR, Reisekosten von 2,40 EUR, Büromaterial von 5,53 EUR, Telefonkosten von 98,50 EUR, Vorsteuer von 355,74 EUR, Umsatzsteuer von 540,27 EUR und betriebliche Versicherungen von 64,52 EUR berücksichtigt worden, woraus sich monatlich notwendige Betriebsausgaben in Höhe von 534,17 EUR ergäben. Kosten durch die Nachzahlung von Steuern, Bußgelder sowie Gerichts- und Beratungskosten könnten nicht berücksichtigt werden. Bei einem Freibetrag in Höhe von monatlich 280 EUR ergebe sich ein anrechenbares und bedarfsbedarfsdeckendes Monatseinkommen von 757,83 EUR. Mangels Befreiung von der Rentenversicherungspflicht könnten die Beiträge zur privaten Rentenversicherung nicht berücksichtigt werden.

Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) hat der Kläger beantragt, ihm für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 30. April 2010 Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II in Höhe von monatlich 387,99 EUR monatlich zu zahlen. Die tatsächlichen Betriebsausgaben hätten im Bewilligungszeitraum insgesamt 4.914 EUR betragen. Sie setzten sich, wie in der Anlage K1 aufgelistet (Bl. 31 der Gerichtsakte), aus Telefon-, Benzin-, Reparatur-, Autopflege-, Porto-, Mietwagen- und Rechtsberatungskosten sowie Porto, einer Pfändung des Finanzamts in Höhe von 1.641,25 EUR, Kfz-Steuer und Versicherung zusammen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Mangels Hilfebedürftigkeit hätte der Kläger für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 30. April 2010 keinen Leistungsanspruch. Dem Gesamtbedarf von 536,16 EUR im Monat stehe ein monatliches Durchschnittseinkommen von 877,23 EUR gegenüber, das in Höhe von 629,51 EUR anzurechnen sei. Die geltend gemachte Pfändung in Höhe von 1.641,25 EUR sei als notwendige Betriebsausgabe nicht anzuerkennen. Nachdem die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht des Klägers mit Bescheid vom 18. März 2011 abgelehnt worden sei und es sich bei den Rentenversicherungsbeiträgen auch nicht um geförderte Altersvorsorgebeiträge handle, käme deren Berücksichtigung – über die Pauschale von 30 EUR hinaus – nicht in Betracht.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Er hätte mit seinem Schreiben vom 14. Oktober 2009 einen Neuantrag gestellt, und der Beklagte habe auch den gesamten November 2009 entsprechend seiner EKS für die Berechnung berücksichtigt. Er sei durch die Nichtanerkennung der vollständigen Ausgaben gemäß seiner zum Schriftsatz vom 2. Mai 2011 gereichten Anlage K1 beschwert, insbesondere der Telefonkosten, der Benzinkosten von 1.393,96 EUR, der Autopflegekosten, des Büromaterials sowie der Rechtsberatungs- und Rechtsverfolgungskosten. Zu Unrecht hätte des SG Pfändungskosten in Höhe von insgesamt 1.641,25 EUR sowie Aufwendungen für seine Altersvorsorge in Höhe von 254,77 EUR monatlich nicht berücksichtigt. Bei den Pfändungskosten handele es sich um notwendige Betriebsausgaben, weil ihm dann, wenn er die Forderung des Finanzamts P nicht beglichen hätte, eine Gewerbeuntersagung wegen persönlicher Unzuverlässigkeit gedroht hätte. Die hiermit im Zusammenhang stehenden Beratungs- und gerichtlichen Vertretungskosten seien – wie die Steuerschuld selbst – auch zur Fortsetzung des Betriebes erforderlich gewesen. Vom Einkommen seien auch die Beiträge zur Altersvorsorge abzusetzen, da er aus verfassungsrechtlichen Gründen Personen gleichzustellen sei, die von der Versicherungspflicht befreit sind. Jedenfalls seien die – angemessenen – Beiträge analog § 26 Abs. 3 SGB II zu berücksichtigen.

