Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 1567/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1605/14 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. Juni 2014 aufgehoben. Den Antragstellerinnen wird für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung oder Beiträge aus dem Vermögen bewilligt und Rechtsanwalt M A beigeordnet. Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in welchem die Antragstellerinnen den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2013 hinsichtlich der Gewährung von Grundsicherungsleistungen und deren Höhe für die Zeiträume Februar bis Juli 2013 und der dabei zu erfolgenden Anrechnung von Kindergeld angefochten haben. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) leben mit ihrer Mutter, der Antragstellerin zu 1), in temporärer Bedarfsgemeinschaft. Die Beklagte hat das Kindergeld jeweils zur Hälfte bei den Kindern – bei fortbestehender Bedürftigkeit – und deren Mutter angerechnet. Sie hat dies im Widerspruchsbescheid damit begründet, dass der Teil des Kindergeldes, der auf die Aufenthalte des Kindes außerhalb der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft entfalle, Einkommen der kindergeldberechtigten Person bleibe, weil in dieser Zeit kein Kindergeld zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Kinder benötigt werde. Mit Klageerhebung haben die Antragstellerinnen Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 2. Juni 2014 den Antrag abgelehnt und dies damit begründet, dass das Kindergeld während des Aufenthalts der Kinder außerhalb der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1) nicht den Kindern zugute komme und deshalb bei der Antragstellerin zu 1) anzurechnen sei. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) seien zudem durch die Entscheidung nicht beschwert. Allein der Umstand, dass diese beiden Antragstellerinnen zur Deckung ihres Bedarfs auf das Sozialgeld verwiesen würden, anstatt das Kindergeld zur Bedarfsdeckung verwenden zu können, stelle keine Beschwer dar. Es kommen allein auf die Beschwer in den angefochtenen Bescheiden an. Wegen der weiteren Umstände des Sachverhalts und der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird entsprechend §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses vom 2. Juni 2014 Bezug genommen.
Die Antragstellerinnen verfolgen ihr Begehren mit der Beschwerde vom 23. Juni 2014 weiter. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerinnen zu 2) und 3) ergebe sich daraus, dass sie zur Deckung ihres Bedarfs auf das Sozialgeld verwiesen würden, statt dafür das Kindergeld verwenden zu können. Im Falle von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden könnten sie zudem höheren Forderungen ausgesetzt sein und die Verteilung des Kindergeldes nicht mehr zu ihren Gunsten einwenden. Deshalb müsste im Interesse effektiven Rechtsschutzes bereits im Bewilligungsverfahren die Möglichkeit bestehen, gegen die Verteilung des Kindergeldes durch die Behörde vorzugehen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.
Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.
Ein Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG liegt nicht vor. Die Vorschrift lautet: Die Beschwerde ist ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Berufung bedürfte bei voller Klageabweisung nicht der Zulassung, weil allein wegen des konkreten subjektiven Anspruchs der Antragstellerin zu 1) über sechs Monate der Beschwerdewert von 750 EUR überschritten wird.
Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerinnen ist begründet. Den bedürftigen Antragstellerinnen war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. Die Beiordnung anwaltlichen Beistandes ist auch im Sinne von §§ 73a Abs 1 SGG, 121 Abs 2 ZPO erforderlich.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheintHinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 29) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Diese gewisse Wahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung, der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 73a, RdNr. 7a). Bei nur teilweise anzunehmender Erfolgsaussicht ist in den gerichtskostenfreien Verfahren Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu gewähren (vgl. Leitherer ebd. mwN); Ausnahmen kommen bei selbständigen Streitgegenständen, also insbesondere bei Klagenhäufung in Betracht. Einerseits dürfen die Anforderungen an eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358 - JURIS-RdNr 27). Andererseits darf Prozesskostenhilfe auch verweigert werden, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG ebd. JURIS-RdNr 26). Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde, bzw hält das Gericht eine Beweiserhebung für notwendig, so kann in der Regel Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 30, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 73a RdNr 7a). Weil es ausreicht, dass Vertretbarkeit des Rechtsvorbringens anzunehmen ist, kommt es hinsichtlich der rechtlichen Bewertung nicht auf die Rechtsansicht des erkennenden Spruchkörpers, sondern auf eine allgemeine Betrachtung an. Ein Rechtsschutzbegehren hat daher auch dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358f - JURIS-RdNr 28 mwN). Nach diesen Maßstäben ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klagen der drei Antragstellerinnen zulässig und die angefochtenen Verwaltungsakte rechtswidrig sind, anzunehmen. Die Zulässigkeit der Klagen folgt daraus, dass die Antragstellerinnen ein Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls insoweit haben, als die Behauptung gerechtfertigt ist, die Vorgehensweise der Beklagten führe dazu, dass die Antragstellerinnen zu 2) und 3) in die Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1) trotz an sich fehlender Bedürftigkeit im Sinne des Verständnisses des SGB II einbezogen werden und ihnen Sozialgeld gewährt wird. Selbst wenn man der im angefochtenen Beschluss geäußerten Ansicht des Sozialgerichts folgen sollte, dass den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis fehlte und ihre Klagen deshalb unzulässig seien, wäre ihnen Prozesskostenhilfe zu gewähren. Dies ergibt sich daraus, dass sie bei – nach Auffassung des Sozialgerichts gebotener Klagerücknahme – sofort wieder in das Verfahren einzubeziehen wären, denn die Antragsteller wären wegen § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen. Eine Entscheidung über den Anspruch der Antragstellerin zu 1) kann nur einheitlich mit bindender Wirkung auch für die Antragstellerinnen zu 2) und 3) ergehen, denn sofern der Anspruch der Antragstellerin zu 1) wegen reduzierter Anrechnung des Kindergeldes steigt, reduziert sich der Anspruch der Antragstellerinnen zu 2) und 3) durch erhöhte Anrechnung des Kindergeldes.
Auch dem Beigeladenen ist Prozesskostenhilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen zu gewähren (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 73a RdNr 2a). Die auch dem Beigeladenen gegenüber bindend ergehende abschließende Entscheidung hat zur Voraussetzung, dass diesem hinreichend rechtliches Gehör gewährt wird. Dies rechtfertigt und gebietet es zur Gewährung rechtlichen Gehörs sowie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes, ungeachtet der Möglichkeit der Beigeladenen, im Klageverfahren auf einen Sachantrag zu verzichten, zur Erlangung der Beiordnung eines Rechtsanwaltes inhaltlich über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden (vgl. auch Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.08.2012, 4 K 4338/08 PKH). Das hier erfolgte gemeinsame Vorgehen der drei Antragstellerinnen erscheint prozessdienlich und nicht mutwillig.
Von hinreichender Erfolgsaussicht für die Antragsteller ist auch in der Sache auszugehen.
Streitentscheidende Norm ist hier § 11 Abs 1 Satz 4, Abs 2 SGB II. Insofern folgt hinsichtlich des Begehrens der Antragstellerin zu 1) die Erfolgsaussicht aus dem Urteil des BSG vom 2. Juli 2009, B 14 AS 75/08 R. Es erscheint jedenfalls vertretbar, dass diese vom Sozialgericht ebenfalls für seine Auffassung zitierte Entscheidung nicht die Entscheidung der Beklagten und auch nicht des angefochtenen Beschlusses trägt. Die Entscheidung stellt klar, dass das Kindergeld für die Kinder nur in der BG berücksichtigt werden kann, in der der Kindergeldbezieher lebt. Eine von § 11 Abs 2 SGB II abweichende Aufteilung des Einkommens wird in dem Urteil nicht diskutiert und auch im Ergebnis nicht angewandt. Ihm liegt eine völlig andere Sachverhaltskonstellation zugrunde – nämlich (übertragen auf den hiesigen Fall) die eines Leistungsbegehrens der Antragstellerinnen zu 2) und 3) für die Zeit ihres Aufenthalts bei ihrem Vater. Auch in Eicher SGB II, 3. Aufl, § 11 RdNr 28 wird eine Aufteilung pro rata temporis nicht einmal diskutiert. Es erscheint sehr gut vertretbar, davon auszugehen, die Beklagte könne sich für die im Widerspruchsbescheid gegebene Begründung ihrer Entscheidung schwerlich auf eine gesetzliche Grundlage stützen. Nachvollziehbar ist vielmehr, einen Widerspruch bereits der Begründung des Widerspruchsbescheides anzunehmen. Als Widerspruch kann nämlich die Behauptung angesehen werden, dass das Kindergeld nicht zur Beseitigung der Bedürftigkeit eingesetzt werden könne, wiewohl im Umfang der Nichtanrechnung bei den Antragstellerinnen zu 2) und 3) sehr wohl weiter Bedürftigkeit bestehe. Das Gesetz sieht eine Aufteilung des Einkommens pro rata temporis nicht vor, sondern schlicht die Anrechnung des Einkommens im Monat des Zuflusses (§ 11 Abs 2 SGB II), dies selbst dann, wenn die Einkünfte nur an einzelnen Tagen des Monats erzielt werden (Satz 2).
