L 5 KA 76/13 WA

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 KA 76/13 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Von den Kosten beider Rechtszüge trägt die Klägerin ¾ und die Beklagte trägt ¼. 3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch, ob die Klägerin ein höheres vertragsärztliches Honorar für die Quartale III/2004 bis I/2005 verlangen kann, weil die festgelegten praxisbezogenen Regelleistungsvolumina (pRVV) es ihr nicht ermöglichten, mit ihrer Praxis bis zum Fachgruppendurchschnitt zu wachsen.

Die Klägerin ist Fachärztin für Chirurgie und war seit 1994 und auch im streitgegenständlichen Zeitraum in H. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. 1996 gründete sie ihre Praxis am E. in H. neu. Die Fallzahlen ihrer Praxis entwickelten sich seit dem Quartal III/2003 wie folgt: Quartal III/2003 IV/2003 I/2004 II/2004 III/2004 IV/2004 I/2005 II/2005 Fallzahl Klägerin 648 480 444 426 538 500 503 427 Basisfallzahl Fachgruppe 987 922 977 998 981 922 977 879

Ausweislich des Honorarbescheides vom 23. Februar 2005 für das Quartal III/2004 honorierte die Beklagte die Leistungen der Klägerin mit 540.170 abzurechnenden Punkten und einem durchschnittlichen arztindividuellen Punktwert von 4,64 Euro-Cent. Bei einem Umsatz von 25.140,29 Euro betrug das Honorar 25.352,07 Euro. Dem lagen ein Fallwert von 46,73 Euro, eine Fallzahl von 538 und ein Leistungsbedarf in Punkten von 542.277,8 zu Grunde. Das praxisbezogene Regelversorgungsvolumen betrug 604.504 Punkte gegenüber einem arztgruppendurchschnittlichen Regelversorgungsvolumen (aRVV) von 961.908,5 Punkten. Nach dem Honorarbescheid vom 24. Mai 2005 für das Quartal IV/2004 honorierte die Beklagte die Leistungen der Klägerin mit 652.483,2 abzurechnenden Punkten und einem durchschnittlichen arztindividuellen Punktwert von 4,40 Euro-Cent. Das Honorar betrug 29.503,31 Euro und der Umsatz 28.827,63 Euro. Der Fallwert betrug 57,66 Euro, die Fallzahl 500 und der Leistungsbedarf in Punkten 655.111,8. Das pRVV betrug 674.889,2 Punkte bei einem aRVV von 1.031.625,0 Punkten. Mit Honorarbescheid vom 22. August 2005 für das Quartal I/2005 honorierte die Beklagte die Leistungen der Klägerin mit 459.850,8 abzurechnenden Punkten und einem arztindividuellen Punktwert von 5,01 Euro-Cent. Das Honorar betrug 23.479,44 Euro, der Umsatz 23.168,37 Euro. Der Fallwert betrug 46,06 Euro, die Fallzahl 503 und der Leistungsbedarf in Punkten 462.228,8. Das pRVV betrug 452.803,3 Punkte; das aRVV belief sich auf 858.989,5 Punkte. Mit Honorarabrechnungen vom 12. August 2005 bzw. 1. September 2005 berichtigte die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale IV/2004 und I/2005. Da es sich bei der Klägerin um eine "Kleine Praxis" i.S. des Honorarverteilungsmaßstabes vom 14. Dezember 1995 (HVM) Anlage B Punkt 4c) handele, die mit dem pRVV unter dem aRVV liege, sei ein Zuwachs bis zu 10% je Vorjahresquartal möglich. Unter Berücksichtigung des Vorjahresquartals statt des Basisquartals erhöhte die Beklagte das pRVV der Klägerin und erteilte ihr Gutschriften in Höhe von 629,64 Euro bzw. 1.684,43 Euro. Mit Honorarbescheid vom 7. Dezember 2005 für das Quartal II/2005 honorierte die Beklagte die Leistungen der Klägerin mit 410.853,8 abzurechnenden Punkten und einem arztindividuellen Punktwert von 4,85 Euro-Cent. Das Honorar betrug 20.475.91 Euro, der Umsatz 20.228,10 Euro. Der Fallwert betrug 47,37 Euro, die Fallzahl 427 und der Leistungsbedarf in Punkten 416.993,3. Das pRVV betrug 398.549,8 Punkte; das aRVV belief sich auf 693.807,7 Punkte.

Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin vom 24. März 2005, 26. Mai 2005, 30. August 2005 und 13. Dezember 2005 gegen die Honorarbescheide und die Berichtigungsbescheide, mit denen diese sich insbesondere gegen die Höhe der zur Verfügung gestellten Regelversorgungsvolumina wandte, durch Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2006 zurück. Die Honorarabrechnung sei nach den gültigen Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) und des HVM durchgeführt worden, die jeweils ordnungsgemäß zustande gekommen und verbindlich seien. Es bestehe kein Anspruch auf Erhöhung der pRVV ab dem Quartal III/2004. Mit teilweisen Neuberechnungen habe man der Anforderung, kleinen Praxen einen Zuwachs zu ermöglichen, hinreichend Rechnung getragen. Die Klägerin könne nicht verlangen, von jeder Honorarbegrenzung verschont zu werden. Zudem habe sie ständig sinkende Fallzahlen abgerechnet.

Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 7. Februar 2006 Klage erhoben und mit ihr insbesondere eine Erhöhung des jeweiligen Regelversorgungsvolumens für die Quartale III/2004 bis II/2005 begehrt. Zur Begründung hat sie unter anderem vorgetragen, ihre Praxis müsse ebenso behandelt werden wie eine neugegründete Praxis, die innerhalb von fünf Jahren das aRVV ohne weitere Einschränkungen erreichen könne. Wegen ihres besonderen Versorgungsschwerpunktes (überwiegend behandlungsintensive orthopädisch gelagerte Fälle) sei ihr eine ungebremste Fallzahlsteigerung nicht möglich. Eine unterdurchschnittlich abrechnende Praxis könne bei den im HVM vorgesehenen zehnprozentigen Steigerungsraten in fünf Jahren die durchschnittliche Fallzahl regelmäßig nicht erreichen.

Die Beklagte hat eingewandt, der angewandte Honorarverteilungsmaßstab berücksichtige eine Fallzahlsteigerung von 10% honorarerhöhend, bis das fachgruppendurchschnittliche Punktzahlvolumen erreicht werde. Diese Möglichkeit habe die Klägerin mangels Fallzahlsteigerung aber nicht genutzt, auch die Regelung für Neugründungen sähen nicht vor, dass der Fallwert frei variiert werden könne.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 15. Juli 2009 haben die Beteiligten einen Teilvergleich geschlossen, der die Beklagte verpflichtet hat, der Klägerin für das Quartal I/2005 weitere 1.000 Euro zu zahlen, wobei sich beide Seiten einig gewesen sind, dass damit der Klägerin für jedes der streitgegenständlichen Quartale ein Zusatzvolumen entsprechend den Vorgaben des HVM gewährt worden ist.

Das Sozialgericht hat die Klage im Übrigen durch Urteil vom 15. Juli 2009 abgewiesen. Die Beklagte habe (nach Abschluss des Teilvergleichs) die nach Ziff. 4 Buchstabe c) der Anlage B des hier anwendbaren HVM vorgesehene Sonderregelung für kleine Praxen beachtet und die Zusatzvolumina in den Quartalen, in denen es Fallzahlsteigerungen gegeben habe, richtig berechnet. Darüber hinaus könne die Klägerin keine weitere Erhöhung ihres Praxisbudgets verlangen. Die in dem HVM vorgesehene Wachstumsmöglichkeit für kleine Praxen sei mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit vereinbar. Die Begrenzung der Zuwachsvolumina auf 10% des pRVV begegne keinen Bedenken, eine Aufhebung der Deckelung würde sich auch nur auf ein Quartal der Klägerin auswirken. Eine Umsatzausweitung müsse der Klägerin nicht durch eine Erhöhung des Fallwertes ermöglicht werden.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 30. Juli 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. August 2009 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Honorarverteilungsregelungen der Beklagten seien rechtswidrig, da die hier gewählte Sonderregelung für kleine Praxen gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoße. Denn eine kleine Praxis wie ihre könne ausgehend von den streitigen Quartalen bei einer möglichen Erhöhung ihres pRVV um lediglich 10% pro Quartal das aRVV nicht erreichen. Die Beklagte hätte ihr eine effektive Methode zur Verfügung stellen müssen, den Fachgruppendurchschnitt zu erreichen. Ihr seien stattdessen erwirtschaftete Leistungen in Höhe von 43.000 Euro gekürzt worden, ohne dass sie in den nächsten fünf Jahren eine ausreichend kostendeckende Kombination von Fallzahl und Fallwert habe erreichen können. Ihr Leistungsspektrum unterscheide sich deutlich von dem der Fachgruppe. Die Fachbereiche "Chirurgie" und "Orthopädie" überschnitten sich, sie behandle im Wesentlichen orthopädische Fälle, die traditionell wegen des konservativen Umfangs der Behandlungsleistungen einen höheren Fallwert hätten. Honorarverteilungsmaßstäbe, die unter Heranziehung früherer Zeiträume das Honorarvolumen aktueller oder künftiger Quartale begrenzten, seien rechtswidrig, das gelte nach der neueren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch für die hier streitigen Quartale. Der Fehler in der Abrechnungssystematik der Beklagten liege darin, dass sie ihr einen zeitlichen Korridor, der es kleinen Praxen ermögliche, den Fachgruppendurchschnitt in spätestens fünf Jahren erreichen zu können, nie eröffnet habe. Deshalb sei es immer wieder zu unberechtigten Kürzungen gekommen. Auch das Bundessozialgericht habe mittlerweile entschieden, dass der hier angewandte Honorarverteilungsmaßstab rechtswidrig sei.

