L 2 U 207/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 U 207/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 21.02.2001 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, in dem die Beklagte über eine Herabsetzung der Gefahrklassen hinsichtlich der Klägerin entschieden hat. Nachdem sich die Beteiligten über eine weitergehende Herabsetzung nach dem ab 1.1.1995 gültigen Gefahrtarif vergleichsweise geeinigt haben, streiten sie noch über eine Herabsetzung für die Zeit ab 1.1.1998.

Die Klägerin ist auf dem Gebiet der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung (zB in den Bereichen Maschinenbau und Elektrotechnik) tätig und wurde von der Beklagten nach dem ab 1.1.1995 gültigen und vom Bundesversicherungsamt genehmigten Gefahrtarif zu den Gefahrtarifstellen 23 (Arbeitnehmerüberlassung: kaufmännische Verwaltung; Büro; Gefahrklasse 1,60) und 24 (Arbeitnehmerüberlassung: soweit nicht in Gefahrtarifstelle 23 erfasst) veranlagt. Die Gefahrtarifstelle 24 entsprach für das Jahr 1995 der Gefahrklasse 12,80 und für das Jahr 1996 der Gefahrklasse 15,80. Das von der Klägerin außerdem betriebene Ingenieurbüro wurde der Gefahrtarifstelle 10 (Gefahrklasse 2,20) zugeordnet.

Der ab 1.1.1995 geltende Gefahrtarif der Beklagten enthielt unter Teil II 1 folgende Bestimmung: " ... Die im Teil I festgesetzten Gefahrklassen gelten für alle Unternehmen einer Gefahrengemeinschaft mit regelrechter Betriebsweise, guten Einrichtungen und allen üblichen durch die Unfallverhütungsvorschriften angeordneten Schutzvorkehrungen". In Teil II 2 war bestimmt: "Ergibt sich in Einzelfällen, dass wegen einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise die Unternehmen geringeren oder höheren Gefahren unterliegen als die, für die die Gefahrklasse im Teil I berechnet ist, so kann die Berufsgenossenschaft die Gefahrklasse um 10 bis 50 vH herabsetzen oder heraufsetzen. Eine Herabsetzung unter die Gefahrklasse 1 ist ausgeschlossen. Die Berufsgenossenschaft hebt die Herabsetzung oder Heraufsetzung der Gefahrklasse vor Ablauf der Tarifzeit auf, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht mehr zutreffen."

Der Präventionsstab der Beklagten äußerte sich im Oktober 1999 zur Frage der Herabsetzung der Gefahrklassen bei der Klägerin. Er führte ua aus: Die Klägerin habe die von der Beklagten initiierten "Maßnahmen der besonderen Arbeitsschutzorganisation" gemäß dem Kriterienkatalog für den Gefahrtarifzeitraum vom 1.1.1995 bis 31.12.1997 im Unternehmen erstmalig 1995 umgesetzt, wie von dem zuständigen Technischen Aufsichtsbeamten festgestellt worden sei. Die Maßnahmen des Leitfadens zur Integration des Arbeits- und Gesundheitsschutzes für Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in ein bestehendes Qualitätsmanagementsystem seien erstmalig im Dezember 1997 umgesetzt worden.

Mit Bescheid vom 10.11.1999 setzte die Beklagte die Gefahrklassen im Bereich Arbeitnehmerüberlassung, welche nicht der Gefahrtarifstelle 23 entsprachen, um 20 % ab 1.1.1995 bzw 40 % ab 1.1.1997 herab; eine weitergehende Herabsetzung wurde abgelehnt. Zur Begründung hieß es: Außergewöhnliche Betriebsverhältnisse, welche geringere Gefahren bedingten, seien nicht erkennbar und auch von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Die Herabsetzung ab 1.1.1995 beruhe darauf, dass die Klägerin die Maßnahmen der "besonderen Arbeitsschutzorganisation" gemäß dem "Kriterienkatalog" für den Gefahrtarifzeitraum vom 1.1.1995 bis 31.12.1997 erstmals 1995 umgesetzt habe. Die weitergehende Herabsetzung ab 1.1.1997 sei dadurch begründet, dass die Klägerin die Arbeitsschutzmaßnahmen im Jahre 1997 in ein Qualitätsmanagementsystem gemäß dem Leitfaden zum Aufbau eines integrierten Qualitäts-, Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagementsystem für Unternehmen der Zeitarbeit eingebunden habe. Bei der Frage, in welchem Umfang die Gefahrklasse herauf- oder herabzusetzen sei, bestehe seitens der Verwaltung ein Auswahlermessen hinsichtlich des Prozentsatzes innerhalb der Grenzen von 10 –50 %.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26.11.1999 zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klage erhoben (Az S 2 U 443/99).

