L 13 AS 3216/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 476/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3216/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 3. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und die Erstattung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) – hier Regelleistungen – für die Zeit vom 16. November 2009 bis 30. Juni 2010 streitig.

Der im Jahre 1962 geborene Kläger steht seit dem Jahr 2009 im Leistungsbezug nach dem SGB II. Bei Antragstellung gab der Kläger die Anschrift in "H. xx, xxxxx W." an. Mit Bescheiden vom 29. Juli 2009 bewilligte die damals in getrennter Trägerschaft zuständige Agentur für Arbeit R. dem Kläger Regelleistungen für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 und vom 1. März 2010 bis 31. August 2010 (Regelsatz monatlich 359 EUR, Beiträge zur Kranken– und Pflegeversicherung monatlich 18,04 EUR). Der Kläger wurde u.a. darüber belehrt, dass er immer unter der von ihm benannten Adresse erreichbar sein müsse (im Einzelnen Bl. 92 und 97 der Verwaltungsakten). Am 4. Februar 2010 gab der Kläger anlässlich der persönlichen Vorsprache in seinem Weiterbewilligungsantrag an, Änderungen in seinen persönlichen Daten und den persönlichen Verhältnissen seien nicht eingetreten. Nachdem der Kläger mitteilte, er übe eine selbstständige Tätigkeit aus, änderte die Agentur für Arbeit R. die Bewilligungen mit Bescheiden vom 26. Oktober 2009 (Zeitraum 1. November 2009 bis 31. Januar 2010) und vom 5. Februar 2010 (Zeitraum 1. Februar 2010 bis 31. Juli 2010) in vorläufige Leistungsbewilligungen um, wobei die Höhe der Leistungen unverändert blieb. Mit weiterem Bescheid vom 14. (17.) Mai 2010 bewilligte die Agentur für Arbeit in unveränderter Höhe die Leistungen für die Zeit vom 1. November 2009 bis 31. Januar 2010 endgültig. Diese Bescheide wurden bestandskräftig.

Am 21. Oktober 2009 legte der Kläger dem für die Bewilligung von Leistungen der Unterkunft zuständigen Landratsamt R. einen Mietvertrag vor, wonach er ab 1. November 2009 in der Ha.-Straße xx in xxxxx R. wohnhaft sei. Der dortige Wohnungsverwalter teilte jedoch dem Landratsamt unter dem 23. Dezember 2009 mit, dass deren Post an den Kläger dort im Briefkasten liege, obwohl der Kläger dort nicht wohne.

Am 25. Mai 2010 erfuhr die Agentur für Arbeit durch einen Anruf (z. T. anonym), dass der Kläger in xxxxx M. wohne (Bl. 203 und 204 der Verwaltungsakten). Die daraufhin von der Agentur für Arbeit durchgeführten Ermittlungen ergaben, dass der Kläger zwar noch in seiner angegebenen Adresse (H. xx, W.) gemeldet sei, er jedoch infolge einer Zwangsräumung am 16. November 2009 dort ausgezogen sei. Unter dem 15. Juni 2010 teilte zwischenzeitlich das Einwohnermeldeamt der Stadtverwaltung M. mit, dass der Kläger dort unter der Anschrift B. xxx in xxxxx M. gemeldet sei.

Nach Anhörung des Klägers (Schreiben vom 15. Juni 2010) stellte die Agentur für Arbeit R. mit Bescheid vom 13. August 2010 die Leistungen endgültig fest und entschied, dass in dem Zeitraum 16. November 2009 bis 30. Juni 2010 kein Leistungsanspruch bestehe, da der Kläger ab 16. November 2009 nicht mehr unter der bekannten Anschrift wohnhaft, sondern in einen Ort außerhalb des Zuständigkeitsbereichs verzogen sei. Die Bewilligung werde ab 16. November 2009 ganz aufgehoben. Die vom 16. November 2009 bis 30. Juni 2010 erbrachten Leistungen seien zu erstatten (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III). Der Kläger habe somit 3770,21 EUR (Regelleistungen 2692,50 EUR, Krankenversicherung 942,78 EUR, Pflegeversicherung 134,93 EUR) zu erstatten.

Den hiergegen am 10. September 2010 erhobenen Widerspruch (er habe die Vorgaben stets erfüllt, der streitgegenständliche Bescheid sei inhaltlich unrichtig und daher rechtswidrig; es solle keine Post mehr nach M. gesandt werden, das sei nicht sein Wohnsitz gewesen) wies die Agentur für Arbeit mit Widerspruchsbescheid vom 26. Januar 2011 zurück. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, der Kläger habe Mitte November 2009 den Kreis der örtlich zuständigen Agentur für Arbeit R. verlassen. Seine Wohnung in W. sei an diesem Tage zwangsgeräumt worden. Der Leistungsanspruch sei mit dem Wegzug entfallen, die vorläufig erbrachten Leistungen seien gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1a SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III zu erstatten. Außerdem ergebe sich die Grundlage für die Aufhebung auch aus § 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X. Der Kläger habe in seinem Antrag vom 4. Februar 2010 noch angegeben seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bezirk der Agentur für Arbeit R. zu haben, obwohl er sich zu diesem Zeitpunkt schon in M. aufgehalten habe. Die im Einzelnen dargelegten Leistungen i.H.v. 3770,21 EUR (Bl. 249, 250 der Verwaltungsakten) seien vom Kläger zu erstatten.

Deswegen hat der Kläger am 18. Februar 2011 zum Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, er habe seine Wohnung in W. zum 16. November 2009 aufgegeben, weil der frühere Vermieter mit Drogen gehandelt und er befürchtet habe, damit in Verbindung gebracht zu werden. Ab November 2009 habe er bei einer Frau H. in A. gewohnt, er habe dies jedoch wegen laufender familiengerichtlicher Verfahren mit seiner Ex-Ehefrau nicht bekannt gemacht. Später sei er nach B. W., R.-Straße xx gezogen und habe sich schließlich somit dauernd im Bereich der Agentur für Arbeit R. aufgehalten.

