L 6 KR 1588/14 B ER

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 41 KR 5000/14 ER
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 1588/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Ver-pflichtung der Beschwerdegegnerin, ihm häusliche Krankenpflege in Form von Insulininjektionen während des Aufenthaltes in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) zu gewähren.

Der 1953 geborene Beschwerdeführer ist bei der Beschwerdegegnerin gesetzlich krankenver-sichert. Er ist geistig schwerbehindert (GdB 50) sowie pflegebedürftig und steht unter rechtlicher Betreuung. Er leidet unter anderem an Diabetes mellitus und bedarf täglich mehrerer subkutaner Insulininjektionen, die er sich nicht selbst verabreichen kann. Er bezieht Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) von der Beigeladenen zu 2) und besucht an fünf Tagen in der Woche die WfbM des Beigeladenen zu 1). Während des Aufenthalts in der Werkstatt (täglich sieben Stunden) benötigt er zwei Insulininjektionen. In der Zeit vom 13. Juli 2012 bis 25. September 2014 übernahm die Beschwerdegegnerin die Kosten für die Verabreichung der Insulininjektionen in der WfbM. Diese wurden von einem Pflegedienst, dem Pflegezentrum E. A. und W. GmbH (Pflegedienst), durchgeführt.

Mit Folgeverordnung häuslicher Krankenpflege vom 26. September 2014 verordnete Dr. F. für den Zeitraum 26. September 2014 bis 30. März 2015 häusliche Krankenpflege zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung. Die verordneten Maßnahmen umfassten Insulininjektionen 2 x täglich/5 x wöchentlich im genannten Zeitraum.

Mit Bescheid vom 7. Oktober 2014 lehnte die Beschwerdegegnerin die Behandlungspflege-maßnahme - zweimal täglich Insulininjektionen in der WfbM - ab. Bei dem Beschwerdeführer ergebe sich durch die zweimal tägliche Erbringung der Insulininjektionen und ggf. weiterer erforderlicher grundpflegerischer Verrichtungen während des Aufenthaltes in der Werkstatt kein besonders hoher Pflegebedarf. Darüber hinaus handle es sich bei der begehrten Be-handlungspflegemaßnahme um eine Verrichtung der sogenannten Laienpflege. Diese könne üblicherweise auch von Personen erbracht werden, welche nicht die für einen Pflegeberuf gesetzlich vorgesehene berufliche Ausbildung hätten.

Hiergegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 3. November 2014 Widerspruch. Am gleichen Tag hat er Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Gotha (SG) gestellt. Er könne nicht auf medizinische Hilfe durch den Träger der WfbM verwiesen werden. Der Landesrahmenvertrag mit dem F. Th. nach § 79 SGB XII lege in § 4 fest, dass Leistungstypen festzusetzen sind, welche die Ausstattung teilstationärer Einrichtungen regelten. Der Leistungstyp für die WfbM sehe in seiner Fassung vom 4. Juni 2008 eine veränderte Regelung im Vergleich zur Fassung vom 8. April 2003 bei den Betreuungsleistungen vor. So heiße es jetzt: "Sicherung des Einkaufs der erforderlichen pflegerischen Hilfen ..." und nicht mehr "Sicherstellung der erforderlichen pflegerischen Hilfen". Zudem enthielten weder der Landesrahmenvertrag noch der Werkstattvertrag Regelungen über die Erbringung von Behandlungspflege. Überdies sei die vom Beschwerdeführer besuchte WfbM auch personell nicht mit für Insulininjektionen qualifizierten medizinischen Fachkräften ausgestattet. Dies sehe weder der Rahmenvertrag noch die mit der WfbM geschlossene Leistungsvereinbarung vor. Insulin könne jedoch nur durch medizinisches Fachpersonal injiziert werden, wie sich aus einem Gutachten der Dr. S. vom 11. Juli 2012 aus dem anderen Verfahren (S 38 KR 604/12) vor dem Sozialgericht Gotha ergebe. Ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung sei die Finanzierung der Insulininjektionen nicht sichergestellt. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache hätte für ihn lebensgefährliche Folgen. Hierzu hat der Beschwerdeführer ein Schreiben des Pflegedienstes vom 12. November 2014 vorgelegt, nach dem dieser in Rücksprache mit dem Betreuer und im Hinblick auf eine gesicherte Versorgung weiterhin die Leistungserbringung sicherstellt und insoweit in Vorkasse geht.

Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 20. November 2014 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein Anordnungsgrund besteht, da die pflegerische Versorgung des Beschwerdeführers nach dem von ihm selbst vorgelegten Schreiben des Pflegedienstes vom 12. November 2014 gesichert ist.

Mit seiner am 17. Dezember 2014 beim SG eingegangenen Beschwerde hat der Beschwerde-führer ein Schreiben des Pflegedienstes vom 4. Dezember 2014 vorgelegt, nach dem dieser nur noch bereit ist, die Insulininjektionen bis zum 31. Januar 2015 vorzunehmen. Sollte es bis dahin nicht zu einer Klärung gekommen sein, werde die Leistungserbringung eingestellt. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beschwerdeführer sein Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, dass es auch auf die Zumutbarkeit der Insulingabe durch das Personal der Werkstatt ankomme. Dieses sei aber schon aus haftungsrechtlichen Gründen nicht leistungswillig. Im Übrigen ergäbe sich eine Leistungszuständigkeit der Beschwerdegegnerin auch aus § 13 Abs. 3a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), § 14 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) und § 43 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I).

Der Beschwerdeführer beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Sozialgerichts Gotha vom 20. November 2014 die Beschwerdegegnerin einstweilen dazu zu verpflichten, ihm vorläufig häusliche Krankenpflege in Form von Insulininjektionen während des Aufenthalts in der Werkstatt für behinderte Menschen zu bewilligen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach ihrer Ansicht sind die Voraussetzungen des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht erfüllt. Ein besonders hoher Pflegebedarf liege beim Beschwerdeführer nicht vor. Im Übrigen sei die Versorgung der Beschäftigten in der WfbM durch die dort vorzuhaltenden Pflegekräfte wahr-zunehmen und beschränke sich nicht auf grundpflegerische Verrichtungen (z.B. Hilfestellung beim Waschen, Umziehen und Toilettengang). Diese Fachkräfte hätten auch Behandlungs-pflegeleistungen zu erbringen, wenn diese während des Aufenthalts erforderlich seien. Es sei zu unterscheiden zwischen dem in einer WfbM üblichen Pflegebedarf und dem diesen Rahmen im Einzelfall überschreitenden besonders hohem Pflegebedarf der behinderten Menschen. Den üblichen Pflegebedarf müsse die WfbM mit dem Personal ihrer begleitenden Dienste durch Maßnahmen der kleinen Behandlungspflege selbst decken, hierzu gehöre regelmäßig etwa die Gabe von Insulinspritzen. Insoweit werde auf ein Sachverständigengutachten vom 20. November 2012 in einem Verfahren der Beteiligten vor dem Sozialgericht Gotha (S 38 KR 4200/12) verwiesen, wonach die begehrten Injektionen nicht zwingend von medizinischem Fachpersonal auszuführen sind. Gegebenenfalls bestehe ein Anordnungsanspruch gegenüber der Beigeladenen zu 2) als Sozialhilfeträger, sofern nicht die Beigeladene zu 1) zur Erbringung der Behandlungspflegemaßnahmen verpflichtet sei.

Die Beigeladene zu 1) hält die Beschwerde für begründet. Sie sei personell nicht in der Lage, die Insulininjektionen zu verabreichen, da dies nur durch medizinisches Fachpersonal erfolgen dürfe. Weder der Landesrahmenvertrag nach § 79 SGB XII noch die Leistungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII sehen das Vorhalten medizinischen Fachpersonals vor.

