Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 27 AS 1870/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 448/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 14. August 2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
I.
Die Beschwerdeführerin und Antragstellerin (im Folgenden: Antragstellerin) erstrebt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage sowie die Verpflichtung des Beschwerdegegners und Antragsgegners (im Folgenden: Antragsgegner), die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) weiter zu gewähren.
Die am ... 1951 geborene Antragstellerin bezieht mit ihrem Ehemann laufende Leistungen nach SGB II. Nach einem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2014 gewährte der Antragsgegner einen monatlichen Gesamtbetrag in Höhe von 863,67 EUR (Antragstellerin: 353,00 EUR Regelbedarf; 78,83 EUR Kosten der Unterkunft [KdU]; Ehemann: 353,00 EUR Regelbedarf; 78,84 KdU). Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass sie verpflichtet sei, einen Antrag beim Rentenversicherungsträger zu stellen, wenn sie eine geminderte Altersrente beziehen könne und das 63. Lebensjahr vollendet habe. Hierzu habe sie eine aussagekräftige Bescheinigung des Rentenversicherungsträgers dem Antragsgegner vorzulegen. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin nach und legte eine Rentenauskunft der D. R. B. vom 3. April 2014 vor. Hiernach betrage ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung 876,37 EUR, wenn von einem Leistungsfall am 3. April 2014 ausgegangen werden würde. Die Regelaltersrente würde nach Erreichen der Regelaltersrente 872,29 EUR ausmachen, wenn der bis zum 30. Juni 2014 maßgebende Rentenwert zugrunde gelegt werden würde. Die Regelaltersrente werde am 28. August 2016 erreicht und führe – ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen – voraussichtlich zu einer Rente von 892,03 EUR. Bei einem Anpassungssatz von einem Prozent wäre dagegen eine Regelaltersrente von ca. 910 EUR zu erwarten.
Nach einem Beratungsvermerk der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Februar 2014 bestehen bei der Antragstellerin gesundheitliche Einschränkungen. Wegen des Alters sowie einer Langzeitarbeitslosigkeit sei die Integration erschwert. Am selben Tag schloss die Antragstellerin eine Eingliederungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich der Antragsgegner bis zum 12. August 2014 u.a. Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten sowie Kosten für Bewerbungsaktivitäten zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 11. April 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, die Altersrente bei der D. R. zu beantragen. Der Anspruch auf geminderte Altersrente könne den Anspruch nach dem SGB II verringern oder ganz ausschließen. Hierbei handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Die gesundheitlichen Einschränkungen und die bisher erfolglosen Bemühungen um eine Beschäftigungsaufnahme sprächen für die Inanspruchnahme der geminderten Altersrente. Dagegen erhob die Antragstellerin am 28. April 2014 Widerspruch und machte geltend: Das Ermessen sei nicht hinreichend ausgeübt worden. Die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen bei ihr lägen nicht vor und beruhten auf einem Irrtum. Auch die Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann sei im Rahmen der Entscheidung nicht zutreffend gewürdigt worden. Es sei prognostisch nicht absehbar, ob eine frühere Altersrente zu einer Sozialhilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft führen werde. Die Inanspruchnahme einer Rente zum jetzigen Zeitpunkt führe zu einer unbilligen Härte.
Dagegen hatte die Antragstellerin ein einstweiliges Rechtschutzverfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingeleitet. In einem Verwaltungsvermerk des Antragsgegner vom 30. April 2014 wurde ausgeführt: Der Bescheid vom 11. April 2014 sei ganz aufzuheben, da die Ermessenserwägungen fehlerhaft seien. Dem angegriffenen Bescheid fehle die individuelle Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Antragstellerin. Überdies bestehe eine noch gültige Eingliederungsvereinbarung, was für eine Vermittlungsaussicht spreche. Mit Abhilfebescheid vom 12. Mai 2014 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 11. April 2014 auf.
Am 15. April 2014 beantragte die Antragstellerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14. Mai 2014 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin monatlich 890,68 EUR (Regelbedarf: Ehemann: 353,00 EUR; Antragstellerin: 353,00 EUR; Kosten der Unterkunft (KdU): Ehemann: 92,34 EUR; Antragstellerin: 92,34 EUR) und änderte diesen Bescheid unter dem 4. Juli 2014 auf monatlich 875,48 EUR ab (Bewilligungszeitraum vom 1. August bis 30. November 2014).
