S 7 AS 2502/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 7 AS 2502/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 20.02.2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 08.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2013 verurteilt, der Klägerin für die Mo-nate 01.03.2013 – 31.08.2013 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft i.H.v. 620,- EUR (Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich Warmwasserkos-ten) zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die am 03.02.1958 geborene Klägerin begehrt die tatsächlichen Kosten der Unterkunft für die Wohnung Köln für den Zeitraum 01.03.2013 bis 31.08.2013.

Die Klägerin bezieht seit 2011 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie wohnte seit dem 01.09.2011 erstmals in Köln in der Straße, Köln in einer Einzimmerwohnung von 37,5 m² in der dritten Etage eines Mehrfamilienhauses. Die Kos-ten der Unterkunft und Heizung betrugen: 300,- EUR Grundmiete, 60,- EUR Betriebskostenvo-rauszahlungen kalt, 360,- EUR Kosten der Unterkunft kalt, 40,- EUR Heizkostenvorauszahlun-gen, insgesamt 400,- EUR Kosten der Unterkunft und Heizung.

Mit Merkblatt vom 09.02.2012 belehrte der Beklagte die Klägerin über Mietrichtwerte in Köln und das Erfordernis eines notwendigen Umzugs (Bl. 52 Verwaltungsakte). Eine konkrete Wohnung stand nicht an. Mit Schreiben vom 28.05.2012 wies die Klägerin auf folgendes hin: Seit ihrem Umzug nach Köln im Jahre 2011 wohne sie in einer Einzimmerwohnung von 37,5 m² in der dritten Etage. Seit mehr als zehn Jahren befinde sie sich wegen einer psychischen Erkrankung immer wieder in stationärer und ambulanter Behandlung. Durch diese Erkrankung falle es besonders schwer, in der o.b. Wohnung zu leben, da die räumliche Situation eine weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes hervorgerufen habe. Durch ihre langjährige psychische Erkrankung habe sich ihr soziales Umfeld sehr stark verringert. Die aktuelle räumliche Situation führe noch weiter dazu, dass der persönliche Umgang mit Menschen vor Ort nahezu unmöglich werde. In engen Räumen machten ihr ihre Angstzustände und Panikattacken dermaßen zu schaffen, dass die Anwesenheit weiterer Person für sie unerträglich sei. Hinzu komme, dass sehr schnell nach ihrem Einzug in die Wohnung deutlich geworden sei, dass aufgrund der räumlichen Gegebenheiten einige übliche Einrichtungsgegenstände nicht unterzubringen gewesen seien. Insbesondere sei das Aufstellen eines geeigneten Bettes nicht möglich gewesen. Das führe dazu, dass ihre bestehenden Rückenprobleme sich weiter verschärft hätten. Ferner führe die Unterbringung der Waschmaschine im Gemeinschaftskeller immer wieder dazu, dass sie mit einem schweren Wäschekorb insgesamt vier Etagen zu überwinden habe. Dies sei auch für ihre bereits operativ behandelten Knie problematisch. Aufgrund der geschilderten Situation bat sie um die Genehmigung zum Umzug in eine Wohnung. Ein Hausbesuch am 16.07.2012 aus Gründen der Feststellungen zu den Lebensbedin-gungen unter der bisher benannten Wohnanschrift und weitere Recherchen ergaben, dass die Klägerin bereits zu Freunden umgezogen war. Sie hatte ab 01.08.2012 eine ei-gene Wohnung. Die Klägern hatte am 19.06.2012 einen Mietvertrag für die Wohnung in Köln für die Zeit ab 01.08.2012 unterschrieben (Bl. 77 ff. Verwaltungsakte). Nach dem Mietvertrag liegt die Zweizimmerwohnung im vierten Obergeschoss, umfasst ca. 47 m² und kostet 470,- EUR Grundmiete 75,- EUR Betriebskostenvorauszahlungen kalt 545,- EUR Kaltmiete insgesamt 75,- EUR Heizkostenvorauszahlungen einschließlich Warmwasserkosten; 620,- EUR Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich Warmwasserkosten insgesamt.

