Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 176/09
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 20/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. April 2012 und der Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2009 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2008 Hinterbliebenenleistungen wegen des Todes ihres Ehemannes R.H. zu gewähren. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung.
Die Klägerin ist die Witwe des am xxxxx 1936 geborenen, am 8. September 2007 an einer Retentionspneumonie bei Bronchialkrebsleiden verstorbenen Versicherten R.H ... Dieser war vom 7. Juli 1951 – 31. März 1996 auf verschiedenen Schleppern der H. Reederei P. gefahren, zunächst als Decksjunge, Jungmann und Matrose (Decksmann) sowie seit Erlangung des hierfür erforderlichen Patents als Schiffsführer auf einem Seeschiffassistenzschlepper im H. Hafen.
Am 10. September 2007 machte der Hausarzt des Verstorbenen der Beklagten Mitteilung, dass durch das Krankenhaus der Verdacht einer durch Asbest verursachten Berufskrankheit geäußert worden sei. Die daraufhin im Auftrag der Beklagten im Institut für Rechtsmedizin der Universität H. durchgeführte Obduktion des Leichnams durch Frau Prof. Dr. L. ergab, dass der Versicherte in beiden Brusthöhlen große grauweiße dickschichtige hyaline Pleuraplaques aufwies, welche von Prof. L. als typische Zeichen einer Pleura-Asbestose gedeutet wurden. In ihrer Zusammenhangs¬begut¬achtung vom 3. Dezember 2007 ging die Untersucherin davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufs¬krank¬heitenverordnung erfüllt sind. Auf das Gutachten wird ergänzend Bezug genommen. Die Beklagte ermittelte zur Asbestexposition des Versicherten zunächst durch Befragung der Klägerin insbesondere zu Tätigkeiten im Maschinenraum der verschiedenen Schiffe, auf denen ihr Ehemann gefahren war. Jedoch konnte die Klägerin hierzu keine Angaben machen. Ihr Ehemann habe alle an Bord anfallenden Arbeiten verrichtet. Auch ein früherer Arbeitskollege des Verstorbenen konnte Tätigkeiten in Maschinenräumen nicht bestätigen, gab allerdings an, dass wegen Asbestgefahr in den achtziger Jahren alte Isolierungen auf den Schiffen ausgewechselt worden seien. Der Arbeitgeber des Versicherten teilte mit, dass dieser bei Wartungen und Reparaturen im Bereich der Maschinenanlage nicht eingesetzt gewesen sei. Die Schiffssicherheits¬abteilung der Beklagten verneinte das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung. Es liege kein Nachweis einer Asbeststaubexposition während der versicherten Tätigkeit vor. Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 lehnte die Beklagte es ab, die Erkrankung des Versicherten als Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-verordnung anzuerkennen. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestehe nicht. Zwar sei im Tätigkeitszeitraum des Verstorbenen auf den Schiffen an verschiedenen Stellen Asbest verbaut gewesen. Der bloße Aufenthalt an Bord und hier namentlich die Tätigkeit im Decksdienst führe jedoch zu keiner über das ubiquitäre Maß hinausgehenden Asbestbelastung. Den hiergegen unter Hinweis auf die allgegenwärtige Asbestbelastung im Hafen und wenigstens eine Bystanderbelastung auf dem Schiff, die selbst dann gegeben gewesen sei, wenn der Verstorbene selbst keine Arbeiten mit Asbestbelastung ausgeführt haben sollte, erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Wider¬spruchs¬bescheid vom 27. Mai 2008 zurück. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung lägen nicht vor, weil der für die tätigkeitsbezogene Einwirkung von Asbeststaub erforder¬liche Beweis nicht habe erbracht werden können. Die Entscheidung erlangte Bestandskraft.
Unter dem 30. Juni 2008 begehrte die Klägerin die Überprüfung der Entscheidung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und wies hierzu darauf hin, dass ihr Ehemann in den 60er und 70er Jahren in jedem Jahr über mehrere Wochen im Rahmen der Beschäftigung bei der Reederei P. in der Werft Maler- und Reparaturarbeiten ausgeführt habe. Hierbei seien unter anderem auch Umbauten getätigt worden, wobei direkter Kontakt zu Asbest, wenigstens aber eine Bystanderbelastung vorgelegen habe. Die Klägerin legte hierzu Fotografien vor und gab an, diese zeigten ihren verstorbenen Ehemann bei entsprechenden Arbeiten auf der Werft. Ferner benannte sie als Zeugen ehemalige Arbeitskollegen. Des Weiteren begehrte die Klägerin mit Blick auf die Belastung durch Diesel-Motoren-Emmissionen während der beruflichen Tätigkeit die Anerkennung der Erkrankung ihres Ehemannes als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII).
Aus der durch die Beklagte vorgenommenen Befragung der angegebenen Zeugen ließen sich keine Erkenntnisse zu einer Asbestbelastung gewinnen. Allerdings konnten die Zeugen bestätigen, dass das Deckspersonal in früherer Zeit während der Werft¬aufenthalte Arbeiten auszuführen hatte. Im Einzelnen gab der Zeuge H1 an, er könne zwar nach fast 50 Jahren keine genauen Angaben mehr machen. Jedoch sei ihm erinnerlich, dass der Verstorbene von 1958 bis 1965 mehrmals im Jahr aus dem Fahrbetrieb zur Werftarbeit abgestellt wurde. Zu seinen Aufgaben hätten Mal- und Konservierungsarbeiten sowie Hilfestellungen beim Ein- und Ausbau sowie beim Transport von Maschinenteilen gehört. Die Reederei konnte keine Angaben machen, da ihr Unterlagen aus dieser Zeit nicht mehr vorlägen.
Die Schiffssicherheitsabteilung der Beklagten vertrat hierzu in einer internen Stellung-nahme die Auffassung, dass ein Asbestkontakt des Versicherten nicht nach¬gewiesen sei. Es fehlten jegliche Angaben zum Umfang der ausgeführten Tätigkeiten. Auch sei nicht nachgewiesen, dass auf den betreffenden Schleppern überhaupt Asbest verarbeitet wurde. Daraufhin lehnte die Beklagte es mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 unter Hinweis auf die Stellungnahme der Schiffssicherheitsabteilung ab, den Bescheid vom 24. Januar 2008 zurückzunehmen. In Würdigung der Sachlage sei der Nachweis der tätigkeitsbezogenen Einwirkung von Asbestfeinstaub nicht erbracht. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2009 zurück.
Ebenfalls mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 lehnte die Beklagte es ab, die Erkrankung des verstorbenen Versicherten als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Seit 1991 durchgeführte Untersuchungen des messtechnischen Dienstes der Beklagten auf der Brücke und dem Hauptdeck der Schiffe hätten ergeben, dass dort unter normalen Betriebsbedingungen keine Belastungen durch Diesel-Motoren-Emissionen bestünden. Auch gebe es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Diesel-Motoren-Emissionen zu einem erhöhten Lungenkrebsrisiko führten. Ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2009 wies die Beklagte auch den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat gegen beide Bescheide fristgerecht unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahrens Klage (S 36 U 176 und 177/09) erhoben. Hinsichtlich der Abstellung zu Werftarbeiten hat sie erneut auf die Aussage des Zeugen H1 hingewiesen. Aus der Hilfe beim Transport von Maschinenteilen ergebe sich klar der Kontakt zu asbesthaltigen Materialien. Hinsichtlich der Exposition gegenüber Diesel-Motoren-Emissionen hat sie vorgetragen, die Belastung sei in den Häfen besonders hoch, weil dort die Schiffe zur Stromversorgung ihre Aggregate laufen ließen. Schon aus dem ständigen Aufenthalt im Hafengebiet als Schlepperbesatzung ergebe sich die erforderliche Exposition.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen-und Bronchialheilkunde, Umweltmedizin Dr. S. eingeholt. Dieser gelangt nach Aktenlage zu der Einschätzung, dass aus gutachterlicher Sicht berechtigte Zweifel bestünden, dass der Verstorbene keinerlei Kontakt zu asbesthaltigen Stäuben (beruflich oder außerberuflichen) gehabt habe. Hierfür spreche das Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung, bei der hyaline Plaques gefunden worden seien, welche folgerichtig als Brückensymptome angesehen worden seien, so dass die medizi-nischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorlägen. Gleichwohl lägen die Anerkennungs¬voraus-setzungen nicht vor, weil eine Asbestbelastung nicht mit Sicherheit, also im Sinne eines Vollbeweises, zu belegen sei. Hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen Diesel-Motoren-Emissionen und Lungenkrebs sei darauf hinzuweisen, dass ein solcher derzeit nicht ausreichend wissenschaftlich belegt sei.