Die Beigeladene zu 2) hat sich trotz gerichtlicher Aufforderung zur Stellungnahme vom 8. Januar 2015 und Erinnerung vom 19. Januar 2015 nicht zum Verfahren geäußert.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beschwerdegegnerin sowie die beigezogene Gerichtsakte des SG (S 38 KR 4200/12) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist nach §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig aber unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86 b Absatz 2 Satz 2 SGG in der ab dem 2. Januar 2002 gültigen Fassung kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitge-genstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2).

Ein Anordnungsantrag ist begründet, wenn das Gericht auf Grund einer hinreichenden Tatsa-chenbasis durch Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO) und/oder im Wege der Amtsermittlung (§ 103 SGG) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund bejahen kann. Ein Anordnungsanspruch liegt vor, wenn das im Hauptsacheverfahren streitige materielle Recht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn es für den Beschwerdeführer unzumutbar erscheint, auf den rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen zu werden. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, ohne dass auf ihn aber verzichtet werden kann (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 29). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich, wobei die Intensität einer drohenden Verletzung von Grundrechten, die wirtschaftlichen Verhältnisse, unbillige Härten und die Mitverantwortung des Antragstellers einzubeziehen sind (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 29a).

Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist nach summarischer Prüfung des Senats offen. Al-lerdings sprechen überwiegende Gründe dafür, dass kein Anordnungsanspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege in Form der Insulininjektionen gegenüber der Beschwerdegegnerin gegeben ist. Insofern ist es bei summarischer Prüfung wahrscheinlich, dass das Begehren des Beschwerdeführers in der Hauptsache erfolglos bleiben wird. Ob er darüber hinaus einen Anordnungsanspruch gegen die Beigeladenen hat, kann nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilt werden und bedarf hier auch keiner abschließenden Klärung, da es jedenfalls an einem Anordnungsgrund fehlt.

Zunächst kommt eine Verpflichtung der Beschwerdegegnerin über eine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nicht in Betracht, da die dreiwöchige Bearbeitungsfrist eingehalten wurde. Auch eine Leistungspflicht als erstangegangener Leistungsträger nach § 14 SGB IX scheidet aus, da es sich bei den Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem SGB V jedenfalls im Verhältnis zur Beschwerdegegnerin nicht um Leistungen zur Teilhabe handelt. Schließlich besteht auch keine Pflicht zur vorläufigen Leistungserbringung nach § 43 Abs. 1 SGB I. Insoweit lag weder ein negativer Kompetenzkonflikt noch ein entsprechender Antrag des Beschwerdeführers vor. Im Übrigen sind die gegenüber den Beigeladenen möglicherweise bestehenden Ansprüche dem hier gegenüber der Beschwerdegegnerin verfolgten Anspruch inhaltlich nicht gleichgelagert. Vielmehr ist vorliegend auch dem Grunde nach streitig, ob Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu erbringen sind. § 43 SGB I gewährt jedoch nur dann einen Anspruch, wenn überhaupt mehrere Leistungsträger für die gleiche Sozialleistung zuständig sind. Steht lediglich fest, dass irgendeine Sozialleistung zu gewähren ist, kommen keine vorläufigen Leistungen in Betracht (vgl. jurisPK-SGB I/Wagner, § 43 Rdnr. 18; BVerwG, Beschluss vom 23.11.1988 - 5 B 73/88 - juris).

Als Anspruchsgrundlage kommt damit allein § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V in Betracht. Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Be-handlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung (WVO) bleibt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V unberührt. Ein Anspruch auf Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen kommt insofern nur in Betracht, "wenn wegen des besonders hohen Pflegebedarfs eines Versicherten die zur Verfügung stehenden pflegerischen Fachkräfte nicht ausreichen. Im Regelfall bleibt es hier aber dabei, dass nach § 10 der WerkstättenVO der pflegerische Bedarf durch die Werkstätten selbst abgedeckt wird" (vgl. BT-Drucksache 16/4247, S. 33 f.).

