L 8 SB 3414/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 1458/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 3414/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.07.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung des Sozialgerichts Karlsruhe (SG), dass der Rechtsstreit durch Erledigungserklärung beendet sei.

Bei dem 1963 geborenen Kläger stellte das Landratsamt K. - Amt für Versorgung und Rehabilitation - (LRA) mit Bescheid vom 28.08.2008 wegen einer Erkrankung des lymphatischen Systems mit Behandlungsbedürftigkeit den Grad der Behinderung (GdB) mit 100 fest. Auf den Änderungsantrag des Klägers vom 03.04.2009 wegen der Feststellung der Merkzeichen "G", "B" und "aG" hob das LRA mit Bescheid vom 06.05.2009 den Bescheid vom 28.08.2008 auf, stellte den GdB weiterhin mit 100 fest und lehnte die Feststellung der Merkzeichen "G", "B" sowie "aG" ab. Mit Teilabhilfebescheid vom 14.08.2009 stellte das LRA das Merkzeichen "G" und in Ausführung eines beim SG im Rechtsstreit (S 10 SB 5177/09) vom Kläger angenommenen Vergleichsangebotes mit Bescheid vom 06.04.2011 außerdem das Merkzeichen "B" fest.

Am 24.04.2012 beantragte der Kläger die Feststellung der Merkzeichen "aG" und "RF". Auf diesen Antrag leitete das LRA ein Nachprüfungsverfahren ein. Nach Anhörung des Klägers (Anhörungsschreiben vom 25.06.2012) hob das LRA mit Bescheid vom 07.08.2012 den "Bescheid vom " (ohne Datumsangabe) auf. Der GdB betrage ab 10.08.2012 nur noch 60. Die Voraussetzungen für die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale "G" und "B" lägen nicht mehr vor und die Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" seien nicht erfüllt.

Hiergegen legte der Kläger am 21.08.2012 Widerspruch ein, der vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2012 zurückgewiesen wurde.

Am 27.11.2012 erhob der Kläger beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage (S 11 SB 4296/12). Er beantragte (schriftsätzlich) die Aufhebung des Bescheides vom 07.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2012 sowie die Feststellung der Merkzeichen "RF", "G" und "B".

Das SG hörte behandelnde Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Beklagte unterbreitete dem Kläger daraufhin das Vergleichsangebot, den GdB mit 70 ab 10.08.2012 festzustellen (Schriftsatz vom 21.05.2013), das der Kläger nicht annahm. Anschließend beauftragte das SG auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den HNO-Arzt Dr. T. mit der Erstattung eines Gutachtens.

Inzwischen hatte der Kläger dem LRA seinen Schwerbehindertenausweis mit der Bitte um unbefristete Verlängerung vorgelegt. Mit Ausweisverfügung vom 11.12.2013 wurde der Schwerbehindertenausweis des Klägers vom LRA - ohne Nachprüfungserfordernis - unbefristet verlängert (Gesamt-GdB 100 ab 17.06.2010, Merkzeichen "G" ab 03.04.2009 und Merkzeichen "B") und dem Kläger zurückgesandt.

Am 19.02.2014 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem SG unter Vorlage einer Kopie des Schwerbehindertenausweises mit, der Beklagte habe dem Kläger rückwirkend für die Zeit ab 17.06.2010 einen GdB von 100 gewährt und ferner die Merkzeichen "G" und "B" bewilligt, was der Beklagte dem SG nicht mitgeteilt habe. Die Einholung eines Gutachtens sei nicht mehr notwendig. Es werde davon ausgegangen, dass der Beklagte nunmehr ein Anerkenntnis abgebe (Schriftsatz vom 19.02.2014). Der Schriftsatz vom 19.02.2014 wurde dem Beklagten am 25.02.2014 zur Kenntnis übersandt.