Daraufhin hat die Klägerin eine Erklärung des Schiffbauingenieurs W.O. vom 18. Januar 2011 vorgelegt. Dieser schreibt, ihm habe die Geschäftsleitung für den Reparaturbetrieb und für die Abwicklung der Neu- und Umbauten der O.-Werft oblegen. Diese sei ab Gründung der Werft bis 1974 die Hauswerft für die Reederei P. gewesen, wo in diesem Zeitraum sämtliche Reparaturen an den Schleppern und alle Neu- und Umbauten ausgeführt worden seien. Hierfür habe die Reederei eine ständige Reparaturkolonne von 3-4 Mitarbeitern besessen, welche für die Wartung der maschinellen Einrichtungen der Schlepperflotte zuständig gewesen sei. Auch das Deckspersonal sei aber während der Liegezeit der Schlepper an der Werft zu Maler- und Reinigungsarbeiten sowie für Transporte und einfache Reparaturarbeiten dorthin abgestellt worden. Erinnerlich sei ihm der Umbau der drei Dampfschlepper W., A1 und J. zu Motorschleppern. Bei den in den Jahren 1913/1914 gebauten Schleppern habe die Isolierung aus Glaswolle und/oder asbesthaltigem Material bestanden, welches durch ein Drahtgewebe gehalten worden sei. Dieses Drahtgewebe habe auch gleichzeitig als Befestigung und Halterung des anschließend aufgetragenen Mantels aus Gips gedient. Ein aufgetragener weißer Anstrich habe die Konstruktion abgeschlossen. Bei dem 1952 gebauten Schlepper J. sei der Aufbau der Isolierung einfacher gewesen. Diese habe aus vorgefertigten Matten aus asbesthaltigem Material mit eingearbeitetem Drahtgewebe bestanden. Diese Matten seien durch eingearbeitete Haken und Ösen befestigt worden. Bei späteren Neubauten habe man die Isolierung mit einer Blechverkleidung ummantelt. Zum Ausbau der mit Dampf angetriebenen Maschinenanlagen habe die Reederei den Schlepper an die Werft gelegt. Dort sei dann das halbhohe Deckshaus im Bereich des Maschinenraumes abgetrennt worden. Reedereiseitig hätten die Mitarbeiter wieder verwendbares Inventar und Ausrüstungsteile von Bord geholt und auch die Isolierungen der Rohrleitungen abgebaut. Der Ausbau der alten Antriebsanlage und der Deckswinde sei dann von einem Abwrackunternehmen vorgenommen worden. Da der Verstorbene bereits zu diesem Zeitpunkt bei der Reederei tätig gewesen sei, bestehe aus seiner Sicht die Möglichkeit, dass er bei den Ausbauarbeiten im Bereich der Maschinenräume beteiligt gewesen sei und somit Kontakt mit asbesthaltigem Material bestanden habe. Auch bei Reparaturen an Rohrleitungen könne er in kleinerem Umfang in Kontakt mit Asbest gekommen sei. Nach 50 Jahren könne er allerdings nicht mehr genau sagen, welche Arbeiten der Verstorbene im Einzelnen ausgeführt habe. Jedoch sei das Deckspersonal generell bei den Arbeiten auf der Werft mit asbesthaltigem Material in Berührung gekommen. Auf die Erklärung des W.O., der zahlreiche Fotografien der Umbauten beigefügt waren, wird ergänzend (Blatt 33-42 der Gerichtsakte S 36 U 177/09) Bezug genommen.
Daraufhin ließ die Beklagte den Zeugen O. durch den Technischen Aufsichts¬beamten (TAB) Bessel am 2. März 2011 mündlich befragen. In der Niederschrift über diese in der Häuslichkeit des Zeugen durchgeführte Befragung erklärt der TAB, der Zeuge sei sich mittlerweile sicher, den Verstorbenen bei Reparaturarbeiten auf den Schleppern an der O. Schiffswerft gesehen zu haben, da Frau H2 ihm ein Foto Ihres Mannes zugesandt habe. Auf diesem habe ihn Herr O. wiedererkannt. Gleichwohl könne er – der Zeuge – aufgrund des weit zurückliegenden Zeitraumes der fraglichen Beschäftigung nicht mit Sicherheit sagen, in welchem Umfang die geschilderten Tätigkeiten auf Herrn H2 zutrafen. Denn er – der Zeuge – habe nicht unmittelbar mit dem Verstorbenen zusammengearbeitet. Jedoch halte er aufgrund des fraglichen Zeitraumes und der seinerzeit üblicherweise verwendeten asbesthaltigen Arbeits¬materialien einen direkten Kontakt hiermit für gegeben. Er schätze die Dauer des Aufenthaltes in den Maschinenräumen für das Deckspersonal mit 25 % der Werftliegezeit ein. Auch gebe er an, dass die Demontage- bzw. Montagearbeiten manuell erfolgt seien und ihre Dauer insgesamt etwa 8 Stunden betragen habe. Auf die Niederschrift vom 4. März 2011 (Blatt 48 der Gerichtsakte S 36 U 177/09) wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin hat zwei Fotografien zur Akte S 36 U 177/09 gereicht und hierzu angegeben, diese zeigten ihren Ehemann jeweils im Maschinenraum eines Schiffes. Die Klägerin hat des Weiteren noch eine Stellungnahme des Schiffbauingenieurs W.O. vom 29. April 2011 vorgelegt. Dieser hat berichtet, dass er durch einen Vertreter der Beklagten zu Arbeiten mit asbesthaltigem Material auf der Werft der J.O. KG befragt worden sei. Hierbei habe er geäußert, dass es ihm nach dieser langen Zeit nicht möglich sei genau festzustellen, welche Arbeiten im Einzelnen von den vier Decksleuten zu welchem Zeitpunkt ausgeführt worden seien. Hierzu wolle er nun noch ergänzende Ausführungen machen. So habe die Besatzung eines Schleppers zu jenem Zeitpunkt aus dem Schiffs¬führer, dem Maschinisten und zwei Decksleuten bestanden. Jeder Schlepper sei mit zwei Besatzungen besetzt gewesen. Habe also ein Schlepper für längere Zeit in der Werft gelegen, dann seien praktisch zwei Besatzungen frei gewesen. Hiervon seien dann die vier Decksleute für Arbeiten auf der Werft abgestellt worden, während Schiffsführer und Maschinisten anderweitige Betätigung gefunden oder Urlaub genommen hätten. Die vier Decksleute hätten dann für die von ihm beschriebenen Arbeiten zur Verfügung gestan¬den. Es gebe keinen Grund für die Annahme, dass der Verstorbene an diesen Arbeiten nicht beteiligt war. Denn Tatsache sei, dass diese Arbeiten ausgeführt worden sei.
Die Klägerin hat schließlich eine an ihre Prozessbevollmächtigten gerichtete Erklärung des W.O. vom 21. März 2011 zur Akte gereicht, in der dieser bestätigt, den Versicherten erstmalig auf mehreren ihm von der Klägerin übersandten Fotografien erkannt zu haben. Dieser sei ihm namentlich bis dahin nicht bekannt gewesen, jedoch habe er ihn auf der Fotografie sofort als Mitglied des Deckspersonals erkannt. Auf das Schreiben des Zeugen vom 21. März 2011 (Blatt 168-170 der Gerichtsakte S 36 U 176/09) und die Fotografien auf Blatt 171 dieser Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.
In der vom Sozialgericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Dr. S. vom 6. September 2011 heißt es, es sei nunmehr davon auszugehen, dass bei dem Verstorbenen eine berufliche Asbestexposition bestanden habe. Die Anzahl der Faserjahre brauche hierfür nicht ermittelt werden, weil eindeutig als asbestassoziiert anzusehende Veränderungen der Pleura festgestellt wurden. Nachdem die Beklagte dieser Auffassung entgegengetreten war, hat der medizinische Sachverständige in einer weiteren Stellungnahme eingeräumt, dass die Frage der Feststellung einer Asbestexposition im Vollbeweis dem Gericht obliege.
