L 7 AS 2119/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 4303/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2119/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Prüfung der Bevollmächtigung eines Anwalts auf Rüge eines Beteiligten.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Einstellung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zum 31. März 2013 und die Ablehnung eines Weiterbewilligungsantrages für die Zeit ab 1. Juli 2013.

Der 1976 geborenen erwerbsfähigen Klägerin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Dezember 2012 für die Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 7. Juni 2013 stellte der Beklagte die bisher gewährten Leistungen zum 31. März 2013 ein und hob den Bescheid vom 13. Dezember 2012 zu diesem Zeitpunkt auf. Den Fortzahlungsantrag vom 11. Juni 2013 lehnte er mit Bescheid vom 25. Juni 2013 ab. Gegen den Bescheid vom 7. Juni 2013 legten die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin Widerspruch ein (Schriftsatz vom 17. Juni 2013). Dem Widerspruchsschreiben war eine "Außergerichtliche Vollmacht mit Inkassovollmacht" beigelegt. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2013 legten die Bevollmächtigten auch Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Juni 2013 ein; auch diesem Widerspruchsschreiben war eine "Außergerichtliche Vollmacht mit Inkassovollmacht" beigelegt. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 7. Juni 2013 und 25. Juli 2013 (richtig 25. Juni 2013) wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 2013 als unbegründet zurück.

Dagegen hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer damaligen Bevollmächtigten vom 10. Dezember 2013 am 20. Dezember 2013 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben. Das SG hat mit Verfügung vom 15. Januar 2014 im Hinblick auf die beantragte Akteneinsicht um Vorlage einer schriftlichen Originalvollmacht gebeten. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 20. Februar 2014 den Mangel der Vollmacht gerügt. Mit gerichtlicher Verfügung vom 24. Februar 2014 hat das SG die Klägerseite aufgefordert, die schriftliche Vollmacht bis zum 15. März 2014 einzureichen, und darauf hingewiesen, dass die Klage anderenfalls als unzulässig abzuweisen seien dürfte. Mit Verfügung vom 20. März 2014 hat das SG eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angekündigt.

Mit Gerichtsbescheid vom 10. April 2014 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, dass nach § 73 Abs. 6 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen sei. Sie könne nachgereicht werden, hierfür könne das Gericht eine Frist bestimmen. Bei einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid müsse die Vollmacht spätestens bis zur Absendung der Entscheidung zu den Gerichtsakten gegeben werden. Akten in diesem Sinne seien die Gerichtsakten, so dass es grundsätzlich nicht ausreichend sei, dass sich eine wie auch immer geartete Vollmacht des Klägers in den Verwaltungsakten befinde. Im Übrigen finde sich im vorliegenden Fall zwar eine Vollmacht für die Klägerbevollmächtigten in den Verwaltungsakten, diese sei jedoch ausdrücklich nur eine "Außergerichtliche Vollmacht mit Inkassovollmacht". Eine Vollmacht auch zur Führung von Gerichtsverfahren sei mithin bisher noch nicht erteilt worden. Auch zu den Gerichtsakten sei eine Vollmacht trotz Erinnerung an die Vorlage der Vollmacht und trotz des Hinweises, dass bei nicht rechtzeitiger Vorlage die Klage als unzulässig abgewiesen werden könne, nicht eingereicht worden. Prozesshandlungen des vollmachtlosen Vertreters seien bis zur nachträglichen Vorlage der Vollmacht schwebend unwirksam, die Vorlage der Vollmacht habe spätestens zum Schluss der mündlichen Verhandlung bzw. bis zum Erlass des angekündigten Gerichtsbescheides zu ergehen. Werde bis zum maßgeblichen Zeitpunkt die Vollmacht nicht nachträglich vorgelegt, würden aus zunächst schwebend unwirksamen Prozesshandlungen endgültig unwirksame Prozesshandlungen. Da auch die Klage eine Prozesshandlung sei, sei diese bei Fehlen einer Vollmacht unwirksam. Eine von einem Vertreter ohne Vollmacht eingereichte Klage sei daher als unzulässig abzuweisen. Da bis zur Absendung des Gerichtsbescheides keine wirksame Prozessvollmacht vorgelegen habe, sei die Klage unzulässig. Der Mangel der Vollmacht könne in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden (§ 73 Abs. 6 Satz 4 SGG). Das Gericht habe den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftrete (§ 73 Abs. 6 Satz 5 SGG). Das Gericht sei vorliegend zur Prüfung der Bevollmächtigung des Rechtsanwalts befugt gewesen, obwohl als Bevollmächtigter eine Rechtsanwalt aufgetreten sei, denn im vorliegenden Fall habe der Beklagte die ordnungsgemäße Bevollmächtigung gerügt.