Mit richterlicher Verfügung vom 27.02.2014 - ausgefertigt am 03.03.2014 - wies das SG den Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hin, nachdem der Beklagte beim Kläger rückwirkend zum 17.06.2010 einen GdB von 100 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Nachteilsausgleiche "G" und "B" festgestellt habe, sei die Abgabe eines Anerkenntnisses durch den Beklagten nicht mehr notwendig. Vielmehr bestehe insoweit für die Klage kein Rechtsschutzbedürfnis mehr. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wurde gebeten, mitzuteilen, ob die Klage insoweit für erledigt erklärt werde. Weiter wies das SG darauf hin, streitgegenständlich sei nur noch die Feststellung der Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "RF". Diese lägen wohl nicht vor, weshalb die Rücknahme angeregt werde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wurde gebeten, mitzuteilen, ob diesbezüglich die Klage zurückgenommen werde. Die richterliche Verfügung wurde dem Beklagten am 03.03.2014 zur Kenntnis übersandt.

Am 27.03.2014 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem SG unter Bezug auf die Verfügung des SG vom 03.03.2014 mit, dass die Klage in vollem Umfang für erledigt erklärt werde. Bezüglich des Merkzeichens "RF" werde die Klage zurückgenommen. Es werde beantragt, die außergerichtlichen Kosten dem Beklagten aufzuerlegen.

Mit richterlicher Verfügung vom 28.03.2014 forderte das SG den Beklagten auf, mitzuteilen, inwieweit Bereitschaft zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers bestehe. Am 10.04.2014 trug der Beklagte daraufhin vor, dass ein Irrtum der Klägerseite vorliege, und es sich bei der Erledigungserklärung somit um einen Erklärungsirrtum handele. Widerspruch und Anfechtungsklage hätten aufschiebende Wirkung. Daher sei dem Kläger auf Antrag, der Ausweis zu verlängern, bzw. ein neuer Ausweis über den Status der letzten rechtswirksamen Feststellung auszustellen. Es handele sich somit nicht um ein Anerkenntnis oder ein Zugeständnis des Beklagten, sondern um die rechtlich festgelegte Möglichkeit für den Kläger, den ihm für die Dauer des Rechtsmittels zugestandenen festgesetzten Status aus der letzten rechtswirksam festgestellten Entscheidung nachweisen zu können. Eine Stellungnahme zur Höhe der zu übernehmenden außergerichtlichen Kosten erübrige sich damit (Schriftsatz vom 04.04.2014).

Mit Verfügung vom 11.04.2014 teilte das SG dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, die mit Schreiben vom 27.03.2014 erklärte Erledigung des Verfahrens sei wirksam und habe damit das Verfahren beendet.

Mit Beschluss vom 11.04.2014 entschied das SG, dass der Beklagte dem Kläger ein Sechstel seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe.

Am 23.04.2014 äußerte sich der Kläger (mit zwei Schriftsätzen seines Bevollmächtigten vom 23.04.2014). Der Kläger beantragte die Abänderung der Kostenentscheidung des SG. Weiter führte er aus, dass aufgrund des Prozessverhaltens des Beklagten von einem Anerkenntnis eines Gesamt-GdB von 100 sowie der Anerkennung der Merkzeichen "G" und "B" auszugehen sei. Aufgrund der rechtlichen Hinweise des SG, denen der Beklagte nicht widersprochen habe, sei die Klage für erledigt erklärt worden. Das SG habe in dem Schreiben vom 03.03.2014 für beide Parteien verbindlich erklärt, dass der Beklagte einen GdB von 100 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt habe. Wenn die Feststellung des SG unzutreffend gewesen wäre, hätte der Beklagte eine entsprechende Erklärung abgeben können. Dies sei nicht erfolgt, weshalb aus seiner Sicht das Verhalten des Beklagten als Anerkenntnis zu verstehen sei. Das Vorbringen des Beklagten, dass kein Anerkenntnis vorliege, sei verspätet, da der Beklagte auf das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.02.2014 sowie das Schreiben des SG vom 03.03.2014 nicht reagiert habe. Damit habe der Beklagte die rechtsverbindliche Erklärung abgegeben, dass er dem Klageantrag tatsächlich entsprochen habe, was vom SG auch so verstanden worden sei. Die Erledigungserklärung sei aufgrund des rechtlichen Hinweises des SG erfolgt, weshalb der Beklagte sich nicht im Nachhinein darauf berufen könne, doch nicht tatsächlich erfüllt zu haben. Ein Irrtum seinerseits liege somit nicht vor. Vorsorglich werde die Erledigungserklärung angefochten.