Die Klägerin hat ein in der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2014 von der Beklagten abgegebenes Anerkenntnis über die Neubescheidung des Honoraranspruchs der Klägerin für das Quartal II/2005 angenommen und beantragt darüber hinaus,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 15. Juli 2009 und die Honorarbescheide vom 23. Februar 2005, 24. Mai 2005 und 22. August 2005 sowie die Berichtigungsbescheide vom 12. August 2005 und 1. September 2005, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2006 und in der durch den am 15. Juli 2009 abgeschlossenen Teilvergleich erhaltenen Form, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über ihre – der Klägerin –Honoraransprüche für die Quartale III/2004 bis I/2005 zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Berufung für unbegründet. Es sei fraglich, ob die Klägerin überhaupt in den Schutzbereich der sogenannten "unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen" falle. Denn in Relation zu ihrer Fallzahl sei das von der Klägerin erwirtschaftete Gesamtpunktzahlvolumen nicht unterdurchschnittlich. Im Gegenteil seien das der Klägerin pro Patient zur Verfügung gestellte Punktzahlvolumen wie auch der Behandlungsumfang pro Patient weit überdurchschnittlich. Die klägerische Praxis weise eine stetig rückläufige Fallzahl- und Umsatzentwicklung auf, während der Fallwert regelmäßig weit über dem Durchschnitt der Fachgruppe liege. Da die Klägerin ihre Fall- bzw. Patientenzahl nicht habe steigern können, komme ihr die Sonderregelung für kleine Praxen in Ziff. 4 c) der Anlage B zu dem HVM nicht zu Gute. Es sei ausreichend, unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen eine Wachstumsmöglichkeit über Fallzahlerhöhungen zur Verfügung zu stellen. Auf die abstrakte Frage, wie sich die hier vorgesehene Regelung auf eine Fallzahlsteigerung der Klägerin ausgewirkt hätte, komme es nicht an, da die Klägerin nur sinkenden Umsätze erzielt habe. Die Klägerin habe auf die begehrte Steigerung des Praxisumsatzes durch Erhöhung des Fallwertes keinen Anspruch. Wer eine unterdurchschnittlich große Praxis mit einem geringen Individualbudget übernehme, müsse die Konsequenzen tragen oder hätte anders planen müssen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 6. Februar 2013 (Aktenzeichen: B 6 KA 13/12 R) habe für Quartale vor dem Quartal II/2005 keine Bedeutung.

Der Senat hat am 3. Dezember 2014 über die Berufung mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung erweist sich als unbegründet, da das Sozialgericht die Klage, soweit der Rechtsstreit nach Teilanerkenntnis der Beklagten nicht in der Hauptsache erledigt ist, zu Recht abgewiesen hat. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten – soweit sie sich noch im Streit befinden - sind rechtmäßig, der Klägerin steht kein Anspruch auf Neubescheidung ihrer Honorarabrechnungen für die Quartale III/2004 bis I/2005 zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus einer etwa unzutreffenden Anwendung des HVM (1.). Die Honorarverteilungsvereinbarung war auch nicht wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig (2.), und der von der Klägerin angeführte Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit als Inhaberin einer kleinen Praxis lässt sich nicht feststellen (3.).

1. Dass die Beklagte zu Ungunsten der Klägerin – abgesehen von den inzwischen erfolgten Berichtigungen – von den seinerzeit einschlägigen Honorarverteilungsmaßstäben abgewichen wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Einschlägig war insoweit der (noch in Satzungsform ergangene) Honorarverteilungsmaßstab vom 14. Dezember 1995 - für das Quartal III/2004 in der Fassung vom 25. September 2003, der gem. § 2 der (nunmehr in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgten) Honorarverteilungsvereinbarung vom 30. April 2004 weiter Anwendung fand, - für das Quartal IV/2004 in der Fassung vom 30. April 2004, der gem. § 2 der Honorarverteilungsvereinbarung vom 27. Juli 2004 weiter anwendbar war und - für das Quartal I/2005 ebenfalls in der Fassung vom 30. April 2004, der gem. § 2 der Honorarverteilungsvereinbarung vom 15. Dezember 2004 zur Anwendung kam.

2. Der geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung ergibt sich auch nicht daraus, dass der in den streitigen Quartalen anzuwendende HVM gegen höherrangiges Recht – hier: gegen die Vorgaben aus § 85 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des GKV- Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003, BGBl. I 2190 (a.F.) – verstoßen hat. Zwar lag ein solcher Verstoß vor, jedoch führte er nicht zur Nichtigkeit der Vereinbarung.

Die in den streitigen Quartalen gültigen Honorarverteilungsvereinbarungen waren ihrer Rechtsnatur nach öffentlich-rechtliche Normsetzungsverträge (vgl. allgemein zur Qualifikation von Honorarverteilungsvereinbarungen: Clemens in: Laufs, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl., 2010, § 34 Rn. 13). Zwar entstammten die einschlägigen Verteilungsmaßstäbe noch der in Satzungsform ergangenen Vorgängervorschrift, sie galten jedoch nur kraft ausdrücklicher Anordnung in dem bereits – wie gesetzlich vorgesehen – vereinbarten Honorarverteilungsmaßstab.