Die Klägerin hat vor dem Sozialgericht (SG) ua vorgetragen: Die Beklagte irre, wenn sie der Auffassung sei, dass bei der Prüfung von Herabsetzungsanträgen nicht die tatsächliche Unfallbelastung der Unternehmen zu berücksichtigen sei. Die Begründung der angefochtenen Ermessensentscheidung sei unzureichend. Der Obmann des Sachgebietes Arbeitnehmerüberlassung der Beklagten, U. F, habe anlässlich zweier Tagungen 1994 in Frankfurt/Main und 1995 in Köln erklärt, im Falle der Teilnahme an dem von der Beklagten initiierten besonderen Arbeitsschutzprogramm sei es möglich, eine Herabsetzung der Gefahrklassen zu erreichen. Die Maßnahmen der "besonderen Arbeitsschutzorganisation" wirkten sich nicht nur auf die Tätigkeiten der Gefahrtarifstelle 24, sondern auch auf diejenigen der Gefahrtarifstelle 23 aus und rechtfertigten auch insoweit eine Herabsetzung dieser Gefahrklasse, wie durch ein Urteil des SG München vom 26.10.1999 (Az S 41 U 571/98) bestätigt worden sei.

Die Klägerin hat ua zwei schriftliche Abhandlungen von U. F vorgelegt. In dessen in der Dokumentation der Tagung vom 10.11.1994 veröffentlichten Tagungsbeitrag heißt es ua: " ... Zum anderen hat die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft bereits in der Gefahrtarifperiode 1984 – 1989 damit begonnen und in der Tarifzeit 1990 – 1994 fortgesetzt, die Unternehmen dazu zu bewegen, freiwillig zusätzliche Arbeitsschutzmaßnahmen durchzuführen. Bei Erfüllung dieser mit den Verbänden der Zeitarbeit entwickelten Maßnahmen war und ist es möglich, eine Herabsetzung der Gefahrklasse zu erreichen ...".

In dem in der Dokumentation der Fachtagung für Unternehmer vom 21.11.1995 veröffentlichten Tagungsbeitrag, welchen die Klägerin ebenfalls dem SG zugeleitet hat, heißt es ua wörtlich: " ...Unter Berücksichtigung der herkömmlichen Betriebsweise können zurzeit folgende Merkmale als Indiz für eine Abweichung von Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerunterlassung in Bezug auf die Beschäftigten, die in der Gefahrklasse 24 nachgewiesen werden, angesehen werden:

- Überlassung der Leiharbeitnehmer für Tätigkeiten, die dem erlernten (Aus- oder Fortbildung) Beruf entsprechen.

- Die Überlassung von Helfern unterschreitet 15 % der Gesamtüberlassungsstunden.

- Es werden konstante Arbeitsgruppen überlassen.

- Es wird an äußerst wenige Entleiher verliehen.

- Es wird eine besondere Arbeitsschutzorganisation festgestellt.

- Sonstiges.

Hier handelt es sich nicht um eine "Und-Verknüpfung", dh jedes Merkmal kann einzeln ein Indiz für die Abweichung sein. Das Merkmal, das in den zurückliegenden Gefahrtarifperioden am Häufigsten zu einer Herabsetzung der Gefahrklasse geführt hat, ist zweifellos die "besondere Arbeitsschutzorganisation", bisher modellhafte Arbeitsschutzmaßnahmen genannt."

Die Beklagte hat in dem Verfahren S 2 U 443/99 ua vorgetragen: Eine Anwendung von Teil II 2 ihres Gefahrtarifs 1995-1997 setze voraus, dass besondere Betriebsverhältnisse vorlägen, die sonst in der Branche nicht vorkämen und ganz außergewöhnlich seien; diese müssten das verbleibende Restunfallrisiko ganz erheblich verringern, so dass dieses ganz radikal von dem sonst bei vergleichbaren Unternehmen gegebenen Risiko abweiche. Im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung sei eine solche Sachlage inzwischen praktisch kaum mehr denkbar. Bei der Klägerin seien jedenfalls keine Anhaltspunkte hierfür ersichtlich. Bei den von dieser zur Begründung ihres Herabsetzungsantrages vorgetragenen Maßnahmen der "besonderen Arbeitsschutzorganisation" handele es sich um keine Betriebsweise im Sinne von Teil II 2 des Gefahrtarifs 1995 - 1997. Gleiches gelte für die Integration der Arbeitsabläufe in ein Qualitätsmanagementsystem.

Die Beklagte hat dem SG ein an alle Mitgliedsunternehmen gerichtetes Schreiben "Gefahrtarif der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft ab 01.01.1995 – hier: Prüfkriterien für Zeitarbeitsunternehmen" vorgelegt, dem der "Kriterienkatalog für den ab 01.01.1995 gültigen Gefahrtarif" beigefügt war. In dem Schreiben heißt es ua: " ...Wir stellen Ihnen deshalb heute für die ab dem 01.01.1995 beginnende Gefahrtarifperiode eines wiederum nach Gewerbezweigen gegliederten Tarifs unseren neuen Kriterienkatalog vor ... Da die Gefahrklasse der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung für Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten, deutlich gesunken ist, haben wir uns dafür entschieden, dass die neuen Kriterien der "besonderen Arbeitsschutzorganisation" nur noch für Veranlagungen der Gefahrtarifstelle 24 gelten sollen, also für Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 23 genannten Voraussetzungen erfüllen ... Wenn die Feststellungen ergeben, dass zusätzliche Arbeitsschutzmaßnahmen umgesetzt worden sind bzw eine erheblich abweichende Betriebsweise vorliegt, prüfen wir, ob eine Herabsetzung der Gefahrklasse gemäß Teil II 2 des Gefahrtarifs vorgenommen werden kann. Eine Herabsetzung ist grundsätzlich ab 01.01.1995 möglich, das Vorliegen der Voraussetzungen wird im Einzelfall geprüft. Falls Ihnen für den nun abgelaufenen Tarifzeitraum eine Herabsetzung der Gefahrklasse gewährt worden ist, ist diese – da sie an die Tarifzeit gebunden ist – gewissermaßen automatisch entfallen ..."