Mit Bescheid vom 29.04.2014 stellte das LRA "in Ausführung eines vom Kläger mit Schriftsatz vom 27.03.2014 angenommenen Vergleichsangebotes vom 21.05.2013" beim Kläger den GdB mit 70 ab 10.08.2012 fest. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 06.08.2014 forderte das LRA den Kläger zur Rücksendung des Ausweises auf.

Das SG führte die Klage unter dem Aktenzeichen S 11 SB 1458/14 fort. Der Kläger beantragte die Einholung eines Gutachtens durch Dr. T. gemäß § 109 SGG.

Mit Gerichtsbescheid vom 25.07.2014 stellte das SG fest, dass der Rechtsstreit S 11 SB 4296/12 durch die teilweise Erledigungserklärung und Rücknahme der Klage im Übrigen beendet sei. Die vom Bevollmächtigten des Klägers erklärte teilweise Erledigung des Verfahrens S 11 SB 4296/12 und die Rücknahme der Klage im Übrigen seien wirksam. Ein Anerkenntnis habe der Beklagte entgegen der Rechtsansicht des Klägers nicht abgegeben. In der Verfügung vom 27.02.2014 habe das Gericht lediglich auf die Rechtslage im Hinblick auf den als wahr unterstellten Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers hingewiesen. Eine vom Kläger angenommene rechtliche Bindungswirkung komme diesem Hinweis nicht zu.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 29.07.2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 13.08.2014 eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, sein Bevollmächtigter habe im Schriftsatz vom 19.02.2014 die unstreitige Tatsache dem SG mitgeteilt, dass ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt worden sei, in welchem ein GdB von 100 rückwirkend anerkannt und die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt worden seien. Mehr sei dem Gericht nicht mitgeteilt worden. Auch dem SG dürfte in rechtlicher Hinsicht bekannt gewesen sein, dass Widerspruch und Anfechtung aufschiebende Wirkung hätten. Dass das SG im Gerichtsbescheid entgegen seiner Hinweise vom 03.03.2014 plötzlich etwas ganz anderes behaupte, könne nicht nachvollzogen werden. Bei der gegebenen Sachlage sei die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises in rechtlicher Hinsicht als konkludentes Anerkenntnis des Beklagten aufzufassen, da der Beklagte zu dem Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 19.02.2014 und dem rechtlichen Hinweis des SG vom 03.03.2014 bis 27.03.2014 geschwiegen habe. Dieses Schweigen sei so aufzufassen, dass mit der Rechtsauffassung seines Prozessbevollmächtigten und des SG Einverständnis bestehe. Würde von einem ausschließlich ihm, dem Kläger, zuzurechnenden Irrtum ausgegangen, führe die Anfechtung dazu, dass das Verfahren wieder aufgenommen werden müsse, da ein offensichtliches Versehen, die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises als konkludentes Anerkenntnis anzusehen, vorliegen würde. In der Erledigungserklärung sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass unter Beachtung der Hinweise des SG die Erledigung des Rechtsstreites erklärt werde, so dass es gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoße, wenn das SG später die Auffassung vertrete, dass diese rechtlichen Hinweise unzutreffend seien. Nicht überzeugend sei, wenn das SG sich damit verteidige, den Vortrag seines Bevollmächtigten als wahr unterstellt zu haben. Sein Bevollmächtigter habe lediglich in tatsächlicher Hinsicht die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises als konkludentes Anerkenntnis in rechtlicher Hinsicht gewürdigt. Die rechtliche Würdigung müsse allerdings auch das SG selbst vornehmen und gegebenenfalls rechtlich darauf hinweisen, dass die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises nicht unbedingt als konkludentes Anerkenntnis aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches und der Anfechtungsklage zu betrachten wäre. Jedenfalls lägen Wiederaufnahmegründe vor.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Juli 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 7. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2012 hinsichtlich der Herabsetzung des GdB und der Entziehung der Merkzeichen "G" und "B" aufzuheben, hilfsweise, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Karlsruhe zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Die Annahme eines konkludenten Anerkenntnisses sei abwegig. Mit dem Schweigen eines Prozessbevollmächtigten sei keine Prozesserklärung verbunden. Die vom SG nur zur Kenntnis übersandten Unterlagen seien wohl ohne nähere Prüfung der Sach- und Rechtslage in die Prozessakten eingeheftet worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Nicht Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Antrag des Klägers auf Abänderung der Kostenentscheidung mit Beschluss des SG vom 11.04.2013. Die Kostenentscheidung ist nicht isoliert anfechtbar. Weiter hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.03.2015 seinen schriftsätzlich angekündigten Antrag, festzustellen, dass die Voraussetzungen des Merkzeichens "RF" erfüllt sind, nicht mehr weiter verfolgt, weshalb auch das Merkzeichen "RF" nicht mehr streitgegenständlich ist. Dem entspricht der Berufungsantrag des Klägers.

