S 24 SO 135/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
24
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 24 SO 135/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch auf Gewährung einer Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinsachaft (Eingliederungshilfe) als persönliches Budget setzt voraus, dass eine Zielvereinbarung abgeschlossen worden ist.

Einigen sich die Beteiligten weder über den Bedarf noch über die Leistung, kann eine fehlende Zielvereinbarung nach § 4 Budgetverordnung nicht durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden.

Für diesen Fall besteht ein Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde unter Beachtung der Rechtsauffsassung des Gerichts.
Der Bescheid des Beklagten vom 05.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2012 wird aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über den Antrag erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte zur Hälfte.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) in Form eines Persönlichen Budgets.

Der 1992 geborene Kläger ist geistig behindert. Das Landesverwaltungsamt erkannte einen Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen G, B und H an. Der Kläger wird von seiner Mutter gesetzlich vertreten.

Tagsüber besucht der Kläger eine Werkstatt für behinderte Menschen und erhält dafür teilstationäre Hilfen vom Beklagten. Von der Bundesagentur für Arbeit erhielt der Kläger im Zeitraum 01.09.2010 bis 30.11.2012 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form von Ausbildungsgeld. Der Kläger verlässt das Haus Montag bis Freitag um 6:00 Uhr und wird mit dem Fahrdienst in die Werkstatt gefahren. Mittwoch bis Freitag kommt er mit dem Fahrdienst um 14:45 Uhr wieder nach Hause. Montag und Dienstag finden andere Veranstaltungen statt (Basketball und Fußball). An diesen Tagen kommt der Kläger später nach Hause.

Auf den Antrag vom 16.12.2011 und nach Abschluss der Zielvereinbarung vom 31.03.2011 gewährte der Beklagte mit Bescheid vom 31.03.2011 für den Zeitraum 01.04.2011 bis 31.03.2012 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines persönlichen Budgets in Höhe von monatlich 247,50 EUR. Mit dem Geld aus dieser Leistung finanzierte der Kläger einen PC-Kurs in der Werkstatt für behinderte Menschen.

Der Kläger beantragte am 08.02.2012 die Weitergewährung der Leistungen des Persönlichen Budgets. Die Mutter des Klägers teilte mit, am Bedarf habe sich gegenüber der zuvor erfolgten Bewilligung der beantragten Leistungen nichts geändert. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.03.2012 ab. Der Beklagte begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger bereits durch den Besuch der Werkstatt für behinderte Menschen am Leben in der Gemeinschaft teilhat. Der Leistungsumfang der in der Werkstatt gewährten Leistungen umfasse u.a. die Einübung lebenspraktischer Fähigkeiten, den Aufbau sozialer Kompetenz, die Unterstützung bei der Freizeitgestaltung, die Teilhabe am kulturellen und sportlichen Leben sowie die Förderung und Unterstützung bei der Verwirklichung des Bildungsangebotes. Mit dem Persönlichen Budget sollen Betreuungs- und Freizeitangebote finanziert werden. Es sei nicht Aufgabe der Eingliederungshilfe, einen Computerkurs zu finanzieren. Derartige Kosten gehörten zu den Kosten des Lebensunterhalts und zu den Leistungen der Grundsicherung. Diese würden bereits gewährt. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, bei der Pflegekasse einen Antrag auf zusätzliche Betreuungsleistungen zu stellen. Dagegen richtete sich der am 29.03.2012 erhobene Widerspruch des Klägers. Der Kläger machte geltend, bei den Leistungen in der Werkstatt handele es sich um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß Leistungstyp 14a des Rahmenvertrages. Demgegenüber diene das Persönliche Budget der Teilhabe am Leben. Dem Kläger soll ein zweiter Lebensbereich eröffnet werden. Zum Bereich Wohnen gehöre nicht nur das Dach über dem Kopf, sondern auch nachbarschaftliche Kontakte, die Kommunikation im Allgemeinen und insbesondere mit nichtbehinderten Menschen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2012 als unbegründet zurück. Der Beklagte begründete seine Entscheidung damit, dass im Rahmen der Anhörung nicht vorgetragen worden sei, welche konkreten Bedarfe mit den Leistungen gedeckt werden sollen. Hilfen für alltägliche Verrichtungen erhalte der Kläger durch seine Angehörigen. Bei den in Anspruch genommenen Leistungen für den Besuch der Werkstatt handele es sich um Leistungen zur Teilhabe nach dem 5. Kapitel Teil 1 SGB IX. Die Ziele der Leistungen zur Teilhabe (§ 4 SGB IX) deckten damit die Hilfen zur Förderung einer für den Kläger erreichbaren Selbsthilfe ab. Ein offener Bedarf bestehe nicht.