Nach Annahme des Teilanerkenntnisses des Beklagten über die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung in Höhe von 18 EUR für den 30. November 2009 beantragt der Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. Oktober 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 19. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. November 2009 bis 29. November 2009 und vom 1. Dezember 2009 bis 30. April 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf das angefochtene Urteil und meint, dass die Beiträge des Klägers zu seiner privaten Altersversorgung nicht vom Einkommen absetzbar seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Soweit die insgesamt zulässige Berufung nicht durch angenommenes Teilanerkenntnis in der Hauptsache erledigt ist (vgl. § 101 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), ist sie unbegründet.

Das SG hat die vom Kläger zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iSv § 54 Abs. 4 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R – juris – Rn. 11 f) im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 19. Juli 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 ist rechtmäßig. Der Kläger hat den geltend gemachten Anspruch auf ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) nunmehr in unbezifferter Höhe (vgl. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG) – nicht.

Soweit der Kläger weiterhin Leistungen für die Zeit vom 1. bis 29. November 2009 begehrt, ist dieser Zeitraum in Ermangelung eines anfechtbaren Bescheides nicht zulässiger Klagegegenstand und die Berufung bereits aus diesem Grund unbegründet. Seinen ersten Antrag vom 30. September 2009 hatte der Beklagte mit Bescheiden vom 23. Februar 2010 und 19. Juli 2010 bestandskräftig abgelehnt. Bei dem Schreiben des Klägers vom 14. Oktober 2009 handelte es sich ausschließlich um einen Überprüfungsantrag. Erst im Zuge seiner Vorsprache am 30. November 2009, einem Montag, stellte der Kläger, und zwar ab diesem Tag, wie er mit seiner Unterschrift bestätigte, einen neuen und für entsprechende Leistungen konstitutiven (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R Rn. 30) Antrag beim Beklagten. Gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende – mit Ausnahme des hier nicht vorliegenden Tatbestands des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II – nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Die seit 1. Januar 2011 geltende Fassung des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II, wonach der Leistungsantrag auf den Ersten des Monats zurückwirkt, ist auf den vorliegend streitigen Leistungszeitraum nicht anwendbar. Der Beklagte hat über den Zeitraum vom 1. bis 29. November 2009 auch keine (erneute) Entscheidung getroffen, sondern mit dem angefochtenen Bescheid vom 19. Juli 2010 Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 30. November 2009 bis 30. April 2010 abgelehnt. Eine darüber hinausgehende Entscheidung ergibt sich auch nicht aus dem Tenor des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010.

Im Übrigen ist die Berufung dagegen unbegründet, weil der Kläger seinen Bedarf in dem – infolge des Teilanerkenntnisses nur noch zu prüfenden - Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis 30. April 2010 vollständig aus seinem Einkommen als Selbständiger decken konnte. Seinen monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 542,95 EUR (Regelleistung 359 EUR zuzüglich Unterkunftskosten von 183,95 EUR) konnte er auch unter Berücksichtigung sämtlicher in der Anlage K1 für Dezember 2009 bis April 2010 angegebener Ausgaben decken, so dass dahinstehen kann, ob es sich bei diesen Ausgaben, soweit sie nicht schon als mit der Erzielung des Einkommens verbundene Ausgaben nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II (idF, die die Norm mit dem Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006 [BGBl I 2748] erhalten hat; nachfolgend: aF) absetzbar sind, in Gänze um "Betriebsausgaben" iSv § 3 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung – Alg II-V – vom 17. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2942 in der Fassung vom 23. Juli 2009 [BGBl. I 2340]) handelt (Alg II-V 2008/2009).

Grundsicherungsleistungen erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (idF der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 [BGBl I 2014]) Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, ua nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II aF sind die vom Kläger aus seinem als Einzelfirma geführten Kurierdienst erzielten Einnahmen zu berücksichtigendes Einkommen, da sie keiner der in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II aF benannten Ausnahmen unterfallen. Es handelt sich hierbei um Einkommen aus selbständiger Arbeit, so dass zur Berechnung der Einkünfte § 3 Alg II-V 2008/2009 Anwendung findet.

