Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 445/14 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 649/14 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Versagungsbescheid nach § 66 SGB I haben gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. § 39 Nr. 1
SGB II ist nicht, auch nicht analog, annwendbar.
SGB II ist nicht, auch nicht analog, annwendbar.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 5. August 2014 zurückgewiesen.
II. Dem Beschwerdegegner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin S., B-Straße, B-Stadt beigeordnet.
III. Der Beschwerdeführer trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdegegners.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 10.07.2014 streitig.
Der 1974 geborene Antragsteller und Beschwerdegegner (Bg) zog am 06.05.2013 in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Bf). Seitdem erhält er laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Bf. Zuletzt wurden mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 für den Zeitraum 01.01.2014 bis 30.04.2014 Leistungen in Höhe von 391 EUR monatlich gewährt, Kosten der Unterkunft wurden nicht anerkannt.
Der Bg schloss mit seiner Vermieterin, nach seinen Angaben eine persönliche Freundin, einen Untermietvertrag zum 01.05.2013 über ein möbliertes Zimmer ab. Für dieses bezahlt er eine Warmmiete von 100 EUR monatlich.
Im Verwaltungsverfahren gab der Bg an, dass er mit seiner Vermieterin nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebe. Nach Aufforderung legte er den Hauptmietvertrag seiner Vermieterin und die Genehmigung zur Untervermietung vor. Für das Wohnhaus mit Nebengebäude und Garage ist eine monatliche Miete von 438 EUR zu entrichten. Außerdem erklärte er zur Frage der Mietzahlung, dass seine Vermieterin eine Kontokarte seines Aktivsparkontos habe und er ihr die Pin für die Karte gegeben habe, damit sie Zugriff auf dieses Konto habe.
Am 04.12.2013 fand ein unangemeldeter Hausbesuch statt. Nach den Feststellungen des Außendienstes des Bf habe der Bg ein eigenes Schlafzimmer, das jedoch augenscheinlich nicht bewohnt sei. Das Zimmer habe sich in einem katastrophalen Zustand befunden, überall sei Müll, gebrauchte Kleidung, extremer Gestank etc ... Augenscheinlich schlafe er daher im Zimmer der Vermieterin, da dieses in einem einigermaßen bewohnbaren Zustand sei. Auch habe sich Kleidung des Bf - soweit feststellbar - im Zimmer der Vermieterin befunden. Bad und Wohnzimmer würden gemeinsam genützt. Nach den weiteren Angaben im Protokoll seien Flur und Küche verwahrlost gewesen, im Wohnzimmer und Schlafzimmer habe Müll herumgelegen.
Mit Schreiben vom 09.12.2013 wurde dem Bg mitgeteilt, dass die Leistungen nach dem SGB II vorläufig eingestellt würden, da davon ausgegangen werde, dass er in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit seiner Vermieterin lebe. In einem weiteren Schreiben vom 21.01.2014 wurde der Bg aufgefordert, Unterlagen seiner Vermieterin über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse, insbesondere eine Einkommensbescheinigung des Arbeitgebers, vorzulegen.
Am 09.04.2014 stellte der Bg einen neuen Weiterbewilligungsantrag auf Leistungen nach dem SGB II. Er wurde erneut aufgefordert, Unterlagen hinsichtlich des Einkommens und Vermögens seiner Vermieterin vorzulegen. Daraufhin erklärte er, dass er in keiner eheähnlichen Gemeinschaft lebe.
Mit Bescheid vom 24.04.2014 versagte der Bf die Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.05.2014 wegen fehlender Mitwirkung des Bg nach §§ 60, 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Er habe die Unterlagen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner Vermieterin nicht offen gelegt. Es bestünden Indizien, dass eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mit dieser gebildet werde. Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch eingelegt, über den nach Aktenlage derzeit noch nicht entschieden ist.
Nach Aufforderung durch den Bf legte die Prozessbevollmächtigte des Bg Quittungen über Barzahlungen der Miete für die Monate Mai bis Juni 2013 vor. Die Miete für die Monate Dezember 2013 bis April 2014 habe die Vermieterin gestundet. Sie drohe allerdings nunmehr mit dem Rauswurf, wenn die Miete nicht demnächst angewiesen werde.