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat (gestützt auf § 37 Abs. 6 SGB V) in § 1 Abs. 7 der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie ( ) konkretisierend festgelegt, dass die Intensität oder Häufigkeit der in der WfbM zu erbringenden Pflege so hoch sein muss, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die WfbM nicht auf Grund des § 10 WVO verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WVO muss die WfbM zur pädagogischen, sozialen und medizinischen Betreuung der behinderten Menschen über begleitende Dienste verfügen, die den Bedürfnissen der behinderten Menschen gerecht werden (vgl. auch § 33 Abs. 6 SGB IX). Für je 120 behinderte Menschen sollen in der Regel ein Sozialpädagoge oder ein Sozialarbeiter zur Verfügung stehen, darüber hinaus im Einvernehmen mit den zuständigen Rehabilitationsträgern pflegerische, therapeutische und nach Art und Schwere der Behinderung sonst erforderliche Fachkräfte (§ 10 Abs. 2 WVO). Die besondere ärztliche Betreuung der behinderten Menschen in der Werkstatt und die medizinische Beratung des Fachpersonals der Werkstatt durch einen Arzt, der möglichst auch die an einen Betriebsarzt zu stellenden Anforderungen erfüllen soll, müssen vertraglich sichergestellt sein (§ 10 Abs. 3 WVO).

Nach den genannten Vorschriften ist zu unterscheiden zwischen dem in einer WfbM üblichen Pflegebedarf und dem diesen Rahmen im Einzelfall überschreitenden besonders hohen Pfle-gebedarf der behinderten Menschen. Den üblichen Pflegebedarf muss die WfbM mit dem Personal ihrer begleitenden Dienste durch Maßnahmen der "kleinen Behandlungspflege" (selbst) decken. Bei besonders hohem Pflegebedarf muss die Krankenkasse Leistungen der häuslichen Krankenpflege gewähren.

Ob die subkutane Verabreichung von Insulininjektionen generell oder in bestimmten Fällen zwingend durch medizinisches Fachpersonal zu erfolgen hat und daher einen besonders hohen Pflegeaufwand begründet, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

Soweit ersichtlich ist eine generelle Ausführung durch medizinisches Fachpersonal - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers und der Beigeladenen zu 1) - nicht erforderlich. Vielmehr handelt es sich grundsätzlich um eine Maßnahme der sog. Laienpflege, die auch von Personen übernommen werden kann, die nicht die für einen Pflegeberuf gesetzlich vorgesehene berufliche Ausbildung haben. Die Blutzuckermessung und die Insulininjektionen sind zumindest nach der überwiegend in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung grundsätzlich einfache behandlungspflegerische Verrichtungen, deren Erbringung keine ärztlichen oder medizinisch-pflegerischen Kenntnisse erfordert (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Mai 2012 – L 5 KR 1905/10, juris; SG Chemnitz, Beschluss vom 27. September 2013 – S 27 SO 158/13 ER, juris; SG Dresden, Beschluss vom 15. August 2008 – S 18 KR 397/08 ER, juris; jurisPK-SGB V/Pade, § 37 Rdnr. 34; a.A. wohl Hessisches LSG, Urteil vom 17. Dezember 2007 – L 1 KR 110/06, juris). Hierfür spricht möglicherweise, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die subkutane Verabreichung von Injektionen in der Nr. 18 der Anlage zur Häusliche Krankenpflege-Richtlinie nicht als ärztliche Leistung auflistet. Wie sich auch aus den weiteren Voraussetzungen der Verordnungsfähigkeit ergibt, geht der Ausschuss davon aus, dass diese Injektionen grundsätzlich durch den Patienten selbst oder dessen Angehörige vorgenommen werden können.

