L 1 KR 11/13

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 33 KR 1239/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 11/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – noch – um restliche von der Klägerin in Rechnung gestellte stationäre Behandlungskosten in Höhe von 25,56 EUR für eine ambulante onkologische Behandlung im Krankenhaus.

Der 1939 geborene Versicherte wurde am 6. Januar 2010 ambulant im Klinikum der Klägerin behandelt, wofür die Klägerin nach § 116 b SGB V (i.d.F.v. 26.3.2007, im Folgenden § 116b a.F.) einen Gesamtbetrag in Höhe von 234,27 EUR in Rechnung stellte. Die Rechnung vom 12. Mai 2010 führte unter anderem die Zusatzziffer "EB86503" für eine onkologische Behandlung in Höhe von 25,56 EUR auf.

Die Beklagte verweigerte zunächst die Begleichung der Rechnung in voller Höhe mit der Begründung, dass die fragliche Onkologieziffer 86503 von der Klägerin als Trägerin des behandelnden Krankenhauses nicht abgerechnet werden könne. Alleinige Rechtsgrundlage für diese Abrechnung sei die "Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten "Onkologie-Vereinbarung" (Anlage 7 zu den Bundesmantelverträgen), Stand 1.10.2009. Nach deren § 1 Abs. 1 Satz 4 seien Krankenhäuser jedoch nicht zur Abrechnung berechtigt. Die Klägerin verwies hingegen darauf, dass die Klinik der Klägerin zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V zugelassen sei. Nach dessen Abs. 5 Satz 2 habe die Vergütung der Vergütung vergleichbarer vertragsärztlicher Leistungen zu entsprechen. Nach der Onkologie-Vereinbarung könnten die fraglichen Leistungen von dieser Vereinbarung beigetretenen Vertragsärzten abgerechnet werden. Die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 4 der Onkologie-Vereinbarung, wonach die Vereinbarung nicht für die gemäß § 116b Abs. 2 SGB V zur Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen bestimmte Krankenhäuser gelte, widerspräche dem klaren Gesetzeswortlaut von § 116b Abs. 5 Satz 2 SGB V und damit höherrangigem Recht. Es müsse von einer bewussten und damit unzulässigen Umgehung gesetzlicher Vorgaben ausgegangen werden.

Am 21. Juli 2010 erhob die Klägerin die hier zugrunde liegende Klage. Sie führte aus, dass die Auffassung der Beklagten nicht die vollständige Zahlungsverweigerung rechtfertige, sondern allenfalls die der entsprechenden Rechnungsposition. Aber auch in der Weigerung der Beklagten, nur die fragliche Rechnungsposition abzurechnen, läge ein Verstoß gegen § 116b Abs. 5 SGB V, wonach die Vergütung für Krankenhäuser der Vergütung vergleichbarer vertragsärztlicher Leistungen zu entsprechen habe. Vergleichbar sei dieser Fall mit der Abrechenbarkeit entsprechender Ziffern im Rahmen der Notfallversorgung durch Krankenhäuser. Hier habe das Bundessozialgericht zuletzt mit Urteil vom 17. September 2008 entschieden, dass die Ungleichbehandlung der Krankenhäuser rechtswidrig sei. Der Ausschluss der Krankenhäuser in § 1 der Onkologie-Vereinbarung sei durch keinerlei sachliche Gründe gerechtfertigt. Damit liege ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vor, der zur Unwirksamkeit der Ausschlussklausel führe. Ohne die fragliche Ausschlussklausel in der Onkologie-Vereinbarung könne die Klägerin die fragliche Behandlung direkt abrechnen; so müsse es auch hier geschehen. Die Beklagte erkannte daraufhin einen Betrag in Höhe von 208,71 EUR an, so dass nur noch ein Restbetrag in Höhe von 25,56 EUR offen blieb.

Nach mündlicher Verhandlung des Sozialgerichts hat dieses die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es an einer Rechtsgrundlage für eine Abrechenbarkeit der fraglichen Behandlung für das Klinikum der Klägerin fehle. Auf die streitbefangene Onkologie-Vereinbarung vom 1. Oktober 2009 könne die Klägerin sich nicht berufen, da sie nicht zu dem von dieser Vereinbarung erfassten Berechtigtenkreis gehöre. Nach § 1 Abs. 1 Satz 4 der Onkologie-Vereinbarung gelte diese nämlich nicht für gemäß § 116b Abs. 2 SGB V zur Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen bestimmte Krankenhäuser.