Am 10.07.2014 stellte der Bg durch seine Prozessbevollmächtigte beim Sozialgericht Regensburg einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz. Er sei seinen Mitwirkungspflichten stets nachgekommen. Es sei ihm sehr unangenehm, dass von seiner Vermieterin Auskünfte und Daten in nicht unerheblichem Umfang angefordert würden. Der Bg sei mitwirkungsbereit und wolle alle benötigten Unterlagen einreichen. Es bestehe aber keine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit der Vermieterin. Er sei mit dieser lediglich bekannt und befreundet. Zwischenzeitlich habe er auch den Zugriff der Vermieterin auf sein Konto untersagt. Es wurde eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, dass der Bg nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe.
Der Bf erklärte, dass er vom Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ausgehen würde. Der Bg und seine Vermieterin hätten schon früher gemeinsam gewohnt, nach dem Ergebnis des Hausbesuches und aufgrund des Zugangs zum Sparkonto des Bg ergebe sich ein besonderes Vertrauensverhältnis.
Das Sozialgericht vernahm in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 05.08.2014 die Vermieterin des Bg als Zeugin. Diese erklärte, dass sie den Bg 2010 im Internet kennen gelernt habe. Im Frühjahr 2011 seien sie zusammengezogen für etwa 1,5 Jahre. Im Juni 2012 sei er dann ausgezogen. Im Dezember 2012 sei sie in ihr jetziges Haus gezogen. Damals sei ein Nachbar mit eingezogen. Sie habe in einer Wohngemeinschaft gelebt. Nach einem dreiviertel Jahr sei ihr Mitbewohner ausgezogen. Dann habe sie Kontakt mit dem Bg aufgenommen. Er sei wieder eingezogen, da sie auf seine Unterstützung und Hilfe bei Fahrten für die jüngere Tochter zur Therapie angewiesen sei. Er sei ein Freund, aber nicht ihr Freund. Sie stehe in einer Beziehung zu einem anderen. Die Miete habe sie in bar erhalten und Quittungen erteilt. Sie würden nur selten etwas gemeinsam unternehmen. Sie hätten getrennte Lebensmittel eingekauft solange der Bg Geld erhalten habe. Jetzt kaufe sie für ihn mit ein, da er kein Geld habe. Er schlafe in einem eigenen Zimmer, zugemüllt sei es nicht. Sie werde gezwungen, dem Bg zu kündigen, wenn er auf Dauer keine Leistungen vom Jobcenter bekomme.
Mit Beschluss vom 05.08.2014 verpflichtete das Sozialgericht den Bf, dem Bg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 10.07.2014 bis zum 31.12.2014 in Höhe von insgesamt 491 EUR monatlich zu gewähren. Der Versagungsbescheid sei nicht rechtmäßig, da vom Hilfebedürftigen eine Mitwirkungshandlung verlangt werde, die dieser nicht erbringen könne. Der Bf habe sich mit seinem Auskunftsersuchen nach § 60 Abs. 4 SGB II direkt an den Dritten zu wenden. Darüber hinaus sei ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Gericht könne die Sach- und Rechtslage nicht vollständig prüfen. Es sei aber davon auszugehen, dass ein Anordnungsanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehe. Das Einkommen und Vermögen der Vermieterin dürfe nicht berücksichtigt werden, da bereits die objektiven Voraussetzungen für das Bestehen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft fraglich seien. Aufgrund der grundrechtlich gebotenen Folgenabwägung sei daher zu Gunsten des Bg von dessen Hilfebedürftigkeit auszugehen.
Gegen den Beschluss hat der Bf am 03.09.2014 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Zwischenzeitlich sei am 28.08.2014 ein erneuter Hausbesuch durchgeführt worden. Im Zimmer des Bg seien Damenschuhe und Damenkosmetikartikel einer jüngeren Person aufgefunden worden. Diese seien nach Angaben des Bg von der Vormieterin. Außerdem haben sich in seinem Zimmer ein Käfig mit einem Kaninchen und zwei alte Röhrenfernseher befunden. Der Bg habe erklärt, dass er und seine Vermieterin getrennt einkaufen würden, nur zurzeit, da er kein Geld habe, kaufe die Vermieterin für ihn mit ein. Eine Aufstellung über die aufgelaufenen Schulden gebe es nicht. Er dürfe den Pkw der Vermieterin benutzen, müsse für längere Fahrtstrecken aber Benzinkosten tragen. Gekocht würde manchmal gemeinsam. Haushalts- und Putzarbeiten würde er zum Teil mit übernehmen. Die Waschmaschine dürfe er benutzen, verfüge aber über kein eigenes Waschmittel. Er habe einen eigenen Computer. In dem vom Bg benutzten Kühlschrank seien keine Lebensmittel gewesen. Im gesamten Haus sei keine Trennung der Sachen der Vermieterin und des Bg erkennbar.
