L 4 VG 10/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 4 VG 10/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 21.09.2001 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Versorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG).

Der 1970 geborene Kläger wurde vom 03.09. bis 11.09.1995 stationär im Evangelischen krankhaus, B , behandelt. Dort wurde am 04.09.1995 eine Nasenoperation durchgeführt.

Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus beantragte der Kläger im März 1997 Versorgung nach dem OEG und führte aus, während der Abschlussbehandlung sei er durch eine unbefugte Person erneut an der Nasenscheidewand verletzt worden. Das Versorgungsamt Münster zog die Behandlungsunterlagen über die Heilbehandlung des Klägers im Evangelischen W krankenhaus bei. Aus dem Entlassungsbericht ergab sich, dass der postoperative stationäre Verlauf sich komplikationslos gestaltete und sich bei der Entlassung endonasal regelrechte Verhältnisse gezeigt hatten.

Mit Bescheid vom 31.05.1999 lehnte das Versorgungsamt Münster daraufhin den Antrag des Klägers ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem schädigenden Ereignis vom 11.09.1995 habe es sich nicht um eine Gewalttat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gehandelt, da der Kläger sich den behaupteten Gesundheitsschaden nicht durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff zugezogen habe.

Im Widerspruchsverfahren zog der Beklagte die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Bonn gegen Dr. J S bei (Az.: 100 Js 756/00). Darin hatte der Kläger in der Strafanzeige ausgeführt, am 11.09.1995 habe dieser Arzt letztmalig die Nachbehandlung nach seiner Nasenoperation durchführen sollen. Der Arzt sei über sein Funkgerät weggerufen worden und habe eine Person aus dem Nebenzimmer gebeten, die Behandlung fortzuführen. Diese Person habe sich einen weißen Arztkittel angezogen und anschließend seine linke Nasenseite abgesaugt. Beim Absaugen der rechten Nasenseite habe er das Absauggerät so weit eingeführt, dass der flexible Schlauchteil in Nase und Rachen verschwunden sei und der starre Teil, auf dem der Schlauch befestigt gewesen sei, sich in der Nähe der frakturierten Nasenscheidewand befunden habe. Der Behandler sei dabei ausgerutscht und habe das Absauggerät gegen die Nasenscheidewand gedrückt, wobei es geknackt habe. Das Ermittlungsverfahren hatte die Staatsanwaltschaft Bonn mit Schreiben vom 28.12.2000 eingestellt.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.1999 zurück, da nicht nachgewiesen sei, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 OEG vorlägen. Die ärztliche Behandlung stelle keine Gewalttat dar. Zudem habe der Kläger in die ärztliche Behandlung eingewilligt.

Im vor dem Sozialgericht Koblenz durchgeführten Klageverfahren hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Bonn. Mit Urteil vom 21.09.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden sei. Es sei nicht einmal zu erkennen, dass er bei der Abschlussuntersuchung überhaupt gesundheitlich geschädigt worden sei. Aus dem Entlassungsbericht des Krankenhauses ergäben sich hierzu keinerlei Anhaltspunkte. Dass der Kläger möglicherweise mit der Art der Untersuchung oder der gesamten Behandlung nicht zufrieden sei, rechtfertige nicht die Annahme eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs.

Am 22.10.2001 hat der Kläger gegen das ihm am 4.10.2001 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor,

er sei am 11.09.1995 durch eine unbefugte Person behandelt und verletzt worden. Auch wenn unmittelbar nach der Operation Schwellungen und Beschwerden einem normalen postoperativen Befund entsprochen hätten, seien die fortdauernden Beschwerden einer unsachgemäßen Behandlung zuzuschreiben. Es sei nicht mehr normal, dass die Schmerzen auch nach über einem Jahr noch weiter beständen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 04.10.2001 sowie den Bescheid des Versorgungsamtes Münster vom 31.05.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.07.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, eine Schädigung der Nasenscheidewand als Folge einer Gewalttat anzuerkennen und Versorgung nach einer MdE von mindestens 25 vH zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und nimmt zur Begründung Bezug auf das angefochtene Urteil.

Im Übrigen wird zur Ergänzung Bezug genommen auf den Inhalt der beigezogenen und den Kläger betreffenden Verwaltungsakte des Beklagten (Az.: 618/98), der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft B ( ) sowie der Behandlungsunterlagen des Evangelischen W krankenhauses, der Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung war.

II.

Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. Auf diese Möglichkeit wurden die Beteiligten hingewiesen. Der Senat hält im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich und die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch gegen den Beklagten wegen des vorgetragenen Ereignisses vom 11.09.1995 zu. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG erhält auf Antrag wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) Versorgung, wer im Geltungsbereich des OEG infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen schädigender Vorgang einschließlich der Rechtswidrigkeit des Angriffs, gesundheitliche Schädigung, gesundheitliche bzw. wirtschaftliche Folge erwiesen sein, wofür eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit genügen kann, die ernste, vernünftige Zweifel ausschließt (BSG, a.a.O.; BSG Urteil vom 22.06.1988, Az: 9/9a RVg 3/87).

Im vorliegenden Fall hält der Senat es nicht für erwiesen, dass der Kläger Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen Angriffs geworden ist, durch den er eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers im Ermittlungsverfahren gegen Dr. S im Schreiben vom 19.11.2000 hat die ihn behandelnde Person eine medizinisch indizierte Absaugung vorgenommen. Der Vorgang ereignete sich nach den eigenen Angaben des Klägers dadurch, dass der Behandler ausrutschte und dadurch das Absauggerät gegen die Nasenscheidewand drückte, wobei es geknackt habe.

Schon diese Unfallschilderung spricht nicht für eine vorsätzliche Körperverletzung, sondern für einen allenfalls fahrlässig verursachten Unfall. Eine fahrlässig herbeigefügte Schädigung erfüllt aber nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG.

Der Senat musste deshalb nicht mehr aufklären, ob der Vortrag des Klägers zutrifft, er sei nicht durch einen Arzt, sondern durch eine nicht autorisierte Person behandelt worden. Zwar kann nach der Rechtsprechung ein "tätlicher Angriff" iS des § 1 Abs. 1 S. 1 OEG auch dann vorliegen, wenn der Täter dem Opfer unter Vortäuschung seiner Heilkunde (fälschliche Angabe, er sei Arzt bzw. Heilpraktiker) Spritzen verabreicht, selbst dann, wenn der Täter mit Heilwillen handelt (BayLSG Breith. 1991, S. 414). Allerdings kann die vom Kläger erteilte Einwilligung zur Heilbehandlung in zweifelsfrei geringfügigen Fällen auch den Eingriff durch einen Nichtarzt rechtfertigen, obwohl sich der Patient vorstellt, dass er von einem Arzt behandelt werde, wie der Bundesgerichtshof zur selbständigen Behandlung durch einen sogenannten Famulus im Krankenhaus entschieden hat (vgl. BGHSt 16, S. 309).

Daraus folgt, dass, selbst wenn der Kläger von einer solchen nicht autorisierten Person behandelt worden ist, was angesichts der Umstände dem Senat wenig wahrscheinlich scheint, der Behandler eine allenfalls fahrlässige Körperverletzung begangen hätte. Damit läge keine vorsätzliche Begehungsweise vor, weshalb die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG nicht erfüllt sind. Nach alledem ist eine vorsätzliche rechtswidrige Schädigung des Klägers nicht nachgewiesen.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, da Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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