Durch Urteil vom 12. April 2012 hat das Sozialgericht die Klagen nach Verbindung der beiden Verfahren unter dem Aktenzeichen S 36 U 176/09 abgewiesen, weil es sich nicht die erforderliche Überzeugung einer stattgehabten Asbestexposition bilden konnte. Hinsichtlich der Dieselmotorenemissionen sei zusammenfassend festzustellen, dass ein Zusammenhang mit Lungenkrebs möglich sei und immer wieder diskutiert werde, sich jedoch mit ausreichender Wahrscheinlichkeit unter Zugrundelegung der zahlreichen Studien nicht belegen lasse. Hier sei zu beachten, dass die Höhe der Emissionen nicht bekannt sei und die Induktion von Lungenkrebs durch Dieselmotorenemissionen in der Literatur strittig sei. Die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII lägen somit nicht vor. Auf die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23. April 2012 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 18. Mai 2012 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, es müsse bei eindeutig nachgewiesener Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen der Berufskrank-heit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung mit Blick auf die Falkensteiner Empfehlung vom Bestehen einer gesetzlichen Tatsachenvermutung aus-gegangen werden, dass die Verursachung durch berufliche Asbesteinwirkung erfolgt sei. Im Übrigen sei hinsichtlich des Schleppers J. auszuführen, dass der Verstorbene seinem Schwager bei einer Führung auf diesem Schlepper berichtet habe, wie er an den umfangreichen Umbauten auf der Werft im Maschinenraum mitgewirkt habe, namentlich wie sie das Isolationsmaterial, Maschinenteile usw. hätten entfernen und ins Freie bringen müssen. Er habe berichtet, dass sie von Kopf bis zu den Füßen mit Staub und Schmutz bedeckt gewesen seien. Auf die der Berufungsbegründung beigefügte schriftliche Erklärung des D.S. vom 1. Juni 2012 (Blatt 228 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Darüber hinaus – so die Klägerin – sei die Erkrankung des Verstor¬benen auch nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen, weil Dieselabgase nicht mehr nur als potentiell krebsgefährdend, sondern mittlerweile sogar als krebserregend eingestuft würden. Die Klägerin nimmt des weiteren Bezug auf eine Erklärung des ehemaligen Personal-disponenten der A. (einer Tochtergesellschaft der Reederei P.) in H. vom 1. Juni 2012. Dort heißt es, es sei durchaus üblich gewesen, Deckspersonal während der Dienstzeit im Maschinen¬bereich für besonders arbeitsintensive Aufgaben einzusetzen. Hierzu habe insbesondere das komplette Ausmalen des Maschinenraums gezählt. Bei der Umstellung des Hauptan¬triebes von Dampf auf Diesel oder dieselelektrisch sei es auch üblich gewesen, die Entfernung der asbestisolierten Leitungen am Abgasstutzen und Schornstein von der gesamten Besatzung durchführen zu lassen. Die Klägerin legt eine weitere schriftliche Erklärung des Schiffbauingenieurs W.O. vom 23. Mai 2012 vor. Dort wird unter Hinweis auf die bereits früher erfolgten schriftlichen Äußerungen ausgeführt, die größten zusammen¬hängenden Arbeiten mit asbesthaltigem Material hätten sich für das Deckspersonal beim Umbau der Schlepper von Dampf- auf dieselelektrischen Antrieb ergeben. So sei unter anderem der Schlepper J., welcher 1952 auf der O.-Werft gebaut worden sei, 1969 dort auf dieselelektrischen Antrieb umgerüstet worden. Der Auftrag des Deckspersonals habe hier darin bestanden, die gesamten Isolierungen an den Rohrleitungen der Haupt- und Hilfsmaschinen auszubauen und abzutransportieren. Da die Werftmitarbeiter und die von der Reederei abgestellten Decksleute parallel gearbeitet hätten, habe er auf seinen täglichen Rundgängen auch häufiger dem Verstorbenen gegenübergestanden. Auf die schriftliche Erklärung (Blatt 233-236 der Gerichtsakte) wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. April 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2009 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2008 Hinterbliebenen¬leistungen wegen des Todes ihres Ehemannes R.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen hinsichtlich der Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung nicht nachgewiesen seien. Eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII könne mit Blick auf die Dieselmotorenemissionen nicht anerkannt werden, weil aktuelle Messungen ergeben hätten, dass im Normalbetrieb der Schiffe keine Belastungen bestünden.
Auf Veranlassung des Berufungsgerichts hat der Facharzt für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. P1 das arbeitsmedizinische Gutachten vom 21. Januar 2013 erstattet. Er gelangt dort zu der Einschätzung, dass mit Blick auf die bei der Obduktion eindeutig festgestellten hyalinen Pleuraplaques, welche typisch für eine so genannte Pleura-Asbestose seien, weil sie nur in Ausnahmefällen ohne Asbesteinwirkung aufträten, es für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung nicht auf die Höhe der beruflichen Asbestexposition ankomme. Lediglich müsse der Nachweis erbracht werden, dass überhaupt eine Exposition oberhalb der ubiquitären Hintergrundbelastung vorhanden gewesen sei. Hierfür reiche der alleinige Aufenthalt im Decksbereich von Schiffen, bei denen asbesthaltige Materialien verbaut worden seien, nicht aus. Andererseits lägen verschiedene Zeugenaussagen vor, nach denen der Verstorbene während seiner beruflichen Tätigkeit – insbesondere in den sechziger Jahren – Arbeiten an asbesthaltigen Isolierungen entweder selbst durchgeführt hat oder in unmittelbarer Nähe zu derartigen Arbeiten tätig gewesen ist, so dass im letztgenannten Fall eine so genannte Bystanderexposition anzunehmen wäre. Ob allerdings die Zeugenaussagen geeignet seien, die unfallversicherungsrechtlichen Beweis¬anfor¬derungen zu erfüllen, sei eine juristische Frage und falle nicht in den Kompetenzbereich des medizinischen Gutachters. Sollten jedoch die Zeugenaussagen ausreichen, um eine berufliche Asbestexposition zu belegen, wäre die Diagnose Pleura-Asbestose als gesichert einzustufen und es lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vor. Hinsichtlich der Dieselmotoren¬emissionen gelte, dass diese mittlerweile ab einer kumulativen Gesamtdosis von 445 REC-Jahren (REC = kumulative Gesamtkohlenstoffdosis) als generell krebserzeugend eingestuft würden. Allerdings müsse eine Wechselwirkung zwischen Zigarettenrauch und der Verursachung von Lungenkrebs und Diesel¬motoren¬emissionen beachtet werden. Beides müsse daher näher quantifiziert werden.
Das Berufungsgericht hat den Schiffbauingenieur W.O. als Zeugen zu der Frage vernommen, wie sich die Verhältnisse bei den Werftaufenthalten gestaltet hätten. Er hat bekundet, dass er als persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer der O. Werft die Angebote abgegeben und die hierfür erforderlichen Kalkulationen gemacht habe. Ihm habe sowohl die technische als auch die kaufmännische Leitung oblegen. Deshalb habe er täglich vier Rundgänge auf der Werft gemacht, um sich vom Fortgang der Arbeiten zu überzeugen. Bei diesen Gelegenheiten habe er den Verstorbenen mehrfach gesehen, der ihm aber erst später durch Vorlage eines Fotos als der Verstorbene bezeichnet worden sei. Die Reederei habe durchweg vier Leute zu den Werftarbeiten abgestellt, und zwar immer wieder dieselben, weil diese entsprechend versiert gewesen seien. Hierzu habe eben auch Herr H2 gehört. Was den Ausbau der Isolierungen bei den Umbauten angehe, so seien diese werftseitig nicht kalkuliert worden, weil hierfür reedereiseitig Personal abgestellt worden sei.
Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist, nachdem die Klägerin sie auf Leistungen wegen einer Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung beschränkt hat, auch vollen Umfanges begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X das Vorliegen eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung in Gestalt einer Berufskrankheit verneint und hiervon ausgehend auch zu Unrecht die Gewährung von Leistungen an die Witwe des Verstorbenen unter Aufhebung des dem entgegenstehenden Bescheides vom 24. Januar 2008 abgelehnt. Dieser erweist sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Satz 1 SGG) als rechtswidrig, weil von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, welcher unrichtig ist.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) haben Hinterbliebene von Versicherten Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten, dieser also ursächlich für den Tod ist.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Ausschließlich letzteres kommt in Betracht. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII diejenigen Krankheiten, die in einer Rechtsverordnung als solche bezeichnet sind und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Dabei sind in der Rechtsverordnung diejenigen Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Dementsprechend bestimmt § 1 Berufskrankheitenverordnung i.V.m. Nr. 4104 der Anlage hierzu den Lungenkrebs in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura als Berufskrankheit. An eben dieser Erkrankung litt der Versicherte und – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – verstarb hieran. Dies folgt aus dem pathologischen Zusammenhangsgutachten der Frau Prof. Dr. L ... Dieser Einschätzung folgt der Senat ohne weiteres, weil hieran zu zweifeln unter Würdigung der erhobenen Befunde – auch aus der Sicht der Beteiligten – kein Anlass besteht.