In dem "Kriterienkatalog" war ua festgehalten: "Aufgrund der Vielzahl der Möglichkeiten, ein Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben, kann die Berufsgenossenschaft nicht von vornherein definieren, in welchen Fällen eine von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise vorliegt, zumal auch die Unternehmensstrukturen einem zeitlichen und technischen Wandel unterworfen sind ... Unter Berücksichtigung der herkömmlichen Betriebsweise können zur Zeit zB folgende Merkmale als Indiz für eine Abweichung von Unternehmen zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung in Bezug auf die Beschäftigten, die in der Gefahrtarifstelle 24 ausgewiesen werden, angesehen werden:

- Die Leiharbeitnehmer werden für Tätigkeiten, die dem erlernten (Aus- oder Fortbildung) Beruf entsprechen, überlassen.

- Die Überlassung von Helfern unterschreitet 15 % der Gesamtüberlassungsstunden.

- Es werden konstante Arbeitsgruppen überlassen.

- Es wird an äußerst wenige Entleiher verliehen.

- Es wird eine besondere Arbeitsschutzorganisation festgestellt (Anlage).

- Sonstiges ..."

..."

Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 27.6.2000 unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 10.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.1999 verurteilt, die Klägerin bezüglich ihres Herabsetzungsantrages für den ab 1.1.1995 geltenden Gefahrtarif unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe keine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung über die Herabsetzung der Gefahrklassen getroffen.

Gegen dieses ihr am 12.7.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7.8.2000 beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz Berufung eingelegt.

Durch Bescheid vom 10.11.1999 hatte die Beklagte zuvor unter Berücksichtigung einer Stellungnahme ihres Präventionsstabes vom Oktober 1999 den Antrag der Klägerin auf Herabsetzung der Gefahrklassen der Tarifstellen 48 ("Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten") und 49 ("Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 48 genannten Voraussetzungen erfüllen") nach dem von 1998 bis 2000 geltenden Gefahrtarif abgelehnt. In Teil II 2a des für die Zeit von 1998 bis 2000 gültigen Gefahrtarifs ist festgelegt: "Ergibt sich in Einzelfällen, dass wegen einer von der üblichen erheblich abweichenden Betriebsweise oder Betriebseinrichtung ein Unternehmen wesentlich geringeren oder höheren Gefährdungen unterliegt als die Unternehmen, für die die Gefahrklasse im Teil I berechnet ist, so kann die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft die (in Teil I festgesetzte) Gefahrklasse um 10 bis 30 vH herabsetzen oder heraufsetzen." Die Beklagte hatte ihren diesbezüglichen Bescheid vom 10.11.1999 wie folgt begründet: Die Gefahrklasse eines Unternehmens könne nur herabgesetzt werden, wenn sich ergebe, dass die Betriebsweise bzw Betriebseinrichtung des Unternehmens von der bei der Unternehmensart "gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung" üblichen Betriebsweise erheblich abweiche und das Unternehmen deshalb einer wesentlich geringeren Unfallgefährdung unterliege. Die Betriebsweise eines Unternehmens sei die Art und Weise, wie ein Unternehmen den Unternehmensgegenstand verwirkliche; maßgeblich seien hierbei die Betriebsabläufe und –einrichtungen und die ausgeführten Verrichtungen (Produktionsverfahren und Techniken). Nicht zur Betriebsweise gehörten Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen, die Organisation der Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrumente (zB das Vorhandensein eines Qualitätsmanagements), persönliche Eigenschaften (Qualifikation, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Betriebszugehörigkeit, Motivation) der im Unternehmen Tätigen, die Unfallquote oder die Unfallbelastung des Unternehmens, besondere Unfallverhütungsmaßnahmen und die Einhaltung oder Missachtung von Arbeitsschutzmaßnahmen. Im Falle der Klägerin sei eine von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise oder Betriebseinrichtung nicht erkennbar. Die vollständige Erfüllung der Maßnahmen der "besonderen Arbeitsschutzorganisation" iS des sog Kriterienkataloges, die für die Jahre 1995 bis 1997 für Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zur Förderung des Arbeitsschutzes als Indiz für eine Abweichung in Bezug auf die Gefahrengemeinschaft "gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung" fingiert worden sei, stelle in Bezug auf den ab 1.1.1998 geltenden Gefahrtarif keinen Grund für eine Herabsetzung mehr dar. Sinn und Zweck der Herabsetzungsregelung sei es nicht, Arbeitsschutzmaßnahmen zu honorieren, sondern außergewöhnliche Risiken zu berücksichtigen. Ein Qualitätsmanagementsystem sei keine "Betriebsweise" und daher im vorliegenden Zusammenhang nicht zu berücksichtigen. Im Übrigen sei die "besondere Arbeitsschutzorganisation" zwischenzeitlich von einer Vielzahl der Unternehmen der Unternehmensart "gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung" umgesetzt worden; sie sei daher bei Unternehmen der Unternehmensart "Zeitarbeit" üblich.