Dagegen richtet sich die am 06.08.2012 vor dem Sozialgericht Halle erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, er habe unter anderem durch Vorlage des Entwicklungsberichtes des Einrichtungsträgers dargelegt, inwieweit die bisher bewilligten Leistungen verwendet wurden. Die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfasse nicht nur die Gemeinschaft mit anderen behinderten Menschen in der Werkstatt für behinderte Menschen. In der Vergangenheit habe der Kläger mit den Budgetleistungen einen Computerkurs finanziert. Es seien nicht die Kursgebühren finanziert worden. Die Betreuung während des Kurses habe sich an den Zielen der Zielvereinbarung orientiert. Der Kläger habe gerade während des Kurses die Möglichkeit gehabt, soziale Kontakte zu knüpfen und an einer Veranstaltung außerhalb des Wohnbereichs teilzunehmen. Die Mittel aus dem persönlichen Budget sollen dafür eingesetzt werden, die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft außerhalb der Öffnungszeiten der Werkstatt und an den Wochenenden sicherzustellen. Zu einem selbstbestimmten Leben gehöre es auch, außerhalb des Wohnumfeldes an den Nachmittagsstunden Kontakt zu anderen Menschen zu haben. Die Leistungen der Pflegekasse haben eine andere Zielrichtung. Ziel der Leistungen der Pflegekasse sei die Entlastung der Angehörigen, nicht die Teilhabe des behinderten Menschen. Der Beklagte weigere sich, eine Zielvereinbarung abzuschließen.

Der Kläger beantragt zuletzt,

der Beklagten zu verpflichten, mit dem Kläger eine Zielvereinbarung über einen monatlichen Bedarf für Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft Eingliederungshilfen in Höhe von 145,30 EUR abzuschließen,

den Beklagte weiter zu verpflichten, den Bescheid vom 05.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und dem Kläger ab 01.04.2012 Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Rahmen eines persönlichen Budgets mit einem Betrag von 2,32 EUR monatlich und ab 01.09.2014 in Höhe von 145,30 EUR monatlich zu zahlen und

hilfsweise, den Bescheid vom 05.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden und die Berufung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, der Kläger bewege sich frei im Wohnort.

Das Gericht hat am 04.09.2013 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Darüber hinaus haben die Beteiligten ein Mediationsverfahren durchgeführt. Im Rahmen dieses Güteverfahrens präzisierte der Kläger seinen Bedarf. Er erklärte, einen Gesamtbedarf von monatlich 181,56 EUR zu haben. Dieser Betrag setze sich zusammen aus den Kosten für den PC-Kurs von 132 EUR pro Monat, Fahrtkosten zum Basketballtraining in Höhe von 42,56 EUR und Eintrittsgelder für Begleitperson in Höhe von pauschal 7 EUR. Der Kläger begehrte später zumindest die Kostenerstattung für den PC-Kurs sowie eine Eintrittskarte für die Begleitperson für die MBC-Spiele (insgesamt 145,30 EUR). Der zwischen den Beteiligten beabsichtigte Vergleich scheiterte konkret daran, dass der Beklagte keinen konkreten Bedarf anerkennen könne, sondern lediglich auf der Grundlage des Rahmenvertrags für das Land Sachsen-Anhalt Pauschalkosten für einzelne Bereiche festlegen dürfe. Bei Anerkennung eines Bedarfs für den Freizeitbereich würde sich eine Leistung in Höhe von monatlich 13,91 EUR ergeben. Mit diesem Betrag könne sich der Kläger die begehrten Leistungen nicht einkaufen. Mit dieser Rechtsauffassung laufe nach Auffassung des Klägers jedes Bedarfsfeststellungsverfahren ins Leere.