Mit dem Urteil des BSG vom 02.07.2009, B 14 AS 75/08 R erscheint inzwischen jedoch geklärt, dass das Kindergeld nicht als Einkommen für andere Zeiträume, nämlich denen der Mitgliedschaft in einer anderen BG, und für Leistungsansprüche in einer anderen BG anzurechnen ist. Es ist daher vollständig in der BG zunächst für die Sicherung des Unterhalts der Kinder einzusetzen, in der der kindergeldberechtigte Elternteil lebt. Vor diesem Hintergrund erscheint es sehr gut vertretbar, in die Anrechnung des Kindergeldes nicht den Gedanken des § 41 SGB II hineinzulesen. Danach bliebe es bei der gesetzlichen Vorgabe, dass das Kindergeld (vollständig) als Einkommen des Kindes anzurechnen ist, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (§ 11 Abs 1 Sätze 3 und 4 SGB II); soweit es nicht benötigt wird, wäre das Kind nicht bedürftig und schiede aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Das dann nicht beim Kind anzurechnende Kindergeld wäre dann soweit beim kindergeldberechtigten Elternteil anzurechnen, wie es zur Bedarfsdeckung des Kindes nicht benötigt wird. Diese Regelung erscheint einfach, klar und verwaltungspraktikabel. Eine zusätzliche Aufteilung pro rata temporis ist als Abweichung vom gesetzlich geregelten Grundsatz aufwändiger, so dass (auch rechtsmethodisch) eher fern liegen dürfte, auch insofern eine erweiternde Auslegung in Betracht zu ziehen. Es ist das Gesetz und nicht diesem widersprechende interne Weisungen umzusetzen (Art 20 Abs 3 GG).
Aus diesen Erwägungen folgt, dass jedenfalls hinreichende Erfolgsaussicht für die Antragstellerin zu 1) besteht, denn es kommt im Rahmen der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe auf die Vertretbarkeit der Ansicht der Rechtsuchenden an und nicht auf die evtl davon abweichende Auffassung des konkreten Spruchkörpers. Die von den Antragstellerinnen vertretene Auffassung muss jedenfalls als gut vertretbar angesehen werden, zumal ihr höhergerichtliche Rechtsprechung nicht entgegensteht. Sollte der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchaus gedeckten Auffassung der Antragstellerinnen nicht gefolgt werden, müsste die hier zu klärende Rechtsfrage als noch nicht entschieden angesehen werden und ihr grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden. Auch vor diesem Hintergrund kann hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden.
Die Antragstellerin zu 3), würde ausweislich der Leistungshöhe in den Monaten März, April, Juni und Juli 2013 bei vollständiger Anrechnung des Kindergeldes auf ihren Bedarf nicht hilfebedürftig sein und dürfte daher nicht in die Bedarfsgemeinschaft ihrer Mutter einbezogen werden. Gegen den dadurch begründeten Status mit entsprechenden grundsicherungsrechtlichen Mitwirkungspflichten dürfte sich die Antragstellerin zu 3) mit ihrer Klage zulässig wenden können. Dies stellte einen hinreichenden rechtlichen Nachteil dar. Dieser ist auch behauptet. Ob insofern das klägerische Begehren über die Anfechtung der Bewilligungsbescheide hinausgeht, kann der Klärung im weiteren Verfahren vor dem Sozialgericht anheim gestellt werden, weil es für die hier zu entscheidende Frage nicht erheblich ist. Gleiches gilt für die Antragstellerin zu 2) im Monat März 2013. Bei neuer Verteilung des Einkommens kann ein Ausscheiden der Antragstellerinnen zu 2) und 3) aus dem Leistungsbezug nicht als fernliegend angesehen werden.