Mit Schreiben vom 16. April 2014 kündigte der Antragsgegner die Eingliederungsvereinbarung vom 13. Februar 2014 und führte zur Begründung aus: Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen sowie des bisherigen Verlaufs der Vermittlung sei aktuell nicht mit einer Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu rechnen.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut auf, einen Antrag auf geminderte Altersrente spätestens bis zum 21. Juli 2014 beim Rentenversicherungsträger zu stellen: Bei dem Verlangen handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Die Antragstellerin sei seit dem 27. Juli 2009 arbeitslos gemeldet und beziehe SGB II-Leistungen. Die Vermittlung von geeigneten Arbeitsstellen sei nicht gelungen. In absehbarer Zeit sei nicht damit zu rechnen, dass die Antragstellerin eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen könne. Zwar habe sie weiterhin Interesse an einer Beschäftigung. In Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiege jedoch das Interesse an einer Inanspruchnahme der geminderten Altersrente. Die geminderte Altersrente liege höher als der aktuelle SGB II-Anspruch. In einem weiteren Schreiben vom selben Tag machte der Antragsgegner bei der D. R. B. einen Erstattungsanspruch geltend. Er wies darauf hin, dass das Schreiben zugleich als Antragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II gelte.
Am 10. Juli legte der Ehemann der Antragstellerin einen Arbeitsvertrag der Gartenfreunde D. e. V. vor, der eine Mehraufwandsentschädigung von 1,00 EUR für die Beschäftigungsstunde bei einer wöchentlichen Beschäftigungszeit von maximal 30 Stunden wöchentlich vorsah.
Gegen den Bescheid vom 4. Juli 2014 erhob die Antragstellerin am 22. Juli 2014 Widerspruch und machte geltend: Das Ermessen sei nicht in hinreichender Weise ausgeübt worden. Für die Zukunft sei unklar, wie sich die finanzielle Situation der Bedarfsgemeinschaft im Falle des Bezuges einer geminderten Altersrente bei ihr entwickeln werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte in seiner Begründung aus: Der Sonderfall des § 65 Abs. 4 SGB II sei bei der Antragstellerin nicht gegeben, da sie erst am 29. März 2009 das 58. Lebensjahr vollendet habe. Die in der sog. Unbilligkeitsverordnung (Unbilligkeits-V) vom 14. April 2008 geregelten Ausnahmen seien bei der Antragstellerin nicht gegeben, so dass keine unbillige Härte vorliege. Die Antragstellerin könne ihren Individualbedarf von 437,74 EUR mit der geminderten Altersrente decken. Nach der vorliegenden Rentenauskunft vom 3. April 2014 könne die Antragstellerin ihre Hilfebedürftigkeit beseitigen und die der Bedarfsgemeinschaft zumindest verringern. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt sei für die seit dem 27. Juli 2009 arbeitslose Antragstellerin gescheitert. Die Eingliederungsvereinbarung habe durch die erfolgte Kündigung ihre Wirksamkeit verloren. Die Klägerin sei nach § 12a SGB II verpflichtet, einen Rentenantrag zu stellen.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 20. August 2014 Klage beim SG Dessau-Roßlau erhoben (S 7 AS 2131/14). Nach einer von der Antragstellerin in diesem Verfahren vorgelegten Auskunft des Rentenversicherungsträgers beträgt die Altersrente bei einem Rentenbeginn am 1. April 2014 monatlich 813,49 EUR.
Bereits am 22. Juli 2014 hatte die Antragstellerin vom SG im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und die Weiterzahlung der SGB II-Leistungen begehrt. Die Leistungseinstellung für März 2014 sei rechtswidrig. Der Antragsgegner habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da die vorzeitige Altersrente nicht zur Existenzsicherung ausreiche.
Der Antragsgegner hat sein Vorgehen verteidigt und auf seine bisherige Begründung verwiesen.
Mit Beschluss vom 14. August 2014 hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt und einen Härtefall sowie einen Ermessensfehler im Ergebnis abgelehnt. Auch der Antrag auf Verpflichtung zur Weiterzahlung der Leistungen nach dem SGB II sei abzulehnen.
Die Antragstellerin hat gegen den am 16. August 2014 zugestellten Beschluss am 4. September 2014 Beschwerde beim SG eingelegt und ergänzend ausgeführt: Es sei nicht festgestellt worden, wie sich die finanzielle Situation der Bedarfsgemeinschaft zukünftig entwickeln werde. Es sei Aufgabe des Gerichts, eine eventuelle Hilfebedürftigkeit des Ehemannes näher aufzuklären. Der Ausschluss vom Arbeitsleben stelle zudem einen Verstoß gegen Grundrecht auf Selbstbestimmungsrecht dar. Eine geplante Zwangsverrentung sei verfassungswidrig. Die Rentenauskunft sei zudem nicht verwertbar, da sie nur Prognosen mitteilen könne. Allein die Unsicherheit, keine vollständige Berechnung der finanziellen Konsequenzen einer verminderten Altersrente für die Bedarfsgemeinschaft zu erhalten, begründe eine Unbilligkeit.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
den Beschluss des SG Dessau-Roßlau vom 14. August 2014 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 4. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiter Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
Entscheidungsgründe:
II.