Ihren gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin wie folgt: Auch bei der Entscheidung über eine Herabsetzung der Gefahrklassen für die Zeit ab 1.1.1998 könne die Teilnahme an den von der Beklagten eingeleiteten Arbeitsschutzmaßnahmen nicht unberücksichtigt bleiben. In diesem Zusammenhang sei auch von Bedeutung, dass von der Beklagten Zusagen gemacht worden seien, dass die Umsetzung des Kriterienkataloges sowie die diesbezügliche Zertifizierung, die für die Mitgliedsunternehmen mit zum Teil nicht unerheblichen Kosten verbunden gewesen seien, eine langfristige Beitragsreduzierung auch über den abgelaufenen Gefahrtarifzeitraum 1995-1997 hinaus ermögliche. Im Übrigen habe die Beklagte die angefochtene Entscheidung, eine Ermessensentscheidung, nicht ausreichend iSd § 35 Abs 1 des 10. Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) begründet.

Der Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 10.11.1999 hinsichtlich des Gefahrtarifzeitraums 1998 – 2000 wurde durch Widerspruchsbescheid vom 10.3.2000 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde festgehalten: Die Betriebsweise im Betrieb der Klägerin entspreche der üblichen Betriebsweise bei Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung. Sie, die Beklagte, habe feststellen müssen, dass ihre frühere Verfahrensweise, eine Herabsetzung der Gefahrklasse im Hinblick auf die Teilnahme an einem von ihr initiierten Qualitätsmanagement vorzunehmen, nicht im Einklang mit der herrschenden Rechtsauffassung stehe, welche die Abweichung von der Regelgefahrklasse auf ganz wenige außergewöhnliche Einzelfälle atypischer Betriebsweisen beschränke. Aus diesem Grunde habe sie sich Ende 1997 entschlossen, keinen neuen sog "Kriterienkatalog" aufzustellen, sondern die Herabsetzung in dem ab 1.1.1998 geltenden Gefahrtarifzeitraum nur nach den tatsächlichen Tatbestandsmerkmalen zu beurteilen. Äußerungen über die Auswirkung der Umsetzung der Maßnahmen der besonderen Arbeitsschutzorganisation ihrerseits in Bezug auf die Herabsetzung der Gefahrklasse hätten sich ausschließlich auf den von 1995 bis 1997 geltenden Gefahrtarif bezogen, weshalb die Klägerin keinen Vertrauensschutz geltend machen könne. Bei der gegebenen Sachlage sei vorliegend keine Ermessensentscheidung zu treffen gewesen.

Auch gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin Klage erhoben (Az S 2 U 105/00).

Die Klägerin hat vor dem SG ua einen Internetauszug aus der Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten, ausgedruckt am 7.6.2000, vorgelegt. Darin ist ua festgehalten: " ...Dieser Einsparungseffekt entsteht vor allem durch die Senkung der Kosten für Lohnfortzahlung bei Krankheit und Unfall sowie durch die Herabsetzung der Gefahrklasse und sorgt damit für niedrigere Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung. Andere positive Folgen des Präventionsprogramms wie Mitarbeitermotivation, Qualitätssteigerung und Kundenzufriedenheit sind in dieser Modellrechnung nur schwer zahlenmäßig zu erfassen." Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, die Beklagte habe auf der Internetseite lediglich aus Dokumentationszwecken eine Stellungnahme eines Unternehmers veröffentlicht.

Die Klägerin hat außerdem vorgetragen: Aus dem vorgelegten Prüfbericht eines Zeitarbeitsunternehmens für den Gefahrtarifzeitraum ab 1998 ergebe sich, dass die Beklagte in anderen Fällen nach wie vor die Herabsetzungsanträge auf der Grundlage von Arbeitsschutzmaßnahmen bzw der Zertifizierung der Unternehmen bearbeite. Ferner hat die Klägerin auf ein Schreiben des Bundesversicherungsamtes an die Zucker-Berufsgenossenschaft (BG) vom 1.7.1998 hingewiesen, wonach jedenfalls aus Gründen des Vertrauensschutzes auch für den Gefahrtarifzeitraum ab 1998 noch eine Herabsetzung von 10 bis 30 % zuzulassen sei.