Es sei auch nicht zu erkennen, dass diese Vertragsregelung gegen höherrangiges Recht verstoße. Insbesondere bestehe ein solcher Verstoß nicht mit Blick auf die Vorschrift von §116b Abs. 5 Satz 2 SGB V, wonach die Vergütung der Krankenhäuser der Vergütung vergleichbarer vertragsärztlicher Leistungen zu entsprechen habe. Die Vorschrift sei so zu verstehen, dass die Vergütung grundsätzlich ihrer Art nach dem Vergütungssystem vertragsärztlicher Leistungen zu entsprechen habe. Dies heiße nicht, dass exakt und ausnahmslos dieselben Vergütungsdetailregelungen gelten müssten. Denn § 116b Abs. 5 Satz 3 SGB V verweise ausdrücklich auf den einheitlichen Bewertungsmaßstab nach § 87 SGB V. Deshalb würden auch die zum einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgestellten Regelungen gelten. Nach § 85 Abs. 2 Satz 4 SGB V (i.d.F.v. 17.7.2009) sei jedoch ausdrücklich vorgesehen, dass die Vertragsparteien auch eine angemessene Vergütung für nichtärztliche Leistungen im Rahmen sozialpädiatrischer und psychiatrischer Tätigkeit und für besonders qualifizierte onkologische Versorgung zu vereinbaren hätten. Das nähere sei jeweils im Bundesmantelvertrag zu vereinbaren. Dabei handele sich um eine umfassende Ermächtigungsgrundlage und es sei nicht ersichtlich, dass die Vertragsbeteiligten nicht berechtigt sein sollten, die einzelnen Rechnungspositionen an unterschiedliche, sachlich gerechtfertigte Voraussetzungen und Bedingungen zu knüpfen. Die Unterscheidung zwischen dem vertragsärztlich ambulanten Bereich und den Krankenhäusern sei sachlich gerechtfertigt, denn ein erhöhter Aufwand, der zur Abrechnung einer gesonderten Pauschale berechtigen würde, entstehe für die Krankenhäuser im allgemeinen nicht, da sie ohnehin so ausgestattet seien, dass eine derartige Versorgung durchgeführt werden könne. Das gelte jedoch nicht für den ambulanten – vertragsärztlichen – Bereich. Dass hier ein besonderer Aufwand für die niedergelassenen Ärzte entstehe, liege auf der Hand.

Die vom Klägervertreter angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur ambulanten Notfallbehandlung beim organisierten vertragsärztlichen Notfalldienst einerseits und der Notfallbehandlung im Krankenhaus andererseits sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Der wesentliche Unterschied bestehe darin, dass die ambulante Notfallbehandlung im Unterschied zur ambulanten Nachsorge krebskranker Patienten verpflichtend sei. Hinzu komme das gesundheitspolitische Interesse, die ambulante Behandlung krebskranker Patienten gerade durch niedergelassene Fachärzte und nicht durch die Krankenhäuser durch entsprechende Vergütungsregelungen zu fördern.

Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 27. Dezember 2012 zugestellt.

Am 25. Januar 2013 hat die Klägerin die vorliegende Berufung erhoben. Die Onkologie-Vereinbarung verstoße gegen höherrangiges Recht und sei daher unwirksam. Im Übrigen verweist sie auf den Vortrag in erster Instanz.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 19. Oktober 2010 zu verurteilen, an die Klägerin 25,56 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 5. Juni 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte nimmt auf ihre bereits dargelegte Rechtsauffassung und Entscheidungen anderer Sozialgerichte und Landessozialgerichte, die ihre Rechtsauffassung bestätigen würden, Bezug. Ergänzend trägt sie noch vor, dass der allgemeine Gleichheitssatz von Art. 3 Abs. 1 GG nicht greife. Der zusätzliche Aufwand auf Seiten onkologisch tätiger Vertragsärzte sei ungleich höher. Daher sei die zusätzliche Vergütung berechtigt. Diesen Aufwand hätten die an der ambulanten Versorgung nach §116 b SGB V teilnehmenden Krankenhäuser nicht. Sie hätten die qualitativen Anforderungen per se nach § 116b SGB V zu erfüllen. Auch stelle die wohnortnahe Behandlung krebskranker Patienten durch Vertragsärzte ein ausreichendes sachliches Differenzierungskriterium für die ungleiche Behandlung dar.