Die zulässigen Anträge sind unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wobei eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann in Betracht kommt, wenn die in Streit stehenden Bescheide des Antragsgegners offensichtlich rechtswidrig sind oder aber hinsichtlich deren Rechtmäßigkeit zumindest ernsthafte Zweifel bestehen bzw. eine Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen des Antragsgegners eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Antragsteller darstellt.
1. Der Klage der Antragstellerin (S 7 AS 2131/14) gegen die Bescheide vom 4. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2014, mit dem die Antragstellerin sich gegen die Verpflichtung zur Stellung eines vorzeitigen Rentenantrages wendet, hat gem. § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegen nicht vor, denn es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide.
Die vorgebrachten Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse), mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse höher als das Vollzugsinteresse einzuschätzen ist. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines Bescheides gemäß § 39 SGB II für den Regelfall von einem vorrangigen Vollzugsinteresse ausgegangen ist. Nur ausnahmsweise kann die aufschiebende Wirkung angeordnet werden, wenn ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung des Vollzuges besteht (vgl. BSG, Beschluss vom 29. August 2011, B 6 KA 18/11 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2013, L 14 AS 291/13 B ER, jeweils juris; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn 12c).
Diese erforderliche Abwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus, da die angefochtenen Bescheide keinen durchgreifenden Bedenken begegnen.
Rechtsgrundlage für die hier streitige Aufforderung des Antragsgegners an den Antragsteller, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können die Leistungsträger einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen solchen Antrag trotz Aufforderung nicht selbst stellt. Auch die Aufforderung zur Stellung des Rentenantrags steht im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2013, a.a.O.). § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt dabei eine Pflicht des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen - hier der Rente - voraus. Diese bereits zuvor in §§ 5, 7 und 9 SGB II vorausgesetzte Pflicht, vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen, wird durch § 12a SGB II nochmals konkretisiert (vgl. BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 12a). § 12a SGB II ist dabei in Zusammenhang mit § 65 Abs. 4 SGB II zu prüfen. Dies bedeutet, dass gemäß § 65 Abs. 4 SGB II alle Leistungsberechtigten, die nach dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben, nicht mehr in den Genuss der sog. 58er-Regelung kommen können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Gemäß § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gilt dies aber nicht für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente. Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine "Unbilligkeit" gemäß § 13 Abs. 2 SGB II in Zusammenhang mit der ab dem 1. Januar 2008 erlassenen UnbilligkeitsV darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption stellt die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente den Grundsatz und die fehlende Pflicht bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres bzw. bei Unbilligkeit die Ausnahme dar (vgl. zu letzterem BT-Drs. 16/7460 S. 12 zu § 13; LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.).
Die Antragstellerin hat – wie der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid zutreffend ausführte – erst am 29. März 2009 das 58. Lebensjahr und am 29. März 2014 das 63. Lebensjahr vollendet. Nach den unbestrittenen Darlegungen des Antragsgegners ist die Eingliederung in den Arbeitsmarkt gescheitert. Es liegt auch erkennbar kein Fall von §§ 2 - 5 UnbilligkeitsV vor. Das gilt auch für § 3 UnbilligkeitsV, nach dem die Inanspruchnahme einer Rente dann unbillig ist, wenn der Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung Seite 8 unter http://www.bmas.de). Die Antragstellerin wird die Regelaltersrente erst ab dem 28. August 2016 beziehen können.
Insbesondere hat der Antragsgegner das ihm zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Nach der Begründung der Bescheide vom 4. Juli 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2014 war ihm die Notwendigkeit der Ermessensausübung bekannt. Zudem hat er alle relevanten Gesichtspunkte in die Ermessensabwägungen einbezogen. So hat der Antragsgegner in nachvollziehbarer Weise begründet, warum im vorliegenden Fall durch die vorzeitige geminderte Altersrente für die Antragstellerin keine unzumutbare Härte entsteht.
