L 6 AS 722/14 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 33 AS 685/14 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 722/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es ist regelmäßig unzulässig, die Kenntnisnahme von ermessenslenkenden Richtlinien und sonstigen innerdienstlichen Weisungen, die für die Durchsetzung eines Leistungsanspruchs (hier von Ansprüche auf Erstausstattung bei Schwangerschaft bzw. Geburt) von Bedeutung ist und in diesem Rahmen verlangt wird, eigenständig in einem gerichtlichen (Eil-)Verfahren durchzusetzen.
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. September 2014 wird – mit der Maßgabe, dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz von Anfang an unzulässig war – zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erstrebt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Möglichkeit, zur besseren Durchsetzung entsprechender Ansprüche von den internen Richtlinien und Weisungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der Leistungen für Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt nach § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) – Grundsicherung für Arbeitsuchende – zu gewähren sind, Kenntnis nehmen zu können.

Auf entsprechenden Antrag (Bl. 4 und 22 der Leistungsakte – im Folgenden: LA –) gewährte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, die bei ihr im laufenden Bezug von Arbeitslosengeld II stand und steht (vgl. den Bescheid vom 26. März 2014, LA Bl. 5), mit Bescheid vom 23. April 2014 (LA Bl. 23) eine Pauschale in Höhe von 215 EUR für die Erstausstattung bei Schwangerschaft. Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 28. April 2014 (LA Bl. 29) Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass nicht ersichtlich sei, wie die Antragsgegnerin die bewilligte Pauschale bemessen habe. Diese teilte daraufhin in einem Schreiben vom 29. April 2014 mit, der Bemessung liege ein beispielhafter und nicht abschließender Warenkorb zu Grunde; wegen der Einzelheiten wird auf LA Bl. 30 Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragte zudem eine Erstausstattung bei Geburt gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Alt. 3 SGB II. Auf Anfrage der Antragsgegnerin, welche Gegenstände im Einzelnen benötigt würden, erwiderte sie im bereits erwähnten Schreiben vom 28. April 2014, dies sei wegen der Gewährung der Leistung in Form einer Pauschale entbehrlich. Dazu teilte die Antragsgegnerin in einem Schreiben vom 4. Juni 2014 – in der von der Antragsgegnerin übersandten Akte nicht enthalten, aber von der Antragstellerin im Rahmen der Antragsbegründung erwähnt – mit, dass es nach ihren internen Weisungen nur eine Pauschale in Höhe von 120 EUR für die Erstausstattung im engeren Sinne gebe, die allein die Bekleidung sowie eine Pauschale von 25 EUR für Schnuller, Flasche und Kamm umfasse. Ansonsten sei es zumutbar, dass sich eine Schwangere über den weitergehenden Bedarf informiere und ihn gegenüber dem Amt konkretisiere. Die Antragstellerin übersandte daraufhin am 20. Juni 2014 eine Aufstellung der nach ihrer Ansicht für eine Geburtserstausstattung erforderlichen Gegenstände (LA Bl. 36). Die Antragsgegnerin bewilligte ihr danach mit Bescheid vom 11. Juli 2014 einen Betrag von 602 EUR; wegen der Einzelheiten der dabei berücksichtigten Gegenstände und der hierfür angesetzten Beträge wird auf LA Bl. 41 Bezug genommen. Hiergegen legte die Antragstellerin am 15. Juli 2014 Widerspruch ein (LA Bl. 43), weil im angefochtenen Bescheid nicht begründet sei, aus welchen Gründen für die sonstigen von ihr als notwendig betrachteten, vom Antragsgegner aber nicht berücksichtigten Gegenstände aus ihrem Antrag vom 20. Juni 2014 keine Leistungen erbracht würden. Die Antragsgegnerin erläuterte daraufhin mit einem Schreiben vom 29. Juli 2014 (LA Bl. 44) ihren Bescheid.

Im Rahmen dieser Auseinandersetzungen beantragte die Antragstellerin (mehrfach), dass ihr die maßgeblichen internen Richtlinien der Antragsgegnerin wegen der Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt bekanntgegeben werden. Die Antragsgegnerin lehnte dies, offenbar ebenfalls wiederholt und zuletzt mit Schreiben vom 21. August 2014 (Gerichtsakte Bl. 5), ab.