Jedenfalls im Falle des Beschwerdeführers ist ein solcher "besonders hoher Pflegebedarf" nicht anzunehmen. Dies folgt aus dem im Verfahren S 38 KR 4200/12 eingeholten Sachver-ständigengutachten der Dr. S. vom 20. November 2012, wonach die verordnete Injektion ihm auch durch nicht medizinisch ausgebildete Personen nach Diabetikerschulung und Unterweisung verabreicht werden kann. Der Beschwerdeführer ist dieser Einschätzung entgegengetreten, hat seine Klage aber zurückgenommen. Damit steht bei summarischer Prüfung auch für das vorliegende Verfahren fest, dass eine Verabreichung der Injektion durch medizinisches Fachpersonal nicht geboten ist.

Abweichendes folgt nicht aus dem Sachverständigengutachten der Dr. S. vom 11. Juli 2012 aus dem Verfahren eines anderen Klägers (S 38 KR 604/12). Auch wenn die Sachverständige dort zum Ergebnis gelangt, dass die Insulininjektionen bei diesem Kläger zwingend durch medizinisches Fachpersonal auszuführen sind, begründet dies keinen Widerspruch. Vielmehr dürften diese unterschiedlichen Feststellungen auf unterschiedlichen Sachverhalten, insbeson-dere dem individuellen Krankheitsbild des jeweiligen Klägers, beruhen.

Sprechen folglich die überwiegenden Gesichtspunkte gegen eine Leistungszuständigkeit der Beschwerdegegnerin, kommt allerdings möglicherweise ein Leistungsanspruch gegen einen der Beigeladenen in Betracht.

Hinsichtlich der Beigeladenen zu 1) ist bei summarischer Prüfung ein Anspruch des Be-schwerdeführers auf Abdeckung seines pflegerischen Bedarfs aus dem Werkstattvertrag in Verbindung mit § 10 WVO sowie den auf Landesebene zwischen den Trägern geschlossenen Leistungsvereinbarungen denkbar. Ob er besteht und in welchem Verfahren er geltend zu ma-chen wäre, kann der Senat mangels Kenntnis des Werkstattvertrages und Entscheidungszu-ständigkeit über ggf. bestehende zivilrechtliche Ansprüche nicht entscheiden.

In Betracht kommt auch eine Inanspruchnahme der Beigeladenen zu 2) (so jedenfalls SG Chemnitz, Beschluss vom 27. September 2013 – S 27 SO 158/13 ER –, juris; SG Dresden, Beschluss vom 15. August 2008 – S 18 KR 397/08 ER –, juris). Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen nach dem SGB XII. Insofern ist die Beigeladene zu 2) nach den §§ 53 ff. SGB XII i.V.m. § 3 des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (ThürAGSGB XII) als örtlicher Träger der Sozialhilfe zuständig für die in der Werkstatt zu erbringenden Annexleistungen, zu denen nach dem bereits Ausgeführten auch Maßnahmen der "kleinen Behandlungspflege" zählen.

Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Beschwerdeführer aktuell hinreichend um eine Abdeckung seines Pflegebedarfes durch die Beigeladene zu 1) bemüht oder die Beigeladene zu 2) zur Kostenübernahme oder zu einem Einwirken auf die Beigeladene zu 1) veranlasst hätte. Letztlich muss die abschließende Klärung der Frage des zuständigen Leistungserbringers dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Die bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens notwendige umfassende Interessenab-wägung führt dazu, dass dem Beschwerdeführer ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache zugemutet werden kann. Er hat einen Anordnungsgrund und damit eine besondere Dringlichkeit nicht glaubhaft gemacht.

Kein Anordnungsgrund besteht für die Zeit vom 26. September bis 2. November 2014. Sinn der einstweiligen Anordnung ist es, für die Zukunft eine Regelung zu treffen. Bei Geldleistungen für die Vergangenheit, also für Zeiten vor Eingang des Antrags bei Gericht, fehlt deshalb in aller Regel der Anordnungsgrund (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 86b Rn. 29a). Ausnahmen kommen nur in Betracht, wenn ein Nachholbedarf erkennbar ist (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Februar 2014 - L 6 KR 107/14 B ER). Einen solchen hat der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht und ist auch nicht denkbar, weil der beauftragte Pflegedienst in Vorleistung getreten ist.