Gegen den ihnen am 11. April 2014 zugestellten Gerichtsbescheid haben die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 12. Mai 2014 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt.

Zwischenzeitlich hatten die damaligen Bevollmächtigten der Klägerin am 15. April 2014 (Schriftsatz vom 11. April 2014) eine Prozessvollmacht, die auf den 15. Januar 2014 datiert, beim SG eingereicht. Die Bevollmächtigten der Klägerin haben mit Schriftsatz vom 16. Juni 2014 angezeigt, dass sie die Klägerin nicht mehr vertreten, und das Mandat niedergelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 10. April 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 7. Juni 2013 und 25. Juni 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Dezember 2013 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab 1. Juli 2013 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Berichterstatter des Senats hat am 17. Oktober 2014 einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem die Klägerin nicht erschienen ist.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten (Band III) sowie die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig sowie statthaft (§ 143 SGG), weil die Berufungsbeschränkungen des § 144 Abs. 1 SGG nicht eingreifen. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zutreffend als unzulässig abgewiesen, weil eine schriftliche Prozessvollmacht nicht bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens zu den Gerichtsakten eingereicht worden ist und durch die nachträgliche Einreichung der Prozessvollmacht keine Heilung dieses Mangels eingetreten ist.

1. Gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 SGG können die Beteiligten sich u.a. durch einen Rechtsanwalt vor dem SG und dem LSG vertreten lassen. Nach § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen (§ 73 Abs. 6 Satz 2 SGG). Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden (§ 73 Abs. 6 Satz 4 SGG). Nach § 73 Abs. 6 Satz 5 SGG hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt.

2. Nach diesen rechtlichen Maßgaben hat das SG die Klage zutreffend als unzulässig abgewiesen. Dabei ist das SG befugt gewesen, auf die Rüge des Beklagten den Mangel der Vollmacht zu prüfen. Nachdem die Klägerseite - trotz Aufforderung durch das SG (Verfügung vom 24. Februar 2014) zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht unter Fristsetzung bis zum 15. März 2014 und trotz Hinweises auf die Abweisung der Klage als unzulässig - eine schriftliche Prozessvollmacht bis zum Erlass des Gerichtsbescheides am 10. April 2014 nicht zu den Gerichtsakten gereicht hatte, hat das SG die Klage zutreffend allein wegen Fehlens der Vollmacht als unzulässig abgewiesen. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Eine Heilung des Mangels (fehlende Vorlage der Prozessvollmacht) durch das nachträgliche Einreichen der Vollmachtsurkunde ist ausgeschlossen, wenn - wie vorliegend - nach ordnungsgemäßer Fristsetzung durch Prozessurteil eine Klage wegen Fehlens einer Vollmacht als unzulässig abgewiesen worden ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Dezember 2000 - B 6 KA 29/00 R - juris Rdnr. 16; Beschluss vom 3. Juni 2008 - B 2 U 312/07 B - juris Rdnr. 4 ff; Hintz/Lowe, SGG, 2012, § 73 Rdnr. 18; Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 11. Auflage 2014, § 73 Rdnr. 66; Straßfeld in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 73 Rdnr. 133, 142).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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