Der Beschluss des Sozialgerichts sei rechtswidrig, da die zu Grunde liegende Beweiswürdigung fehlerhaft sei. Insbesondere seien die Widersprüche der Aussage der Vermieterin nicht hinreichend berücksichtigt worden. Auch die Verfügungsbefugnis über das Konto des Bg sei durch das Sozialgericht fehlerhaft gewürdigt worden. Die Einlassungen des Bg bei dem erneuten Hausbesuch seien ebenfalls sehr widersprüchlich. Viele Indizien würden für ein gemeinsames Wirtschaften und damit für eine Einstandsgemeinschaft sprechen. Insgesamt sei der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden.
Der Bf beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 05.08.2014 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Bg beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen, es bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft. Zugleich wurde für den Bg Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte des Bf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben (§§ 173, 174 SGG).
Die Beschwerde ist nicht begründet. Der erstinstanzlich gestellte Antrag richtet sich nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 dieser Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Der Bf hat die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 24.04.2014 versagt, der Widerspruch gegen diesen Bescheid hat nach § 86 a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Die Versagung von Leistungen fällt, schon nach dem Wortlaut, nicht unter § 39 SGB II. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Versagungsbescheide, die Leistungen nicht entziehen, scheidet aus, da eine Ausnahmeregelung wie § 39 SGB II grundsätzlich nicht erweitert ausgelegt werden kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.06.2013, L 9 AS 103/13 B ER; Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 39 Rn. 19). Somit bedarf es für den Erlass einer Regelungsanordnung keiner vorherigen Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG hinsichtlich des Versagungsbescheides.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (sog. Regelungsanordnung) ist nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile umschreibt den sogenannten Anordnungsgrund (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl das zu sichernde Recht, der sogenannte Anordnungsanspruch,
als auch der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO) oder nach Durchführung der von Amts wegen im Eilverfahren möglichen und gebotenen Ermittlungen glaubhaft erscheinen. Glaubhaftigkeit bedeutet, dass für das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich ist als die volle richterliche Überzeugung. Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit insoweit genügt, ist bei unklaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten und der öffentlichen Interessen zu bestimmen (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl., 2012, § 86b Rn. 29a).
Sofern dabei auf Seiten des Anordnungsgrundes das Existenzminimum eines Menschen bedroht ist, genügt für die Glaubhaftigkeit des Anordnungsanspruchs ein geringer Grad an Wahrscheinlichkeit, nämlich die nicht auszuschließende Möglichkeit seines Bestehens. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit entschieden, dass in Fällen, in denen es um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht, eine Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund fehlender Erfolgsaussichten der Hauptsache nur dann zulässig ist, wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft hat (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 Az. 1 BvR 569/05 = NJW 2005, 2982 und Beschluss vom 06.02.2007 Az. 1 BvR 3101/06, unveröffentlicht). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die Gerichte eine Verletzung der Grundrechte des Einzelnen, insbesondere der Menschenwürde, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, zu verhindern haben.
Der Senat betrachtet es wie das Sozialgericht als offen, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Eine abschließende Prüfung der Hauptsache ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich. Der Bg erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19 Satz 1 SGB II. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altergrenze nach § 7a SGB II noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig sind (Nr. 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig im Sinn des § 9 Abs. 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von
Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhielt. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, u.a. das Einkommen des Partners zu berücksichtigen.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr Zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4).
Für das Vorliegen einer sogenannten Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II müssen drei Voraussetzungen vorliegen. Bei dem Bg und seiner Vermieterin muss es sich um Partner handeln (1), die in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben(2), dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (3). Die Voraussetzungen Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt stellen objektive Tatbestandsvoraussetzungen dar, die neben der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Die gesetzlich normierte Vermutung gemäß § 7 Abs. 3a SGB II besteht nur bezüglich des Einstehens- und Verantwortungswillens (BSG, Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R -, BSGE 111, 250-257, SozR 4-4200 § 7 Nr. 32, SozR 4-4200 § 9 Nr. 11).