Der Beklagte trägt weiter vor, außerhalb der Werkstatt habe der Kläger keinen sozialhilferechtlich relevanten Hilfebedarf. Im häuslichen Bereich sei der Kläger im Wesentlichen selbständig. Er sei in der Lage, sich Pizza oder Suppe aufzuwärmen, für sich und die Mutter Kaffee zu kochen, mit Einkaufszettel selbständig einzukaufen und im Haushalt mitzuhelfen. In seiner Freizeit treffe er sich mit seinem Freund zum Fahrrad fahren. Eine zusätzliche Begleitung sei nicht notwendig. Im Bereich pflegerische Hilfen bestehe kein Hilfebedarf. Der Bereich Bildung sei Bestandteil der in der Werkstatt gewährten Hilfen. Ein darüber hinausgehender Bedarf für Hilfen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bestehe nicht. Auch ein ungedeckter psychosozialer Hilfebedarf bestehe nicht. Der Kläger gehe gern ins Kino und in den Zoo und besuche die Heimspiele des MBC. Dabei werde er von seiner Mutter begleitet. Insoweit entstünden keine behinderungsbedingten Mehrkosten. Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln und der Eintritt in den Zoo H. und L. seien für behinderte Menschen und deren Begleitperson mit entsprechendem Schwerbehindertenausweis kostenfrei. Die Mutter des Klägers habe als Begleitperson eine Dauerkarte für die MBC-Spiele erworben (28 EUR pro Saison). Nach § 22 EinglHV seien notwendige Kosten der Begleitperson dem behinderten Menschen zuzuordnen, wenn die Maßnahme der Eingliederungshilfe die Begleitung des behinderten Menschen erfordert. Dieser Bedarf sei jedoch nicht alltäglich iSv § 17 SGB IX, so dass ein persönliches Budget nicht zu gewähren sei. Nach Antragstellung könnten diese Kosten nach § 22 EinglHVO übernommen werden.

Am 01.04.2014 fand im Rahmen des Bedarfsfeststellungsverfahrens ein Hausbesuch statt. Der Beklagte legte eine Stellungnahme des Dipl.-Psych. Dr. J. vom 02.07.2014 zum Hilfebedarf im Bereich besondere psychosoziale Angebote vor.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand ist der Abschluss einer Zielvereinbarung zu bestimmten Bedingungen und nachfolgend die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe als persönliches Budget sowie hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten, ermessensfehlerfrei erneut über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets zu entscheiden.

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 05.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf eine erneute Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe als Persönliches Budget unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen ist die Klage unbegründet und war daher abzuweisen. Der Kläger hat gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Abschluss einer Zielvereinbarung zu den von ihm genannten Bedingungen und auch (noch) keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe in Form eines Persönlichen Budgets.

Der Beklagte ist der zuständige Rehabilitationsträger für Leistungen der Eingliederungshilfe. Nach § 3 AG SGB XII LSA ist der Beklagte für Leistungen der Eingliederungshilfe zuständig.

Rechtsgrundlage für die von Kläger begehrten Leistungen ist die Regelung in §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII iVm § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 SGB IX iVm § 58 SGB IX. Danach erhalten Personen, die durch eine Behinderung wesentlich in ihrer Teilhabefähigkeit eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalls, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung die Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann (§ 53 Abs. 1 SGB XII). Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es nach § 53 Abs. 3 SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Dazu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder zu erleichtern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen.

Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 nicht erbracht werden (§ 55 Abs. 1 SGB IX). Dazu gehören nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Nach § 58 SGB IX umfassen solche Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben unter anderem Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen oder Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienen. Nach § 22 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfeverordnung) werden Kosten für Begleitpersonen erstattet, wenn die Maßnahmen der Eingliederungshilfe die Begleitung des behinderten Menschen erfordert. Dazu gehören die notwendigen Fahrtkosten und die sonstigen mit der Fahrt verbundenen Auslagen der Begleitperson und weitere Kosten der Begleitperson, soweit sie nach den Besonderheiten des Einzelfalls notwendig sind.

Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets werden nach § 57 Satz 1 XII in Verbindung mit § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX und der Budgetverordnung nach § 159 SGB IX erbracht. In § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX iVm § 159 SGB IX ist geregelt, dass auf Antrag Leistungen zur Teilhabe auch im Rahmen eines persönlichen Budgets als Geldleistung erbracht werden. Dazu muss der Bedarf individuell festgestellt werden. In § 3 der Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX (Budgetverordnung) ist das Verfahren bei der Gewährung einer Leistung als persönliches Budget geregelt, insbesondere der Abschluss einer Zielvereinbarung (§ 3 Abs. 5 und § 4 Budgetverordnung).

Der Kläger gehört zum anspruchsberechtigten Personenkreis für Leistungen der Eingliederungshilfe. Er leidet an einer wesentlichen Behinderung, die seine Teilhabefähigkeit erheblich einschränkt. Durch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft kann dieses Defizit ausgeglichen werden. Der Kläger ist nicht immer allein in der Lage, am Leben in der Gemeinschaft teilzuhaben. Seine Mutter verdeutlichte in der mündlichen Verhandlung des Gerichts anschaulich, dass der Kläger sich zwar grundsätzlich allein in seinem Wohnort bewegen kann und dies auch macht. Er läuft zum Beispiel von der Werkstatt zur Sportstätte oder fährt z. B. mit einem Freund Fahrrad. Erfordert der Heimweg jedoch die Benutzung des Rufbusses, ist der Kläger dazu alleine nicht in der Lage und hätte daher nach der Freizeitaktivität ohne Begleitung Schwierigkeiten, wieder nach Hause zu kommen. Die möglichen Leistungen des Beklagten beziehen sich daher auf die Teilnahme des Klägers an bestimmten Veranstaltungen (z.B. Sportliche Aktivitäten oder den Besuch von Sportveranstaltungen) sowie andererseits die Begleitung des Klägers an seinen Freizeitaktivitäten.

Das Ziel der Eingliederungshilfe kann durch die begehrte Leistung erreicht werden. Zum einen nimmt der Kläger am Leben in der Gemeinschaft teil, wenn er seine Sportaktivitäten unternimmt (Basketball- und Fußballtraining außerhalb der Werkstatt). Zum anderen handelt es sich auch unproblematisch um die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, wenn der Kläger zusammen mit seiner Mutter die Spiele des MBC besucht. Dabei handelt es sich um eine Sportveranstaltung. Offen bleiben kann, ob die Teilnahme am einem PC-Kurs in den Räumlichkeiten der Werkstatt für behinderte Menschen ebenfalls zum Bedarf gehört. Daran bestehen Zweifel, weil der Besuch der Werkstatt selbst schon eine Leistung des Beklagten der Eingliederungshilfe darstellt. Der Freizeitbereich ist durch die Zuwendung an den Einrichtungsträger bereits abgedeckt. Wenn die Kosten dafür für den Freizeitbereich nicht ausreichen, müsste dies in dem Verwaltungsverfahren über die Höhe der gewährten teilstationären Leistung der Eingliederungshilfe in der Werkstatt geklärt werden. Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, weil der PC-Kurs nicht stattgefunden hat. Der Kläger begehrt im Übrigen Leistungen für die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft außerhalb der Werkstatt, die unproblematisch Bestandteil einer Leistung des Beklagten sein können. Dabei ist es Sache des Klägers zu bestimmen, wie er seine Freizeit verbringen möchte. Sofern er der Auffassung ist, dass die in der Werkstatt angebotenen Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft für ihn nicht ausreichend sind und er darüber hinaus am Leben in der Gemeinschaft vor allem mit nichtbehinderten Personen teilhaben möchte, steht ihm dies frei. Die Leistung des Beklagten kann auch dann erbracht werden, wenn es sich nicht um alltägliche und wiederkehrende Bedarfe handelt. Die Regelung in § 17 Abs. 2 Satz 4 SGB IX bezieht sich insoweit auf Hilfen zur Pflege. Der Kläger begehrt hier keine Leistungen der Hilfe zur Pflege, sondern Leistung zur Teilhabe am Leben ihn der Gemeinschaft, die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB IX budgetfähig sind.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass berücksichtigungsfähiges Einkommen und Vermögen des Klägers vorhanden ist.