Der Verstorbene hat sich diese Erkrankung auch infolge versicherter Tätigkeit zugezogen. Für seine diesbezügliche Überzeugungsbildung hat sich der Senat zunächst von der Erwägung leiten lassen, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit im Fall der Berufskrankheit Nr. 4104 Fallgruppe 2 im Gegensatz zu der Berufskrankheit nach Nummer 4104 Fallgruppe 3 der Anlage zur BKV nicht an ein Dosismaß gekoppelt ist. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Norm. In seine Erwägungen einbezogen hat der Senat überdies, dass es gegenwärtiger medizinischer Erkenntnis entspricht, dass bereits geringe Asbestfaserstaub-Einwirkungen Erkrankungen der Pleura (und im Gefolge Lungenkrebs) verursachen können. Beide tätig gewesenen medizinischen Sachverständigen haben dies bestätigt. Liegen – wie hier in Gestalt hyaliner Plaques – asbesttypische Brückenbefunde und Lungenkrebs nebeneinander vor, dann wird der Kausalzusammenhang zwischen Asbesteinwirkung und Erkrankung widerlegbar vermutet (vgl. zum Vorstehenden: Schönberger-Mertens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 1098), so dass im Grundsatz der Nachweis selbst geringster beruflich bedingter Belastungen zur Feststellung einer beruflichen Verursachung ausreichend sein könnte.
Allerdings ist der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII zu entnehmen, dass die Verursachung aufgrund versicherter Tätigkeit stets eine Belastung oberhalb derjenigen der Allgemeinbevölkerung voraussetzt. Nach der Einschätzung des Berufsgenossenschaftliches Institutes für Arbeitssicherheit (BIA), welches nunmehr die Bezeichnung Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung führt, liegt die – durch Verwitterungsvorgänge von Gestein an der Erdoberfläche entstehende – natürliche Grundbelastung durch Asbestfasern bei weniger als 100 Fasern pro Kubikmeter Luft (F/m³). In Gebieten mit industriellen Emittenten, Gebieten mit Asbestzementverkleidung oder Innenräumen mit asbesthaltigen bautechnischen Produkten können die Faserkonzentrationen demgegenüber deutlich erhöht sein (vgl. BIA-Handbuch XII 2001, Seite 13 sowie Tabelle 8). Das Bundesgesundheitsamt hat deshalb zur Abgrenzung einer beruflichen von einer sonstigen Exposition einen Wert von 1000 F/m³ (= 0,001 F/cm³) als so genannte ubiquitäre Belastung empfohlen, der jedoch in die technischen Regelwerke nicht übernommen wurde (vgl. a.a.O., Seite 13 f.). Lediglich für die Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen Berufsgenossenschaften gilt die Annahme (vgl. Anlage 9 zum BK-Report 1/2007 Faserjahre), dass Belastungen unterhalb 0,001 F/cm³ als ubiquitär gelten. Im Übrigen (vgl. a.a.O. Seite 249) wird davon ausgegangen, dass Asbestfaserkonzentrationen unterhalb eines Wertes von 0,005 F/cm³ nicht zu berücksichtigen sind.
Zur Beantwortung der danach allein entscheidungserheblichen Frage, ob der Versicherte während versicherter Tätigkeit in einem solchen Maße gegenüber Asbest exponiert gewesen ist, bedarf es des so genannten Vollbeweises. Danach müssen alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Hierfür bedarf es zwar nicht einer absoluten Gewissheit, aber doch immerhin eines der Gewissheit nahe kommenden Grades der Wahrscheinlichkeit; der behauptete Umstand muss nach ständiger Rechtsprechung in so hohem Maße wahrscheinlich sein, dass bei lebenspraktischer Betrachtung Zweifel zurücktreten, ohne dass diese allerdings völlig ausgeschlossen sein müssen.
Der Senat hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Verstorbene an seinem Arbeitsplatz auf dem Schiff einer das Maß von 0,005 F/cm³ übersteigenden beruflichen Belastung durch Asbest ausgesetzt war.
Ausweislich des BK-Report 1/2007 Faserjahre wird bereits bei einem achtstündigen Aufenthalt in Maschinenräumen von Schiffen mit asbesthaltigen Einrichtungen ohne Umgang mit Asbest von einer Belastung in Höhe von 0,008 F/cm³ ausgegangen (a.a.O. Seite 159), so dass schon im Normalbetrieb eines solchen Schiffes von einer Gefährdung jedenfalls des Maschinenpersonals auszugehen ist, während der Aufenthalt im Decksbereich zu einer solchen Gefährdung nicht führt. Arbeiten im Maschinenraum solcher Schiffe bewirken je nach Art eine Belastung von 0,007 F/cm³ (Isolierarbeiten) bis 0,010 F/cm³ (Reinigungs- insbesondere Fegearbeiten, vgl. a.a.O. Seite 158). Hieraus folgt unmittelbar, dass jedenfalls diejenigen Beschäftigten, die während der Werftaufenthalte altes Isoliermaterial entfernt und die Maschinenräume gereinigt haben, einer Asbestexposition ausgesetzt waren, die über das ubiquitäre Maß hinausgeht.
Mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Versicherte während der verschiedenen Werftaufenthalte auf der O. Werft Umgang mit asbesthaltigen Isoliermaterialien hatte. Dies folgt aus den Bekundungen des Zeugen W.O ... Er schildert anschaulich, wie die reedereiseitig auszuführenden Hilfsarbeiten durch die abgestellten Decksleute vorgenommen wurden, namentlich das alte asbesthaltige Isoliermaterial von ihnen entfernt wurde. Der Senat ist aufgrund seiner Aussage auch davon überzeugt, dass der Verstorbene hieran mitgewirkt hat. Denn der Zeuge hat ihn auf dem Foto wiedererkannt und gleichzeitig nachvollziehbar geschildert, warum er sich zunächst hinsichtlich der Person des Ehemannes der Klägerin nicht hat festlegen können. Ihm hatte zwar die Person vor Augen gestanden, indessen war ihm deren Name nicht bekannt. Auch hatte es sich immer um dieselbe Arbeitsgruppe gehandelt, die für die Reederei Dienst auf der Werft getan hat. Aus allem folgt, dass der Verstorbene jedenfalls an den größeren Umbauten teilgenommen hat.
Die schriftliche Aussage seines Schwagers D.S. vom 1. Juni 2012 bestätigt diese Einschätzung. Auch aus ihr geht anschaulich hervor, wie die Decksleute, darunter der Verstorbene, bei dem Umbau des Schleppers "J." beteiligt waren, auf welchem der Verstorbene in späteren Jahren dann als Schiffsführer eingesetzt war.
Die sonach sich ergebende Vermutung, dass der Verstorbene sich aufgrund beruflicher Tätigkeit ein Lungenkarzinom zugezogen hat, aufgrund dessen er gestorben ist, wird auch nicht durch den Umstand widerlegt, dass er bis zum Jahr 1996 stark geraucht hat und sich ein asbestinduziertes Lungenkarzinom nicht von einem durch Zigarettenrauchen induzierten unterscheiden lässt. Bei der Abwägung von versicherter Asbesteinwirkung und nicht versichertem Zigarettenkonsum mit Blick auf ihre Ursächlichkeit ist nämlich zunächst davon auszugehen, dass auch der Raucher in dem Gesundheitszustand versichert ist, in dem er die versicherte Tätigkeit verrichtet. Dies entspricht allgemeiner Auffassung im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. nur die Nachweise bei Wagner in juris-PK SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 157). Auch steigert zwar Zigarettenrauchen das Lungenkrebsrisiko gegenüber der Allgemein¬bevölkerung bereits um das Zehnfache (vgl. Schönberger-Mertens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 1095 m. N.). Jedoch führen Zigarettenkonsum und gleichzeitige Asbestbelastung zu einer überadditiven Steigerung des Lungenkrebsrisikos um das Fünfzigfache (vgl. a.a.O.). Danach vergrößert aber die Asbesteinwirkung das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern noch immer um das Fünffache. Das Vorliegen der asbesttypischen Brückensymptome in Gestalt von Pleuraplaques lässt schließlich die berufliche Ursache Asbesteinwirkung auch neben der privaten des Rauchens noch immer als überragend erscheinen und es kommt danach im vorliegenden Fall bei einer Bewertung aller Umstände der beruflichen Verursachung die größere Bedeutung im Rahmen der Ursachenbewertung zu. Wollte man ungeachtet des Vorstehenden gleichwohl beide Ursachen nebeneinander als gleichermaßen rechtlich wesentlich ansehen, gälten sie beide als ursächlich im Rechtssinne (vgl. Wagner in juris-PK SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 7 Rn. 34 f. m.N.), so dass sich am Ergebnis nichts änderte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
Tatbestand:
Im Streit ist die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung.
Die Klägerin ist die Witwe des am xxxxx 1936 geborenen, am 8. September 2007 an einer Retentionspneumonie bei Bronchialkrebsleiden verstorbenen Versicherten R.H ... Dieser war vom 7. Juli 1951 – 31. März 1996 auf verschiedenen Schleppern der H. Reederei P. gefahren, zunächst als Decksjunge, Jungmann und Matrose (Decksmann) sowie seit Erlangung des hierfür erforderlichen Patents als Schiffsführer auf einem Seeschiffassistenzschlepper im H. Hafen.