Die Honorarverteilungsvereinbarungen vom 30. April 2004, 27. Juli 2004 und 15. Dezember 2004 waren nicht wegen eines Verstoßes gegen § 85 Abs. 4 SGB V a.F. nichtig. Nach § 58 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehnten Buch (SGB X) ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergibt. Da für die Honorarvertei-lungsvereinbarungen dieselben rechtlichen Maßstäbe zu gelten hatten wie für die in Sat-zungsform ergangenen Honorarverteilungsmaßstäbe, an deren Stelle besagte Vereinba-rungen vorübergehend getreten waren, ergibt sich der Prüfungsmaßstab insoweit aus § 134 BGB in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften des SGB V (vgl. Clemens, a.a.O., Rn. 15 f.). Der vor dem 1. August 2014 für das Vertragsarztrecht zuständige 1. Senat des Landesso-zialgerichts Hamburg hat bereits entschieden, dass die in den Quartalen III/2004 bis I/2005 gültigen Honorarverteilungsmaßstäbe nicht den gesetzlichen Vorgaben aus § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V a.F. entsprochen haben (LSG Hamburg, Urteil vom 26. Januar 2012, L 1 KA 22/09, S. 17 des Umdrucks). Der erkennende Senat schließt sich diesem Ergebnis nach eigener Prüfung an. Dennoch haben die Partner der oben genannten Honorarverteilungsvereinbarungen nicht im Sinne von § 134 BGB gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Zwar genügt im Rahmen der Vorschrift, wenn der Tatbestand des Verbotsgesetzes objektiv erfüllt ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 25. März 1993 – IX ZR 192/92, BGHZ 122, 115), jedoch war es der Beklagten und den anderen Partnern der Honorarverteilungsvereinbarung bereits rein objektiv nicht möglich, in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben aus § 85 Abs. 4 Satz 7 und 8 SGB V zu handeln, da die hierfür zwingend erforderlichen Vorgaben des Bewertungsausschusses nicht vorlagen (im Ergebnis ähnlich für frühere Quartale: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Mai 2011, L 7 KA 6/07, juris, Rn. 25). Es fehlte mithin an einem Verbotsgesetz, denn ein solches betrifft Rechtsgeschäfte, die der Betroffene vornehmen kann, aber nicht vornehmen darf (Ellenberger in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 134 Rn. 5). Die Beklagte konnte zum damaligen Zeitpunkt keine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Honorarverteilung vereinbaren. Die Neufassung von § 85 Abs. 4 SGB V war seinerzeit zum 1. Januar 2004 in Kraft getre-ten. Eine Übergangsregelung, die auch das streitige Quartal erfasst hätte, sah das GKV-Modernisierungsgesetz nicht vor. Es gab jedoch dem Bewertungsausschuss (§ 87 SGB V) durch Neufassung von § 84 Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V auf, erstmalig bis zum 29. Februar 2004 den Inhalt der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V a.F. zu treffenden Regelungen zu bestimmen. Der Bewertungsausschuss kam diesem Auftrag allerdings wegen der aus seiner Sicht erforderlichen Harmonisierung mit dem letztendlich am 1. April 2005 in Kraft getretenen Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) 2000plus zunächst nicht nach. Regelungen für die Bildung der gesetzlich vorgeschriebenen Regelleistungsvolumina enthielt erstmals sein Beschluss vom 29. Oktober 2004 (dort Ziffer III); in Ziffer II des Beschlusses empfahl der Bewertungsausschuss den Partnern der Honorarverteilungsverträge, die bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Honorarverteilungsverträge noch für die Zeit bis zum 31. März 2005 anzuwenden. Für die übrigen Quartale des Jahres 2005 beschloss der Bewertungsausschuss in Ziffer III 2.2. des genannten Beschlusses, dass Steuerungsinstrumente, die in einer Kassenärztlichen Vereinigung zum 31. März 2005 bereits vorhanden und die in ihren Auswirkungen mit der gesetzlichen Regelung in § 85 Abs. 4 SGB V a.F. vergleichbar waren, bis zum 31. Dezember 2005 fortgeführt werden konnten, wenn die Verbände der Krankenkassen auf Landesebene das Einvernehmen hiermit herstellten. Andernfalls (d.h. wenn kein Einvernehmen hergestellt wurde oder derartige Steuerungselemente nicht vorhanden waren) sah der Beschluss die Anwendung von Regelleistungsvolumina entsprechend seinen näheren Bestimmungen bereits mit Wirkung zum 1. April 2005 vor (a.a.O.). Angesichts des geschilderten zeitlichen Ablaufs blieb somit der Beklagten und den übrigen Partnern der Honorarverteilungsverträge in der Zeit vor dem 1. April 2005 keine Möglichkeit, die gesetzlichen Vorgaben in § 85 Abs. 4 SGB V a.F. einzuhalten. In der Zeit vor dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 waren die Partner der Honorarverteilungsverträge nicht in der Lage, Honorarverteilungsmaßstäbe zu vereinbaren, die den Anforderungen aus § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V a.F. entsprachen. Zwar hätten die Partner der Honorarverteilungsverträge auch ohne Vorliegen der in § 85 Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V a.F. genannten Regelungen möglicherweise Vereinbarungen treffen können, die der (final konstruierten) Vorschrift des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V a.F. Rechnung getragen hätten. Wenn das Gesetz jedoch zugleich in § 85 Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V a.F. dem Bewertungsausschuss die Aufgabe übertrug, "den Inhalt" der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V a.F. zu treffenden Regelungen zu bestimmen, so entfaltete dies eine Sperrwirkung gegenüber den Partnern der einzelnen Honorarverteilungsverträge. Der Gesetzgeber hat die genannten Kompetenzen deswegen dem Bewertungsausschuss übertragen, weil er sicherstellen wollte, dass die von der Selbstverwaltung der Ärzte und der Krankenkassen auf der Bundesebene und auf der Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen getroffenen Regelungen zur Honorarverteilung kompatibel waren (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 8. September 2003, BT-Drs. 15/1525 S. 101, zu Art. 1 Nr. 64 Buchstabe i Doppelbuchstabe aa). Auch in der Zeit zwischen dem 29. Oktober 2004 (Beschluss des Bewertungsausschusses) und dem 1. April 2005 (Inkrafttreten des EBM 2000plus) konnten keine Honorarver-teilungsverträge geschlossen werden, die den inhaltlichen Vorgaben des Beschlusses – ungeachtet seiner beiden Übergangsregelungen – hinreichend Rechnung getragen hätten, denn die Vorgaben, die der Bewertungsausschuss hinsichtlich des Inhalts der nach § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7 und 8 SGB V a.F. zu treffenden Regelungen gemacht hatte, nahmen ausdrücklich auf den seinerzeit noch nicht in Kraft befindlichen EBM 2000plus Bezug. War es somit den Partnern der Honorarverteilungsverträge nicht möglich, sich gesetzeskonform zu verhalten, so kommt es nicht mehr darauf an, ob die in den Beschlüssen der 88. und 89 Sitzung des Bewertungsausschusses jeweils enthaltenen Empfehlungen für das Quartal III/2004 bzw. die "erste Übergangsphase" (Quartale IV/2004 und I/2005) von der Ermächtigung des § 85 Abs. 4a Satz 1 letzter Halbsatz SGB V a.F. gedeckt waren. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die angefochtenen Honorarbescheide vom 23. Februar, 24. Mai 2005 und 22. August 2005 und somit aus der Zeit nach Bekanntmachung des Beschlusses vom 29. Oktober 2004 und die beiden letzteren auch nach Inkrafttreten des EBM 2000plus datieren. Einer "rückblickenden" Honorarfestsetzung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Voraussetzungen für ein gesetzeskonformes Handeln steht der Zweck der Neuregelung entgegen. Die in § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V a.F. zwingend vorgeschriebene Festlegung von Regelleistungsvolumina diente vor allem der Kalkulationssicherheit auf Seiten der Vertragsärzte, die (anhand der im EBM festgeschriebenen Punktzahl) Praxisumsatz und Praxiseinkommen abschätzen konnten (Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 8. September 2003, BT-Drs. 15/1525 S. 101, zu Art. 1 Nr. 64 Buchstabe h Doppelbuchstabe cc). Dass ab der Obergrenze des Regelleistungsvolumens nur noch mit abgestaffelten Punktwerten vergütet werden sollte, trug der Kostendegression bei steigender Leistungsmenge Rechnung und sollte den ökonomischen Anreiz zur übermäßigen Mengenausweitung begrenzen (a.a.O.). Beide Gesichtspunkte – Kalkulationssicherheit und Verhaltenssteuerung – kommen jedoch bei einer rein rückblickenden Rechtsanwendung nicht zum Tragen. Vor Inkrafttreten des EBM 2000plus hatte der Vertragsarzt auch in Kenntnis des Beschlusses vom 29. Oktober 2004 keine hinreichende Kalkulationssicherheit und auch ein Anreiz zu einer übermäßigen Leistungsausweitung lässt sich nicht für die Vergangenheit begrenzen.