Dies bedeutet, dass zwingend eine objektive Partnerschaft sowie eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft - neben dem subjektiven Einstehens- und Verantwortungswillen - festgestellt werden muss. Unter "Zusammenleben" in einer Wohnung ist mehr als nur ein bloßes "Zusammenwohnen", wie es bei Wohngemeinschaften der Fall ist, zu verstehen. Die Verbundenheit von Partnern, die in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, muss nach außen erkennbar sein. Der Bg bestreitet das Bestehen eines gemeinsamen Schlafzimmers, während der Bf aufgrund der beim Hausbesuch angetroffenen Verhältnisse davon ausgeht, dass keine getrennten Schlafzimmer vorhanden sind. Aus der Tatsache, dass der Bg und seine Vermieterin früher ein Paar waren, kann auf die jetzige Le-
benssituation kein Rückschluss gezogen werden. Zwar gibt es keinen eigenen Briefkasten und keine eigene Klingel des Bg, dies ist jedoch bei vielen Untermietverhältnissen der Fall. Auch daraus, dass die Vermieterin den Bg in seiner finanziellen Notlage unterstützt und ihm Lebensmittel zur Verfügung stellt und die Miete stundet kann nicht ohne weiteres auf ein "Zusammenleben" geschlossen werden. Auch die Aufteilung von Putzarbeiten ist in reinen Wohngemeinschaften üblich und isoliert betrachtet kein entscheidender Hinweis auf ein "Zusammenleben". Daher muss letztlich im Hauptsacheverfahren durch eine weitere Beweisaufnahme geklärt werden, ob der Bg mit seiner Vermieterin zusammenlebt. Dabei werden ggf. auch die Gründe für das Überlassen der Kontokarte zu überprüfen sein.
Dies gilt auch für das gemeinsame Wirtschaften, das nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c
SGB II als zusätzliche Voraussetzung vorliegen muss. Aus den Angaben der Zeugin im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht und aus den Angaben des Bg lässt sich nicht eindeutig ein gemeinsames Wirtschaften entnehmen. Zwar erklärte der Bg, dass er kein eigenes Waschmittel hat und er von seiner Vermieterin mit Lebensmitteln versorgt wird, da er keine Leistungen nach dem SGB II erhält. Auch hilft der Bg seiner Vermieterin, indem er deren Tochter (gelegentlich?) zu Therapiestunden fährt. Diese festgestellten Tatsachen sind, ebenso wie das Benutzen des Pkws der Vermieterin, nicht ausreichend um abschließend die objektive Voraussetzung des "gemeinsamen Wirtschaftens" überprüfen zu können. Daher bleibt auch diese Prüfung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Da es bereits an den objektiven Anknüpfungsvoraussetzungen fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die gesetzliche Vermutung nach § 7 Abs 3a Nr. 1 SGB II eingreift, da diese nur die subjektive Voraussetzung einer Einstandsgemeinschaft "ersetzt" (vgl. Spellbrink/ Becker in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7 Rn. 94). Damit kann das Bestehen eines Anordnungsanspruches nicht endgültig geprüft werden, da ungeklärt ist, ob der Bg in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft lebt und wegen des Einkommens und Vermögens seiner Partnerin keine Hilfebedürftigkeit vorliegt.
Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Der Bg ist auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Sein Lebensunterhalt ist derzeit nicht gesichert. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache ist ihm nicht zumutbar.
Im Rahmen der Folgenabwägung ist die Bedeutung der beantragten Leistungen für den Bg gegen das fiskalische Interesse des Bf abzuwägen, die vorläufig erbrachten Leistungen im Fall eines Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise nicht zurück zu erhalten. Bei ungeklärten Erfolgsaussichten in der Hauptsache muss hier die Folgenabwägung zugunsten des Bg ausgehen, da existenzsichernde Leistungen streitig sind und das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) betroffen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11).
Dauer und Höhe der zugesprochenen Leistungen liegen gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) im Ermessen des Gerichts. Das vom Sozialgericht ausgeübte Ermessen ist nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung bezüglich der Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs.1, Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Dem Beschwerdegegner wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin S., B-Straße, B-Stadt beigeordnet.
III. Der Beschwerdeführer trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdegegners.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab dem 10.07.2014 streitig.
Der 1974 geborene Antragsteller und Beschwerdegegner (Bg) zog am 06.05.2013 in den Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners und Beschwerdeführers (Bf). Seitdem erhält er laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Bf. Zuletzt wurden mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 für den Zeitraum 01.01.2014 bis 30.04.2014 Leistungen in Höhe von 391 EUR monatlich gewährt, Kosten der Unterkunft wurden nicht anerkannt.