Am 10. September 2007 machte der Hausarzt des Verstorbenen der Beklagten Mitteilung, dass durch das Krankenhaus der Verdacht einer durch Asbest verursachten Berufskrankheit geäußert worden sei. Die daraufhin im Auftrag der Beklagten im Institut für Rechtsmedizin der Universität H. durchgeführte Obduktion des Leichnams durch Frau Prof. Dr. L. ergab, dass der Versicherte in beiden Brusthöhlen große grauweiße dickschichtige hyaline Pleuraplaques aufwies, welche von Prof. L. als typische Zeichen einer Pleura-Asbestose gedeutet wurden. In ihrer Zusammenhangs¬begut¬achtung vom 3. Dezember 2007 ging die Untersucherin davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufs¬krank¬heitenverordnung erfüllt sind. Auf das Gutachten wird ergänzend Bezug genommen. Die Beklagte ermittelte zur Asbestexposition des Versicherten zunächst durch Befragung der Klägerin insbesondere zu Tätigkeiten im Maschinenraum der verschiedenen Schiffe, auf denen ihr Ehemann gefahren war. Jedoch konnte die Klägerin hierzu keine Angaben machen. Ihr Ehemann habe alle an Bord anfallenden Arbeiten verrichtet. Auch ein früherer Arbeitskollege des Verstorbenen konnte Tätigkeiten in Maschinenräumen nicht bestätigen, gab allerdings an, dass wegen Asbestgefahr in den achtziger Jahren alte Isolierungen auf den Schiffen ausgewechselt worden seien. Der Arbeitgeber des Versicherten teilte mit, dass dieser bei Wartungen und Reparaturen im Bereich der Maschinenanlage nicht eingesetzt gewesen sei. Die Schiffssicherheits¬abteilung der Beklagten verneinte das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung. Es liege kein Nachweis einer Asbeststaubexposition während der versicherten Tätigkeit vor. Mit Bescheid vom 24. Januar 2008 lehnte die Beklagte es ab, die Erkrankung des Versicherten als Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-verordnung anzuerkennen. Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestehe nicht. Zwar sei im Tätigkeitszeitraum des Verstorbenen auf den Schiffen an verschiedenen Stellen Asbest verbaut gewesen. Der bloße Aufenthalt an Bord und hier namentlich die Tätigkeit im Decksdienst führe jedoch zu keiner über das ubiquitäre Maß hinausgehenden Asbestbelastung. Den hiergegen unter Hinweis auf die allgegenwärtige Asbestbelastung im Hafen und wenigstens eine Bystanderbelastung auf dem Schiff, die selbst dann gegeben gewesen sei, wenn der Verstorbene selbst keine Arbeiten mit Asbestbelastung ausgeführt haben sollte, erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Wider¬spruchs¬bescheid vom 27. Mai 2008 zurück. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung lägen nicht vor, weil der für die tätigkeitsbezogene Einwirkung von Asbeststaub erforder¬liche Beweis nicht habe erbracht werden können. Die Entscheidung erlangte Bestandskraft.
Unter dem 30. Juni 2008 begehrte die Klägerin die Überprüfung der Entscheidung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und wies hierzu darauf hin, dass ihr Ehemann in den 60er und 70er Jahren in jedem Jahr über mehrere Wochen im Rahmen der Beschäftigung bei der Reederei P. in der Werft Maler- und Reparaturarbeiten ausgeführt habe. Hierbei seien unter anderem auch Umbauten getätigt worden, wobei direkter Kontakt zu Asbest, wenigstens aber eine Bystanderbelastung vorgelegen habe. Die Klägerin legte hierzu Fotografien vor und gab an, diese zeigten ihren verstorbenen Ehemann bei entsprechenden Arbeiten auf der Werft. Ferner benannte sie als Zeugen ehemalige Arbeitskollegen. Des Weiteren begehrte die Klägerin mit Blick auf die Belastung durch Diesel-Motoren-Emmissionen während der beruflichen Tätigkeit die Anerkennung der Erkrankung ihres Ehemannes als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII).
Aus der durch die Beklagte vorgenommenen Befragung der angegebenen Zeugen ließen sich keine Erkenntnisse zu einer Asbestbelastung gewinnen. Allerdings konnten die Zeugen bestätigen, dass das Deckspersonal in früherer Zeit während der Werft¬aufenthalte Arbeiten auszuführen hatte. Im Einzelnen gab der Zeuge H1 an, er könne zwar nach fast 50 Jahren keine genauen Angaben mehr machen. Jedoch sei ihm erinnerlich, dass der Verstorbene von 1958 bis 1965 mehrmals im Jahr aus dem Fahrbetrieb zur Werftarbeit abgestellt wurde. Zu seinen Aufgaben hätten Mal- und Konservierungsarbeiten sowie Hilfestellungen beim Ein- und Ausbau sowie beim Transport von Maschinenteilen gehört. Die Reederei konnte keine Angaben machen, da ihr Unterlagen aus dieser Zeit nicht mehr vorlägen.
Die Schiffssicherheitsabteilung der Beklagten vertrat hierzu in einer internen Stellung-nahme die Auffassung, dass ein Asbestkontakt des Versicherten nicht nach¬gewiesen sei. Es fehlten jegliche Angaben zum Umfang der ausgeführten Tätigkeiten. Auch sei nicht nachgewiesen, dass auf den betreffenden Schleppern überhaupt Asbest verarbeitet wurde. Daraufhin lehnte die Beklagte es mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 unter Hinweis auf die Stellungnahme der Schiffssicherheitsabteilung ab, den Bescheid vom 24. Januar 2008 zurückzunehmen. In Würdigung der Sachlage sei der Nachweis der tätigkeitsbezogenen Einwirkung von Asbestfeinstaub nicht erbracht. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2009 zurück.
Ebenfalls mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 lehnte die Beklagte es ab, die Erkrankung des verstorbenen Versicherten als Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Seit 1991 durchgeführte Untersuchungen des messtechnischen Dienstes der Beklagten auf der Brücke und dem Hauptdeck der Schiffe hätten ergeben, dass dort unter normalen Betriebsbedingungen keine Belastungen durch Diesel-Motoren-Emissionen bestünden. Auch gebe es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Diesel-Motoren-Emissionen zu einem erhöhten Lungenkrebsrisiko führten. Ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2009 wies die Beklagte auch den hiergegen erhobenen Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat gegen beide Bescheide fristgerecht unter Wiederholung ihres Vorbringens aus dem Verwaltungsverfahrens Klage (S 36 U 176 und 177/09) erhoben. Hinsichtlich der Abstellung zu Werftarbeiten hat sie erneut auf die Aussage des Zeugen H1 hingewiesen. Aus der Hilfe beim Transport von Maschinenteilen ergebe sich klar der Kontakt zu asbesthaltigen Materialien. Hinsichtlich der Exposition gegenüber Diesel-Motoren-Emissionen hat sie vorgetragen, die Belastung sei in den Häfen besonders hoch, weil dort die Schiffe zur Stromversorgung ihre Aggregate laufen ließen. Schon aus dem ständigen Aufenthalt im Hafengebiet als Schlepperbesatzung ergebe sich die erforderliche Exposition.
Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Arztes für innere Medizin und Arbeitsmedizin, Lungen-und Bronchialheilkunde, Umweltmedizin Dr. S. eingeholt. Dieser gelangt nach Aktenlage zu der Einschätzung, dass aus gutachterlicher Sicht berechtigte Zweifel bestünden, dass der Verstorbene keinerlei Kontakt zu asbesthaltigen Stäuben (beruflich oder außerberuflichen) gehabt habe. Hierfür spreche das Ergebnis der rechtsmedizinischen Untersuchung, bei der hyaline Plaques gefunden worden seien, welche folgerichtig als Brückensymptome angesehen worden seien, so dass die medizi-nischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorlägen. Gleichwohl lägen die Anerkennungs¬voraus-setzungen nicht vor, weil eine Asbestbelastung nicht mit Sicherheit, also im Sinne eines Vollbeweises, zu belegen sei. Hinsichtlich des Zusammenhanges zwischen Diesel-Motoren-Emissionen und Lungenkrebs sei darauf hinzuweisen, dass ein solcher derzeit nicht ausreichend wissenschaftlich belegt sei.
