S 13 AS 735/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 735/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Hilfebedürftigkeit eines minderjährigen Leistungsempfängers nach dem SGB II entfällt nicht durch die Inhaberschaft eines Sparkontos, wenn dieses von seiner Großmutter mit der Bedingung angelegt worden ist, dass er erst ab seinem 25. Lebensjahr über das Guthaben verfügen soll, und die Großmutter das Sparbuch niemals aus der Hand gegeben hat.

2. Auf dieses Sparkonto zufließende Kapitalerträge sind nicht als Einkommen des minderjährigen Leistungsberechtigten anzurechnen.
1. Der Bescheid vom 2. September 2013 in der Fassung des Änderungsbe-scheides vom 24. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2014 wird aufgehoben. 2. Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Kläger.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob der Beklagte die Leistungsbewilligung nach dem SGB II für den Zeitraum 1. Mai 2012 bis 30. April 2013 teilweise in Höhe von 1.785,04 EUR zurücknehmen darf.

Die Kläger stehen im laufenden SGB II Leistungsbezug seit ihrem Erstantrag von Juli 2011. Die Klägerin und ihr Sohn (geb. 2005) leben gemeinsam in einer Wohnung, für welche sie eine Miete in Höhe von 605 EUR sowie Heizkosten in Höhe von 170 EUR monat-lich entrichten. Der Sohn erhält monatlich Kindergeld in Höhe von 184 EUR, sowie Unter-halt in Höhe von 225 EUR. Die Klägerin geht einer versicherungspflichtigen Tätigkeit bei der Firma X mit monatlich wechselndem Einkommen nach.

Der Sohn der Klägerin war Inhaber eines Sparkontos (Nr. X) bei der Sparkasse. Dieses legte seine Großmutter bei seiner Geburt an und zahlt jeden Monat 50,- EUR ein. Das Gut-haben betrug im Mai 2013 4.784,23 EUR. Am 31. Dezember 2011 erhielt er auf sein Spar-konto einen Kapitalertrag in Höhe von 24,00 EUR und am 2. Januar 2012 in Höhe von 48,00 EUR gutgeschrieben. Anfang des Jahres 2014 ließ die Großmutter das Sparkonto auf ihren Namen umschreiben.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin und ihrem Sohn für den Bedarfszeitraum 1. No-vember 2011 bis 30. April 2012 mit Bescheid vom 26. September 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30. Dezember 2011, 8. Februar 2012 vorläufig monatli-che Leistungen nach dem SGB II im November 2011 in Höhe von 479,96 EUR (Klägerin Regelleistung 31,10 EUR und KdU 368,75 EUR, Kläger KdU 80,61) im Dezember 2011 in Höhe von 515,96 EUR (Klägerin Regelleistung 46,66 EUR und KdU 368,25 EUR, Kläger KdU 101,05 EUR), ab Januar 2012 in Höhe von 499,79 EUR (Klägerin Regelleistung 33,65 EUR und KdU 368,25 EUR, Kläger 97,89 EUR), ab 1. Februar 2012 in Höhe von 466,43 EUR (Klägerin Regelleistung 24,97 EUR und KdU 368,25 EUR, Kläger KdU 73,21 EUR), ab März 2012 in Höhe von 453,51 EUR (Regelleistung Klägerin 14,08 EUR und KdU 368,25 EUR, Kläger KdU 71,18 EUR).

Für den Zeitraum Mai bis Oktober 2012 gewährte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 30. März 2012 in der Fassung der Än-derungsbescheide vom 12. April 2012 und 1. August 2012 in Höhe von monatlich 444,51 EUR (Klägerin Regelleistung 6,49 EUR und KdU 368,25 EUR, Kläger KdU 69,77 EUR).

In den Monaten November 2012 bis April 2013 bewilligte er den Klägern vorläufige Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 8. Oktober 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. November 2012, 11. Dezember 2012, 3. Januar 2013, 14. Februar 2013, 20. Februar 2013 und 9. April 2013 monatlich ab November 2012 in Höhe von 443,32 EUR (Regelleistung Klägerin 6,26 EUR und KdU 367,65 EUR, Kläger KdU 69,41 EUR), ab Dezember 2012 in Höhe von 415,83 EUR (Klägerin KdU 344,57 EUR, Kläger KdU 71,26 EUR), ab Januar 2013 in Höhe von 224,80 EUR (Klägerin KdU 185,86 EUR, Kläger KdU 38,94).