Die Antragstellerin hat daraufhin am 28. August 2014 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, um auf diese Weise den Anspruch auf Kenntnisnahme von den internen Richtlinien durchzusetzen.

Unterdessen hat die Antragsgegnerin die Widersprüche gegen die Bescheide vom 23. April 2014 und 11. Juli 2014 durch einheitlichen Widerspruchsbescheid vom 3. September 2014 zurückgewiesen; auf LA Bl. 48 wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen. Die Antragstellerin hat daraufhin Klage zum SG erhoben, die dort unter dem Aktenzeichen S 33 AS 718/14 anhängig ist.

Zwischenzeitlich hat die Antragstellerin einen Sohn zur Welt gebracht.

Zur Begründung ihres Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz hat sie unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Hinweis auf das Urteil vom 5. Juni 1984 – 5 C 73.82) zur Bekanntgabe relevanter Verwaltungsvorschriften geltend gemacht, es sei ihr nicht zumutbar, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache zuzuwarten, weil sie gerade jetzt die Schwangerschaft- und Geburtserstausstattung brauche.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten, weil es sowohl an einem Anordnungsanspruch wie an einem Anordnungsgrund fehle. Um einen Bedarf geltend zu machen, sei die Kenntnis der internen Richtlinien des kommunalen Jobcenters der Antragsgegnerin nicht erforderlich.

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss vom 17. September 2014 (GA Bl. 18) abgelehnt. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Antragstellerin habe weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass nach der Gewährung von Leistungen in Höhe von 215,00 EUR und 602,00 EUR noch ein ungedeckter Bedarf der Antragstellerin bestehe. Vielmehr begehre die Antragstellerin isoliert die Herausgabe der Richtlinien. Vor diesem Hintergrund bestünden zum einen Zweifel am Vorliegen eines "berechtigten Interesses" (Hinweis auf BVerwG, Urtl. v. 5. Juni 1984 – 5 C 73/82 –, BVerwGE 69, 278-282) der Antragstellerin und damit am Vorliegen eines Anordnungsanspruchs. Zum anderen habe die Antragstellerin eine besondere Eilbedürftigkeit, welche ihr ein Abwarten in der Hauptsache unzumutbar machen würde, nicht glaubhaft gemacht. Eine solche ergebe sich nicht allein aus der bevorstehenden Geburt und der voraussichtlichen Dauer eines Hauptsacheverfahrens, wenn ein ungedeckter Bedarf nicht ersichtlich sei.

Nach Zustellung des Beschlusses an ihren Prozessbevollmächtigten am 20. September 2014 hat die Antragstellerin zunächst Gegenvorstellung erhoben und, nachdem diese erfolglos geblieben war (Beschluss des SG vom 7. Oktober 2014 im Verfahren S 33 AS 782/14 ER), mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 16. Oktober 2014, eingegangen am Folgetag, Beschwerde erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.

Sie beantragt sinngemäß,
den Beschluss des SG vom 17. September 2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Kenntnis von den von der Antragsgegnerin für die Entscheidung über die Schwangerschafts- und Geburtserstausstattung erlassenen internen Richtlinien zu geben.

Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie beruft sich auf die erstinstanzliche Entscheidung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zum hiesigen Antragsverfahren geführten Leistungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Allerdings war der Antrag bereits unzulässig. Zudem fehlt es, wie vom SG ausgeführt, an einem Anordnungsgrund.