Der Senat kann offen lassen, ob neben den in der Unbilligkeitsverordnung ausdrücklich geregelten Fällen auch weitere Fallgruppen, in denen die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglicherweise eine besondere Härte für den Betroffenen darstellt, im Rahmen des § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen sein können (so Geiger in: Münder, LPK-SGB II, 5. Auflage § 12 a Rn. 6; SG Dresden, Beschluss vom 21. Februar 2014, S 28 AS 567/14 ER) oder nicht (so wohl Knickrehm in: Eicher, SGB II, 3. Auflage § 12a Rdn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2013, L 19 AS 291/13 B ER). Jedenfalls liegen weder nach der UnbilligkeitsV noch nach möglichen atypischen Umständen außerhalb des Anwendungsbereichs der UnbilligkeitsV Gründe vor, die eine besondere Härte hätten rechtfertigen können.
Nach dem im Hauptsacheverfahren S 7 AS 2131/14 vom zuständigen Rentenversicherungsträger ermittelten Vergleich zwischen der vorzeitigen geminderten Altersrente zum 1. April 2014 in Höhe von 813,49 EUR sowie der Regelaltersrente am 28. August 2016 (892,03 EUR) ergibt sich nur ein geringer Unterschied von 78,54 EUR. Die vom Antragsgegner ausgewertete Rentenauskunft vom 3. April 2014 enthielt dabei keine konkrete Berechnung des Rentenversicherungsträgers, welchen Anspruch die Antragstellerin im Fall einer geminderten Altersrente gehabt hätte. Vielmehr hat der Antragsgegner offenbar handschriftlich selbst eine derartige Berechnung vorgenommen und einen Abschlag von 9 % der Regelaltersrente (811,75 EUR) errechnet. Diese Eigenberechnung liegt inhaltlich genau in dem Rahmen, den der Rentenversicherungsträger in seiner Auskunft vom 2. September 2014 tatsächlich ermittelt hat. Ein Ermessensfehler des Antragsgegners ist darin nicht zu erkennen.
Die verminderte vorzeitige Altersrente in Höhe von 813,49 EUR überschreitet den vom Antragsgegner zutreffend ermittelten tatsächlichen SGB II - Bedarf in Höhe von 437,74 EUR (Regelbedarf: 345,40 EUR; Hälftige Kosten der Unterkunft: 92,34 EUR) deutlich. Dies gilt selbst dann, wenn hiervon die Sozialversicherungsbeiträge noch abgezogen werden würden. Erhebliche finanzielle Nachteile sind im Fall der Antragstellerin daher nicht zu erwarten. Der Antragsgegner hat zudem auch die möglichen finanziellen Folgen für den Ehemann der Antragstellerin, die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, mit in die Ermessensscheidung einbezogen (vgl. Begründung im Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2014). Rechtsnachteile für den Ehemann sind weder zu erwarten noch von der Antragstellerin glaubhaft gemacht. Die von der Antragstellerin geäußerte Vermutung, zukünftig möglicherweise von der Sozialhilfe abhängig werden zu können, die nicht mit Tatsachen untermauert ist, genügt hierfür nicht.
Auch die von der Antragstellerin vertretene Rechtsauffassung zur Verfassungswidrigkeit des § 12a SGB II hält der Senat für nicht überzeugend. So hat sich das BSG in seinem Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 105/11 R, juris, eingehend mit § 12a SGB II auseinandergesetzt und keine Hinweise für eine Verfassungswidrigkeit gefunden. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser zutreffenden Bewertung des BSG abzuweichen.
2. Für einen einstweiligen Leistungsausspruch des Senats auf Bewilligung von SGB II-Leistungen besteht kein Grund. Auf gerichtliche Nachfrage vom 11. September 2014 hat die Antragstellerin nicht klargestellt, ob es entgegen dem Bescheid vom 4. Juli 2014 bereits zu einer Leistungseinstellung der SGB II-Leistungen durch den Antragsgegner gekommen ist. Darauf bezogene Bescheide sind dem Senat auch nicht bekannt. Eine akute finanzielle Notlage durch einen gegenwärtigen Wegfall der SGB II-Leistungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
I.
Die Beschwerdeführerin und Antragstellerin (im Folgenden: Antragstellerin) erstrebt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage sowie die Verpflichtung des Beschwerdegegners und Antragsgegners (im Folgenden: Antragsgegner), die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) weiter zu gewähren.