Durch Urteil vom 21.2.2001 hat das SG die Klage hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 1998 bis 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Besondere Maßnahmen der Arbeitssicherheit genügten nicht, um eine erheblich abweichende Betriebsweise iS von Teil II des Gefahrtarifs der Beklagten annehmen zu können. Die Klägerin habe nichts vorgetragen, was die Annahme einer solchen abweichenden Betriebsweise rechtfertigen könnte. Auf einen Vertrauensschutz könne sich die Klägerin hinsichtlich des Gefahrtarifzeitraums ab 1.1.1998 nicht berufen.

Gegen dieses ihr am 2.4.2001 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.4.2001 beim LSG Rheinland-Pfalz Berufung eingelegt (Az L 2 U 207/00). Der Senat hat die Rechtsstreitigkeiten L 2 U 105/00 und L 2 U 207/01 unter dem Aktenzeichen L 2 U 207/01 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Beteiligten haben sich hinsichtlich einer Herabsetzung der Gefahrklassen nach dem Gefahrtarif 1995-1997 durch eine Vereinbarung außergerichtlich geeinigt.

Die Klägerin trägt vor: Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 1998 – 2000 sei nicht verständlich, dass die Beklagte nunmehr die Teilnahme an den von ihr initiierten Qualitätssicherungsmaßnahmen nicht mehr im Rahmen der Entscheidung über eine Herabsetzung der Gefahrklassen berücksichtigen wolle. Durch das von der Beklagten eingeführte Beitragsnachlasssystem werde ein spürbarer Beitragsausgleich für diese Maßnahmen nicht gewährleistet.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG Koblenz vom 21.2.2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 1.1.1998 bis 31.12.2000 eine Herabsetzung der Gefahrklassen vorzunehmen, hilfsweise, die Beklagte zu verteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut bescheiden, äußerst hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Koblenz vom 21.2.2001 zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene Akte S 2 ER-U 27/00 sowie die Prozessakten des vorliegenden Rechtsstreits verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143 f., 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 21.2.2001 ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 10.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.3.2000 hinsichtlich des Gefahrtarifzeitraums vom 1.1.1998 bis 31.12.2000 ist rechtmäßig. Der Senat schließt sich hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung dem 3. Senat des LSG Rheinland-Pfalz in dessen Urteil vom 20.9.2002 (Az L 3 U 127/01) an.

Die Entscheidung der Beklagten richtet sich nach der Regelung in Teil II 2a des Gefahrtarifs 1998-2000. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um untergesetzliches autonomes Recht, das wie ein Gesetz auslegungsfähig ist. Ob eine Herabsetzung der Gefahrklasse vorgenommen wird, hängt zwar vom Ermessen der Beklagten ab. Tatbestandliche Voraussetzung dafür, dass Ermessen auszuüben ist, ist jedoch

(1) dass eine erheblich abweichende Betriebsweise vorliegt,

(2) dass es sich insoweit um einen "Einzelfall" handelt,

(3) dass das Unternehmen geringeren Gefahren unterliegt und

(4) dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der erheblich abweichenden Betriebsweise und den geringeren Gefahren besteht.

Diese Voraussetzungen sind vom Gericht voll überprüfbar (so auch LSG Niedersachsen, Urt v 9.1.2001, Az L 6 U 313/99 = Breithaupt 2001, 340 ff). Der gegenteiligen Meinung des LSG Schleswig-Holstein (Urt v 6.2.2002, Az L 8 U 55/01), wonach dem Unfallversicherungsträger insoweit ein gewisser Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, folgt der Senat nicht (ebenso der 3. Senat des LSG Rheinland-Pfalz im Urteil vom 20.9.2002, aaO). Einen solchen kann es nach der verwaltungsrechtlichen Dogmatik nur geben, wenn der Normgeber – hier: die den Gefahrtarif aufstellende Berufsgenossenschaft - ausdrücklich oder nach dem Sinn und Zweck der Regelung die Zuordnung des Einzelfalls zu dem unbestimmten Rechtsbegriff ganz oder teilweise der Behörde überlässt (vgl Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG-, 6. Aufl, § 40, Rz 42). Dies wurde bejaht (vgl Ossenbühl, Festschrift für Menger –1985-, 731 ff, 738):

- Bei Entscheidungen durch nicht weisungsgebundene, pluralistisch zusammengesetzte bzw besonders fachkundige Verwaltungsorgane,

- im Hinblick auf die Unvertretbarkeit der Entscheidung oder den Einfluss wertender Elemente geistig-seelisch-künstlerischer Art,

- bei programmatischem, prozesshaftem und gestaltendem Charakter prognostischer Verwaltungsentscheidungen.

Vorliegend ist keine dieser Fallgruppen einschlägig. Auch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen in Teil II 2a des Gefahrtarifs 1998-2000 ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Herabsetzung der Gefahrklassen zugestanden werden soll. Gegen einen solchen spricht auch der aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) abzuleitende Grundsatz der Beitragsgerechtigkeit. Eine Entscheidung des Unfallversicherungsträgers, in der eine Herabsetzung der Gefahrklasse vorgenommen wird, wirkt sich mittelbar zum Nachteil der Unternehmen auf, mit deren Beiträgen letztlich die Herabsetzung ausgeglichen wird. Diesem mittelbaren Interesse der übrigen Mitgliedsunternehmen der Beklagten würde nicht hinreichend Rechnung getragen werden, wenn dem Unfallversicherungsträger ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum in Bezug auf die og vier Tatbestandsmerkmale eingeräumt werden würde.