Entsprechend seiner Angaben im Verwaltungsverfahren (Abschl. EKS) und vor Gericht (vgl zuletzt Schriftsatz vom 8. August 2014) hatte der Kläger in der Zeit vom 1. Dezember 2009 bis zum 30. April 2010 Betriebseinnahmen in Höhe von insgesamt 8.039,70 EUR.

Vor Bildung eines Durchschnittseinkommens für 5 Monate – Dezember 2009 bis April 2010 – (vgl. 3 Abs. 4 Alg II-V) sind nach § 3 Abs. 2 Alg II-V 2008/2009 die notwendigen Betriebsausgaben mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II absetzbaren Beträge abzusetzen. Die Beiträge, die sich aus § 11 Abs. 2 SGB II aF ergeben, werden (im Grundsatz) dagegen erst in einem abschließenden Schritt von dem nach § 3 Abs. 4 Alg II-V 2008/2009 monatsweise verteilten Durchschnittseinkommen abgezogen (vgl zur Berechnung BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R – juris).

Betriebsausgaben sind – steuerrechtlich betrachtet – Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Als solche kommen von den vom Kläger mit seiner Klage, insbesondere mit der Anlage K1, geltend gemachten und aufgrund der eingereichten Unterlagen erkennbaren Ausgaben Benzin-, Reparatur-, Autopflegekosten, Büromaterial, Porto- und Mietwagenkosten, Beiträge zur Berufsgenossenschaft, Kfz-Steuern und Versicherungen sowie der Pfändungsbetrag und Rechtsberatungskosten in Betracht. Durch die selbständigen Tätigkeit veranlasste Telefon- und Handykosten werden dagegen von § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II erfasst (vgl. BSG-Terminbericht Nr. 25/14 vom 5. Juni 2014 zu B 4 AS 31/13 R). Dahinstehen kann, ob die vom Kläger bezifferten Benzinkosten, die für die Nutzung seines Kfz und Motorrades anfielen, teilweise auch durch private Fahrten – für das Motorrad hat der Kläger die teilweise private Nutzung ausdrücklich eingeräumt - verursacht wurden und ob beide Fahrzeuge, insbesondere das Motorrad, für seine Tätigkeit betrieblich überhaupt notwendig waren, wofür hinreichende Anhaltspunkte indes nicht ersichtlich sind. Offenbleiben kann auch, wofür die geltend gemachten Rechtsberatungskosten konkret anfielen und ob im Wege der Pfändung seitens des Finanzamts (1.641,25 EUR am 19. März 2010) von den Steuerschulden in einer Gesamthöhe von 29.450,85 EUR ein Teil der rückständigen Umsatzsteuer (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22. August 2013 – B 14 AS 1/13 R – Rn. 29 f), für die hier ansonsten tatsächliche Zahlungen im zu prüfenden Zeitraum nicht erfolgten, oder Einkommensteuerschulden aus früheren Jahren getilgt wurden (vgl. § 225 Abs. 3 Abgabenordnung), die als solche nicht in dem hier in Rede stehenden, sondern nur in den Monaten abgesetzt werden könnten, in dem sie zu entrichten war (vgl BSG aaO). Denn selbst unter Berücksichtigung sämtlicher vom Kläger geltend gemachter Ausgaben (mit Ausnahme der Telefon- und Handykosten), die sich im Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis zum 30. April 2010 seinen Angaben in der Anlage K 1 zufolge auf insgesamt 4.099,72 EUR summierten, woraus sich ein Gesamtgewinn in Höhe von 3.939,98 EUR und ein monatliches Durchschnittseinkommen in Höhe von 788 EUR errechnet, war der Kläger nach Abzug der weiteren Beträge nach § 11 Abs. 2, 30 SGB II aF nicht leistungsberechtigt. Abzüglich des Grundfreibetrages gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II aF in Höhe von 100 EUR und des Erwerbstätigenfreibetrags nach §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, 30 Satz 2 SGB II aF in Höhe von 137,60 EUR ergibt sich ein zu berücksichtigendes, monatliches Einkommen von 550,40 EUR, welches den Gesamtbedarf des Klägers im gegenständlichen Zeitraum um 7,45 EUR überstieg. Ein bedarfsdeckendes Einkommen würde sich im Übrigen auch ergeben, wenn – wie der Kläger meint – der Gesamtzeitraum vom 1. November 2009 bis 30. April 2010 zugrunde zu legen wäre.