Daraufhin hat die Klägerin eine Erklärung des Schiffbauingenieurs W.O. vom 18. Januar 2011 vorgelegt. Dieser schreibt, ihm habe die Geschäftsleitung für den Reparaturbetrieb und für die Abwicklung der Neu- und Umbauten der O.-Werft oblegen. Diese sei ab Gründung der Werft bis 1974 die Hauswerft für die Reederei P. gewesen, wo in diesem Zeitraum sämtliche Reparaturen an den Schleppern und alle Neu- und Umbauten ausgeführt worden seien. Hierfür habe die Reederei eine ständige Reparaturkolonne von 3-4 Mitarbeitern besessen, welche für die Wartung der maschinellen Einrichtungen der Schlepperflotte zuständig gewesen sei. Auch das Deckspersonal sei aber während der Liegezeit der Schlepper an der Werft zu Maler- und Reinigungsarbeiten sowie für Transporte und einfache Reparaturarbeiten dorthin abgestellt worden. Erinnerlich sei ihm der Umbau der drei Dampfschlepper W., A1 und J. zu Motorschleppern. Bei den in den Jahren 1913/1914 gebauten Schleppern habe die Isolierung aus Glaswolle und/oder asbesthaltigem Material bestanden, welches durch ein Drahtgewebe gehalten worden sei. Dieses Drahtgewebe habe auch gleichzeitig als Befestigung und Halterung des anschließend aufgetragenen Mantels aus Gips gedient. Ein aufgetragener weißer Anstrich habe die Konstruktion abgeschlossen. Bei dem 1952 gebauten Schlepper J. sei der Aufbau der Isolierung einfacher gewesen. Diese habe aus vorgefertigten Matten aus asbesthaltigem Material mit eingearbeitetem Drahtgewebe bestanden. Diese Matten seien durch eingearbeitete Haken und Ösen befestigt worden. Bei späteren Neubauten habe man die Isolierung mit einer Blechverkleidung ummantelt. Zum Ausbau der mit Dampf angetriebenen Maschinenanlagen habe die Reederei den Schlepper an die Werft gelegt. Dort sei dann das halbhohe Deckshaus im Bereich des Maschinenraumes abgetrennt worden. Reedereiseitig hätten die Mitarbeiter wieder verwendbares Inventar und Ausrüstungsteile von Bord geholt und auch die Isolierungen der Rohrleitungen abgebaut. Der Ausbau der alten Antriebsanlage und der Deckswinde sei dann von einem Abwrackunternehmen vorgenommen worden. Da der Verstorbene bereits zu diesem Zeitpunkt bei der Reederei tätig gewesen sei, bestehe aus seiner Sicht die Möglichkeit, dass er bei den Ausbauarbeiten im Bereich der Maschinenräume beteiligt gewesen sei und somit Kontakt mit asbesthaltigem Material bestanden habe. Auch bei Reparaturen an Rohrleitungen könne er in kleinerem Umfang in Kontakt mit Asbest gekommen sei. Nach 50 Jahren könne er allerdings nicht mehr genau sagen, welche Arbeiten der Verstorbene im Einzelnen ausgeführt habe. Jedoch sei das Deckspersonal generell bei den Arbeiten auf der Werft mit asbesthaltigem Material in Berührung gekommen. Auf die Erklärung des W.O., der zahlreiche Fotografien der Umbauten beigefügt waren, wird ergänzend (Blatt 33-42 der Gerichtsakte S 36 U 177/09) Bezug genommen.
Daraufhin ließ die Beklagte den Zeugen O. durch den Technischen Aufsichts¬beamten (TAB) Bessel am 2. März 2011 mündlich befragen. In der Niederschrift über diese in der Häuslichkeit des Zeugen durchgeführte Befragung erklärt der TAB, der Zeuge sei sich mittlerweile sicher, den Verstorbenen bei Reparaturarbeiten auf den Schleppern an der O. Schiffswerft gesehen zu haben, da Frau H2 ihm ein Foto Ihres Mannes zugesandt habe. Auf diesem habe ihn Herr O. wiedererkannt. Gleichwohl könne er – der Zeuge – aufgrund des weit zurückliegenden Zeitraumes der fraglichen Beschäftigung nicht mit Sicherheit sagen, in welchem Umfang die geschilderten Tätigkeiten auf Herrn H2 zutrafen. Denn er – der Zeuge – habe nicht unmittelbar mit dem Verstorbenen zusammengearbeitet. Jedoch halte er aufgrund des fraglichen Zeitraumes und der seinerzeit üblicherweise verwendeten asbesthaltigen Arbeits¬materialien einen direkten Kontakt hiermit für gegeben. Er schätze die Dauer des Aufenthaltes in den Maschinenräumen für das Deckspersonal mit 25 % der Werftliegezeit ein. Auch gebe er an, dass die Demontage- bzw. Montagearbeiten manuell erfolgt seien und ihre Dauer insgesamt etwa 8 Stunden betragen habe. Auf die Niederschrift vom 4. März 2011 (Blatt 48 der Gerichtsakte S 36 U 177/09) wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin hat zwei Fotografien zur Akte S 36 U 177/09 gereicht und hierzu angegeben, diese zeigten ihren Ehemann jeweils im Maschinenraum eines Schiffes. Die Klägerin hat des Weiteren noch eine Stellungnahme des Schiffbauingenieurs W.O. vom 29. April 2011 vorgelegt. Dieser hat berichtet, dass er durch einen Vertreter der Beklagten zu Arbeiten mit asbesthaltigem Material auf der Werft der J.O. KG befragt worden sei. Hierbei habe er geäußert, dass es ihm nach dieser langen Zeit nicht möglich sei genau festzustellen, welche Arbeiten im Einzelnen von den vier Decksleuten zu welchem Zeitpunkt ausgeführt worden seien. Hierzu wolle er nun noch ergänzende Ausführungen machen. So habe die Besatzung eines Schleppers zu jenem Zeitpunkt aus dem Schiffs¬führer, dem Maschinisten und zwei Decksleuten bestanden. Jeder Schlepper sei mit zwei Besatzungen besetzt gewesen. Habe also ein Schlepper für längere Zeit in der Werft gelegen, dann seien praktisch zwei Besatzungen frei gewesen. Hiervon seien dann die vier Decksleute für Arbeiten auf der Werft abgestellt worden, während Schiffsführer und Maschinisten anderweitige Betätigung gefunden oder Urlaub genommen hätten. Die vier Decksleute hätten dann für die von ihm beschriebenen Arbeiten zur Verfügung gestan¬den. Es gebe keinen Grund für die Annahme, dass der Verstorbene an diesen Arbeiten nicht beteiligt war. Denn Tatsache sei, dass diese Arbeiten ausgeführt worden sei.
Die Klägerin hat schließlich eine an ihre Prozessbevollmächtigten gerichtete Erklärung des W.O. vom 21. März 2011 zur Akte gereicht, in der dieser bestätigt, den Versicherten erstmalig auf mehreren ihm von der Klägerin übersandten Fotografien erkannt zu haben. Dieser sei ihm namentlich bis dahin nicht bekannt gewesen, jedoch habe er ihn auf der Fotografie sofort als Mitglied des Deckspersonals erkannt. Auf das Schreiben des Zeugen vom 21. März 2011 (Blatt 168-170 der Gerichtsakte S 36 U 176/09) und die Fotografien auf Blatt 171 dieser Gerichtsakte wird ergänzend Bezug genommen.
In der vom Sozialgericht eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Dr. S. vom 6. September 2011 heißt es, es sei nunmehr davon auszugehen, dass bei dem Verstorbenen eine berufliche Asbestexposition bestanden habe. Die Anzahl der Faserjahre brauche hierfür nicht ermittelt werden, weil eindeutig als asbestassoziiert anzusehende Veränderungen der Pleura festgestellt wurden. Nachdem die Beklagte dieser Auffassung entgegengetreten war, hat der medizinische Sachverständige in einer weiteren Stellungnahme eingeräumt, dass die Frage der Feststellung einer Asbestexposition im Vollbeweis dem Gericht obliege.