3. Entscheidungserheblich bleibt damit noch, ob die Honorarverteilungsregelungen deshalb gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verstoßen und damit rechtwidrig sind, da sie unterdurchschnittlich kleinen Praxen, wie der der Klägerin, keine ausreichende Möglichkeit bieten, den Durchschnitt der Fachgruppe zu erreichen. Ein solcher Verstoß lässt sich im Streitfall nicht feststellen.

a) Der HVM in den hier maßgeblichen Fassungen sieht jeweils in § 8 Abs. 3 Satz 1 zur Verhütung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes (vgl. § 85 Abs. 4 SGB V a.F.) vor, dass die Abrechnung des Arztes insgesamt, für einzelne Leistungen oder für bestimmte Leistungsgruppen begrenzt werden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind die Begrenzungsregelungen Bestandteil des HVM. Diese Begrenzungsregelungen enthält die Anlage B zum HVM ("Vergütung nach praxisbezogenen Regelversorgungsvolumina"). Sie lauten – soweit hier von Interesse – wie folgt:

"Allgemeines Die Abrechnung der im EBM enthaltenen ärztlichen Leistungen wird je Kassengruppe und Quartal durch praxisbezogene Regelversorgungsvolumina (pRVV) begrenzt. Grundlage der pRVV ist der anerkannte Leistungsbedarf in Punkten des jeweiligen Vergleichsquartals aus dem Zeitraum 3. Quartal 2002 bis 2. Quartal 2003. Nachträgliche rechtskräftige Änderungen des anerkannten Leistungsbedarfes in den Vergleichsquartalen führen von Amts wegen zu einer Anpassung der pRVV. 1. Anpassung des Leistungsbedarfs an die Gesamtvergütungen Der nach § 12 Abs. 3 bzw. § 13 Abs. 2 in die gruppenspezifischen Honorarkontingente unterteilte Teil der für den Abrechnungszeitraum je Kassengruppe erwarteten Gesamtvergütung wird durch 4,65 Euro-Cent geteilt und ergibt so das arzt- und kassengruppenspezifische Gesamtpunktzahlvolumen. Diesem Gesamtpunktzahlvolumen wird der aus dem Gruppenkontingent zu finanzierende anerkannte Leistungsbedarf des Vergleichsquartals gegenübergestellt. Die Relation dieser Werte zueinander ergibt die für alle Praxen der Arztgruppe anzuwendende Veränderungsrate.