Der Senat stimmt der Auffassung des LSG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 6.2.2002 (aaO) zu, dass die Prüfung, ob eine Herabsetzung der Gefahrklasse erfolgt, in drei Stufen zu erfolgen hat: Zunächst ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen, unter denen eine Herabsetzung in Betracht kommt, erfüllt sind, ob das antragstellende Unternehmen also eine von der üblichen erheblich abweichende Betriebsweise aufweist und deshalb geringeren Gefahren unterliegt als die, für die die Gefahrklasse in Teil I des Gefahrtarifs berechnet wurde (erster Schritt). Ist dies zu bejahen, eröffnet sich für die Beklagte Ermessen, hinsichtlich der Frage, ob sie eine Herabsetzung bewilligen will (zweiter Schritt). Hat sie sich hierzu entschlossen, hat sie in einem dritten Schritt darüber zu entscheiden, in welcher Höhe innerhalb des im Gefahrtarif vorgegebenen Rahmens eine Herabsetzung sachgerecht erscheint.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nicht zur Betriebsweise gehörten Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen, die Organisation der Planungs-, Steuerungs- und Kontrollinstrumente (zB das Vorhandensein eines Qualitätsmanagements), persönliche Eigenschaften (Qualifikation, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Betriebszugehörigkeit, Motivation) der im Unternehmen Tätigen, die Unfallquote oder die Unfallbelastung des Unternehmens, besondere Unfallverhütungsmaßnahmen und die Einhaltung oder Missachtung von Arbeitsschutzmaßnahmen. Ob dieser Meinung in vollem Umfang gefolgt wird, braucht nicht entschieden zu werden. Unabhängig davon ist vorliegend eine von den üblichen Verhältnissen erheblich abweichende Betriebsweise nicht gegeben.

Der Begriff der "erheblich abweichenden Betriebsweise" ist eng zu interpretieren. Das Reichsversicherungsamt (RVA) hat bereits im Jahre 1933 (AN 1933, 364) betont, dass von den im Gefahrtarif festgesetzten Gefahrklassen nur abgewichen werden solle, wenn besondere objektive Merkmale dafür sprechen. Bei genauer Anwendung dieses Grundsatzes, der Herabsetzungen von Gefahrklassen aus Billigkeitsgründen ausschließe, könnten daher Abweichungen von den normalen Gefahrklassen nur in einer geringen Zahl von Fällen vorkommen. Auch im Schrifttum (Nachweise bei Schulz, Der Gefahrtarif der gewerblichen Berufsgenossenschaften, März 1999, S 337 ff) wurde schon seinerzeit und auch in der Zeit danach das Vorliegen außergewöhnlicher Verhältnisse gefordert. Unter Berücksichtigung dessen setzt eine "erheblich abweichende Betriebsweise" voraus, dass die die Herabsetzung bedingende Arbeitsweise in der Regel bei Betrieben der gleichen Art nicht vorkommt.

Die Teilnahme an Maßnahmen der besonderen Arbeitsschutzorganisation (Unternehmerseminar, Ausbildung der Personalentscheidungsträger, Fachkraft für Arbeitssicherheit, hauptberufliche Sicherheitsfachkraft, Dokumentation, Integration der Arbeitsschutzvereinbarungen in den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, Arbeitsplatzbesichtigungen, Unfallauswertung, Unterweisung der Leiharbeitnehmer) rechtfertigt nicht die Annahme einer abweichenden Betriebsweise. Unter "Betriebsweise" sind nur die tatsächlichen Arbeitsabläufe im Unternehmen und die bei den Tätigkeiten auftretenden Unfallgefahren zu verstehen, nicht aber die Durchführung zusätzlicher Unfallverhütungsmaßnahmen (Schulz, SGb 1993, 402, 404). Auch dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Regelungen, welchen Teil II 2a des Gefahrtarifs der Beklagten für 1998-2000 entsprechen. Wie bereits das RVA betont hat (AN 1898, 204), kommt als abweichende Betriebsweise der Umstand, dass ein sonst in der üblichen Weise arbeitender Betrieb besonders gute Einrichtungen hat oder die Unfallverhütungsvorschriften besonders gut erfüllt, nicht in Frage. Das Herabsetzungsverfahren dient nicht der Belohnung von Präventionsmaßnahmen, sondern der Berücksichtigung außergewöhnlicher Risiken in Bezug auf die Betriebsweise. Die Unfallverhütung und der Arbeitsschutz werden beitragsrechtlich im Rahmen der Vorschriften über Beitragszuschläge, Beitragsnachlässe und Prämien (nach altem Recht: § 725 Abs 2 Reichsversicherungsordnung –RVO-; nach neuem Recht: § 162 Abs 1 und 2 SGB VII) berücksichtigt; die Beklagte hat diesbezüglich das Beitragszuschlagsverfahren eingeführt.