Mit Schreiben vom 25. Juli 2013 hörte der Beklagte die Kläger zu einer teilweisen Aufhebung dieser Bescheide an. Der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen, wodurch seine Hilfebedürftigkeit entfalle.

Der Klägerbevollmächtigte erklärte, das Vermöge stehe dem Kläger erst ab seinem 25. Lebensjahr zur Verfügung. Dies hätten seine Eltern als gesetzliche Vertreter mit seiner Großmutter vereinbart.

Der Beklagte nahm mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 2. September 2013 die Entscheidungen vom 26. September 2011, 26. November 2011, 30. März 2012, 12. April 2012, 1. August 2012, 8. Oktober 2012, 24. November 2012, 11. Dezember 2012, 3. Januar 2013, 14. Februar 2013, 20. Februar 2013 und 9. April 2013 teilweise für den Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. Januar 2012 und 1. Mai 2012 bis 30. April 2013 in Höhe von 2.032,23 EUR zurück. Dabei ging er von fehlender Hilfebedürftigkeit des Klä-gers infolge seines Vermögens ab Mai 2012 aus. Für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 rechnete er die zugeflossenen Kapitalerträge als Einkommen an.

Zur Begründung des hiergegen erhobenen Widerspruchs verwies der Klägerbevoll-mächtigte auf seinen bisherigen Vortrag.

Mit Änderungsbescheid vom 24. Januar 2014 reduzierte der Beklagte den Erstattungs-betrag auf 1.785,04 EUR. Im Übrigen wies er den Widerspruch mit Widerspruchbescheid vom 4. Februar 2014 als unbegründet zurück. Ab Mai 2012 entfalle die Hilfebedürftig-keit des Klägers vollständig. Bei der Beantragung der Leistung sei dieses Vermögen in grob fahrlässiger Weise nicht angegeben worden. Für den Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. Januar 2012 ergebe sich infolge der Berücksichtigung von Kapitalerträgen in Höhe von 24 und 48 EUR ein höherer Leistungsanspruch der Klägerin von 1,38 EUR. Für die-sen Zeitraum würden die Leistungen endgültig festgesetzt.

Dagegen haben die Kläger am 28. Februar 2014 Klage zum Sozialgericht erhoben. Der Klägerbevollmächtigte ist der Ansicht, der Kläger könne nicht über das Guthaben des Sparkontos verfügen. Dem stehe die Vereinbarung seiner Eltern als seine gesetzliche Vertreter mit seiner Großmutter entgegen, welche eine Verwertung des Guthabens vor seinem 25. Lebensjahr ausschließe.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt,

den Bescheid vom 2. September 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf seinen Vortrag im Widerspruchverfahren.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2014 erklärt, das Sparkonto sei von ihren Eltern bei Geburt ihres Sohnes angelegt worden. Sie habe eine entsprechende Vollmacht erteilt. An eine schriftliche Vereinbarung mit ihrer Mutter könne sie sich nicht erinnern. Zunächst sagt sie aus, die Laufzeit habe bis zum 18. Le-bensjahr des Sohnes gehen sollen. Auf Vorhalt hat sie diese Aussage auf 25 Jahre korrigiert. Das Sparbuch habe sich über den gesamten Zeitraum bei der Mutter befunden. Vor ca. einem halben Jahr sei es wieder auf ihre Mutter übertragen worden.