Die am ... 1951 geborene Antragstellerin bezieht mit ihrem Ehemann laufende Leistungen nach SGB II. Nach einem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 21. Januar 2014 gewährte der Antragsgegner einen monatlichen Gesamtbetrag in Höhe von 863,67 EUR (Antragstellerin: 353,00 EUR Regelbedarf; 78,83 EUR Kosten der Unterkunft [KdU]; Ehemann: 353,00 EUR Regelbedarf; 78,84 KdU). Mit Schreiben vom 20. Februar 2014 wies der Antragsgegner die Antragstellerin darauf hin, dass sie verpflichtet sei, einen Antrag beim Rentenversicherungsträger zu stellen, wenn sie eine geminderte Altersrente beziehen könne und das 63. Lebensjahr vollendet habe. Hierzu habe sie eine aussagekräftige Bescheinigung des Rentenversicherungsträgers dem Antragsgegner vorzulegen. Dieser Aufforderung kam die Antragstellerin nach und legte eine Rentenauskunft der D. R. B. vom 3. April 2014 vor. Hiernach betrage ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung 876,37 EUR, wenn von einem Leistungsfall am 3. April 2014 ausgegangen werden würde. Die Regelaltersrente würde nach Erreichen der Regelaltersrente 872,29 EUR ausmachen, wenn der bis zum 30. Juni 2014 maßgebende Rentenwert zugrunde gelegt werden würde. Die Regelaltersrente werde am 28. August 2016 erreicht und führe – ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen – voraussichtlich zu einer Rente von 892,03 EUR. Bei einem Anpassungssatz von einem Prozent wäre dagegen eine Regelaltersrente von ca. 910 EUR zu erwarten.
Nach einem Beratungsvermerk der Bundesagentur für Arbeit vom 13. Februar 2014 bestehen bei der Antragstellerin gesundheitliche Einschränkungen. Wegen des Alters sowie einer Langzeitarbeitslosigkeit sei die Integration erschwert. Am selben Tag schloss die Antragstellerin eine Eingliederungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich der Antragsgegner bis zum 12. August 2014 u.a. Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten sowie Kosten für Bewerbungsaktivitäten zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 11. April 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin auf, die Altersrente bei der D. R. zu beantragen. Der Anspruch auf geminderte Altersrente könne den Anspruch nach dem SGB II verringern oder ganz ausschließen. Hierbei handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Die gesundheitlichen Einschränkungen und die bisher erfolglosen Bemühungen um eine Beschäftigungsaufnahme sprächen für die Inanspruchnahme der geminderten Altersrente. Dagegen erhob die Antragstellerin am 28. April 2014 Widerspruch und machte geltend: Das Ermessen sei nicht hinreichend ausgeübt worden. Die behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen bei ihr lägen nicht vor und beruhten auf einem Irrtum. Auch die Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann sei im Rahmen der Entscheidung nicht zutreffend gewürdigt worden. Es sei prognostisch nicht absehbar, ob eine frühere Altersrente zu einer Sozialhilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft führen werde. Die Inanspruchnahme einer Rente zum jetzigen Zeitpunkt führe zu einer unbilligen Härte.
Dagegen hatte die Antragstellerin ein einstweiliges Rechtschutzverfahren beim Sozialgericht Dessau-Roßlau eingeleitet. In einem Verwaltungsvermerk des Antragsgegner vom 30. April 2014 wurde ausgeführt: Der Bescheid vom 11. April 2014 sei ganz aufzuheben, da die Ermessenserwägungen fehlerhaft seien. Dem angegriffenen Bescheid fehle die individuelle Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Antragstellerin. Überdies bestehe eine noch gültige Eingliederungsvereinbarung, was für eine Vermittlungsaussicht spreche. Mit Abhilfebescheid vom 12. Mai 2014 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 11. April 2014 auf.
Am 15. April 2014 beantragte die Antragstellerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 14. Mai 2014 bewilligte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin monatlich 890,68 EUR (Regelbedarf: Ehemann: 353,00 EUR; Antragstellerin: 353,00 EUR; Kosten der Unterkunft (KdU): Ehemann: 92,34 EUR; Antragstellerin: 92,34 EUR) und änderte diesen Bescheid unter dem 4. Juli 2014 auf monatlich 875,48 EUR ab (Bewilligungszeitraum vom 1. August bis 30. November 2014).
Mit Schreiben vom 16. April 2014 kündigte der Antragsgegner die Eingliederungsvereinbarung vom 13. Februar 2014 und führte zur Begründung aus: Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen sowie des bisherigen Verlaufs der Vermittlung sei aktuell nicht mit einer Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zu rechnen.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2014 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut auf, einen Antrag auf geminderte Altersrente spätestens bis zum 21. Juli 2014 beim Rentenversicherungsträger zu stellen: Bei dem Verlangen handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Die Antragstellerin sei seit dem 27. Juli 2009 arbeitslos gemeldet und beziehe SGB II-Leistungen. Die Vermittlung von geeigneten Arbeitsstellen sei nicht gelungen. In absehbarer Zeit sei nicht damit zu rechnen, dass die Antragstellerin eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen könne. Zwar habe sie weiterhin Interesse an einer Beschäftigung. In Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiege jedoch das Interesse an einer Inanspruchnahme der geminderten Altersrente. Die geminderte Altersrente liege höher als der aktuelle SGB II-Anspruch. In einem weiteren Schreiben vom selben Tag machte der Antragsgegner bei der D. R. B. einen Erstattungsanspruch geltend. Er wies darauf hin, dass das Schreiben zugleich als Antragstellung nach § 5 Abs. 3 SGB II gelte.