Der Bg schloss mit seiner Vermieterin, nach seinen Angaben eine persönliche Freundin, einen Untermietvertrag zum 01.05.2013 über ein möbliertes Zimmer ab. Für dieses bezahlt er eine Warmmiete von 100 EUR monatlich.
Im Verwaltungsverfahren gab der Bg an, dass er mit seiner Vermieterin nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebe. Nach Aufforderung legte er den Hauptmietvertrag seiner Vermieterin und die Genehmigung zur Untervermietung vor. Für das Wohnhaus mit Nebengebäude und Garage ist eine monatliche Miete von 438 EUR zu entrichten. Außerdem erklärte er zur Frage der Mietzahlung, dass seine Vermieterin eine Kontokarte seines Aktivsparkontos habe und er ihr die Pin für die Karte gegeben habe, damit sie Zugriff auf dieses Konto habe.
Am 04.12.2013 fand ein unangemeldeter Hausbesuch statt. Nach den Feststellungen des Außendienstes des Bf habe der Bg ein eigenes Schlafzimmer, das jedoch augenscheinlich nicht bewohnt sei. Das Zimmer habe sich in einem katastrophalen Zustand befunden, überall sei Müll, gebrauchte Kleidung, extremer Gestank etc ... Augenscheinlich schlafe er daher im Zimmer der Vermieterin, da dieses in einem einigermaßen bewohnbaren Zustand sei. Auch habe sich Kleidung des Bf - soweit feststellbar - im Zimmer der Vermieterin befunden. Bad und Wohnzimmer würden gemeinsam genützt. Nach den weiteren Angaben im Protokoll seien Flur und Küche verwahrlost gewesen, im Wohnzimmer und Schlafzimmer habe Müll herumgelegen.
Mit Schreiben vom 09.12.2013 wurde dem Bg mitgeteilt, dass die Leistungen nach dem SGB II vorläufig eingestellt würden, da davon ausgegangen werde, dass er in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit seiner Vermieterin lebe. In einem weiteren Schreiben vom 21.01.2014 wurde der Bg aufgefordert, Unterlagen seiner Vermieterin über deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse, insbesondere eine Einkommensbescheinigung des Arbeitgebers, vorzulegen.
Am 09.04.2014 stellte der Bg einen neuen Weiterbewilligungsantrag auf Leistungen nach dem SGB II. Er wurde erneut aufgefordert, Unterlagen hinsichtlich des Einkommens und Vermögens seiner Vermieterin vorzulegen. Daraufhin erklärte er, dass er in keiner eheähnlichen Gemeinschaft lebe.
Mit Bescheid vom 24.04.2014 versagte der Bf die Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.05.2014 wegen fehlender Mitwirkung des Bg nach §§ 60, 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Er habe die Unterlagen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse seiner Vermieterin nicht offen gelegt. Es bestünden Indizien, dass eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft mit dieser gebildet werde. Gegen diesen Bescheid wurde Widerspruch eingelegt, über den nach Aktenlage derzeit noch nicht entschieden ist.
Nach Aufforderung durch den Bf legte die Prozessbevollmächtigte des Bg Quittungen über Barzahlungen der Miete für die Monate Mai bis Juni 2013 vor. Die Miete für die Monate Dezember 2013 bis April 2014 habe die Vermieterin gestundet. Sie drohe allerdings nunmehr mit dem Rauswurf, wenn die Miete nicht demnächst angewiesen werde.
Am 10.07.2014 stellte der Bg durch seine Prozessbevollmächtigte beim Sozialgericht Regensburg einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz. Er sei seinen Mitwirkungspflichten stets nachgekommen. Es sei ihm sehr unangenehm, dass von seiner Vermieterin Auskünfte und Daten in nicht unerheblichem Umfang angefordert würden. Der Bg sei mitwirkungsbereit und wolle alle benötigten Unterlagen einreichen. Es bestehe aber keine eheähnliche Lebensgemeinschaft mit der Vermieterin. Er sei mit dieser lediglich bekannt und befreundet. Zwischenzeitlich habe er auch den Zugriff der Vermieterin auf sein Konto untersagt. Es wurde eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, dass der Bg nicht in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe.