Die Antragstellerinnen sind zur Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage. Prozesskostenhilfe war ab dem Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, also ab Klageerhebung zu gewähren. Anwaltlicher Beistand ist angesichts der rechtlichen Schwierigkeit des Rechtsstreites geboten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, in welchem die Antragstellerinnen den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2013 hinsichtlich der Gewährung von Grundsicherungsleistungen und deren Höhe für die Zeiträume Februar bis Juli 2013 und der dabei zu erfolgenden Anrechnung von Kindergeld angefochten haben. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) leben mit ihrer Mutter, der Antragstellerin zu 1), in temporärer Bedarfsgemeinschaft. Die Beklagte hat das Kindergeld jeweils zur Hälfte bei den Kindern – bei fortbestehender Bedürftigkeit – und deren Mutter angerechnet. Sie hat dies im Widerspruchsbescheid damit begründet, dass der Teil des Kindergeldes, der auf die Aufenthalte des Kindes außerhalb der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft entfalle, Einkommen der kindergeldberechtigten Person bleibe, weil in dieser Zeit kein Kindergeld zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Kinder benötigt werde. Mit Klageerhebung haben die Antragstellerinnen Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 2. Juni 2014 den Antrag abgelehnt und dies damit begründet, dass das Kindergeld während des Aufenthalts der Kinder außerhalb der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1) nicht den Kindern zugute komme und deshalb bei der Antragstellerin zu 1) anzurechnen sei. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) seien zudem durch die Entscheidung nicht beschwert. Allein der Umstand, dass diese beiden Antragstellerinnen zur Deckung ihres Bedarfs auf das Sozialgeld verwiesen würden, anstatt das Kindergeld zur Bedarfsdeckung verwenden zu können, stelle keine Beschwer dar. Es kommen allein auf die Beschwer in den angefochtenen Bescheiden an. Wegen der weiteren Umstände des Sachverhalts und der Gründe der angefochtenen Entscheidung wird entsprechend §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses vom 2. Juni 2014 Bezug genommen.
Die Antragstellerinnen verfolgen ihr Begehren mit der Beschwerde vom 23. Juni 2014 weiter. Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerinnen zu 2) und 3) ergebe sich daraus, dass sie zur Deckung ihres Bedarfs auf das Sozialgeld verwiesen würden, statt dafür das Kindergeld verwenden zu können. Im Falle von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden könnten sie zudem höheren Forderungen ausgesetzt sein und die Verteilung des Kindergeldes nicht mehr zu ihren Gunsten einwenden. Deshalb müsste im Interesse effektiven Rechtsschutzes bereits im Bewilligungsverfahren die Möglichkeit bestehen, gegen die Verteilung des Kindergeldes durch die Behörde vorzugehen.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.
Die Beschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere statthaft.
Ein Ausschluss der Beschwerde nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG liegt nicht vor. Die Vorschrift lautet: Die Beschwerde ist ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Berufung bedürfte bei voller Klageabweisung nicht der Zulassung, weil allein wegen des konkreten subjektiven Anspruchs der Antragstellerin zu 1) über sechs Monate der Beschwerdewert von 750 EUR überschritten wird.
Die auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerinnen ist begründet. Den bedürftigen Antragstellerinnen war Prozesskostenhilfe zu bewilligen, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist nicht mutwillig. Die Beiordnung anwaltlichen Beistandes ist auch im Sinne von §§ 73a Abs 1 SGG, 121 Abs 2 ZPO erforderlich.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheintHinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 29) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Erfolg der Rechtsverfolgung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Diese gewisse Wahrscheinlichkeit liegt dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung, der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 73a, RdNr. 7a). Bei nur teilweise anzunehmender Erfolgsaussicht ist in den gerichtskostenfreien Verfahren Prozesskostenhilfe unbeschränkt zu gewähren (vgl. Leitherer ebd. mwN); Ausnahmen kommen bei selbständigen Streitgegenständen, also insbesondere bei Klagenhäufung in Betracht. Einerseits dürfen die Anforderungen an eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht überspannt werden (BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358 - JURIS-RdNr 27). Andererseits darf Prozesskostenhilfe auch verweigert werden, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG ebd. JURIS-RdNr 26). Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde, bzw hält das Gericht eine Beweiserhebung für notwendig, so kann in der Regel Erfolgsaussicht nicht verneint werden (BVerfG, Beschluss vom 15.12.2008, 1 BvR 1404/04, RdNr 30, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 73a RdNr 7a). Weil es ausreicht, dass Vertretbarkeit des Rechtsvorbringens anzunehmen ist, kommt es hinsichtlich der rechtlichen Bewertung nicht auf die Rechtsansicht des erkennenden Spruchkörpers, sondern auf eine allgemeine Betrachtung an. Ein Rechtsschutzbegehren hat daher auch dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 358f - JURIS-RdNr 28 mwN). Nach diesen Maßstäben ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Klagen der drei Antragstellerinnen zulässig und die angefochtenen Verwaltungsakte rechtswidrig sind, anzunehmen. Die Zulässigkeit der Klagen folgt daraus, dass die Antragstellerinnen ein Rechtsschutzbedürfnis jedenfalls insoweit haben, als die Behauptung gerechtfertigt ist, die Vorgehensweise der Beklagten führe dazu, dass die Antragstellerinnen zu 2) und 3) in die Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1) trotz an sich fehlender Bedürftigkeit im Sinne des Verständnisses des SGB II einbezogen werden und ihnen Sozialgeld gewährt wird. Selbst wenn man der im angefochtenen Beschluss geäußerten Ansicht des Sozialgerichts folgen sollte, dass den Antragstellern das Rechtsschutzbedürfnis fehlte und ihre Klagen deshalb unzulässig seien, wäre ihnen Prozesskostenhilfe zu gewähren. Dies ergibt sich daraus, dass sie bei – nach Auffassung des Sozialgerichts gebotener Klagerücknahme – sofort wieder in das Verfahren einzubeziehen wären, denn die Antragsteller wären wegen § 75 Abs 2 SGG notwendig beizuladen. Eine Entscheidung über den Anspruch der Antragstellerin zu 1) kann nur einheitlich mit bindender Wirkung auch für die Antragstellerinnen zu 2) und 3) ergehen, denn sofern der Anspruch der Antragstellerin zu 1) wegen reduzierter Anrechnung des Kindergeldes steigt, reduziert sich der Anspruch der Antragstellerinnen zu 2) und 3) durch erhöhte Anrechnung des Kindergeldes.
Auch dem Beigeladenen ist Prozesskostenhilfe bei Vorliegen der Voraussetzungen zu gewähren (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 73a RdNr 2a). Die auch dem Beigeladenen gegenüber bindend ergehende abschließende Entscheidung hat zur Voraussetzung, dass diesem hinreichend rechtliches Gehör gewährt wird. Dies rechtfertigt und gebietet es zur Gewährung rechtlichen Gehörs sowie zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes, ungeachtet der Möglichkeit der Beigeladenen, im Klageverfahren auf einen Sachantrag zu verzichten, zur Erlangung der Beiordnung eines Rechtsanwaltes inhaltlich über den Prozesskostenhilfeantrag zu entscheiden (vgl. auch Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.08.2012, 4 K 4338/08 PKH). Das hier erfolgte gemeinsame Vorgehen der drei Antragstellerinnen erscheint prozessdienlich und nicht mutwillig.
Von hinreichender Erfolgsaussicht für die Antragsteller ist auch in der Sache auszugehen.
Streitentscheidende Norm ist hier § 11 Abs 1 Satz 4, Abs 2 SGB II. Insofern folgt hinsichtlich des Begehrens der Antragstellerin zu 1) die Erfolgsaussicht aus dem Urteil des BSG vom 2. Juli 2009, B 14 AS 75/08 R. Es erscheint jedenfalls vertretbar, dass diese vom Sozialgericht ebenfalls für seine Auffassung zitierte Entscheidung nicht die Entscheidung der Beklagten und auch nicht des angefochtenen Beschlusses trägt. Die Entscheidung stellt klar, dass das Kindergeld für die Kinder nur in der BG berücksichtigt werden kann, in der der Kindergeldbezieher lebt. Eine von § 11 Abs 2 SGB II abweichende Aufteilung des Einkommens wird in dem Urteil nicht diskutiert und auch im Ergebnis nicht angewandt. Ihm liegt eine völlig andere Sachverhaltskonstellation zugrunde – nämlich (übertragen auf den hiesigen Fall) die eines Leistungsbegehrens der Antragstellerinnen zu 2) und 3) für die Zeit ihres Aufenthalts bei ihrem Vater. Auch in Eicher SGB II, 3. Aufl, § 11 RdNr 28 wird eine Aufteilung pro rata temporis nicht einmal diskutiert. Es erscheint sehr gut vertretbar, davon auszugehen, die Beklagte könne sich für die im Widerspruchsbescheid gegebene Begründung ihrer Entscheidung schwerlich auf eine gesetzliche Grundlage stützen. Nachvollziehbar ist vielmehr, einen Widerspruch bereits der Begründung des Widerspruchsbescheides anzunehmen. Als Widerspruch kann nämlich die Behauptung angesehen werden, dass das Kindergeld nicht zur Beseitigung der Bedürftigkeit eingesetzt werden könne, wiewohl im Umfang der Nichtanrechnung bei den Antragstellerinnen zu 2) und 3) sehr wohl weiter Bedürftigkeit bestehe. Das Gesetz sieht eine Aufteilung des Einkommens pro rata temporis nicht vor, sondern schlicht die Anrechnung des Einkommens im Monat des Zuflusses (§ 11 Abs 2 SGB II), dies selbst dann, wenn die Einkünfte nur an einzelnen Tagen des Monats erzielt werden (Satz 2).