Der Kläger hat gegen die Beklagte jedoch keinen Anspruch auf Abschluss einer Zielvereinbarung zu den von ihm genannten Bedingungen. Zwar wurde in der Rechtsprechung angenommen, dass ein Anspruch auf Abschluss einer Zielvereinbarung mit einem näher bestimmten Inhalt bestehen kann (SG Aachen, Urteil vom 19.09.2013 – S 19 SO 76/13, später aufgegeben mit SG Aachen, Urteil vom 13.12.2013 – S 19 SO 47/12). Die Beteiligten sind sich hier noch nicht einmal über den Bedarf des Klägers einig, geschweige denn über die Höhe der zu erbringenden Leistung. Eine gerichtliche Entscheidung kann insofern eine fehlende Einigung der Beteiligten nicht ersetzen. Wenn dies so wäre, müsste das Gericht den Bedarf bestimmen und die Leistung des Beklagten festlegen. Dies hat der Gesetzgeber jedoch nicht vorgesehen. Es ist nachvollziehbar, dass die Rechtslage aus Sicht des Klägers unbefriedigend ist, wenn die Behörde nicht einmal den Bedarf anerkennt und in der Folge keine Verhandlungen über den Inhalt der Zielvereinbarung stattfinden können und in der weiteren Folge, keine Geldleistungen als persönliches Budget gewährt werden. Andererseits sind Behörden und Gerichte an bestehende gesetzliche Regelungen gebunden.

Es besteht auch noch kein Anspruch auf Gewährung der Leistung als Geldleistung im Rahmen eines Persönlichen Budgets. Die Gewährung einer Leistung der Eingliederungshilfe als persönliches Budget setzt nach § 3 und § 4 Budgetverordnung vom 27.05.2004 (BGBl. I S. 1055) voraus, dass ein bestimmtes Verfahren eingehalten wird und eine Zielvereinbarung abgeschlossen wird. Ob ein Leistungsträger durch ein Gericht auch bei fehlender Zielvereinbarung verpflichtet werden kann, die begehrte Geldleistung zu gewähren, wird in der Rechtsprechung nicht einheitlich bewertet. Zum Teil wird die gesetzliche Regelung herangezogen, um diesen Anspruch in dem Fall abzulehnen (so LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.05.2011 – L 8 SO 29/10 B ER, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.04.2014 – L 8 SO 506/13 B ER). Zum Teil wird andererseits angenommen, dass eine fehlende Zielvereinbarung jedenfalls dann kein Hinderungsgrund für eine Verurteilung des Leistungsträgers sei, wenn sich die Beteiligten über den Bedarf und die Leistung an sich geeinigt hatten und nur noch die Frage streitig war, ob die Leistung durch Fachkräfte erfolgen muss. Im konkreten Fall scheiterte eine Verpflichtung des Leistungsträgers daran, dass das Gericht der Auffassung war, dass eine Fachkräfteklausel zulässig ist (so Hessisches LSG, Beschluss vom 22.06.2012 - L 4 SO 121/12 B ER, L 4 SO 122/12 B ER). Dieser Streit kann hier offen bleiben. Die Beteiligten in diesem Rechtsstreit haben sich hier weder über den Bedarf, noch über den Inhalt einer Zielvereinbarung geeinigt. Diese umfangreiche Einigung im konkreten Fall kann nach Auffassung der Kammer nicht durch eine gerichtliche Entscheidung ersetzt werden.