2. Berechnung des praxisbezogenen Regelbedarfsvolumens Der anerkannte Leistungsbedarf je Gruppenkontingent und Kassengruppe der Quartale 3/02 bis 2/03 wird für jede Praxis berechnet, , und mit der nach Ziff. 1 errechneten Veränderungsrate korreliert. Das daraus errechnete Punktzahlvolumen ist das pRVV. Daneben wird die entsprechende Fallzahl der Vergleichsquartale festgestellt. Unterschreitet die Fallzahl im Abrechnungsquartal die Fallzahl des entsprechenden Vergleichsquartals um mehr als 20 %, wird das pRVV um jeden vollen Prozentpunkt zusätzlicher Unterschreitung um 1,25 % gekürzt. Über das pRVV hinausgehender Leistungsbedarf wird nicht gesondert vergütet.

3 4. Sonderregelungen im Einzelfall c) Kleine Praxen Praxen, deren Summe der pRVV kleiner als das aRVV ist, erhalten quartalsweise fallbezogene Zusatzvolumina. Das fallbezogene Zusatzvolumen errechnet sich aus der Multiplikation des pRVV-relevanten Fallwertes mit der Fallzahldifferenz zwischen dem Abrechnungsquartal und dem entsprechenden Quartal des Vorjahres. Das Zusatzvolumen wird auf 10 % der Summe der pRVV begrenzt und höchstens bis zum Umfang des aRVV gewährt." f) Härtefallregelung

Der Vorstand kann auf Antrag in besonderen Ausnahmefällen das pRVV abweichend von den vorstehenden Bestimmungen der Anlage B HVM festlegen, -wenn die vorgegebene Berechnung insbesondere wegen nach § 32 Ärzte- ZV angezeigten Abwesenheiten von der Praxis von mehr als 4 Wochen in einem Quartal des Vergleichszeitraumes zu einer unbilligen Härte führen würde -um die vertragsärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 SGB V bezeichneten Umfang sicherzustellen. In diesem Fall soll die Auswirkung der nach Anpassung verbleibenden Leistungsmengenbegrenzung der Auswirkungen der Arztgruppe entsprechen. Für die Entscheidung sind die Auswirkungen auf die von den übrigen Ärzten der Honorarkontingentgruppe geleistete Sicherstellung mit zu berücksichtigen."

Rechtsgrundlage für Regelungen über Honorarbegrenzungen durch sogenannte individuelle Leistungsbudgets ist § 85 Abs. 4 Satz 1 bis 3 SGB V a.F. Danach haben die Kassenärztliche Vereinigungen (KÄVen) die Gesamtvergütung nach Maßgabe des HVM an die Vertragsärzte zu verteilen; bei der Verteilung sind Art und Umfang der Leistungen der Vertragsärzte zu Grunde zu legen. Bei der Ausgestaltung des HVM haben die KÄVen einen Gestaltungsspielraum (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 44/03 R, SozR 4-2500 § 72 Nr. 2). Diese Gestaltungsfreiheit geht typischerweise mit Rechtssetzungsakten einher und wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die jeweilige Gestaltung in Anbetracht des Zwecks der konkreten Ermächtigung unvertretbar oder unverhältnismäßig ist (BSG, Urteil vom 29. August 2007 – B 6 KA 43/06 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 40). Der HVM muss jedoch mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehen und insbesondere das in § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V a.F. angesprochene Gebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars (vgl. Bundesverfassungsgericht, Entscheidungen vom 10. Mai 1972 – 1 BvR 286/65, 1 BvR 293/65, 1 BvR 295/65, BVerfGE 33, 171) sowie den aus Art. 12 Abs.1 i.V.m. Art 3 Abs. 1 Grundgesetz herzuleitenden Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit beachten (BSG, Urteil vom 28. November 2007 – B 6 KA 23/07 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 36).

b) Arzt- bzw. praxisbezogene ("individuelle") Honorarbegrenzungsregelungen können – insbesondere wenn der Bemessungszeitraum an die Umsätze früherer Abrechnungszeiträume anknüpft – eine nicht hinnehmbare Benachteiligung von Praxen mit (bislang) unterdurchschnittlichem Umsatz zur Folge haben. Das Bundessozialgericht hat deshalb wiederholt klargestellt, dass umsatzmäßig unterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssen, den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe zu erreichen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, SozR 4-2500 § 87b Nr. 2; BSG, Urteil vom 5. Juni 2013 – B 6 KA 32/12 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 76). Dem Vertragsarzt muss die Chance bleiben, durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch eine bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen und so seine Position im Wettbewerb mit den Berufskollegen zu verbessern (BSG, Urteil vom 10. März 2004 – B 6 KA 3/03 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 9).