Der Bf erklärte, dass er vom Bestehen einer Einstehens- und Verantwortungsgemeinschaft ausgehen würde. Der Bg und seine Vermieterin hätten schon früher gemeinsam gewohnt, nach dem Ergebnis des Hausbesuches und aufgrund des Zugangs zum Sparkonto des Bg ergebe sich ein besonderes Vertrauensverhältnis.
Das Sozialgericht vernahm in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme am 05.08.2014 die Vermieterin des Bg als Zeugin. Diese erklärte, dass sie den Bg 2010 im Internet kennen gelernt habe. Im Frühjahr 2011 seien sie zusammengezogen für etwa 1,5 Jahre. Im Juni 2012 sei er dann ausgezogen. Im Dezember 2012 sei sie in ihr jetziges Haus gezogen. Damals sei ein Nachbar mit eingezogen. Sie habe in einer Wohngemeinschaft gelebt. Nach einem dreiviertel Jahr sei ihr Mitbewohner ausgezogen. Dann habe sie Kontakt mit dem Bg aufgenommen. Er sei wieder eingezogen, da sie auf seine Unterstützung und Hilfe bei Fahrten für die jüngere Tochter zur Therapie angewiesen sei. Er sei ein Freund, aber nicht ihr Freund. Sie stehe in einer Beziehung zu einem anderen. Die Miete habe sie in bar erhalten und Quittungen erteilt. Sie würden nur selten etwas gemeinsam unternehmen. Sie hätten getrennte Lebensmittel eingekauft solange der Bg Geld erhalten habe. Jetzt kaufe sie für ihn mit ein, da er kein Geld habe. Er schlafe in einem eigenen Zimmer, zugemüllt sei es nicht. Sie werde gezwungen, dem Bg zu kündigen, wenn er auf Dauer keine Leistungen vom Jobcenter bekomme.
Mit Beschluss vom 05.08.2014 verpflichtete das Sozialgericht den Bf, dem Bg Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 10.07.2014 bis zum 31.12.2014 in Höhe von insgesamt 491 EUR monatlich zu gewähren. Der Versagungsbescheid sei nicht rechtmäßig, da vom Hilfebedürftigen eine Mitwirkungshandlung verlangt werde, die dieser nicht erbringen könne. Der Bf habe sich mit seinem Auskunftsersuchen nach § 60 Abs. 4 SGB II direkt an den Dritten zu wenden. Darüber hinaus sei ein Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Gericht könne die Sach- und Rechtslage nicht vollständig prüfen. Es sei aber davon auszugehen, dass ein Anordnungsanspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit bestehe. Das Einkommen und Vermögen der Vermieterin dürfe nicht berücksichtigt werden, da bereits die objektiven Voraussetzungen für das Bestehen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft fraglich seien. Aufgrund der grundrechtlich gebotenen Folgenabwägung sei daher zu Gunsten des Bg von dessen Hilfebedürftigkeit auszugehen.
Gegen den Beschluss hat der Bf am 03.09.2014 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Zwischenzeitlich sei am 28.08.2014 ein erneuter Hausbesuch durchgeführt worden. Im Zimmer des Bg seien Damenschuhe und Damenkosmetikartikel einer jüngeren Person aufgefunden worden. Diese seien nach Angaben des Bg von der Vormieterin. Außerdem haben sich in seinem Zimmer ein Käfig mit einem Kaninchen und zwei alte Röhrenfernseher befunden. Der Bg habe erklärt, dass er und seine Vermieterin getrennt einkaufen würden, nur zurzeit, da er kein Geld habe, kaufe die Vermieterin für ihn mit ein. Eine Aufstellung über die aufgelaufenen Schulden gebe es nicht. Er dürfe den Pkw der Vermieterin benutzen, müsse für längere Fahrtstrecken aber Benzinkosten tragen. Gekocht würde manchmal gemeinsam. Haushalts- und Putzarbeiten würde er zum Teil mit übernehmen. Die Waschmaschine dürfe er benutzen, verfüge aber über kein eigenes Waschmittel. Er habe einen eigenen Computer. In dem vom Bg benutzten Kühlschrank seien keine Lebensmittel gewesen. Im gesamten Haus sei keine Trennung der Sachen der Vermieterin und des Bg erkennbar.