Anders als der Kläger meint, sind seine in unregelmäßigen Zeitabständen geleisteten Beiträge zur privaten Altersvorsorge nicht einkommensmindernd zu berücksichtigen. Entgegen § 11 Abs. 2 Nr. 3b SGB II aF, wonach ua Beiträge zur Altersvorsorge von Personen, die von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sind, vom Einkommen abzusetzen sind, war der Kläger als Selbständiger gemäß § 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – nicht versicherungspflichtig und konnte daher auch von einer vermeintlichen Versicherungspflicht nicht befreit werden. Der Wortlaut dieser Regelung ist eindeutig, so dass eine ggf analoge Anwendung von § 26 Abs. 3 SGB II aF nicht in Betracht kommt. Es handelt sich bei den Versicherungsbeiträgen auch nicht um geförderte Altersvorsorgebeiträge iSd § 11 Abs. 4 SGB II aF. Hiernach sind vom Einkommen geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzusetzen. Gemäß § 82 Abs. 1 EStG (idF der Bekanntmachung vom 8. Oktober 2009 [BGBl I, 226]) sind geförderte Altersvorsorgebeiträge im Rahmen der in § 10a genannten Grenzen ua Beiträge (Nr. 1), die der Zulageberechtigte (§ 79) zugunsten eines auf seinen Namen lautenden Vertrags leistet, der nach § 5 des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes zertifiziert ist (Altersvorsorgevertrag). Dahinstehen kann, welche Altersvorsorgeverträge neben der "Riesterrentenförderung" insoweit in Betracht kommen (vgl. BSG Urteil vom 9. November 2010 – B 4 AS 7/10 R – juris Rn. 25 ff.). Bei den vom Kläger abgeschlossenen Verträgen zur Alterssicherung handelt es sich indes um private Kapitalrentenversicherungen, denen kein durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zertifizierter Altersvorsorgevertrag zu Grunde liegt und die der Kläger mit vertraglich zugesicherten Rückkaufwerten vorzeitig in Anspruch nehmen könnte, da ein Verwertungsausschluss nach § 165 Abs. 3 VVG nicht vereinbart worden ist. Die Absetzung derartiger kapitalbildender Lebens- oder privater Rentenversicherungen ist ausgeschlossen, weil die Grundsicherungsleistungen nicht dem Aufbau von Vermögen dienen soll (vgl BSG, Urteil vom 16. Februar 2012 – B 4 AS 89/11 R – juris – Rn. 28; Schmidt in Eicher/Spellbrink, SGB II, 3. Auflage, § 11b Rn. 20; Hasske in Estelmann, SGB II, 12./13. ErgLfg, § 11 Rn. 65). Ein etwaiger nachträglicher Verwertungsausschluss würde auch nicht auf die Zeit ab dem 1. Dezember 2009 zurückwirken (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14 AS 27/07 R – juris - Rn 40). Der Kläger könnte schließlich auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so gestellt werden, als sei eine entsprechende Vereinbarung gemäß § 165 Abs. 3 VVG bereits vor dem 1. Dezember 2009 geschlossen worden. Denn eine in der Gestaltungsmacht des Bürgers liegende vertragliche Disposition kann nicht im Wege des Herstellungsanspruchs nachgeholt bzw fingiert werden, weil sie außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegt (vgl BSG aaO mwN). Die Privilegierung von nach Bundesrecht ausdrücklich als Altersvorsorge geförderter Beiträge gegenüber anderen Anlageformen stellt mangels Vergleichbarkeit keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung iSd Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz dar (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 – B 14/7b AS 68/06 – juris - Rn. 31 zu § 12 Abs. 2 Nr. 2 SGB II aF).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da die Klage aufgrund des Teilanerkenntnisses nur zu einem geringen Teil Erfolg hatte, kommt eine Quotelung der Kosten nicht in Betracht.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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