Für diesen Wachstumsanspruch reicht es nicht aus, dass der Vertragsarzt den Fachgruppendurchschnitt in beliebiger Weise ("irgendwie und irgendwann") erreichen kann, ihm muss es vielmehr möglich sein, die Steigerung bis zum Durchschnitt "in effektiver Weise" und in "realistischer Weise" zu erreichen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juli 2013 – B 6 KA 44/12 R, SozR 4-2500 § 87b Nr. 2). Dies erfordert allerdings nicht die Möglichkeit kontinuierlicher Steigerung, sondern es kommt lediglich auf das Ergebnis – die Möglichkeit, den Durchschnittsumsatz zu erreichen – an. Praxen mit unterdurchschnittlichem Umsatz müssen nicht von jeder Begrenzung des Honorarwachstums verschont werden (vgl. BSG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – B 6 KA 54/02 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 5, BSGE 92, 10). Ein Anspruch darauf, dass die Gesamtzahl der in einem Quartal behandelten Fälle jeweils sogleich dem pRVV für dieses Quartal zugrunde gelegt wird, besteht nicht. Bestimmungen, die ein Honorarwachstum innerhalb eines gewissen Zeitraums unterbinden, sind nicht ausgeschlossen. Der Inhaber einer unterdurchschnittlich abrechnenden Praxis kann auch nicht beanspruchen, dass seine Honorare solange ungekürzt ausgezahlt werden bis der Fachgruppendurchschnitt erreicht ist.

c) Legt man diesen Maßstab zugrunde, ist die in Anlage B Ziff. 4 Buchstabe c zu dem HVM getroffene Regelung nicht zu beanstanden. Die Bestimmung, dass fallbezogene Zusatzvolumen sich aus der Multiplikation des pRVV-relevanten Fallwertes mit der Fallzahldifferenz zwischen dem Abrechnungsquartal und dem entsprechenden Quartal des Vorjahres errechnen, hält sich ebenso in dem beschriebenen zulässigen Rahmen wie die vorgesehene Begrenzung des Zusatzvolumens auf 10 % der Summe des pRVV pro Quartal.

aa) Eine unbeschränkte Möglichkeit der Honorarsteigerung für unterdurchschnittliche Arztpraxen muss ein HVM nicht vorsehen (vgl. Clemens, a.a.O., § 34 Rn. 71). Die vorgesehene Wachstumsmöglichkeit einer "kleinen Praxis" darf sich auf eine Erhöhung der Fallzahl beschränken, also auf eine Steigerung der Zahl der von dem Vertragsarzt behandelten Patienten. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 19. Juli 2006 – B 6 KA 1/06 B, juris). Soweit das Bundessozialgericht zuletzt offen gelassen hat, ob eine Steigerung ggf. auch durch eine Fallwertsteigerung ermöglicht werden kann oder muss (BSG, Urteil vom 28. Januar 2009 - B 6 KA 5/08 R, BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 45) liegt ein Sonderfall, für den dies diskutiert werden könnte (Veränderung in der Morbidität des behandelten Patientenstammes oder eine Veränderung der Behandlungsausrichtung (Anpassung der Behandlungen an den medizinischen Standard z. B. durch Anschaffung teurer medizinischer Apparate)) im Streitfall nicht vor. Die genannten Sonderfälle rechtfertigen auch eher Ausnahmeregelungen unter Härtefall- oder Sicherstellungsgesichtspunkten (vgl. Engelhard, in: Hauck/Noftz,SGB V, Stand 05/2014, § 85 Rn. 256f). Zudem besteht auch nach der Entscheidung des BSG vom 28. Januar 2009 (a.a.O.) ein Wachstumsanspruch nur dann, wenn Steigerungen des Gesamtleistungsvolumens und zugleich Fallzahlerhöhungen vorliegen. Ist nicht einmal eine Steigerung des Leistungsvolumens gegeben, besteht kein Wachstumsanspruch (Clemens, a.a.O., Rn. 72). Die vorgesehene Wachstumsmöglichkeit durch Erhöhung der Fallzahl ist auch effektiv und im Prinzip für jeden Vertragsarzt umsetzbar. Fallzahlen sind nämlich grundsätzlich einer Steuerung durch den Vertragsarzt zugänglich (vgl. Freudenberg in: juris-PK SGB V, 2. Auflage 2012, § 85 Rn. 175). Im Streitfall besteht auch nicht etwa wegen der besonderen Praxisausrichtung der Klägerin Anlass für eine Fallwerterhöhung. Wie sie selbst ausführt, behandele sie im Wesentlichen orthopädische Fälle, die zu ihrem durchschnittlich gegenüber der Facharztgruppe "Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie" bereits höheren Fallwert beitragen.