Der Beschluss des Sozialgerichts sei rechtswidrig, da die zu Grunde liegende Beweiswürdigung fehlerhaft sei. Insbesondere seien die Widersprüche der Aussage der Vermieterin nicht hinreichend berücksichtigt worden. Auch die Verfügungsbefugnis über das Konto des Bg sei durch das Sozialgericht fehlerhaft gewürdigt worden. Die Einlassungen des Bg bei dem erneuten Hausbesuch seien ebenfalls sehr widersprüchlich. Viele Indizien würden für ein gemeinsames Wirtschaften und damit für eine Einstandsgemeinschaft sprechen. Insgesamt sei der Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt worden.
Der Bf beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 05.08.2014 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Bg beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen, es bestehe keine eheähnliche Gemeinschaft. Zugleich wurde für den Bg Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte des Bf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben (§§ 173, 174 SGG).
Die Beschwerde ist nicht begründet. Der erstinstanzlich gestellte Antrag richtet sich nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 dieser Vorschrift vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte.
Der Bf hat die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 24.04.2014 versagt, der Widerspruch gegen diesen Bescheid hat nach § 86 a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. Die Versagung von Leistungen fällt, schon nach dem Wortlaut, nicht unter § 39 SGB II. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf Versagungsbescheide, die Leistungen nicht entziehen, scheidet aus, da eine Ausnahmeregelung wie § 39 SGB II grundsätzlich nicht erweitert ausgelegt werden kann (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.06.2013, L 9 AS 103/13 B ER; Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 39 Rn. 19). Somit bedarf es für den Erlass einer Regelungsanordnung keiner vorherigen Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG hinsichtlich des Versagungsbescheides.
Eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (sog. Regelungsanordnung) ist nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile umschreibt den sogenannten Anordnungsgrund (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl das zu sichernde Recht, der sogenannte Anordnungsanspruch,
als auch der Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO) oder nach Durchführung der von Amts wegen im Eilverfahren möglichen und gebotenen Ermittlungen glaubhaft erscheinen. Glaubhaftigkeit bedeutet, dass für das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich ist als die volle richterliche Überzeugung. Welcher Grad von Wahrscheinlichkeit insoweit genügt, ist bei unklaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache nach einer umfassenden Abwägung der Interessen aller Beteiligten und der öffentlichen Interessen zu bestimmen (Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl., 2012, § 86b Rn. 29a).
Sofern dabei auf Seiten des Anordnungsgrundes das Existenzminimum eines Menschen bedroht ist, genügt für die Glaubhaftigkeit des Anordnungsanspruchs ein geringer Grad an Wahrscheinlichkeit, nämlich die nicht auszuschließende Möglichkeit seines Bestehens. Das Bundesverfassungsgericht hat insoweit entschieden, dass in Fällen, in denen es um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht, eine Ablehnung des einstweiligen Rechtsschutzes aufgrund fehlender Erfolgsaussichten der Hauptsache nur dann zulässig ist, wenn das Gericht die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend geprüft hat (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 Az. 1 BvR 569/05 = NJW 2005, 2982 und Beschluss vom 06.02.2007 Az. 1 BvR 3101/06, unveröffentlicht). Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die Gerichte eine Verletzung der Grundrechte des Einzelnen, insbesondere der Menschenwürde, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, zu verhindern haben.
Der Senat betrachtet es wie das Sozialgericht als offen, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Eine abschließende Prüfung der Hauptsache ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht möglich. Der Bg erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 19 Satz 1 SGB II. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altergrenze nach § 7a SGB II noch nicht vollendet haben (Nr. 1), erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig sind (Nr. 3) sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Hilfebedürftig im Sinn des § 9 Abs. 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern konnte und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von
Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhielt. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, u.a. das Einkommen des Partners zu berücksichtigen.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs. 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr Zusammenleben (Nr. 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr. 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr. 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr. 4).
Für das Vorliegen einer sogenannten Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c SGB II müssen drei Voraussetzungen vorliegen. Bei dem Bg und seiner Vermieterin muss es sich um Partner handeln (1), die in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenleben(2), dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (3). Die Voraussetzungen Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt stellen objektive Tatbestandsvoraussetzungen dar, die neben der subjektiven Voraussetzung des Einstehens- und Verantwortungswillens gegeben sein müssen. Die gesetzlich normierte Vermutung gemäß § 7 Abs. 3a SGB II besteht nur bezüglich des Einstehens- und Verantwortungswillens (BSG, Urteil vom 23.08.2012 - B 4 AS 34/12 R -, BSGE 111, 250-257, SozR 4-4200 § 7 Nr. 32, SozR 4-4200 § 9 Nr. 11).