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber im Haupt- wie im Hilfsantrag unbegründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Das SG hat zutreffend festgestellt, dass der Rechtsstreit S 11 SB 4296/12 durch die Erledigungserklärung hinsichtlich der Herabsetzung des GdB sowie des Entzugs der Merkzeichen "G" und "B" bzw. durch die Rücknahme der Klage hinsichtlich des Merkzeichens "RF" beendet ist (1.). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortführung seiner Klage oder auf Zurückverweisung des Verfahrens an das SG (2.).

1. Rechtsgrundlage ist § 102 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach die erklärte Rücknahme der Klage den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Entsprechendes gilt für die Erledigungserklärung, die im gerichtskostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren den Rechtsstreit ebenfalls erledigt (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 102 Rn. 3; Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 102 Rn. 7).

Die Erledigungserklärung hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen die Herabsetzung des GdB sowie den Entzug der Merkzeichen "G" und "B" ist wirksam erfolgt. Zwar wurde die schriftliche Erklärung in Vertretung des Prozessbevollmächtigten des Klägers durch einen der Kanzlei zugehörigen Rechtsanwalt unterzeichnet. Dass sich der Kläger die vom Vertreter seines Prozessbevollmächtigten abgegebene Erklärung nicht zurechnen lassen muss, ist jedoch nicht ersichtlich. Denn der Kläger hat nach der vorgelegten Vollmachtserklärung seine Vollmacht zur Prozessführung nicht auf einen Prozessbevollmächtigten beschränkt, sondern vielmehr (den Rechtsanwälten) der Anwaltskanzlei Vollmacht erteilt, weshalb sich der Kläger die "i.V." abgegebene schriftliche Erledigungserklärung aufgrund der nach § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB wirksamen und auch nach außen unbeschränkten Vollmacht zurechnen lassen muss. Dass die Erledigungserklärung mangels Vertretungsmacht unwirksam ist, hat der Kläger im Übrigen auch nicht geltend gemacht.

Die vom Kläger einseitig abgegebene Erledigungserklärung führt in Verfahren kostenprivilegierter Personen (i.S. von § 183 SGG), wie dies beim Kläger zutrifft, anders als im Zivil- und Verwaltungsprozess, zur Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom Urteil vom 28.09.2012 - L 4 KR 2993/12 -, nicht veröffentlicht; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 125 Rn. 10). Der Beklagte hat die Erledigungserklärung des Klägers auch nicht streitig gestellt, sondern im Hinblick auf die Erledigungserklärung in Ausführung des Vergleichsangebotes vom 21.05.2013 mit Bescheid vom 29.04.2014 beim Kläger den GdB mit 70 festgestellt. Unerheblich ist für die den Rechtsstreit beendigende Wirkung der das Gericht und die Beteiligten bindenden Erledigungserklärung in Verfahren kostenprivilegierten Personen, ob sich der Rechtsstreit in der Hauptsache materiell tatsächlich erledigt hat (Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 125 Rn. 23), d.h. ob im Verlaufe des Rechtsstreites Umstände eingetreten sind, die das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers haben entfallen lassen. Es bedarf daher vorliegend keiner Erörterungen dazu, ob der Ansicht des Klägers zu folgen ist, bei der gegebenen Sachlage sei die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises in materiell rechtlicher Hinsicht als konkludentes Anerkenntnis des Beklagten aufzufassen, und ob sich dadurch der Rechtsstreit tatsächlich erledigt hat, was vom Beklagten in Abrede gestellt wird.