Die Zeugin (Großmutter) hat in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2014 mitgeteilt, sie habe das Konto mit dem Zweck eröffnet, ihrem Enkel das Geld ab seinem 25. Lebensjahr zur Verfügung zu stellen. Dies habe sie so mit den Eltern besprochen und eine dementsprechende schriftliche Vereinbarung mit ihrer Tochter am 5. Dezember 2005 getroffen. Die Vereinbarung sei von ihr gemeinsam mit ihrem Mann formuliert worden und sollte dazu dienen "etwas schriftlich" zu haben. Die Laufzeit bis zum 25. Lebensjahr sei ihr von der Sparkasse auf Grund der guten Prämien empfohlen worden, daher würde eine vorherige Kündigung keinen Sinn machen. Zudem wolle sie nicht, dass ihr Enkel bereits in jungem Alter über das Geld verfügen kann, da er in diesem Alter noch nichts damit anfangen könne. Das Sparbuch verwahre sie von Anfang an und habe es auch nicht aus der Hand gegeben. Das Geld solle ihr Enkel nach ihrer Vorstellung für seinen Beruf, eine Wohnung oder den Führerschein ausgeben. Inzwischen sei das Sparkonto auf sie umgeschrieben, da es ja "ihr Geld" sei. Sie beabsichtige eine Vereinbarung mit ihrem Enkel bzw. ihrer Tochter zu treffen, dass ihr Enkel dieses Geld mit 25 Jahren bekomme.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Prozessakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Bescheid vom 2. September 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Januar 2014 in der Gestalt des Wider-spruchbescheides vom 4. Februar 2014 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Kläger verfügt nicht über verwertbares Vermögen und ist daher im Zeitraum 1. Mai 2012 bis 30. April 2013 hilfebedürftig. Hinsichtlich der endgültigen Festsetzung der Leistungshöhe für den Zeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. Januar 2012 ist der Bescheid vom 2. September 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2014 ebenfalls rechtswidrig, da der Kläger nicht über das Guthaben seines Sparkontos verfügen kann und daher der Zufluss der Kapitalerträge im Dezember 2011 und Januar 2012 ihm nicht zur Deckung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung steht.

1. Der Kläger verfügt nicht ab Mai 2012 über verwertbares Vermögen, welches zum Wegfall seiner Hilfebedürftigkeit führt.

Gem. § 40 Abs. 1 SGB II gilt für das Verfahren nach dem SGB II das Zehnte Buch So-zialgesetzbuch (SGB X).

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter Einschränkungen ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. (§ 45 Abs. 1 SGB X)

Gem. § 45 Abs. 2 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsak-tes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte jedoch gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässig-keit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Grob fahrlässig handelt, wer in besonders schwerem Maße die erforderliche Sorgfalts-pflicht verletzt, wer einfachste ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt, also nicht beachtet, was jedem einleuchtet.

Leistungen nach dem SGB II erhalten gem. § 7 SGB II erwerbsfähige hilfebedürftige Personen sowie Personen, die mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben.

Zur Bedarfsgemeinschaft gehören gem. § 7 Abs. 3 SGB II die erwerbsfähigen Leis-tungsberechtigten sowie die im Haushalt lebenden Kinder, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunter-halts nicht aus eigenem Einkommen/Vermögen beschaffen können.

Hilfebedürftig ist gem. § 9 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausrei-chend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Als Vermögen sind gem. § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen.

Vom Vermögen sind abzusetzen ein Grundfreibetrag in Höhe von 150 Euro je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partnerin oder Partner, mindestens aber jeweils 3 100 Euro; der Grundfreibetrag darf für jede volljährige Person und ihre Partnerin oder ihren Partner jeweils den nach Satz 2 maßgebenden Höchstbetrag nicht übersteigen. (§ 12 Abs. 2 SGB II)

Orientiert an diesen gesetzlichen Vorgaben verfügt der Kläger nicht über verwertbares Vermögen und ist folglich hilfebedürftig.

Vermögen im Sinne des SGB II ist all das, was der Leistungsberechtigte vor der An-tragstellung bereits hatte. Dieses Vermögen muss für ihn verwertbar sein, also für den Lebensunterhalt verwendet werden können. Eine solche Verwertbarkeit ist nur mög-lich, wenn der Leistungsberechtigte eine unbeschränkte Verfügungsmacht über den Vermögensgegenstand hat daran fehlt es hier.

a) Zwar war der Kläger bis Anfang des Jahres 2014 Kontoinhaber des Sparkonto Nr. x bei der Sparkasse.

Dem Beklagten ist insofern zuzustimmen, wenn er ausführt, die Frage nach der Gläubigerstellung sei eine zivilrechtliche Frage. Es trifft auch zu, dass nach bürgerlichem Recht für die Gläubigerstellung entscheidend ist, wer nach erkennbarem Willen des die Kontoeröffnung beantragenden Kunden Gläubiger der Bank werden soll.