Durch Urteil vom 12. April 2012 hat das Sozialgericht die Klagen nach Verbindung der beiden Verfahren unter dem Aktenzeichen S 36 U 176/09 abgewiesen, weil es sich nicht die erforderliche Überzeugung einer stattgehabten Asbestexposition bilden konnte. Hinsichtlich der Dieselmotorenemissionen sei zusammenfassend festzustellen, dass ein Zusammenhang mit Lungenkrebs möglich sei und immer wieder diskutiert werde, sich jedoch mit ausreichender Wahrscheinlichkeit unter Zugrundelegung der zahlreichen Studien nicht belegen lasse. Hier sei zu beachten, dass die Höhe der Emissionen nicht bekannt sei und die Induktion von Lungenkrebs durch Dieselmotorenemissionen in der Literatur strittig sei. Die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII lägen somit nicht vor. Auf die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23. April 2012 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 18. Mai 2012 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, es müsse bei eindeutig nachgewiesener Erfüllung der medizinischen Voraussetzungen der Berufskrank-heit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung mit Blick auf die Falkensteiner Empfehlung vom Bestehen einer gesetzlichen Tatsachenvermutung aus-gegangen werden, dass die Verursachung durch berufliche Asbesteinwirkung erfolgt sei. Im Übrigen sei hinsichtlich des Schleppers J. auszuführen, dass der Verstorbene seinem Schwager bei einer Führung auf diesem Schlepper berichtet habe, wie er an den umfangreichen Umbauten auf der Werft im Maschinenraum mitgewirkt habe, namentlich wie sie das Isolationsmaterial, Maschinenteile usw. hätten entfernen und ins Freie bringen müssen. Er habe berichtet, dass sie von Kopf bis zu den Füßen mit Staub und Schmutz bedeckt gewesen seien. Auf die der Berufungsbegründung beigefügte schriftliche Erklärung des D.S. vom 1. Juni 2012 (Blatt 228 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Darüber hinaus – so die Klägerin – sei die Erkrankung des Verstor¬benen auch nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen, weil Dieselabgase nicht mehr nur als potentiell krebsgefährdend, sondern mittlerweile sogar als krebserregend eingestuft würden. Die Klägerin nimmt des weiteren Bezug auf eine Erklärung des ehemaligen Personal-disponenten der A. (einer Tochtergesellschaft der Reederei P.) in H. vom 1. Juni 2012. Dort heißt es, es sei durchaus üblich gewesen, Deckspersonal während der Dienstzeit im Maschinen¬bereich für besonders arbeitsintensive Aufgaben einzusetzen. Hierzu habe insbesondere das komplette Ausmalen des Maschinenraums gezählt. Bei der Umstellung des Hauptan¬triebes von Dampf auf Diesel oder dieselelektrisch sei es auch üblich gewesen, die Entfernung der asbestisolierten Leitungen am Abgasstutzen und Schornstein von der gesamten Besatzung durchführen zu lassen. Die Klägerin legt eine weitere schriftliche Erklärung des Schiffbauingenieurs W.O. vom 23. Mai 2012 vor. Dort wird unter Hinweis auf die bereits früher erfolgten schriftlichen Äußerungen ausgeführt, die größten zusammen¬hängenden Arbeiten mit asbesthaltigem Material hätten sich für das Deckspersonal beim Umbau der Schlepper von Dampf- auf dieselelektrischen Antrieb ergeben. So sei unter anderem der Schlepper J., welcher 1952 auf der O.-Werft gebaut worden sei, 1969 dort auf dieselelektrischen Antrieb umgerüstet worden. Der Auftrag des Deckspersonals habe hier darin bestanden, die gesamten Isolierungen an den Rohrleitungen der Haupt- und Hilfsmaschinen auszubauen und abzutransportieren. Da die Werftmitarbeiter und die von der Reederei abgestellten Decksleute parallel gearbeitet hätten, habe er auf seinen täglichen Rundgängen auch häufiger dem Verstorbenen gegenübergestanden. Auf die schriftliche Erklärung (Blatt 233-236 der Gerichtsakte) wird ergänzend Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. April 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2009 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Mai 2008 Hinterbliebenen¬leistungen wegen des Todes ihres Ehemannes R.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen hinsichtlich der Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung nicht nachgewiesen seien. Eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII könne mit Blick auf die Dieselmotorenemissionen nicht anerkannt werden, weil aktuelle Messungen ergeben hätten, dass im Normalbetrieb der Schiffe keine Belastungen bestünden.
Auf Veranlassung des Berufungsgerichts hat der Facharzt für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin Dr. P1 das arbeitsmedizinische Gutachten vom 21. Januar 2013 erstattet. Er gelangt dort zu der Einschätzung, dass mit Blick auf die bei der Obduktion eindeutig festgestellten hyalinen Pleuraplaques, welche typisch für eine so genannte Pleura-Asbestose seien, weil sie nur in Ausnahmefällen ohne Asbesteinwirkung aufträten, es für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung nicht auf die Höhe der beruflichen Asbestexposition ankomme. Lediglich müsse der Nachweis erbracht werden, dass überhaupt eine Exposition oberhalb der ubiquitären Hintergrundbelastung vorhanden gewesen sei. Hierfür reiche der alleinige Aufenthalt im Decksbereich von Schiffen, bei denen asbesthaltige Materialien verbaut worden seien, nicht aus. Andererseits lägen verschiedene Zeugenaussagen vor, nach denen der Verstorbene während seiner beruflichen Tätigkeit – insbesondere in den sechziger Jahren – Arbeiten an asbesthaltigen Isolierungen entweder selbst durchgeführt hat oder in unmittelbarer Nähe zu derartigen Arbeiten tätig gewesen ist, so dass im letztgenannten Fall eine so genannte Bystanderexposition anzunehmen wäre. Ob allerdings die Zeugenaussagen geeignet seien, die unfallversicherungsrechtlichen Beweis¬anfor¬derungen zu erfüllen, sei eine juristische Frage und falle nicht in den Kompetenzbereich des medizinischen Gutachters. Sollten jedoch die Zeugenaussagen ausreichen, um eine berufliche Asbestexposition zu belegen, wäre die Diagnose Pleura-Asbestose als gesichert einzustufen und es lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vor. Hinsichtlich der Dieselmotoren¬emissionen gelte, dass diese mittlerweile ab einer kumulativen Gesamtdosis von 445 REC-Jahren (REC = kumulative Gesamtkohlenstoffdosis) als generell krebserzeugend eingestuft würden. Allerdings müsse eine Wechselwirkung zwischen Zigarettenrauch und der Verursachung von Lungenkrebs und Diesel¬motoren¬emissionen beachtet werden. Beides müsse daher näher quantifiziert werden.
Das Berufungsgericht hat den Schiffbauingenieur W.O. als Zeugen zu der Frage vernommen, wie sich die Verhältnisse bei den Werftaufenthalten gestaltet hätten. Er hat bekundet, dass er als persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer der O. Werft die Angebote abgegeben und die hierfür erforderlichen Kalkulationen gemacht habe. Ihm habe sowohl die technische als auch die kaufmännische Leitung oblegen. Deshalb habe er täglich vier Rundgänge auf der Werft gemacht, um sich vom Fortgang der Arbeiten zu überzeugen. Bei diesen Gelegenheiten habe er den Verstorbenen mehrfach gesehen, der ihm aber erst später durch Vorlage eines Fotos als der Verstorbene bezeichnet worden sei. Die Reederei habe durchweg vier Leute zu den Werftarbeiten abgestellt, und zwar immer wieder dieselben, weil diese entsprechend versiert gewesen seien. Hierzu habe eben auch Herr H2 gehört. Was den Ausbau der Isolierungen bei den Umbauten angehe, so seien diese werftseitig nicht kalkuliert worden, weil hierfür reedereiseitig Personal abgestellt worden sei.
Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig, namentlich fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist, nachdem die Klägerin sie auf Leistungen wegen einer Berufskrankheit nach Nummer 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung beschränkt hat, auch vollen Umfanges begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X das Vorliegen eines Versicherungsfalls in der gesetzlichen Unfallversicherung in Gestalt einer Berufskrankheit verneint und hiervon ausgehend auch zu Unrecht die Gewährung von Leistungen an die Witwe des Verstorbenen unter Aufhebung des dem entgegenstehenden Bescheides vom 24. Januar 2008 abgelehnt. Dieser erweist sich nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Satz 1 SGG) als rechtswidrig, weil von einem Sachverhalt ausgegangen wurde, welcher unrichtig ist.
Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) haben Hinterbliebene von Versicherten Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten, dieser also ursächlich für den Tod ist.
Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Ausschließlich letzteres kommt in Betracht. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII diejenigen Krankheiten, die in einer Rechtsverordnung als solche bezeichnet sind und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Dabei sind in der Rechtsverordnung diejenigen Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Dementsprechend bestimmt § 1 Berufskrankheitenverordnung i.V.m. Nr. 4104 der Anlage hierzu den Lungenkrebs in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura als Berufskrankheit. An eben dieser Erkrankung litt der Versicherte und – was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist – verstarb hieran. Dies folgt aus dem pathologischen Zusammenhangsgutachten der Frau Prof. Dr. L ... Dieser Einschätzung folgt der Senat ohne weiteres, weil hieran zu zweifeln unter Würdigung der erhobenen Befunde – auch aus der Sicht der Beteiligten – kein Anlass besteht.