Die Wirkung der den Rechtsstreit beendigenden Erledigungserklärung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 27.03.2014 wird auch nicht durch die vom Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 23.04.2014 erfolgte (vorsorgliche) Anfechtung der Erledigungserklärung beseitigt. Als bedingungsfeindliche Prozesshandlung im Sinne des § 102 SGG kann die Erledigungserklärung weder wegen Willensmängeln nach §§ 119 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angefochten noch frei widerrufen werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 102 Rn. 7c, m.w.N.). Die wirksam erklärte Erledigungserklärung der Klage kann daher grundsätzlich auch im Falle eines Irrtums über den Inhalt oder die Reichweite der abgegebenen Erklärung im Interesse der Rechtssicherheit nicht durch Anfechtung beseitigt werden (vgl. BSG, Urteil vom 19. März 2002- B 9 V 75/01 R - (juris); BVerwG, Beschluss vom 7. August 1998 - 4 B 75/98 - NVwZ-RR 1999, 407 m.w.N.; zur Anfechtung eines Vergleichs: BSG, Urteil vom 24.01.1991 - 2 RU 51/90 -, juris). Danach hat ein etwaiger Irrtum des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten keine Auswirkungen auf die bewusst und eindeutig erklärte Äußerung, dass die Klage (in vollem Umfang) für erledigt erklärt wird. Unabhängig davon ist auch ein bei der Abgabe der Erledigungserklärung zur Anfechtung berechtigender Willensmangel des Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht ersichtlich. Die erfolgte Erledigungserklärung beruht auf der rechtlichen Würdigung des Klägers, der Beklagte habe durch die Verlängerung seines Schwerbehindertenausweises ein Anerkenntnis abgegeben. Diese rechtliche Würdigung war der Beweggrund für die Erledigungserklärung, die kein Irrtum über den Inhalt der "Willenserklärung" oder den "Erklärungsakt" darstellt, sondern als ein im Rahmen des § 119 BGB unbeachtlicher Motivirrtum zu werten ist, selbst wenn von einem offensichtlichen Irrtum über tatsächliche oder rechtliche Umstände ausgegangen wird (vgl. auch Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 102 Rn. 7c, m.w.N.). Ein Erklärungsirrtum, wie der Beklagte annimmt, liegt nicht vor. Dass die Erklärung selbst lediglich versehentlich erfolgt ist, ist zudem nicht ersichtlich.

Ein Widerruf der Erledigungserklärung durch den Kläger ist nicht ausdrücklich erfolgt. Selbst wenn zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass die im Schriftsatz vom 23.04.2014 (vorsorglich) erklärte Anfechtung auch den Widerruf der Erledigungserklärung mit beinhaltet, wird dadurch die Wirkung der den Rechtsstreit beendigenden Erledigungserklärung nicht beseitigt. Ein Widerruf von Prozesshandlungen ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig, insbesondere wenn ein Restitutionsgrund im Sinne des § 580 ZPO vorliegt oder wenn es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben, der das gesamte Recht unter Einschluss des SGG beherrscht, unvereinbar wäre, einen Beteiligten an einer von ihm vorgenommenen Prozesshandlung festzuhalten (vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 102 Rn. 7c, m.w.N.).