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Senat hat das vorliegende Berufungsverfahren innerhalb seiner Zuständigkeit im Bereich der Krankenversicherung gem. §§ 10 Abs. 2 Satz 1, 31 Abs. 1 Satz 1, 33 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Besetzung von 3 Berufsrichtern und je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber entschieden. Denn es handelt sich vorliegend um eine krankenversicherungsrechtliche Streitigkeit und nicht um eine kassenärztliche oder sonstige Vertragsangelegenheit.

2. Die gem. § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung ist als nach § 54 Abs. 5 SGG erhobene Leistungsklage zulässig. Bei der auf Zahlung der (Rest-) Behandlungskosten von Versicherten gerichteten Klage eines Krankenhauses gegen die beklagte Krankenkasse handelt es sich um einen so genannten Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis. Damit kommt der Erlass eines Verwaltungsakts nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 17. Mai 2000, Az. B 3 KR 33/99 R, Juris). Es bedurfte daher zur Zulässigkeit der Klage vor deren Erhebung nicht der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens.

II. Die Berufung bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Die Klägerin kann den geltend gemachten Zahlungsanspruch im vorliegend streitigen Zeitraum weder auf § 116b Abs. 5 Satz 2 SGB V in der vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2011 gültigen Fassung (a.F.) (1.) noch auf die Onkologie-Vereinbarung (2.) noch auf das Grundrecht des Verbotes einer gleichheitswidrigen Ungleichbehandlung (3.) stützen.

1. Auf die Vorschrift von § 116b Abs. 5 Satz 2 SGB V a.F. kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg berufen. Nach § 116b Abs. 5 Satz 2 SGB V a. F. hat die Vergütung der gem. § 116b Abs. 2 SGB V a.F. an der ambulanten Versorgung teilnehmenden Krankenhäuser der Vergütung vergleichbarer vertragsärztlicher Leistungen zu entsprechen. Dies rechtfertigt – entgegen der Auffassung der Klägerin – jedoch nicht den vorliegend geltend gemachten Zahlungsanspruch. Maßstab für die Vergleichbarkeit der Vergütung der ambulanten Versorgung im Krankenhaus ist gemäß § 116b Abs. 5 Satz 3 a.F. der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen - EBM-Ä - nach § 87 SGB V.

Dass allein der EBM-Ä Maßstab der Abrechnung von ambulanten Leistungen der nach § 116b Abs. 2 SGB V hieran teilnehmenden Krankenhäuser sein soll, ergibt sich aus dem Zusammenhang zu den weiteren Regelungen in § 116b Abs. 5 Sätze 3 bis 8 SGB V a. F. Nach § 116b Abs. 5 Satz 3 SGB V a.F. teilt das Krankenhaus den Krankenkassen die von ihm nach den Abs. 3 und 4 ambulant erbrachten Leistungen mit und bezeichnet die hierfür berechenbaren Leistungen auf der Grundlage des EBM-Ä. Die weiteren Einzelheiten der Vergütung des Krankenhauses sind in den folgenden Regelungen des § 116b Abs. 5 S. 4 bis 8 SGB V a. F. ebenfalls auf der Grundlage des EBM-Ä geregelt. So konkretisiert § 116b Abs. 5 Satz 8 SGB V a.F. den Zahlungsanspruch des teilnehmenden Krankenhauses dahingehend, dass ab dem 1. Januar 2009 die ambulanten Leistungen des Krankenhauses mit dem Preis der in seiner Region geltenden Euro-Gebührenordnung (§ 87a Abs. 2 Satz 6 SGB V i.d.F.v. 26.03.2007) vergütet werden sollen. Durch die Verpflichtung zur Abrechnung auf der Grundlage des EBM-Ä wird der Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen definiert und gleichzeitig sichergestellt, dass die Abrechnung der Leistungen durch die Krankenkasse der Abrechnung der Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung entspricht (BT-Drs. 16/3100, S. 140).