Aufgrund des Antrags zum 15.02.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 20.02.2013 Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.08.2013 vorläufig in Höhe von 700,- EUR (438,- EUR Kosten für Unterkunft und Hei-zung). Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 21.03.2013 Widerspruch ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kosten der Unterkunft würden nicht in tatsächlicher Höhe gewährt. Der Freibetrag bezüglich des Einkommens werde nicht richtig ermittelt. Der Beklagte erließ einen Änderungsbescheid vom 08.03.2013. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2013 erging folgende Entscheidung: In Abänderung der angefochtenen Entscheidung werde der Bedarf für die Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich Warmwasserkosten für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 auf 499,- EUR monatlich angehoben und aufgrund eingetretener Änderung der Bedarf ab 01.06.2013 von 438,- EUR auf 488,- EUR monatlich angehoben. Der weitergehende Widerspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Die Klägerin hat am 02.07.2013 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass ihr die tatsächlichen Kosten der Unterkunft für den streitigen Zeitraum in Höhe von monatlich 620,- EUR zustünden. Die Klage sei zulässig und begründet. Sie habe vor dem Umzug den Antrag auf Wohnungswechsel gestellt. Dies beweise das Schreiben des Beklagten selbst vom 02.07.2012 mit dem Begriff "Wohnungswechsel". Ein Wohnungswechsel sei dringend notwendig gewesen aufgrund der psychischen Situation. Sie leide an Depressionen und Panikzuständen. Die alte Wohnung sei deutlich kleiner als 37 m², da der Balkon mitgerechnet worden sei. Auch aus ärztlicher Sicht sei der Wohnungswechsel unumgänglich gewesen. Diesbezüglich überreicht die Klägerin ein ärztliches Attest der Nervenärztin Dr. vom 14.04.2012 (Bl. 11 der Akte). Die Klägerin habe versucht, eine billigere Wohnung zu finden, was ihr nicht gelungen sei. Sie habe recherchieren lassen durch Freunde im Internet. Aus Kostengründen habe sie selbst keinen Internetanschluss. Sie habe auch die Liste des Beklagten abgearbeitet, allerdings erfolglos. Die jetzige Wohnung sei ihr Heiligtum, sie fühle sich dort sehr wohl. Es handele sich um eine absolut ruhige Wohnlage. Die neue Wohnung habe darüber hinaus einen Aufzug, weshalb der Hinweis des Treppensteigens des Beklagten nicht greife. Die Panikattacken der Klägerin seien durch die alte Wohnung verschlimmert worden, was natürlich einen Grund zum Wohnungswechsel darstelle. Um ihre aktuelle psychische Situation zu verbessern, habe die Klägerin eine Betreuung über das BeWo angefordert. Seit dem 01.08.2014 zahle der Träger der Sozialhilfe die tatsächlichen Kosten der Unter-kunft i.H.v. 620,- EUR. Sie trage ergänzend vor, dass die Kosten zusätzlich zur EM-Rente anerkannt würden. Der Träger der Sozialhilfe erkenne den krankheitsbedingten Mehrbe-darf an. Die Klage sei daneben auch zulässig und begründet, da der Beklagte derzeit nicht die tatsächlichen Kosten der Unterkunft anerkenne. Dass er selbst der Ansicht sei, dass die gewährten Kosten der Unterkunft bereits mehr seien als den Klägern zustände, ändere nichts daran, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft bezahlt werden müssten. Die Stadt Köln sei bereits vor weit mehr als 1,5 Jahren vom LSG dazu aufgefordert wor-den, ein neues Schlüssigkeitskonzept zu erarbeiten, da das Schlüssigkeitskonzept der Stadt Köln rechtswidrig sei. Hierauf sicherte das Jobcenter Köln mehrfach zu, bis zum Anfang des Jahres 2012 ein neues Schlüssigkeitskonzept erarbeitet zu haben. Entgegen dieser Zusicherung sei bis heute kein Schlüssigkeitskonzept erarbeitet worden bzw. vorgestellt worden. Im obigen Verfahren habe die Klägerin zur Kenntnis genommen, dass der Beklagte nun-mehr nach § 8 WoGG bzw. § 12 WoGG pauschal leiste mit einem 10%igen Aufschlag. Nicht akzeptiert werde jedoch, dass die Klägerin diesen Pauschalhinweis auf das WoGG akzeptieren müsse, da der Beklagte unstreitig seit Inkrafttreten des SGB II Leistungs-rechts faktisch nicht die tatsächliche Miete in seinem Zuständigkeitsbereich ermittelt habe und damit fortgesetzt gegen höchstrichterliche Rechtsprechung verstoßen habe. In einem solchen Fall müsse, unabhängig von der Begrenzung durch die Tabellenwerte des WoGG, die tatsächliche Miete übernommen werden; dies erst recht aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin bezüglich der Frage, in welche Wohnung sie einziehen dürfte, in der Vergangenheit kontinuierlich falsch beraten worden sei. Der pauschale Hinweis auf Wohngeldgesetze bzw. aktuelle Tabellenwerte reiche im Einzelfall nicht aus. Die Klägerin sei krank und auf die neue Wohnung aus gesundheitlichen Gründen angewiesen.

Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 20.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2013 zu verurteilen, der Klägerin für die Monate 01.03.2013 bis 31.08.2013 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft i.H.v. 620,- EUR (Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich Warmwasserkos-ten) zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Selbst wenn man aufgrund der nachgereichten Stellungnahme von Frau Dr. vom 09.06.2014 davon ausginge, dass die Klägerin eine Zweizimmerwohnung aus ge-sundheitlichen Gründen benötigen würde, wäre ein Überschreiten des Mietrichtwertes für die Klägern als Einzelperson für eine Zweizimmerwohnung nicht anzuerkennen gewesen. Ein Teil der SGB II Bezieher habe eine Einzimmerwohnung und ein anderer Teil eine Zweizimmerwohnung im Rahmen des Mietrichtwertes. Die Anmietung einer erheblich teureren Wohnung sei nicht notwendig gewesen. Es gebe keinen rechtfer-tigenden Grund, die Klägerin, auch bei gesundheitlichen Einschränkungen, günstiger zu stellen, als Personen mit geringem Einkommen, die ohne SGB II Leistungen auskommen müssten und auf entsprechende Kosten der Unterkunft für eine Zweizimmerwohnung achteten.

Die Klägerin wurde aufgrund der fehlenden Erwerbsfähigkeit (Amtsgutachten vom 19.02.2014) am 16.06.2014 an den SGB XII Träger übergeleitet. Die SGB II Leistungsbe-willigung wurde ab 01.08.2014 aufgehoben. Ab 01.08.2014 erhält die Klägerin SGB XII Leistungen von der Stadt Köln. Ab 01.11.2014 erhält die Klägern aufgrund des Rentenantrags von April 2014 vom Rententräger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 31.12.2016.

Zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit und der zumutbaren Wohnbedingungen hat das Gericht von Amts wegen in dem Parallelverfahren S 7 AS 2479/13 ein nervenärztliches Gutachten des Dr. vom 22.10.2014 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am sel-ben Tag eingeholt. In seinem Gutachten vom 22.10.2014 (Bl. 53 – 74 Gerichtsakte) hat Dr. diagnostiziert: Chronifizierte erlebnisreaktive depressive Entwicklung vom aktuellen Ausprägungsart einer leichten depressiven Episode, eine komplexe Agoraphobie und Klaustrophobie mit Panikstörung sowie ein cerviko-cephales Schmerzsyndrom auf der Basis chronischer Verspannungen der Schulter-Nacken-Region. Im Gesundheitszu-stand der Klägerin sei aus nervenärztlicher Sicht seit dem 01.08.2012 unter Berücksichti-gung der glaubhaften anamnestischen Angaben insofern eine Änderung eingetreten, als der Wohnungswechsel zum damaligen Zeitpunkt zu einer Verminderung der Depressivität und Angststörung geführt habe. Eine für die Klägerin geeignete Wohnung sollte ihrem Sicherheits- und Rückzugsbe-dürfnis Rechnung tragen, ohne ein Gefühl des "in der Falle Sitzens" auszulösen. Die Anzahl der Zimmer sei nicht von ausschlaggebender Bedeutung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie die darin befindlichen gewechsel-ten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten vom 20.02.2013 und vom 08.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2013 sind rechtswidrig. Streitgegenstand sind nur noch die tatsächlichen Kosten der Unterkunft Straße, Köln für den Zeitraum 01.03.2013 bis 31.08.2013. Diese sind in tatsächlicher Höhe i.H.v. 620,- EUR (Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich Warmwasserkosten) zu gewähren. Die Kammer stimmt vollinhaltlich der Argumentationsweise der Klägerseite zu. Das Gericht hat die Besonderheiten des Einzelfalles gewürdigt und eine konkrete Ange-messenheitsprüfung vorgenommen (vgl. Wolfgang Eicher, SGB II, Grundsicherung für Arbeitsuchende, Kommentar, dritte Auflage, § 22 Rn. 98 m.w.N.). Die schwere psychische Erkrankung der Klägerin und die zwischenzeitlich eingetretene Obdachlosigkeit führten dazu, dass die Klägerin die Wohnung in der Straße, Köln ange-mietet hat. Die Kosten dieser Wohnung sind nach Ansicht der Kammer angemessen. Gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten rich-terlichen Kontrolle. Kosten für eine Wohnung sind dann angemessenen im Sinne des § 22 SGB II, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist (BSG, Urteil vom 16.05.2012, Aktenzeichen: B 4 AS 109/11 R). Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit Hilfe der Produkttheorie zu ermitteln, d.h., es ist zu prüfen, ob das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist. Es ist also grundsätzlich zum einen die abstrakt angemessene Wohnungsgröße (erster Faktor), zum anderen der nach den örtlichen Verhältnissen angemessene Mietpreis für die Wohnung, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen (zweiter Faktor - Mietobergrenze oder so genannte Grenzmiete) zu ermitteln. Das Produkt dieser beiden Faktoren muss angemessen sein (so genannte Produkttheorie BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R; Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 27/09 R; Urteil vom 20.12.2011, Az. B 4 AS 19/11 R).

Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist die Referenzmiete so festzulegen, dass es dem Leistungsberechtigten grundsätzlich möglich ist, im konkret maßgeblichen räumlichen Vergleichsraum eine angemessene Wohnung anzumieten. Maßgeblich ist hierbei ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard. Die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen (BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 109/11 R; Urteil vom 19.10.2010, Aktenzeichen B 14 AS 50/10 R). Die Feststellung der angemessenen Mietobergrenze hat aber auf der Grundlage eines so genannten "schlüs-sigen Konzepts" zu erfolgen, welches gewährleisten soll, dass die oben genannten Kriterien auch tatsächlich erfüllt werden. Ein solches Konzept erfordert nach der Recht-sprechung des Bundessozialgerichts grundsätzlich, dass die Datenerhebung ausschließlich in dem genau eingegrenzten und über den gesamten Vergleichsraum erfolgt, dass der Beobachtungszeitraum und der Gegenstand der Beobachtung nachvollziehbar dargelegt sind, dass die Art und Weise der Datenerhebung festgelegt ist, dass die einbezogenen Daten repräsentativ sind und als eine Validität der Datenerhebung angenommen werden kann. Sind die Daten entsprechend diesen Vorgaben ermittelt worden, so müssten überdies bei der Datenauswertung anerkannte mathematisch–statische Grundsätze eingehalten werden und Angaben über die gezogenen Schlüsse erfolgen (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R).

Die Zuständigkeit für die Entwicklung eines schlüssigen Konzepts liegt bei den Trägern der Grundsicherungsleistungen. Aufgabe der Gerichte ist es, anhand der von dem Grundsicherungsträger gelieferten Daten bzw. der zusätzlich im Rahmen der Amtsermittlungspflicht von ihm angeforderten und zur Verfügung zu stellenden Daten und Unterlagen zu verifizieren, ob die angenommene Mietobergrenze angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az. B 4 AS 27/09 R). Im Fall des Ausfalls lokaler Erkenntnismöglichkeiten aufgrund von fehlenden Ermittlungen des Grundsicherungsträgers wird die Amtsermittlungspflicht der Sozialgerichte insbesondere durch Zeitablauf begrenzt. Zeigt sich, dass sich keine hinreichenden Feststellungen zu den angemessen Unterkunftskosten für den streitigen Zeitraum und den Vergleichsraum mehr treffen lassen, sind grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, die allerdings durch die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes (WoGG) in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung im Sinne einer Angemessenheitsgrenze gedeckelt werden. Vorliegend wird seitens des Beklagten seit dem Jahr 2012 eingeräumt, dass er über kein "schlüssiges" Konzept für die Bestimmung abstrakt angemessener Kosten der Unterkunft für die Stadt Köln, welches den Anforderungen des Bundessozialgerichts genügt, verfügt. Nach Überzeugung der Kammer ist für den streitgegenständlichen Zeitraum unter Berück-sichtigung des dynamischen Wohnungsmarktes der Stadt Köln, der eine kontinuierliche und intensive Beobachtung des tatsächlichen Wohnungsangebots auf dem Markt über einen längeren repräsentativen Zeitraum erfordern würde, aufgrund von entsprechenden vielen Ermittlungen des Beklagten die Erstellung eines schlüssigen Konzepts durch das Gericht für vergangene Zeiträume nicht möglich. Durch Heran-ziehung des Mietspiegels für die Stadt Köln vermag die Kammer kein den Anforderungen des Bundessozialgerichts genügendes Konzept zu erstellen. Aus diesem Grunde muss entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2012, B 4 AS 44/12 R) auf die derzeitigen Tabellenwerte nach § 12 WoGG als Obergrenze der Kosten der Unterkunft zurückgegriffen werden. Dabei ist ein Sicherheits-zuschlag von 10% zu berücksichtigen. Dieses hat der Beklagte auch vorgenommen. Er hat die Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich Warmwasserkosten für die Zeit vom 01.03.2013 bis 31.05.2013 auf 499,- EUR monatlich angehoben und aufgrund eingetretener Änderung ab 01.06.2013 von 438,- EUR auf 488,- EUR monatlich angehoben.