Allerdings verkennt der Beklagte die zivilrechtliche und oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung. Diese besagt, dass bei Sparbüchern oder Konten, die von die von El-tern oder nahen Angehörigen auf den Namen eines Kindes angelegt und niemals aus der Hand gegeben werden, regelmäßig folgender Schluss zu ziehen sei: der Zuwendende wolle sich die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten und es sei deshalb nicht dem Kind zuzurechnen. Nur dann, wenn die Eltern oder nahen Angehörigen bei Volljährigkeit des Kindes diesem das Sparbuch zur Verfügung ge-stellt und es somit aus der Hand gegeben haben, ist das entsprechende Sparguthaben Vermögen des Kindes und nicht der Eltern oder nahen Angehörigen. (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 25.01.2011, 1 A 715/09, Rdnr. 11 nach juris; BGH, Urteil vom 18.01.2005, X ZR 264/02).

Im Übrigen lässt sich der Rechtsprechung der Rechtsprechung des BSG kein Rechts-grundsatz entnehmen, der Hilfebedürftige müsse sich am Rechtsschein der Kontoinha-berschaft festhalten, nicht entnehmen. (BSG, Urteil vom 24.05.2006, B 11a/AL 7/05 R m. w. N.)

Vorliegend hat die Großmutter des Klägers das Konto bei der Sparkasse eröffnet und seit der Geburt des Klägers jeden Monat diesem Konto 50 EUR gutgeschrieben. Das Spar-buch hat sie an sich genommen und seit dem nicht mehr herausgegeben. Ob sie wie vorgetragen, tatsächlich mit den Eltern eine schriftliche Vereinbarung getroffen hat, ließ sich nicht zweifelsfrei nachweisen, da sich die Klägerin zunächst nicht an eine solche erinnern konnte. Allerdings war der Mutter als gesetzliche Vertreterin des Klägers bewusst, dass das Guthaben erst ab einem gewissen Alter des Klägers zur Verfügung stehen soll. Nach den oben ausgeführten Grundsätzen der zivil- und oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist das Guthaben auf dem Sparkonto nicht dem Vermögen des Klägers zuzuordnen.

b) Der Kläger konnte auch im streitigen Zeitraum rechtlich nicht über das Guthaben auf dem Sparkonto verfügen.

Das Sparbuch befindet sich seit jeher im Besitz der Großmutter. Bei einem Sparbuch handelt es sich um ein Namenspapier mit Inhaberklausel, welches auch als qualifi-ziertes Legitimationspapier oder hinkendes Inhaberpapier bezeichnet wird. Die Urkunde hat Legitimationswirkung zu Gunsten des Ausstellers; dieser kann - anders als bei echten Namenspapieren - mit schuldbefreiender Wirkung an den Inhaber der Urkunde leisten, sofern er dessen Nichtberechtigung nicht kennt bzw. seine Unkenntnis nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht (vgl. HK-BGB Schulze, BGB, 7. Aufl. 2012, § 808 Rdz. 1). Berechtigter ist grundsätzlich, aber nicht zwangsläufig der Kontoinhaber. Denn möglich ist eine abweichende vertragliche Regelung, aber auch aus den Umständen des Einzelfalls - wie etwa aus den Besitzverhältnissen am Sparbuch - können sich Abweichungen ergeben (vgl. BGHZ 46, 199, 201; Buck-Heeb in Prütting/Wegen/Weinreich BGB Kommentar 5. Aufl. 2010, § 808 Rdz. 8).

Wie bereits zuvor dargestellt wird in der zivilrechtlichen und oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vertreten, bei Sparbüchern oder Konten, die von Großeltern als nahe Angehörige auf den Namen eines Kindes angelegt und niemals aus der Hand gegeben werden, den Schluss zu ziehen, dass sich der Zuwendende die Verfügung über das Sparguthaben vorbehalten will und es daher nicht dem Kind zuzurechnen sei. Daher könnte die Sparkasse mit befreiender Wirkung an die Großmutter der Klägers leisten. Somit ist diese die Verfügungsberechtigte über das Sparbuch und damit auch das Sparkonto.

Der Kläger kann die Herausgabe des Sparbuch auch nicht über die Grundsätze einer ungerechtfertigten Bereicherung von seiner Großmutter verlangen. Die Großmutter des Klägers hat nämlich in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2014 erklärt, das Sparkonto mit der Maßgabe eröffnet zu haben, dass ihr Enkelkind erst ab seinem 25. Lebensjahr über das Geld verfügen könne. Eine dementsprechende Vereinbarung habe sie mit den Eltern des Klägers als dessen gesetzliche Vertreter abgeschlossen. Die lange Laufzeit sei vereinbart worden, um Zinsvorteile zu erhalten. Sie habe sich vorgestellt, ihr Enkel werde das Geld mit 25. Jahren für seine Ausbildung, Wohnung, Führerschein etc. nutzen. Vorher sollte es ihm auf keinen Fall zur Verfügung stehen. Zum einen, weil er in jungem Alter noch nichts damit anfangen könnte, zum anderen um sich die Zinsvorteile zu sichern.