Am 10. Juli legte der Ehemann der Antragstellerin einen Arbeitsvertrag der Gartenfreunde D. e. V. vor, der eine Mehraufwandsentschädigung von 1,00 EUR für die Beschäftigungsstunde bei einer wöchentlichen Beschäftigungszeit von maximal 30 Stunden wöchentlich vorsah.
Gegen den Bescheid vom 4. Juli 2014 erhob die Antragstellerin am 22. Juli 2014 Widerspruch und machte geltend: Das Ermessen sei nicht in hinreichender Weise ausgeübt worden. Für die Zukunft sei unklar, wie sich die finanzielle Situation der Bedarfsgemeinschaft im Falle des Bezuges einer geminderten Altersrente bei ihr entwickeln werde. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte in seiner Begründung aus: Der Sonderfall des § 65 Abs. 4 SGB II sei bei der Antragstellerin nicht gegeben, da sie erst am 29. März 2009 das 58. Lebensjahr vollendet habe. Die in der sog. Unbilligkeitsverordnung (Unbilligkeits-V) vom 14. April 2008 geregelten Ausnahmen seien bei der Antragstellerin nicht gegeben, so dass keine unbillige Härte vorliege. Die Antragstellerin könne ihren Individualbedarf von 437,74 EUR mit der geminderten Altersrente decken. Nach der vorliegenden Rentenauskunft vom 3. April 2014 könne die Antragstellerin ihre Hilfebedürftigkeit beseitigen und die der Bedarfsgemeinschaft zumindest verringern. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt sei für die seit dem 27. Juli 2009 arbeitslose Antragstellerin gescheitert. Die Eingliederungsvereinbarung habe durch die erfolgte Kündigung ihre Wirksamkeit verloren. Die Klägerin sei nach § 12a SGB II verpflichtet, einen Rentenantrag zu stellen.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 20. August 2014 Klage beim SG Dessau-Roßlau erhoben (S 7 AS 2131/14). Nach einer von der Antragstellerin in diesem Verfahren vorgelegten Auskunft des Rentenversicherungsträgers beträgt die Altersrente bei einem Rentenbeginn am 1. April 2014 monatlich 813,49 EUR.
Bereits am 22. Juli 2014 hatte die Antragstellerin vom SG im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und die Weiterzahlung der SGB II-Leistungen begehrt. Die Leistungseinstellung für März 2014 sei rechtswidrig. Der Antragsgegner habe sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da die vorzeitige Altersrente nicht zur Existenzsicherung ausreiche.
Der Antragsgegner hat sein Vorgehen verteidigt und auf seine bisherige Begründung verwiesen.
Mit Beschluss vom 14. August 2014 hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt und einen Härtefall sowie einen Ermessensfehler im Ergebnis abgelehnt. Auch der Antrag auf Verpflichtung zur Weiterzahlung der Leistungen nach dem SGB II sei abzulehnen.
Die Antragstellerin hat gegen den am 16. August 2014 zugestellten Beschluss am 4. September 2014 Beschwerde beim SG eingelegt und ergänzend ausgeführt: Es sei nicht festgestellt worden, wie sich die finanzielle Situation der Bedarfsgemeinschaft zukünftig entwickeln werde. Es sei Aufgabe des Gerichts, eine eventuelle Hilfebedürftigkeit des Ehemannes näher aufzuklären. Der Ausschluss vom Arbeitsleben stelle zudem einen Verstoß gegen Grundrecht auf Selbstbestimmungsrecht dar. Eine geplante Zwangsverrentung sei verfassungswidrig. Die Rentenauskunft sei zudem nicht verwertbar, da sie nur Prognosen mitteilen könne. Allein die Unsicherheit, keine vollständige Berechnung der finanziellen Konsequenzen einer verminderten Altersrente für die Bedarfsgemeinschaft zu erhalten, begründe eine Unbilligkeit.
Die Antragstellerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
den Beschluss des SG Dessau-Roßlau vom 14. August 2014 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Bescheide vom 4. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli anzuordnen und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiter Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen.