Der Kläger hat jedoch gegen die Beklagte einen Anspruch auf Neubescheidung seines Antrages auf Gewährung eines persönlichen Budgets. Dies erfordert die Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz, die ansonsten ins Leere liefe. Da im Verwaltungsverfahren nicht einmal der Bedarf festgestellt worden ist, war der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 05.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2012 aufzuheben. Nach Auffassung der Kammer ist eine Einigung der Beteiligten auch nicht von vornherein ausgeschlossen, wenn bestimmte Punkte beachtet werden:

Zum einen gehören bestimmte vom Kläger bezeichnete Maßnahmen zu seinem Bedarf. Andere Maßnahmen gehören eher nicht zum Bedarf und müssen daher nicht berücksichtigt werden. Welchen Bedarf der Kläger geltend macht, ist in erster Linie seine Sache. Der Kläger macht derzeit einen Bedarf auf Hilfestellungen bei seiner Freizeitgestaltung geltend. Er besucht Sportkurse und ist dort selbst sportlich aktiv. Im Anschluss muss er wieder nach Hause kommen, was ihm allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln behinderungsbedingt nicht immer gelingt. Andererseits nimmt er als Zuschauer an Sportveranstaltungen teil. Auch dafür benötigt er Begleitung. Dieser Bedarf lässt sich unproblematisch der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuordnen. Leistungen für einen in der Werkstatt durchgeführten Computerkurs gehören eher nicht zum Freizeitbedarf des Klägers, da der Beklagte insoweit bereits teilstationäre Leistungen erbringt, mit denen der Werkstattbesuch finanziert wird. Die vom Beklagten zu gewährende Leistung enthält insoweit einen Anteil für die Freizeitgestaltung in der Werkstatt. Wenn diese Mittel nicht ausreichen, um durch die Werkstatt ausreichend Freizeitangebote zu machen, muss das in dem Verfahren über die Höhe der für den Werkstattbesuch zu erbringenden Leistungen geklärt werden. Dies kann hier offen bleiben, weil der Computerkurs in der Werkstatt nicht stattgefunden hat.

Die Leistung des Beklagten muss sich daran orientieren, wie der berücksichtigungsfähige Bedarf gedeckt werden kann. Dabei ist es nach Auffassung der Kammer nicht immer zulässig, die Leistung auf die in den Rahmenverträgen nach § 75 Abs. 3 SGB XII festgelegten Vergütungssätze zu beschränken. Dies gilt zumindest für den Fall, das die begehrte Leistung nicht im Rahmenvertrag abgebildet ist und keinem Leistungskomplex zugeordnet werden kann. Zwar wurde in der Rechtsprechung angenommen, dass die Leistung des Trägers durch die Sätze aus dem Rahmenvertrag begrenzt ist. Hintergrund ist, dass die Gewährung einer Leistung als persönliches Budget eine ansonsten zu gewährende Sachleistung ersetzt und nicht teurer sein darf als die vom Beklagten zu gewährende Sachleistung (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.04.2014 – L 8 SO 506/13 B ER). Diese Anwendung dieser Rechtsprechung setzt nach Auffassung der Kammer voraus, dass der Kläger die Möglichkeit hat, eine entsprechende Sachleistung in Anspruch zu nehmen. Die Vertreterin des Beklagten erläuterte anschaulich in der mündlichen Verhandlung, dass die vom Kläger begehrte Leistung nicht einmal einem im Rahmenvertrag geregelten Leistungskomplex zugeordnet werden kann. Solange dies nicht der Fall ist, weil keine entsprechende Sachleistung vorgesehen ist, darf eine Begrenzung auf die Vergütungssätze des Rahmenvertrages nicht erfolgen. Anderenfalls würde durch diese Begrenzung der Anspruch des Betroffenen unterlaufen. In § 10 Abs. 2 des Rahmenvertrages nach § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt ist geregelt, dass die Leistung dann ausreichend ist, wenn der Bedarf damit gedeckt werden kann. Es erscheint sehr fraglich, ob die vom Kläger begehrten Hilfen zu dem Stundensatz des Rahmenvertrages eingekauft werden können. Dann wäre der Bedarf gerade nicht gedeckt. Der Beklagte hatte in der Vergangenheit offenbar ohne eine Begrenzung durch die Leistungssätze des Rahmenvertrages Leistungen erbracht.