Auch für den Zeitraum 3. November 2014 bis Ende 31. Januar 2015 besteht - wie das SG zu-treffend ausgeführt hat - kein Anordnungsgrund. Der beauftragte Pflegedienst hat mit Schreiben vom 12. November und 4. Dezember 2014 gegenüber dem Betreuer des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass er die Leistungserbringung bis Ende Januar 2015 weiterhin übernimmt und insoweit in Vorkasse tritt. Damit ist dessen medizinische Versorgung für diesen Zeitraum abgesichert. Unzumutbare Nachteile entstehen hieraus nicht, da lediglich die Kostenübernahme durch die Beschwerdegegnerin bzw. einen Dritten nicht abschließend geklärt ist. Insoweit ist die Erklärung des Pflegedienstes als Vorleistungsverpflichtung und Stundungsvereinbarung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens auszulegen. Im Falle eines Obsiegens des Beschwerdeführers in der Hauptsache und einer Leistungsverpflichtung der Beschwerdegegnerin wären diese Nachteile ohne Weiteres durch eine nachträgliche Abrechnung der Leistungen zu kompensieren.

Auch für den anschließenden Zeitraum (ab 1. Februar 2015) scheidet ein Anordnungsgrund aus. Der Beschwerdeführer kann - zumindest zur Zeit - auf den Einsatz seiner eigenen finanziellen Mittel verwiesen werden, um die Durchführung der Insulininjektionen bis zur Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zum Ablauf der ärztlichen Verordnung zu gewährleisten. Eine Regelungsanordnung kommt nur für den Zeitraum der ärztlich verordneten häuslichen Krankenpflege in Betracht. Die ärztliche Verordnung endet am 30. März 2015, so dass der Beschwerdeführer letztlich nur eine Regelungsanordnung für den Zeitraum vom 1. Februar bis 30. März 2015 begehren kann.

Für diesen Zweimonatszeitraum ist ihm der Einsatz eigener finanzieller Mittel zumutbar. Soweit aus der beigezogenen Gerichtsakte (S 38 KR 4200/12) ersichtlich, betragen die Kosten für die Insulininjektion 10,10 EUR täglich (Anlage 15 zum Klageschriftsatz, Schreiben des Betreuers an die Beigeladene zu 2) vom 17. Januar 2012). Damit ergibt sich ein für den Beschwerdeführer vorzufinanzierender Betrag in Höhe von ca. 400 EUR. Vor dem Hintergrund des nur vorläufigen und sichernden Charakters der einstweiligen Anordnung kann der Beschwerdeführer auf die Selbstbeschaffung und nachfolgende Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V verwiesen werden. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist nicht zur Abwendung wesentlicher Nachteile geboten. Entgegen seinem Vorbringen im Schriftsatz vom 17. Dezember 2014 ist der Beschwerdeführer nicht mittellos. Ausweislich der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verfügt er über Vermögen in Gestalt von Guthaben auf einem Girokonto in Höhe von 833,18 EUR und auf einem Sparbuch in Höhe von 1.630,38 EUR. Dem Beschwerdeführer ist der Einsatz dieser Mittel zumutbar, denn die Kosten der Selbstbeschaffung betragen nicht einmal ein Sechstel seines Vermögens. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass er durch die Vorfinanzierung dieses Betrages unzumutbar in seiner Lebensführung eingeschränkt wird. Zudem sind die hiermit verbundenen Nachteile im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache und einer Leistungsverpflichtung der Beschwerdegegnerin ohne Weiteres zu kompensieren. Der verauslagte Betrag für die Inanspruchnahme eines Pflegedienstes wäre dann nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V zu erstatten.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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