Diese abstrakte Angemessenheitsprüfung ist im konkreten Fall nicht ausreichend. Die Kammer hat in einem vierten Schritt eine konkrete Angemessenheitsprüfung vorgenom-men und die Besonderheit des Einzelfalls berücksichtigt. Es gelten folgende Kriterien:

Die im Jahre 1958 geborene Klägerin war aufgrund der eigenen engen Wohnsituation in der Straße in Köln psychisch schwer belastet. Sie lebte in einer Einraumwohnung mit 35 m². Die Klägerin leidet seit Jahren an Depressionen und Panikzuständen. Dies wird insbesondere durch das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Nervenarztes Dr. vom 22.10.2014 und das von der Klägerseite überreichte Attest der Nervenärztin Dr. vom 14.04.2012 bestätigt. Das panikbedingte Engegefühl steigerte sich in der Wohnung. Der Umzug der Klägerin in eine geeignete größere Wohnung war medizinisch dringend not-wendig. Eine Zweizimmerwohnung muss zur Verfügung stehen, damit die Klägerin den Aufenthaltsort wechseln kann. Diese besonderen Umstände hat die Klägerin dem Beklagten mehrfach mündlich und mit Schreiben vom 28.05.2012 mitgeteilt. Hinzu kamen erhebliche Rücken- und Knieprobleme, die ihr das Laufen über vier Etagen er-schwerten. Die Klägerin selbst hat im Internet nach geeigneten Wohnungen recherchiert bzw. recherchieren lassen. Sie hat die von dem Beklagten überreichte "Wohnungsliste" abgearbeitet. Ihre diesbezüglichen Bemühungen waren angesichts des angespannten Wohnungsmarktes in Köln erfolglos. Die Situation spitzte sich weiterhin dadurch zu, dass die Klägerin obdachlos wurde. Das Anmieten der Wohnung Straße, Köln war der einzige Ausweg, damit die psychisch kranke Klägerin mit suizidaler Gefährdung und schwerer depressiver Störung nicht weiter beeinträchtigt wurde und um sie zu schützen. Die Ausführungen der Klägerin werden durch das von Amts wegen eingeholte Gutachten des Dr. vom 22.10.2014 vollinhaltlich bestätigt. Dr. ist dem Gericht aus zahlreichen Rentenverfahren als sorgfältig abwägender Sachverständiger bekannt. Die Kammer hat keine Bedenken, sich dem Gutachten anzuschließen. Aufgrund der anerkannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist bei der Klägerin zu-letzt ein Behinderungsgrad von 50 festgestellt worden. Von anamnestischer Bedeutung sind zahlreiche psychisch belastende, teils auch traumatisierende Erfahrungen, ein ernsthafter Suizidversuch 1974 und eine längerfristige stationäre sowie anschließende tagesklinische Behandlung in einer psychiatrischen Klinik im Jahre 2005 wegen suizidaler Gefährdung und einer depressiven Störung. Die von der Klägerin angemietete Wohnung in der Straße mit 47 m², eine Zweizimmerwohnung, ist für die Klägerin ein "Heiligtum", ein Refugium. Dieses hat sie in der mündlichen Verhandlung bekundet. Sie fühlt sich in der Wohnung sehr wohl. Die Wohnlage dort ist sehr ruhig. Die Wohnung ist eine Wohnung, um dem Sicherheits– und Rückzugsbedürfnis der Klägerin Rechnung zu tragen, ohne ein Gefühl des "in der Falle Sitzens" auszulösen. Der Beklagte hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2015 weiterhin trotz eindringlicher Schilderung der Klägerin auf befremdliche Art und Weise die besondere Gefährdung und das Schutzbedürfnis der Klägerin negiert. Demgegenüber hat der Träger der Sozialhilfe seit dem 01.08.2014 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft i.H.v. 620,- EUR anerkannt. Nach alledem sind im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung die tatsächli-chen Kosten der Unterkunft i.H.v. 620,- EUR (Kosten der Unterkunft und Heizung einschließlich Warmwasserkosten für die Monate 01.03.2013 bis ein 31.08.2013 zu ge-währen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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