Entscheidungsgründe:
II.
Die zulässigen Anträge sind unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage ganz oder teilweise anordnen, wobei eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur dann in Betracht kommt, wenn die in Streit stehenden Bescheide des Antragsgegners offensichtlich rechtswidrig sind oder aber hinsichtlich deren Rechtmäßigkeit zumindest ernsthafte Zweifel bestehen bzw. eine Vollziehung der angefochtenen Entscheidungen des Antragsgegners eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte für den Antragsteller darstellt.
1. Der Klage der Antragstellerin (S 7 AS 2131/14) gegen die Bescheide vom 4. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2014, mit dem die Antragstellerin sich gegen die Verpflichtung zur Stellung eines vorzeitigen Rentenantrages wendet, hat gem. § 39 Nr. 3 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung liegen nicht vor, denn es bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der genannten Bescheide.
Die vorgebrachten Gründe rechtfertigen keine andere Entscheidung. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides (zunächst) zu unterbinden (Aussetzungsinteresse), mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist anzuordnen, wenn das Aussetzungsinteresse höher als das Vollzugsinteresse einzuschätzen ist. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eines Bescheides gemäß § 39 SGB II für den Regelfall von einem vorrangigen Vollzugsinteresse ausgegangen ist. Nur ausnahmsweise kann die aufschiebende Wirkung angeordnet werden, wenn ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung des Vollzuges besteht (vgl. BSG, Beschluss vom 29. August 2011, B 6 KA 18/11 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2013, L 14 AS 291/13 B ER, jeweils juris; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn 12c).
Diese erforderliche Abwägung geht zu Lasten der Antragstellerin aus, da die angefochtenen Bescheide keinen durchgreifenden Bedenken begegnen.
Rechtsgrundlage für die hier streitige Aufforderung des Antragsgegners an den Antragsteller, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II. Danach können die Leistungsträger einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen solchen Antrag trotz Aufforderung nicht selbst stellt. Auch die Aufforderung zur Stellung des Rentenantrags steht im Ermessen des Leistungsträgers (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2013, a.a.O.). § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II setzt dabei eine Pflicht des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen - hier der Rente - voraus. Diese bereits zuvor in §§ 5, 7 und 9 SGB II vorausgesetzte Pflicht, vorrangige Leistungen in Anspruch zu nehmen, wird durch § 12a SGB II nochmals konkretisiert (vgl. BT-Drs 16/7460 S 12 zu § 12a). § 12a SGB II ist dabei in Zusammenhang mit § 65 Abs. 4 SGB II zu prüfen. Dies bedeutet, dass gemäß § 65 Abs. 4 SGB II alle Leistungsberechtigten, die nach dem 1. Januar 2008 das 58. Lebensjahr vollendet haben, nicht mehr in den Genuss der sog. 58er-Regelung kommen können (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Gemäß § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres gilt dies aber nicht für eine vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente. Nach Vollendung des 63. Lebensjahres muss eine Rente ausnahmsweise dann nicht vorzeitig in Anspruch genommen werden, wenn dies eine "Unbilligkeit" gemäß § 13 Abs. 2 SGB II in Zusammenhang mit der ab dem 1. Januar 2008 erlassenen UnbilligkeitsV darstellt. Nach der gesetzlichen Konzeption stellt die Verpflichtung zur Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente den Grundsatz und die fehlende Pflicht bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres bzw. bei Unbilligkeit die Ausnahme dar (vgl. zu letzterem BT-Drs. 16/7460 S. 12 zu § 13; LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.).
Die Antragstellerin hat – wie der Antragsgegner im Widerspruchsbescheid zutreffend ausführte – erst am 29. März 2009 das 58. Lebensjahr und am 29. März 2014 das 63. Lebensjahr vollendet. Nach den unbestrittenen Darlegungen des Antragsgegners ist die Eingliederung in den Arbeitsmarkt gescheitert. Es liegt auch erkennbar kein Fall von §§ 2 - 5 UnbilligkeitsV vor. Das gilt auch für § 3 UnbilligkeitsV, nach dem die Inanspruchnahme einer Rente dann unbillig ist, wenn der Hilfebedürftige in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann. Ausweislich der Verordnungsbegründung ist ein Zeitraum von längstens drei Monaten gemeint (vgl. Referentenentwurf zur Unbilligkeitsverordnung Seite 8 unter http://www.bmas.de). Die Antragstellerin wird die Regelaltersrente erst ab dem 28. August 2016 beziehen können.