Damit ist die Eröffnung des Sparkontos durch die Großmutter als Schenkung unter Auflage zu werten. § 525 Abs. 1 BGB regelt hierzu: wer eine Schenkung unter einer Auflage macht, kann die Vollziehung der Auflage verlangen, wenn er seinerseits geleistet hat. Gem. § 527 Abs. 1 BGB kann der Schenker die Herausgabe des Geschenkes unter den für das Rücktrittsrecht bei gegenseitigen Verträgen bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit fordern, als das Geschenk zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen, wenn die Vollziehung der Auflage unterbleibt. Das Gericht ist hinsichtlich der Aussage der Zeugin in Bezug auf die Auflage der Schenkung von deren Glaubhaftigkeit überzeugt. Unerheblich ist dabei, ob es tatsächlich zu einer schriftlichen Vereinbarung zwischen der Großmutter und den Eltern als gesetzlichen Vertretern gekommen ist. Denn es reicht, wenn der Großmutter als Schenkerin und den gesetzlichen Vertretern des Beschenken eine tatsächliche Willensübereinstimmung über die verfolgte Auflage besteht. Hiervon ist das Gericht überzeugt, da der Klägerin nach ihrer glaubwürdigen Aussage zumindest klar war, dass das Guthaben auf dem Sparkonto ihrem Sohn erst ab einem gewissen Alter zur Verfügung stehen sollte. Unerheblich ist dabei, dass sich die Klägerin zunächst nicht genau an die vereinbarte Altersgrenze erinnern konnte, sondern zunächst vom 18. Lebensjahr des Klägers ausgegangen ist.

Dies bedeutet, die Großmutter darf die Herausgabe des Sparbuchs verweigern, wenn die Schenkung nicht dem von ihr zugedachten Zweck entspricht. Ebenso dürfte sie dann gegebenenfalls die Schenkung vollständig zurückfordern. Die Verwertung des Sparguthabens vor dem 25. Lebensjahr zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit entspricht folglich nicht dem Zweck dieser Schenkung. (vgl. LSG Bremen, Urteil vom 23. April 2012, L 9 AS 695/08, nach juris)

c) Daher ist nicht von einer Verwertbarkeit des sich auf dem Sparkonto befindlichen Geldwertes auszugehen. Der Kläger war auch im Zeitraum ab Mai 2012 bis April 2013 hilfebedürftig. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der entsprechenden Bewilli-gungsbescheide gem. § 45 SGB X liegen somit nicht vor. Folglich ist der Bescheid vom 2. September 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 24. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 4. Februar 2014 rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

2. Die diesem Sparkonto am 30. Dezember 2011 und 2. Januar 2012 zugeflossenen Kapitalerträge sind im Bedarfszeitraum 1. Dezember 2011 bis 31. Januar 2012 nicht als Einkommen des Klägers im Sinne des § 11 SGB II zu werten.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüg-lich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird. ( § 11 Abs. 1 SGB II)

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist Einkommen grundsätzlich all das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen all das, was er in der Bedarfszeit bereits hat. In diesem Sinne hat das BSG entschieden, dass Zins-gutschriften und Kapitalerträge aus Sparguthaben grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen sind. (vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 57/07 R, nach juris)

Allerdings ist alles, was dem Sparkonto des Klägers zufließt, aus den zuvor ausgeführ-ten Gründen für diesen nicht verwertbar. Er kann nicht darüber verfügen und dieses Einkommen nicht zur Deckung seines Bedarfes einsetzen. Erst ab seinem 25. Lebens-jahr hat er Zugriff auf das Guthaben seines Sparkontos. Dies steht einer Anrechnung dieser Beträge als Einkommen entgegen. Zuflüsse ist Geldwert müssen nämlich dem Sinn und Zweck von § 11 SGB II entsprechend geeignet sein, die aktuelle Hilfebedürf-tigkeit zu beseitigen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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