Unabhängig davon wäre eine unübliche Betriebsweise in der Zeit ab 1998 auch deshalb nicht gegeben, weil sich Anfang 1998 bereits über 20 % der Unternehmen dem von der Beklagten initiierten Präventionssystem angeschlossen hatten und die Maßnahmen schon über 40 % der Beschäftigten in Unternehmen der gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung zugute kamen.

Auch ansonsten liegen im Betrieb der Klägerin keine Gründe vor, welche die Annahme einer erheblich abweichenden Betriebsweise in dem dargestellten Sinne rechtfertigen, wovon die Präventionsabteilung der Beklagten im Ergebnis zu Recht ausgegangen ist (Stellungnahme vom Oktober 1999). Die Klägerin hat diesbezüglich folgende Gesichtspunkte geltend gemacht:

a) langfristig beschäftigte Mitarbeiter,

b) Überlassung von Mitarbeitern für Tätigkeiten, die dem erlernten Beruf entsprechen,

c) sehr lange Überlassungszeiten in Bezug auf die Mitarbeiter,

d) überdurchschnittliche Zahl von Facharbeitern,

e) langjährige Zusammenarbeit mit wenigen ausgesuchten Kunden,

f) häufige Kundenbesuche,

g) klare Vorgaben vor der Auftragsvergabe.

Diese Gesichtspunkte vermögen keine "erheblich abweichende Betriebsweise" iS von Teil II 2a des Gefahrtarifs 1998-2000 zu begründen. Eine solche kann zB hinsichtlich der Zahl von Facharbeitern nicht allein mit der Begründung bejaht werden, im Falle der Klägerin sei eine Abweichung vom statistischen Mittel aller Arbeitnehmerüberlassungsbetriebe gegeben. Eine solche Betrachtungsweise würde dem Umstand nicht gerecht werden, dass eine Versicherung -auch die gesetzliche Unfallversicherung- ihrem Wesen nach immer unterschiedliche Risiken einbezieht. Ausgehend von dem dargestellten Sinn und Zweck von Teil II Ziff 2a des Gefahrtarifs 1998-2000 muss vielmehr verlangt werden, dass es sich um eine wesensmäßig grundsätzlich verschiedene Betriebsweise im Verhältnis zu den anderen unter der betreffenden Gefahrtarifstelle erfassten Betrieben handelt, zB eine atypische Art der Automatisierung. Dafür sind vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich. Dazu im Einzelnen:

a) Zu der – nach Angaben der Klägerin in überdurchschnittlichem Umfang erfolgenden – langfristigen Beschäftigung von Mitarbeitern: Nach Angaben der Klägerin liegt die Quote der langfristig bei ihr Beschäftigten mit 58,4 % erheblich über dem Durchschnitt von 39,4 %. Die kurzfristigen, unter einer Woche liegenden Arbeitsverhältnisse sind mit 8,8 % (im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt 12,6 %) prozentual geringer als im Branchendurchschnitt. Diesbezüglich kann von einer erheblich abweichenden Betriebsweise keine Rede sein. Sowohl im Falle der Klägerin als auch im Falle des "Durchschnittsbetriebs" handelt es sich vielmehr um mehrere Varianten der üblichen Betriebsweise.

b) Zur Überlassungszeit: Insoweit trägt die Klägerin vor: Bei ihr sei etwa jeder dritte Mitarbeiter mehr als sechs Monate bei der gleichen Entleihfirma im Einsatz; demgegenüber sei nach einer Presseveröffentlichung durchschnittlich nur jeder fünfte Zeitarbeitnehmer länger als sechs Monate bei der gleichen Entleihfirma im Einsatz. Auch insoweit handelt es sich keinesfalls um eine wesensmäßig grundsätzlich verschiedene Betriebsweise.

c) Die Klägerin macht geltend, der Prozentsatz ihrer Hilfsarbeiter liege bei 14,6 %, während im Bundesdurchschnitt die Quote 28,2 % betrage. Insoweit ist festzuhalten, dass es bereits fraglich ist, ob die Zahl der Facharbeiter/Hilfsarbeiter unter das Tatbestandsmerkmal "Betriebsweise" subsumiert werden kann. In jedem Fall ist eine wesensmäßig grundsätzlich verschiedene Betriebsweise zu verneinen. Entsprechendes gilt für den Gesichtspunkt der Überlassung für Tätigkeiten, welche dem erlernten Beruf entsprechen.

d) Nach Angaben der Klägerin arbeitet diese mit mehr als 50 % ihrer Kunden länger als fünf Jahre zusammen; sie gehe davon aus, dass im Durchschnitt bei Arbeitnehmerüberlassungsfirmen in etwa 80 % der Fälle eine eher kurzfristige Zusammenarbeit gegeben sei. Auch diesbezüglich bestehen Zweifel, ob dieses Merkmal unter den Begriff "Betriebsweise" subsumiert werden kann. Jedenfalls hält sich der Betrieb der Klägerin auch insoweit innerhalb des Spektrums der vielfältigen Möglichkeiten einer üblichen Betriebsweise.