I. Der Senat ist für die Entscheidung zuständig. Den Rechtsweg hat er dabei nach § 17a Abs. 5 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) nicht mehr zu prüfen. Davon abgesehen hat er auch inhaltlich keine Bedenken, dass der Sozialrechtsweg bei einer Streitigkeit um die Einsicht in interne Richtlinien eines Grundsicherungsträgers – entsprechend einem Streit um Akteneinsicht – jedenfalls dann eröffnet ist, wenn diese – wie hier – in unmittelbarem sachlichen Zusammenhang mit einem entsprechenden Leistungsverfahren steht. Der Streit um Kenntnisnahme von den Richtlinien ist dann (unselbständiger) Teil einer (öffentlich-rechtlichen) Streitigkeit in einer Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl. im Übrigen BSG, Urtl. v. 08.07.1980 – 9 RV 42/79 – SozR 3900 § 35 Nr. 1, das den Sozialrechtsweg sogar dann für eröffnet hält, wenn Streit um [die Art und Weise der] Akteneinsicht unabhängig von einem schwebenden Verfahren besteht). Vor diesem Hintergrund stellte sich die streitige Frage nach dem zulässigen Rechtsweg, wenn unabhängig von einem konkreten Verwaltungsverfahren Einsicht in Verwaltungsvorschriften auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) bzw. – da dieses im Verhältnis der Beteiligten nicht anwendbar ist, weil der Antragsgegner keine Behörde des Bundes ist (§ 1 Abs. 1 S. 1 IFG) – nach den hierzu von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsätzen über die Kenntnisgabe von Verwaltungsvorschriften verlangt wird, im hiesigen Verfahren nicht (zum Rechtsweg bei Streitigkeiten nach dem IFG vgl. Bay. LSG, Urtl. v. 30.09.2013 – L 1 SV 2/12; zu den allg. Grds. über die Bekanntgabe von Verwaltungsvorschriften vgl. die von Antragstellerseite angeführte Entscheidung des BVerwG, Urtl. v. 05.06.1984 – 5 C 73/82BVerwGE 69, 278 m.w.Nw.).

II. Gegenstand des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ist allein die Durchsetzung eines Anspruchs auf Einsichtnahme in die internen Richtlinien der Antragsgegnerin bezüglich der Leistungen für Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt, nicht dagegen ein Anspruch auf höhere Leistungen für diese Bedarfe selbst. Das Rechtsschutzziel der rechtskundig vertretenen Antragstellerin ist insoweit eindeutig formuliert.

Der zwischenzeitlich geborene Sohn der Antragstellerin ist nicht in das Verfahren eingetreten. Seine Geburt ist dem Gericht vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vielmehr nur mitgeteilt worden, ohne dies mit dem Antrag zu verbinden, diesen in das Verfahren einzubeziehen. Das ist auch unschädlich: Da hier nur die Möglichkeit der Kenntnisnahme von den Richtlinien bzw. Weisungen streitig ist, kann dahinstehen, ob der Anspruch auf die Erstausstattung bei Geburt selbst einen Individualanspruch des Kindes darstellt, daher auch nur in dessen Namen geltend gemacht werden könnte und der Sohn der Klägerin daher zu beteiligen wäre. Für den hier streitigen Anspruch auf Kenntnisnahme in die einschlägigen Verwaltungsvorschriften wird man ein eigenes berechtigtes Interesse der gesetzlichen Vertreterin durchaus annehmen können.

III. Die Beschwerde ist, da die Beteiligten nicht um eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung streiten, ohne Rücksicht auf den Wert der Beschwer statthaft (§§ 172 Abs. 3 Nr.3 i.V.m. 144 SGG).

Sie ist auch im Übrigen zulässig, namentlich unter Wahrung von Form und Frist wirksam eingelegt. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin war, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, Rechtslehrer an einer staatlichen Hochschule eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, nämlich der FH C-Stadt, mit Befähigung zum Richteramt. Auch spricht nach Auffassung des Senats manches dafür, dass die sich daraus ergebende Vertretungsbefugnis gemäß § 73 Abs. 2 S. 1 SGG nicht durch das Ausscheiden aus dem aktiven Dienst beendet ist (vgl. – allerdings für emeritierte Rechtslehrer und unter Verweis auf deren fortbestehende korporationsrechtliche Verbundenheit mit der Hochschule – BSG, Urtl. v. 09.02.2010 – B 3 P 1/10 C – SozR 4-1500 § 73 Nr. 6). Letztlich kann das offenbleiben: Auch wenn der Vertreter der Antragstellerin nicht (mehr) nach § 73 Abs. 2 SGG vertretungsbefugt sein sollte, blieben die bis zu seiner Zurückweisung durch das Gericht – die hier nicht erfolgt ist – vorgenommenen Prozesshandlungen wirksam (§ 73 Abs. 3 S. 2 SGG).

IV. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war bereits unzulässig. Im Übrigen liegt aber auch, wie vom SG ausgeführt, ein Anordnungsgrund nicht vor.

1. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war, da der Anspruch, Kenntnis von den einschlägigen Verwaltungsvorschriften nehmen zu können, in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Leistungsstreitverfahren um die Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt steht, bereits unzulässig. Der durch das Gesetz zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 19. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3836) eingefügte und seit 25. Oktober 2013 geltende § 56a SGG schließt Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen aus, sofern sie nicht zusammen mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Damit wird der entsprechende, auch bisher schon für das sozialgerichtliche Verfahren anerkannte Grundsatz (vgl. BSG, Urtl. v. 14.12.1988 – 9/4b RV 55/86 – SozR 1500 § 144 Nr. 39) in Übereinstimmung mit § 44a Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auch für das SGG ausdrücklich festgeschrieben.

Zu den Verfahrenshandlungen, die danach nicht selbständig angegriffen werden können, gehört auch die Verweigerung oder Beschränkung von Akteneinsicht (vgl. Rieker, Beschränkung von Rechtsbehelfen gegen behördliche Verfahrenshandlungen Neuregelung in § 56a SGG, NZS 2014, S. 290, 292 und – bereits für die Zeit vor Inkrafttreten von § 56a SGG – LSG Baden-Württemberg, Urtl. v. 09.08.2007 – L 7 AS 874/07 – sowie BSG, Urtl. v. 10.12.1992 – 11 RAr 71/91). Eine Ausnahme und damit eine selbständige gerichtliche Kontrolle der Entscheidung zur Akteneinsicht kommt nur dann in Betracht, wenn diese zur Wahrung der Grundrechte oder des rechtlichen Gehörs sofort erfolgen muss, weil andernfalls das Recht auf effektiven Rechtsschutz nicht gewahrt werden könnte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.1990 – 1 BvR 1028/90SozR 3-1300 § 25 Nr. 1 – und im Anschluss daran aus jüngerer Zeit z.B. BayVGH, Beschl. v. 19.12.2013 – 3 CE 13.1453).

Entsprechendes muss für die Einsichtnahme in ermessenslenkende Richtlinien oder sonstige Weisungen des Antragsgegners gelten, auch wenn fraglich sein mag, ob sie unmittelbar zu den das Verfahren betreffenden Akten im Sinne von § 25 SGB X (Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz –) gehören. Auch diesbezüglich gilt, dass eine eigenständige gerichtliche Geltendmachung ausgeschlossen ist, wenn die Einsichtnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit einem bestimmten Leistungsverfahren verlangt wird; in diesem Falle haben die Akteneinsicht und die verlangte Kenntnisnahme von den innerdienstlichen Weisungen die gleiche Funktion, nämlich dem Beteiligten Informationen zur Sach- und Rechtslage und über das diesbezügliche Verwaltungshandeln zu verschaffen und ihm so die Begründung seines Anspruchs bzw. in diesem Zusammenhang ergriffener Rechtsbehelfe zu ermöglichen (vgl. die Formulierung in § 25 Abs. 1 S. 1 SGB X, wonach die Akteneinsicht zu gestatten ist, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung der rechtlichen Interessen des Betroffenen notwendig ist). Dann greift aber auch hinsichtlich der Kenntnis von den innerdienstlichen Weisungen die ratio des § 56a SGG, der, so die Gesetzesbegründung (BR-Drs. 811/12 S. 64), eine Verzögerung der Sachentscheidung durch Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen verhindern und damit der Vereinfachung und Beschleunigung sozialgerichtlicher Verfahren dienen soll.

Ein Ausnahmefall, in dem zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes eine sofortige Einsichtnahme in die Weisungen zu ermöglichen und daher eine eigenständige gerichtliche Kontrolle notwendig wäre, ist hier nicht gegeben: Zwar kann es, wie unten näher ausgeführt ist, ein durchaus legitimes Interesse der Antragstellerin an der Kenntnis der innerdienstlichen Weisungen geben, um unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes ihren Anspruch auf Leistungen nach § 24 Abs. 3 S. 1 SGB II umfassend geltend machen zu können. Eine Situation, die es rechtfertigen könnte, zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes von der Anwendung des § 56a SGG abzusehen soweit man dies angesichts von dessen klaren Wortlaut und der Gesetzesbindung der Gerichte überhaupt für vertretbar hält –, könnte sich aber nur aus einem besonders dringlichen Bedarf der Antragstellerin (oder ihres Sohnes) ergeben. Ein solcher müsste sich allerdings – gerade wegen seiner Dringlichkeit und Unabweisbarkeit auch ohne Kenntnis der Weisungen darstellen lassen: Aus den gleichen Gründen, aus denen hier ein Anordnungsgrund nicht bejaht werden kann – auf die diesbezüglichen Ausführungen am Ende der Entscheidung kann daher verwiesen werden –, ist es daher auch nicht geboten, eine Ausnahme von § 56a SGG zuzulassen (wenn man dies überhaupt für möglich hält).