Der Verstorbene hat sich diese Erkrankung auch infolge versicherter Tätigkeit zugezogen. Für seine diesbezügliche Überzeugungsbildung hat sich der Senat zunächst von der Erwägung leiten lassen, dass der ursächliche Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der versicherten Tätigkeit im Fall der Berufskrankheit Nr. 4104 Fallgruppe 2 im Gegensatz zu der Berufskrankheit nach Nummer 4104 Fallgruppe 3 der Anlage zur BKV nicht an ein Dosismaß gekoppelt ist. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Norm. In seine Erwägungen einbezogen hat der Senat überdies, dass es gegenwärtiger medizinischer Erkenntnis entspricht, dass bereits geringe Asbestfaserstaub-Einwirkungen Erkrankungen der Pleura (und im Gefolge Lungenkrebs) verursachen können. Beide tätig gewesenen medizinischen Sachverständigen haben dies bestätigt. Liegen – wie hier in Gestalt hyaliner Plaques – asbesttypische Brückenbefunde und Lungenkrebs nebeneinander vor, dann wird der Kausalzusammenhang zwischen Asbesteinwirkung und Erkrankung widerlegbar vermutet (vgl. zum Vorstehenden: Schönberger-Mertens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 1098), so dass im Grundsatz der Nachweis selbst geringster beruflich bedingter Belastungen zur Feststellung einer beruflichen Verursachung ausreichend sein könnte.
Allerdings ist der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII zu entnehmen, dass die Verursachung aufgrund versicherter Tätigkeit stets eine Belastung oberhalb derjenigen der Allgemeinbevölkerung voraussetzt. Nach der Einschätzung des Berufsgenossenschaftliches Institutes für Arbeitssicherheit (BIA), welches nunmehr die Bezeichnung Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung führt, liegt die – durch Verwitterungsvorgänge von Gestein an der Erdoberfläche entstehende – natürliche Grundbelastung durch Asbestfasern bei weniger als 100 Fasern pro Kubikmeter Luft (F/m³). In Gebieten mit industriellen Emittenten, Gebieten mit Asbestzementverkleidung oder Innenräumen mit asbesthaltigen bautechnischen Produkten können die Faserkonzentrationen demgegenüber deutlich erhöht sein (vgl. BIA-Handbuch XII 2001, Seite 13 sowie Tabelle 8). Das Bundesgesundheitsamt hat deshalb zur Abgrenzung einer beruflichen von einer sonstigen Exposition einen Wert von 1000 F/m³ (= 0,001 F/cm³) als so genannte ubiquitäre Belastung empfohlen, der jedoch in die technischen Regelwerke nicht übernommen wurde (vgl. a.a.O., Seite 13 f.). Lediglich für die Abgrenzung der Zuständigkeit der einzelnen Berufsgenossenschaften gilt die Annahme (vgl. Anlage 9 zum BK-Report 1/2007 Faserjahre), dass Belastungen unterhalb 0,001 F/cm³ als ubiquitär gelten. Im Übrigen (vgl. a.a.O. Seite 249) wird davon ausgegangen, dass Asbestfaserkonzentrationen unterhalb eines Wertes von 0,005 F/cm³ nicht zu berücksichtigen sind.
Zur Beantwortung der danach allein entscheidungserheblichen Frage, ob der Versicherte während versicherter Tätigkeit in einem solchen Maße gegenüber Asbest exponiert gewesen ist, bedarf es des so genannten Vollbeweises. Danach müssen alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein, die volle richterliche Überzeugung zu begründen. Hierfür bedarf es zwar nicht einer absoluten Gewissheit, aber doch immerhin eines der Gewissheit nahe kommenden Grades der Wahrscheinlichkeit; der behauptete Umstand muss nach ständiger Rechtsprechung in so hohem Maße wahrscheinlich sein, dass bei lebenspraktischer Betrachtung Zweifel zurücktreten, ohne dass diese allerdings völlig ausgeschlossen sein müssen.
Der Senat hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Verstorbene an seinem Arbeitsplatz auf dem Schiff einer das Maß von 0,005 F/cm³ übersteigenden beruflichen Belastung durch Asbest ausgesetzt war.
Ausweislich des BK-Report 1/2007 Faserjahre wird bereits bei einem achtstündigen Aufenthalt in Maschinenräumen von Schiffen mit asbesthaltigen Einrichtungen ohne Umgang mit Asbest von einer Belastung in Höhe von 0,008 F/cm³ ausgegangen (a.a.O. Seite 159), so dass schon im Normalbetrieb eines solchen Schiffes von einer Gefährdung jedenfalls des Maschinenpersonals auszugehen ist, während der Aufenthalt im Decksbereich zu einer solchen Gefährdung nicht führt. Arbeiten im Maschinenraum solcher Schiffe bewirken je nach Art eine Belastung von 0,007 F/cm³ (Isolierarbeiten) bis 0,010 F/cm³ (Reinigungs- insbesondere Fegearbeiten, vgl. a.a.O. Seite 158). Hieraus folgt unmittelbar, dass jedenfalls diejenigen Beschäftigten, die während der Werftaufenthalte altes Isoliermaterial entfernt und die Maschinenräume gereinigt haben, einer Asbestexposition ausgesetzt waren, die über das ubiquitäre Maß hinausgeht.
Mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass der Versicherte während der verschiedenen Werftaufenthalte auf der O. Werft Umgang mit asbesthaltigen Isoliermaterialien hatte. Dies folgt aus den Bekundungen des Zeugen W.O ... Er schildert anschaulich, wie die reedereiseitig auszuführenden Hilfsarbeiten durch die abgestellten Decksleute vorgenommen wurden, namentlich das alte asbesthaltige Isoliermaterial von ihnen entfernt wurde. Der Senat ist aufgrund seiner Aussage auch davon überzeugt, dass der Verstorbene hieran mitgewirkt hat. Denn der Zeuge hat ihn auf dem Foto wiedererkannt und gleichzeitig nachvollziehbar geschildert, warum er sich zunächst hinsichtlich der Person des Ehemannes der Klägerin nicht hat festlegen können. Ihm hatte zwar die Person vor Augen gestanden, indessen war ihm deren Name nicht bekannt. Auch hatte es sich immer um dieselbe Arbeitsgruppe gehandelt, die für die Reederei Dienst auf der Werft getan hat. Aus allem folgt, dass der Verstorbene jedenfalls an den größeren Umbauten teilgenommen hat.
Die schriftliche Aussage seines Schwagers D.S. vom 1. Juni 2012 bestätigt diese Einschätzung. Auch aus ihr geht anschaulich hervor, wie die Decksleute, darunter der Verstorbene, bei dem Umbau des Schleppers "J." beteiligt waren, auf welchem der Verstorbene in späteren Jahren dann als Schiffsführer eingesetzt war.
Die sonach sich ergebende Vermutung, dass der Verstorbene sich aufgrund beruflicher Tätigkeit ein Lungenkarzinom zugezogen hat, aufgrund dessen er gestorben ist, wird auch nicht durch den Umstand widerlegt, dass er bis zum Jahr 1996 stark geraucht hat und sich ein asbestinduziertes Lungenkarzinom nicht von einem durch Zigarettenrauchen induzierten unterscheiden lässt. Bei der Abwägung von versicherter Asbesteinwirkung und nicht versichertem Zigarettenkonsum mit Blick auf ihre Ursächlichkeit ist nämlich zunächst davon auszugehen, dass auch der Raucher in dem Gesundheitszustand versichert ist, in dem er die versicherte Tätigkeit verrichtet. Dies entspricht allgemeiner Auffassung im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung (vgl. nur die Nachweise bei Wagner in juris-PK SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 157). Auch steigert zwar Zigarettenrauchen das Lungenkrebsrisiko gegenüber der Allgemein¬bevölkerung bereits um das Zehnfache (vgl. Schönberger-Mertens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, Seite 1095 m. N.). Jedoch führen Zigarettenkonsum und gleichzeitige Asbestbelastung zu einer überadditiven Steigerung des Lungenkrebsrisikos um das Fünfzigfache (vgl. a.a.O.). Danach vergrößert aber die Asbesteinwirkung das Lungenkrebsrisiko bei Rauchern noch immer um das Fünffache. Das Vorliegen der asbesttypischen Brückensymptome in Gestalt von Pleuraplaques lässt schließlich die berufliche Ursache Asbesteinwirkung auch neben der privaten des Rauchens noch immer als überragend erscheinen und es kommt danach im vorliegenden Fall bei einer Bewertung aller Umstände der beruflichen Verursachung die größere Bedeutung im Rahmen der Ursachenbewertung zu. Wollte man ungeachtet des Vorstehenden gleichwohl beide Ursachen nebeneinander als gleichermaßen rechtlich wesentlich ansehen, gälten sie beide als ursächlich im Rechtssinne (vgl. Wagner in juris-PK SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 7 Rn. 34 f. m.N.), so dass sich am Ergebnis nichts änderte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechts-streits in der Hauptsache.
Ein Grund für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG ist nicht gegeben.
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