Der Kläger möchte gern in seiner Freizeit an Veranstaltungen teilnehmen und benötigt dafür Begleitung. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Leistungssätze nach dem Rahmenvertrag vermutlich für eine andere Lebenswirklichkeit geschaffen wurden, als dies nach der UN-Behindertenrechtskonvention der Fall sein darf. Kennzeichnend für die Betreuung von Personen in Einrichtungen ist es gegenüber Personen, die ihre Freizeit zu Hause verbringen, dass nicht nur eine Person betreut wird, sondern eine Vielzahl von Personen. Dies erlaubt es, kostengünstiger zu wirtschaften, als wenn ein einzelner behinderter Mensch betreut werden würde. Nunmehr ist gesetzlich klargestellt, dass behinderte Menschen, die zum Teil außerhalb von Einrichtungen leben, in ihrer Freizeit in stärkerem Maße, als dies bislang erfolgte, staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen können. Es gehört nicht viel wirtschaftlicher Sachverstand dazu, um zu erkennen, dass diese Art der Unterstützung notwendigerweise teurer ist, als die Unterstützung in Einrichtungen, die eine Vielzahl von Personen betreuen. Nach Auffassung der Kammer wird in dem Fall, dass sich die zu gewährende Leistung ausschließlich an den Leistungssätzen des Rahmenvertrags orientiert, der Gehalt der UN-Behindertenrechtskonvention vom 13.12.2006 verkannt, die im Rang eines einfachen Gesetzes anzuwenden ist (Gesetz vom 21.12.2008, BGBl. I S. 1419). Nach Artikel 19 dieses Gesetzes werden wirksame und geeignete Maßnahmen getroffen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss des Rechts auf ein Leben in der Gemeinschaft und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern. Gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit müssen Menschen mit Behinderung ebenso offen stehen, wie nichtbehinderten Menschen. Art. 30 des Gesetzes regelt weiter, dass geeignete Maßnahmen getroffen werden müssen, um z.B. die Teilnahme des behinderten Menschen an breitensportlichen Aktivitäten zu fördern oder um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen Zugang zu Sport-, Erholungs- und Tourismusstätten haben.

Nach Auffassung der Kammer muss eine Einigung der Beteiligten daher keineswegs an der Begrenzung der Leistung durch den Rahmenvertrag scheitern. Zum einen enthält der Rahmenvertrag eine Öffnungsklausel für gesondert abzurechnende Leistungen, unter anderem individuelle Hilfen nach dem SGB XII (§ 24 Nr. 9 Rahmenvertrag). Zum anderen gelten die Rahmenverträge nur für die Einrichtungen und Dienste, die durch den beteiligten Verband vertreten werden. Einrichtungen, die verbandlich nicht organisiert sind oder einem nicht am Abschluss des Rahmenvertrages beteiligten Verband angehören, werden durch den Inhalt des Rahmenvertrages nicht gebunden (Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage, § 79 Rnr. 5). Danach ist es bereits jetzt schon möglich, unabhängig von den Sätzen des Rahmenvertrages Leistungen zu erbringen.

Die Kostenentscheidung beruht aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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