Vor diesem Hintergrund scheidet, da die Weigerung, die innerdienstlichen Weisungen zugänglich zu machen, unmittelbar mit dem Leistungsverfahren verbunden ist, ein eigenständiger Rechtsbehelf diesbezüglich aus; daher ist auch ein entsprechender Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgeschlossen (vgl. Rieker, Beschränkung von Rechtsbehelfen gegen behördliche Verfahrenshandlungen Neuregelung in § 56a SGG, NZS 2014, S. 290, 291).

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war daher von Anfang an unzulässig, so dass der Senat die Beschwerde wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen von Entscheidungen, die auf der Unzulässigkeit des Antrags beruhen, einerseits im Verhältnis zur Abweisung als unbegründet andererseits mit einer dies klarstellenden Maßgabe zurückzuweisen hat.

2. Nur ergänzend ist angesichts seiner Unzulässigkeit darauf hinzuweisen, dass der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg haben könnte.

Wegen des Maßstabs für den Erlass einer einstweiligen Anordnung kann insoweit auf die Entscheidung des SG Bezug genommen werden.

Der Senat teilt auch die Auffassung des SG, dass ein Anordnungsgrund nicht besteht. Zwar hält es der Senat – bezogen auf ein Hauptsacheverfahren – entgegen der Auffassung des Antragsgegners keineswegs für selbstverständlich, dass die Antragstellerin ihren Bedarf auch unabhängig von der Kenntnis der internen Weisungen müsse geltend machen können. Vielmehr ist es zumindest gut denkbar, dass sie unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten ein durchaus berechtigtes Interesse daran haben kann, einen Bedarf geltend zu machen, den sie (erst) nach Einsichtnahme in die Richtlinien des Antragsgegners als in diesem Zusammenhang durchsetzbar erkennt; im Übrigen ist schon fraglich, ob, wenn das Einsichtsbegehren im Zusammenhang mit einem konkreten Leistungsbegehren steht, ein berechtigtes Interesse überhaupt einen eigenständigen Prüfungspunkt darstellt. Daher – darauf sei am Rande hingewiesen – spricht auch manches dafür, dass unter dem Gesichtspunkt eines fairen Verwaltungsverfahrens der Antragstellerin letztlich die verlangte Kenntnis zu verschaffen ist, noch dazu, da jedenfalls aus dem bisherigen Vorbringen des Antragsgegners inhaltliche Gründe, die gegen eine Bekanntgabe der Weisungen sprechen, nicht ersichtlich sind.

Dennoch und trotz der evidenten Zeitgebundenheit der Leistungen für Erstausstattung bei Geburt und Schwangerschaft liegt ein Anordnungsgrund nicht vor. Dieser setzt voraus, dass eine Rechtsdurchsetzung erst in der Hauptsache unzumutbar ist und ein weiteres Zuwarten mit wesentlichen Nachteilen verbunden wäre. Ein solch dringlicher Nachteil müsste sich der Antragstellerin aber auch ohne Kenntnis der internen Weisungen mit einer Deutlichkeit aufdrängen, dass sie diesen formulieren (und ggf. als solchen durchsetzen) kann, auch wenn ihr unbekannt ist, welche Ausstattungsgegenstände sie (oder ihr Sohn) unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten möglicherweise zusätzlich verlangen können.

Hinzu kommt, dass mit einer dem Antrag der Antragstellerin entsprechenden einstweiligen Anordnung die Hauptsache vollständig vorweggenommen würde, da eine "vorläufige" Kenntnisnahme nicht möglich ist. Eine derartige Vorwegnahme der Hauptsache ist zwar keineswegs zwingend ausgeschlossen (und schon die Formulierung eines entsprechenden abstrakten Grundsatzes problematisch, vgl. kritisch hierzu Schoch, in: Schoch/Schneider/Bier VwGO § 123 Rn. 141 ff.); es müssten aber besonders gewichtige Interessen auf Seiten der Antragstellerin vorliegen, um eine entsprechende Anordnung zu rechtfertigen, da die Interessen des Antragsgegners in diesem Falle vollständig und endgültig zurücktreten müssten.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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