Das SG hat eine Auskunft des Polizeipostens V. eingeholt. In der Auskunft vom 13. Februar 2013 ist unter anderem mitgeteilt worden, nach Zeugenaussagen habe der Kläger seit ca. Oktober 2008 und später zusammen mit seiner Lebensgefährtin ein Containerhaus in M., B. xx bewohnt. Ferner hat das SG das Strafurteil des Amtsgerichts R. vom 22. Dezember 2010 (xxx Ds xx Js xxx/xx) und das Berufungsurteil des Landgerichts R. vom 8. November 2011 (xx Ns xx Js xxx/xx) beigezogen.

Mit Urteil vom 3. Juni 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es unter anderem ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Für den Zeitraum vom 1. November 2009 bis 31. Januar 2010 sei als Rechtsgrundlage der Aufhebungsentscheidung § 45 SGB X einschlägig. Für diesen Bescheid liege eine endgültige Bewilligung der Leistungen vor (Bescheid vom 14. [17.] Mai 2010). Dieser Bescheid sei bereits bei seinem Erlass rechtswidrig gewesen, weil der Kläger während seiner Ortsabwesenheit keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt habe. Seit dem 16. November 2009 sei der Kläger, weil er nicht mehr in der der Beklagten bekannten Anschrift wohnhaft gewesen ist, nicht mehr postalisch erreichbar gewesen. Gegenüber dem damals für die Kosten der Unterkunft zuständigen Landratsamt habe er bewusst eine unrichtige Anschrift (R.) mitgeteilt, unter der er nie erreichbar gewesen sei, weil er dort nie gewohnt habe. Dementsprechend seien die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs (§ 7 Abs. 4a SGB II in Verbindung mit § 1 der Erreichbarkeits-Anordnung [EAO] nicht mehr gegeben gewesen. Der Kläger sei seinen Mitteilungspflichten in grobfahrlässiger Weise nicht nachgekommen. Der Kläger habe trotz Belehrung im ursprünglichen Bewilligungsbescheid seinen aktuellen Aufenthaltsort nicht mitgeteilt, vielmehr sogar gegenüber dem Landratsamt R. eine falsche Anschrift angegeben.

Für den Zeitraum 1. Februar 2010 bis 30. Juni 2010 sei Grundlage der Aufhebungsentscheidung der Bewilligungen § 48 SGB X in Verbindung mit § 330 Abs. 3 SGB III und § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II. Die Beklagte habe zwar mit Bescheid vom 5. Februar 2010 die Vorläufigkeit der Bewilligungen für diesen Zeitraum angeordnet, habe jedoch den ursprünglichen endgültigen Bewilligungsbescheid nicht aufgehoben. Auch diese Aufhebungsvoraussetzungen seien erfüllt, weil der Kläger seinen Mitteilungspflichten bezüglich seines Aufenthaltsortes grob fahrlässig nicht nachgekommen sei. Die auf der Grundlage von § 50 SGB X von der Beklagten errechneten Erstattungsforderung sei nicht zu beanstanden.

Gegen das dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 25. Juni 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 25. Juli 2014 eingelegte Berufung des Klägers. Eine inhaltliche Begründung der Berufung ist nicht erfolgt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 3. Juni 2014 und den Bescheid des Beklagten vom 13. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend sowie die Bescheide für rechtmäßig.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit hatten, sich hierzu zu äußern.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen zutreffend dargelegt und zu Recht ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid vom 13. August 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Januar 2011 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Der Senat nimmt nach eigener Prüfung insoweit auf die zutreffenden Entscheidungsgründe Bezug und sieht insoweit von einer eigenen Darstellung weitgehend ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger ab dem 16. November 2009 infolge seiner nicht genehmigten Ortsabwesenheit keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mehr hatte. Nach der hier anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt I, 1706) erhält nach § 7 Abs. 4a SGB II Leistungen nicht, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeit – Anordnung (EAO) vom 23. Oktober 1997, geändert durch die erste Änderungsanordnung zur EAO vom 16. November 2001, definierten zeit– und ortsnahen Bereichs aufhält; die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung gelten entsprechend. Nachdem der Kläger ohne Zustimmung der damals zuständig gewesenen Agentur für Arbeit R. seinem bisherigen Wohnort verlassen und sich nach Ermittlungen der Polizei in M. aufgehalten hatte, ist er nicht mehr postalisch zuverlässig erreichbar gewesen, vielmehr hatte er sich, worauf das SG bereits hingewiesen hat, den Eingliederungsbemühungen völlig entzogen.

Das SG hat ferner zutreffend die Rechtsgrundlagen der Aufhebungsentscheidung in den von ihm genannten Zeiträumen dargelegt. Hierzu ist ergänzend auszuführen, dass der Kläger ausdrücklich darüber belehrt worden ist, dass "eine unerlaubte Abwesenheit zum Wegfall und zur Rückforderung des Arbeitslosengeldes II führen kann". Das SG hat insofern ebenfalls zu Recht angenommen, dass er seinen Mitteilungspflichten insofern grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Insofern kann offen bleiben, ob bereits die "erleichterten" Aufhebungs- und Rückforderungsvoraussetzungen bei vorläufigen Leistungsbewilligungen (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 328 Abs. 3 SGB III) hier anwendbar sind. Jedenfalls sind die vom SG als Rechtsgrundlage herangezogenen Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 45, 48, 50 SGB X nach umfassender Darlegung des SG gegeben.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und der Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 197a SGG Rdnr. 3; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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