Insbesondere hat der Antragsgegner das ihm zustehende Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Nach der Begründung der Bescheide vom 4. Juli 2014 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2014 war ihm die Notwendigkeit der Ermessensausübung bekannt. Zudem hat er alle relevanten Gesichtspunkte in die Ermessensabwägungen einbezogen. So hat der Antragsgegner in nachvollziehbarer Weise begründet, warum im vorliegenden Fall durch die vorzeitige geminderte Altersrente für die Antragstellerin keine unzumutbare Härte entsteht.
Der Senat kann offen lassen, ob neben den in der Unbilligkeitsverordnung ausdrücklich geregelten Fällen auch weitere Fallgruppen, in denen die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglicherweise eine besondere Härte für den Betroffenen darstellt, im Rahmen des § 12a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen sein können (so Geiger in: Münder, LPK-SGB II, 5. Auflage § 12 a Rn. 6; SG Dresden, Beschluss vom 21. Februar 2014, S 28 AS 567/14 ER) oder nicht (so wohl Knickrehm in: Eicher, SGB II, 3. Auflage § 12a Rdn. 4; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Mai 2013, L 19 AS 291/13 B ER). Jedenfalls liegen weder nach der UnbilligkeitsV noch nach möglichen atypischen Umständen außerhalb des Anwendungsbereichs der UnbilligkeitsV Gründe vor, die eine besondere Härte hätten rechtfertigen können.
Nach dem im Hauptsacheverfahren S 7 AS 2131/14 vom zuständigen Rentenversicherungsträger ermittelten Vergleich zwischen der vorzeitigen geminderten Altersrente zum 1. April 2014 in Höhe von 813,49 EUR sowie der Regelaltersrente am 28. August 2016 (892,03 EUR) ergibt sich nur ein geringer Unterschied von 78,54 EUR. Die vom Antragsgegner ausgewertete Rentenauskunft vom 3. April 2014 enthielt dabei keine konkrete Berechnung des Rentenversicherungsträgers, welchen Anspruch die Antragstellerin im Fall einer geminderten Altersrente gehabt hätte. Vielmehr hat der Antragsgegner offenbar handschriftlich selbst eine derartige Berechnung vorgenommen und einen Abschlag von 9 % der Regelaltersrente (811,75 EUR) errechnet. Diese Eigenberechnung liegt inhaltlich genau in dem Rahmen, den der Rentenversicherungsträger in seiner Auskunft vom 2. September 2014 tatsächlich ermittelt hat. Ein Ermessensfehler des Antragsgegners ist darin nicht zu erkennen.
Die verminderte vorzeitige Altersrente in Höhe von 813,49 EUR überschreitet den vom Antragsgegner zutreffend ermittelten tatsächlichen SGB II - Bedarf in Höhe von 437,74 EUR (Regelbedarf: 345,40 EUR; Hälftige Kosten der Unterkunft: 92,34 EUR) deutlich. Dies gilt selbst dann, wenn hiervon die Sozialversicherungsbeiträge noch abgezogen werden würden. Erhebliche finanzielle Nachteile sind im Fall der Antragstellerin daher nicht zu erwarten. Der Antragsgegner hat zudem auch die möglichen finanziellen Folgen für den Ehemann der Antragstellerin, die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, mit in die Ermessensscheidung einbezogen (vgl. Begründung im Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2014). Rechtsnachteile für den Ehemann sind weder zu erwarten noch von der Antragstellerin glaubhaft gemacht. Die von der Antragstellerin geäußerte Vermutung, zukünftig möglicherweise von der Sozialhilfe abhängig werden zu können, die nicht mit Tatsachen untermauert ist, genügt hierfür nicht.
Auch die von der Antragstellerin vertretene Rechtsauffassung zur Verfassungswidrigkeit des § 12a SGB II hält der Senat für nicht überzeugend. So hat sich das BSG in seinem Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 105/11 R, juris, eingehend mit § 12a SGB II auseinandergesetzt und keine Hinweise für eine Verfassungswidrigkeit gefunden. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser zutreffenden Bewertung des BSG abzuweichen.
2. Für einen einstweiligen Leistungsausspruch des Senats auf Bewilligung von SGB II-Leistungen besteht kein Grund. Auf gerichtliche Nachfrage vom 11. September 2014 hat die Antragstellerin nicht klargestellt, ob es entgegen dem Bescheid vom 4. Juli 2014 bereits zu einer Leistungseinstellung der SGB II-Leistungen durch den Antragsgegner gekommen ist. Darauf bezogene Bescheide sind dem Senat auch nicht bekannt. Eine akute finanzielle Notlage durch einen gegenwärtigen Wegfall der SGB II-Leistungen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
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