Aus der Bindung des Klägers an seine Erledigungserklärung ergibt sich kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Dass die Erledigungserklärung auf das Hinweisschreiben des SG vom 03.03.2014 (richterliche Verfügung vom 27.02.2014) abgegeben wurde, rechtfertigt nicht die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben. Das Hinweisschreiben des SG vom 03.03.2014 war durch die Mitteilungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 19.02.2014 angeregt. In diesem Schriftsatz ist nicht vorgetragen worden, dass ein Schwerbehindertenausweis ausgestellt worden sei, in welchem ein GdB von 100 rückwirkend anerkannt und die Merkzeichen "G" und "B" festgestellt worden seien, wie der Kläger im Berufungsverfahren vorträgt. Vielmehr ist mitgeteilt worden, dass der Beklagte dem Kläger rückwirkend für die Zeit ab 17.06.2010 einen GdB von 100 gewährt habe und ferner das Merkzeichen "G" sowie das Merkzeichen "B" bewilligt worden seien. Eine Kopie des Schwerbehindertenausweises des Klägers ist (lediglich) zum Beleg dieses Vorbringens beigefügt worden. Ferner hat der Kläger mitgeteilt, dass die Einholung des in Auftrag gegebenen Gutachtens nicht mehr notwendig sei. Diese Mitteilungen legen die Annahme nahe, dass der Rechtsstreit sich tatsächlich erledigt hat. Dass die Ausstellung des Schwerbehindertenausweises lediglich auf Veranlassung des Klägers erfolgt ist, lässt sich dem Schriftsatz vom 19.02.2014 nicht entnehmen und war für das SG auch sonst nicht ersichtlich. Dem SG hat sich danach nicht aufdrängen müssen, trotz des Vortrags im Schriftsatz vom 19.02.2014 die Frage einer Erledigung des Rechtsstreites gleichwohl kritisch zu hinterfragen und etwa den Beklagten hierzu zur Stellungnahme aufzufordern. Damit liegt die Verantwortlichkeit der Erledigungserklärung maßgeblich im Bereich des Klägers.

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt auch nicht deshalb vor, weil der Beklagte auf den ihm übersandten Schriftsatz vom 19.02.2014 sowie den Hinweis des SG vom 03.03.2014 sich nicht vor der Erledigungserklärung am 27.03.2014 geäußert hat. Der Schriftsatz und der Hinweis sind dem Beklagten vom SG jeweils zur Kenntnis übersandt worden. Damit bestand für den Beklagten kein Anlass zur Stellungnahme. Zudem ist die Verlängerung des Schwerbehindertenausweises des Klägers durch das LRA erfolgt, während der Beklagte im Klageverfahren durch das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - vertreten wurde. Dass das Landesversorgungsamt Kenntnisse von den Vorgängen beim LRA hinsichtlich der Verlängerung des Schwerbehindertenausweises hatte, kann nicht angenommen werden. Dass vor dem 27.03.2014 durch das LRA eine Mitteilung der Verlängerung des Schwerbehindertenausweises an das Landesversorgungsamt erfolgt ist, lässt sich den vorgelegten Verwaltungsakten nicht entnehmen. Ein bewusstes Schweigen des Beklagten kann danach nicht festgestellt werden. Dass das Landesversorgungsamt auf den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 19.02.2014 sowie den Hinweis des SG vom 03.03.2014 vor dem 27.03.2014 nicht von Amts wegen - wie auf Aufforderung des SG im Schriftsatz vom 04.04.2014 - Stellung genommen hat, kann damit nicht als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet werden. Ein als Verstoß gegen Treu und Glauben zu wertendes Organisationsverschulden des Beklagten lässt sich nicht feststellen.

Tatsachen, die einen gesetzlichen Restitutionsgrund darstellen können, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

2. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG für eine Zurückverweisung des Rechtsstreites an das SG liegen nicht vor. Dass das SG keine Sachentscheidung getroffen hat, ist nach dem Ausgeführten nicht zu beanstanden.

Die Berufung war daher im Haupt- wie im Hilfsantrag zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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