e) Die Klägerin gibt an, bei einer Verleihdauer der Mitarbeiter von mehr als drei Monaten nehme sie im Durchschnitt alle ein bis zwei Wochen einen Kundenbesuch vor, insbesondere um Fragen der Unfallverhütung zu klären; hierüber werde ein ausführliches Berichtswesen geführt. Selbst wenn sich insoweit eine Abweichung vom Branchendurchschnitt ergibt, kann auch insoweit von einer grundsätzlich abweichenden Betriebsweise nicht gesprochen werden.

f)Nach dem Vorbringen der Klägerin werden bei ihr vor Auftragsvergabe von den Entleihfirmen umfangreiche Abfragen getätigt, insbesondere, für welche Tätigkeit der jeweilige Leiharbeitnehmer eingesetzt werden und ob er über eine abgeschlossene Prüfung oder eine anderweitige Qualifikation verfügen solle; außerdem gehe es um die Schutzkleidung und arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen. Auch insoweit ist eine grundsätzlich von den übrigen in der gleichen Gefahrtarifstelle erfassten Betrieben abweichende Betriebsweise zu verneinen.

Eine erheblich abweichende Betriebseinrichtung im Sinne von Teil II 2a des Gefahrtarifs 1998-2000 liegt bei der Klägerin ebenfalls nicht vor.

Die Beklagte ist auch nicht im Hinblick auf eine erteilte Zusage verpflichtet, von einer "erheblich abweichenden Betriebsweise" im Sinne von Teil II 2a des Gefahrtarifs für 1998-2000 auszugehen. Diesbezüglich kommt es nicht darauf an, ob hinsichtlich des Zeitraums von 1995-1997 von einer solchen (zur Möglichkeit "allgemeiner Zusagen", ohne dass die Voraussetzungen einer Zusicherung iSd §§ 38 VwVfG, 34 SGB X erfüllt sind: Stelkens/U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 38, Rz 23a) auszugehen war. Eine solche wirkte jedenfalls nicht für nachfolgende Gefahrtarifperioden. Für die Zeit ab 1998 hat die Beklagte keinen Kriterienkatalog mehr aufgestellt. Sie hat zu keinem Zeitpunkt ihren Mitgliedern gegenüber zugesagt, der im Rahmen des Gefahrtarifs 1995-1997 aufgestellte "Kriterienkatalog" gelte auch für nachfolgende Gefahrtarife. In dem Anschreiben an die Unternehmen hinsichtlich des Gefahrtarifs 1995-1997 hieß es ausdrücklich, die Herabsetzung der Gefahrklassen sei an die Tarifzeit gebunden.

Der von der Klägerin zitierte Internetauszug stellt schon deshalb keine wirksame Zusage für den Gefahrtarifzeitraum 1998-2000 dar, weil es an der erforderlichen Schriftlichkeit fehlt. Diese ist nach Auffassung des Senats nicht nur bei einer Zusicherung iSd § 34 SGB X (vgl § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X), sondern auch bei einer allgemeinen Zusage, mit der im Gegensatz zur Zusicherung kein bestimmter Verwaltungsakt zugesagt wird, Wirksamkeitserfordernis (vgl Bundesverwaltungsgericht –BverfG- in BVerwGE 97, 323, 326 = NJW 1995, 1977, 1979; zum Meinungsstand ausführlich P. Stelkens/U. Stelkens, aaO, Rz 10c, 33). Unabhängig davon konnte der Inhalt des Internetauszugs insoweit nicht als bindende Zusage verstanden werden. Mangels Schriftlichkeit in dem dargestellten Sinne kommt den mündlichen Aussagen und den schriftlichen Abhandlungen von U. F keine entscheidende Bedeutung zu; im Übrigen fehlt es auch diesbezüglich an einem Bezug zum Gefahrtarifzeitraum 1998-2000.

Soweit ab 1998 in einzelnen Unternehmen noch Herabsetzungen der Gefahrklassen im Hinblick auf die Teilnahme an einer "besonderen Arbeitsschutzorganisation" erfolgt sind, beruht dies den Angaben der Beklagten zufolge entweder auf umstellungsbedingten EDV-Fehlern oder auf einer eingegangenen Verpflichtung durch öffentlich-rechtliche Verträge. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kann die Klägerin auch insoweit nicht geltend machen.

Der Vortrag der Klägerin in Bezug auf die tatsächliche Unfallbelastung in ihrem Betrieb ist aus den dargestellten Gründen für den Ausgang des Rechtsstreits nicht von entscheidender Bedeutung. Ob das Beitragsnachlasssystem der Beklagten zu einem spürbaren Ausgleich führt, ist für den vorliegend allein umstrittenen Herabsetzungsanspruch ebenfalls irrelevant. Auch das von der Klägerin zitierte Schreiben des Bundesversicherungsamts bietet keine Rechtsgrundlage, um einen Anspruch zu ihren Gunsten zu begründen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Der hinsichtlich des außergerichtlichen Vergleichs erzielte Teilerfolg der Klägerin bezüglich des Gefahrtarifs 1995 wurde kostenmäßig in dem Teilvergleich berücksichtigt.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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