Dies bedeutet, dass zwingend eine objektive Partnerschaft sowie eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft - neben dem subjektiven Einstehens- und Verantwortungswillen - festgestellt werden muss. Unter "Zusammenleben" in einer Wohnung ist mehr als nur ein bloßes "Zusammenwohnen", wie es bei Wohngemeinschaften der Fall ist, zu verstehen. Die Verbundenheit von Partnern, die in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, muss nach außen erkennbar sein. Der Bg bestreitet das Bestehen eines gemeinsamen Schlafzimmers, während der Bf aufgrund der beim Hausbesuch angetroffenen Verhältnisse davon ausgeht, dass keine getrennten Schlafzimmer vorhanden sind. Aus der Tatsache, dass der Bg und seine Vermieterin früher ein Paar waren, kann auf die jetzige Le-
benssituation kein Rückschluss gezogen werden. Zwar gibt es keinen eigenen Briefkasten und keine eigene Klingel des Bg, dies ist jedoch bei vielen Untermietverhältnissen der Fall. Auch daraus, dass die Vermieterin den Bg in seiner finanziellen Notlage unterstützt und ihm Lebensmittel zur Verfügung stellt und die Miete stundet kann nicht ohne weiteres auf ein "Zusammenleben" geschlossen werden. Auch die Aufteilung von Putzarbeiten ist in reinen Wohngemeinschaften üblich und isoliert betrachtet kein entscheidender Hinweis auf ein "Zusammenleben". Daher muss letztlich im Hauptsacheverfahren durch eine weitere Beweisaufnahme geklärt werden, ob der Bg mit seiner Vermieterin zusammenlebt. Dabei werden ggf. auch die Gründe für das Überlassen der Kontokarte zu überprüfen sein.
Dies gilt auch für das gemeinsame Wirtschaften, das nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c
SGB II als zusätzliche Voraussetzung vorliegen muss. Aus den Angaben der Zeugin im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht und aus den Angaben des Bg lässt sich nicht eindeutig ein gemeinsames Wirtschaften entnehmen. Zwar erklärte der Bg, dass er kein eigenes Waschmittel hat und er von seiner Vermieterin mit Lebensmitteln versorgt wird, da er keine Leistungen nach dem SGB II erhält. Auch hilft der Bg seiner Vermieterin, indem er deren Tochter (gelegentlich?) zu Therapiestunden fährt. Diese festgestellten Tatsachen sind, ebenso wie das Benutzen des Pkws der Vermieterin, nicht ausreichend um abschließend die objektive Voraussetzung des "gemeinsamen Wirtschaftens" überprüfen zu können. Daher bleibt auch diese Prüfung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Da es bereits an den objektiven Anknüpfungsvoraussetzungen fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die gesetzliche Vermutung nach § 7 Abs 3a Nr. 1 SGB II eingreift, da diese nur die subjektive Voraussetzung einer Einstandsgemeinschaft "ersetzt" (vgl. Spellbrink/ Becker in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 7 Rn. 94). Damit kann das Bestehen eines Anordnungsanspruches nicht endgültig geprüft werden, da ungeklärt ist, ob der Bg in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft lebt und wegen des Einkommens und Vermögens seiner Partnerin keine Hilfebedürftigkeit vorliegt.
Ein Anordnungsgrund ist glaubhaft gemacht. Der Bg ist auf existenzsichernde Leistungen nach dem SGB II angewiesen. Sein Lebensunterhalt ist derzeit nicht gesichert. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache ist ihm nicht zumutbar.
Im Rahmen der Folgenabwägung ist die Bedeutung der beantragten Leistungen für den Bg gegen das fiskalische Interesse des Bf abzuwägen, die vorläufig erbrachten Leistungen im Fall eines Obsiegens in der Hauptsache möglicherweise nicht zurück zu erhalten. Bei ungeklärten Erfolgsaussichten in der Hauptsache muss hier die Folgenabwägung zugunsten des Bg ausgehen, da existenzsichernde Leistungen streitig sind und das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) betroffen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18.07.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11).
Dauer und Höhe der zugesprochenen Leistungen liegen gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 938 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) im Ermessen des Gerichts. Das vom Sozialgericht ausgeübte Ermessen ist nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung bezüglich der Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs.1, Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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