Mit dem Urteil des BSG vom 02.07.2009, B 14 AS 75/08 R erscheint inzwischen jedoch geklärt, dass das Kindergeld nicht als Einkommen für andere Zeiträume, nämlich denen der Mitgliedschaft in einer anderen BG, und für Leistungsansprüche in einer anderen BG anzurechnen ist. Es ist daher vollständig in der BG zunächst für die Sicherung des Unterhalts der Kinder einzusetzen, in der der kindergeldberechtigte Elternteil lebt. Vor diesem Hintergrund erscheint es sehr gut vertretbar, in die Anrechnung des Kindergeldes nicht den Gedanken des § 41 SGB II hineinzulesen. Danach bliebe es bei der gesetzlichen Vorgabe, dass das Kindergeld (vollständig) als Einkommen des Kindes anzurechnen ist, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (§ 11 Abs 1 Sätze 3 und 4 SGB II); soweit es nicht benötigt wird, wäre das Kind nicht bedürftig und schiede aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Das dann nicht beim Kind anzurechnende Kindergeld wäre dann soweit beim kindergeldberechtigten Elternteil anzurechnen, wie es zur Bedarfsdeckung des Kindes nicht benötigt wird. Diese Regelung erscheint einfach, klar und verwaltungspraktikabel. Eine zusätzliche Aufteilung pro rata temporis ist als Abweichung vom gesetzlich geregelten Grundsatz aufwändiger, so dass (auch rechtsmethodisch) eher fern liegen dürfte, auch insofern eine erweiternde Auslegung in Betracht zu ziehen. Es ist das Gesetz und nicht diesem widersprechende interne Weisungen umzusetzen (Art 20 Abs 3 GG).
Aus diesen Erwägungen folgt, dass jedenfalls hinreichende Erfolgsaussicht für die Antragstellerin zu 1) besteht, denn es kommt im Rahmen der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe auf die Vertretbarkeit der Ansicht der Rechtsuchenden an und nicht auf die evtl davon abweichende Auffassung des konkreten Spruchkörpers. Die von den Antragstellerinnen vertretene Auffassung muss jedenfalls als gut vertretbar angesehen werden, zumal ihr höhergerichtliche Rechtsprechung nicht entgegensteht. Sollte der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung durchaus gedeckten Auffassung der Antragstellerinnen nicht gefolgt werden, müsste die hier zu klärende Rechtsfrage als noch nicht entschieden angesehen werden und ihr grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden. Auch vor diesem Hintergrund kann hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden.
Die Antragstellerin zu 3), würde ausweislich der Leistungshöhe in den Monaten März, April, Juni und Juli 2013 bei vollständiger Anrechnung des Kindergeldes auf ihren Bedarf nicht hilfebedürftig sein und dürfte daher nicht in die Bedarfsgemeinschaft ihrer Mutter einbezogen werden. Gegen den dadurch begründeten Status mit entsprechenden grundsicherungsrechtlichen Mitwirkungspflichten dürfte sich die Antragstellerin zu 3) mit ihrer Klage zulässig wenden können. Dies stellte einen hinreichenden rechtlichen Nachteil dar. Dieser ist auch behauptet. Ob insofern das klägerische Begehren über die Anfechtung der Bewilligungsbescheide hinausgeht, kann der Klärung im weiteren Verfahren vor dem Sozialgericht anheim gestellt werden, weil es für die hier zu entscheidende Frage nicht erheblich ist. Gleiches gilt für die Antragstellerin zu 2) im Monat März 2013. Bei neuer Verteilung des Einkommens kann ein Ausscheiden der Antragstellerinnen zu 2) und 3) aus dem Leistungsbezug nicht als fernliegend angesehen werden.
Die Antragstellerinnen sind zur Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage. Prozesskostenhilfe war ab dem Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, also ab Klageerhebung zu gewähren. Anwaltlicher Beistand ist angesichts der rechtlichen Schwierigkeit des Rechtsstreites geboten.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
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