bb) Bedenken bestehen auch nicht gegen die Begrenzung des Zuwachsvolumens auf 10% des pRVV (pro Quartal). Im Hinblick auf die mit der Einführung individueller Leistungsbudgets verfolgten Ziele der Punktwertstabilisierung und der Gewährleistung von Kalkulationssicherheit ist es auch unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zumutbar, dass ihr pro Jahr zulässiges Honorarwachstum beschränkt wird. Diese Begrenzung darf aber nicht zu eng sein (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2004 – B 6 KA 3/03 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 9). Daher sind Wachstumsraten in einer Größenordnung zuzulassen, die es noch gestatten, den durchschnittlichen Umsatz in absehbarer Zeit zu erreichen. Absehbar in diesem Sinne ist ein Zeitraum von fünf Jahren (vgl. BSG, Urteil vom 28. Januar 2009, a.a.O.). Die hier vorgesehene 10%- Grenze bezieht sich auf die quartalsweise zu gewährenden Zusatzvolumina. Bei der Klägerin dürfte insoweit ein Missverständnis vorliegen, da sie die 10%- Regelung in ihrer Beispielsrechnung offenbar auf die jährlichen Zuwachsraten bezieht. Dann könnte eine Arztpraxis, die nur 50% der fachgruppendurchschnittlichen Fallzahlen betreut, nach fünf Jahren tatsächlich nur 80,3 % der fachgruppendurchschnittlichen Fallzahl erreichen. So ist die Regelung in Ziff. 4 Buchstabe c der Anlage B zum HVM aber nicht zu verstehen: Die Höhe des insgesamt zur Verfügung gestellten Zusatzvolumens ist von der Steigerung der Fallzahl im Abrechnungsquartal gegenüber der Fallzahl im Vorjahresquartal abhängig. Das Zusatzvolumen darf dann aber in jedem Quartal steigen, wenn auch der Höhe nach begrenzt auf 10 % des jeweiligen pRVV. Darauf, dass die Regelung so zu verstehen ist, hat offensichtlich auch das Sozialgericht in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2009 abgestellt, indem es die Beteiligten darauf hingewiesen hat, dass das fallbezogene Zusatzvolumen für das Quartal I/2005 in dem Honorarbescheid vom 22. August 2005 nicht entsprechend den Vorgaben des HVM berechnet worden sei. In dem berichtigten Honorarbescheid vom 1. September 2005 wurde das Zusatzvolumen fehlerhaft berechnet, da die 10% - Steigerung auf die im Vorjahresquartal erreichte Fallzahl bezogen wurde. Das Zusatzvolumen wurde deshalb nur für 480 Fälle statt für 502 Fälle gewährt, so dass 22 Fälle nicht berücksichtigt wurden. Multipliziert mit einem Fallwert in diesem Quartal von 46,06 war das Zusatzvolumen um 1013,32 Euro zu niedrig, so dass man sich auf einen Vergleichsbetrag in Höhe von 1000,- Euro einigte. An diesem Beispielsquartal lässt sich im Übrigen zeigen, dass die Regelung geeignet ist, kleinen Praxen innerhalb von fünf Jahren ein Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt zu gewähren: Das Zusatzvolumen betrug im Quartal I/2005 (62 Fälle x 46.06 Fallwert) 2.855,72 Euro, aber höchstens 10% des pRVV, also 2.316,83 Euro. Bei einem gleichen Fallwert wie dem der Klägerin hätte das Durchschnittshonorar bei einem aRVV von 858.989,5 Punkten im Quartal I/2005 rund 43.000 Euro betragen. Diese Summe hätte bei einer quartalsweisen Steigerung des pRVV um jeweils ca. 2.300 Euro nach zehn Quartalen erreicht werden können, wenn die Fallzahlen in diesem Umfang weiter kontinuierlich angestiegen wären. Der hier maßgebliche HVM enthält auch keine weiteren Regelungen, die für die Folgezeit etwa Wachstumsbeschränkungen vorsähen, die ein Erreichen des Durchschnittsumsatzes innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums in realistischer Weise nicht erwarten ließen. Die für kleine Praxen quartalsweise vorgesehenen Zusatzvolumen sind auch nicht auf Zeiträume ausgehend von einem bestimmten Basisquartal beschränkt. Insoweit ist die Argumentation der Klägerin, ihr hätte ein zeitlicher Korridor beginnend mit einem entsprechenden Abrechnungsquartal eröffnet und aufgezeigt werden müssen, nicht nachvollziehbar. Die von ihr beanstandeten Kürzungen ergeben sich aus der Systematik der pRVV und der fehlenden Fallzahlsteigerung ihrer Praxis, nicht aber aus einer fehlenden zeitlichen Perspektive für ihr Praxiswachstum.

d) Das Sozialgericht hat auch mit zutreffender Begründung verneint, dass die Klägerin eine Erhöhung ihres pRVV im Rahmen einer Härtefallentscheidung nach Ziff. 4 f. der Anlage B zum HVM beanspruchen könnte. Die dort aufgeführten Tatbestände liegen ersichtlich nicht vor. Und auch ein vergleichbarer Härtefall, der auch ohne ausdrückliche Erwähnung im HVM zu prüfen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 9. Dezember 2004 – B 6 KA 84/03 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 10) ist im Streitfall nicht erkennbar. Zu denken wäre hier allenfalls an den Tatbestand einer Existenzgefährdung, etwa durch eine von der Klägerin nicht zu vertretende, auf einem überraschenden Ereignis beruhenden Veränderungen der Fallzahlen. Dazu trägt die Klägerin aber weder etwas vor, noch sind solche Umstände sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §197a Absatz 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 155 Abs.1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision hat der Senat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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