Der EBM-Ä ist die geltende Honorarordnung des Vertragsarztrechts. Leistungen, die in diesem Verzeichnis nicht (ausdrücklich) enthalten sind, sind im Regelfall nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung (BSG, SozR 3-5555, § 12 Nr. 5, S. 21, 25). Das bedeutet, dass sie im System der ambulanten vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung nicht erbringbar und deshalb auch nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen abrechenbar sind (Engelhard in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB V, § 87 Rn. 47 m.w.N.). Die streitbefangene Abrechnungsnummer 86503 der Nr. 1 der Anlage 1 zur Onkologie-Vereinba-rung vom 19.3.2009 ist hingegen nicht Bestandteil des EBM-Ä. Sie stellt demgegenüber eine nur zwischen dem GKV Spitzenverband und der kassenärztlichen Bundesvereinigung gültige Vergütungsregelung zur Verbesserung der onkologischen Versorgung durch Vertragsärzte dar, ohne dabei Gegenstand des EBM-Ä zu sein.

Auch die Gesetzeshistorie des § 116b SGB V steht der Auffassung der Klägerin entgegen, § 116b Abs. 5 Satz 2 SGB V a. F. fordere eine vollständige Gleichstellung der Vergütung der teilnehmenden Krankenhäuser mit der Vergütung ambulanter onkologischer Leistungen niedergelassener Vertragsärzte.

§ 116b SGB V wurde in das SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2004 (Art. 1 Nr. 85 GMG vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190) eingeführt und enthielt in § 116b Abs. 5 SGB V nur den Hinweis darauf, dass die Vergütung nach § 116b SGB V der Vergütung vergleichbarer vertragsärztlicher Leistungen zu entsprechen habe. Mit Wirkung zum 1. April 2007 wurde § 116b Abs. 5 SGB V (Art. 1 Nr. 85 des GKV-WSG) um die bereits erwähnten Sätze 3 bis 8 erweitert. Zum 1. Januar 2012 (Art. 1 Nr. 44 GKV-VStG vom 22.12.2011, BGBl. I S. 2983) wurde § 116b SGB V wiederum neu geordnet. Mit dieser Novellierung hat der Gesetzgeber den Versuch unternommen, eine einheitliche und damit gleichheitsgerechtere Finanzierung der Leistungen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung sicher zu stellen (BT-Drs. 17/6906, S. 83f.; BT-Drs. 17/8005, S. 117f.) und für alle Leistungserbringer für eine einheitliche – sprich gleichheitsgerechtere – Vergütung zu sorgen (Stollmann, NZS 2012, 485, 487 m. w. N.). Anders als zuvor vereinbaren nunmehr nach § 116b SGB V der GKV-Spitzenverband, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam eine einheitliche Kalkulationssystematik, diagnosebezogene Gebührenpositionen in Euro sowie deren jeweilige verbindliche Einführungszeitpunkte nach Inkrafttreten der entsprechenden Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Vergütung der Leistungen ( § 116b Abs. 6 Satz 2 SGB V). Der weitere Wortlaut der Neuregelung enthält detaillierte und zahlreiche Vorgaben im Hinblick auf Kalkulation (§ 116b Abs. 6 Satz 3, Satz 4 SGB V), Einbeziehung von Beauftragten (§ 116b Abs. 6 Satz 5 SGB V), Konfliktlösungsmechanismen (§ 116b Abs. 6 Satz 7 SGB V) und andere Regularien.

Aus dieser Gesetzeshistorie lässt sich ableiten, dass die Finanzierung der ambulanten onkologischen Leistungen der Krankenhäuser aus Sicht des Gesetzgebers durch die ursprüngliche Regelung des § 116b SGB V nicht ausreichend durch den EBM abgedeckt gewesen ist. Nur so lässt sich die detaillierte Neuregelung erklären (vgl. BT-Drucks. 17/6906, S. 83). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass nach dem vorliegend anzuwendenden § 116b Abs. 5 Satz 2 SGB V a. F. der EBM-Ä alleinige Abrechnungsgrundlage der ambulanten onkologischen Leistungen der Krankenhäuser sein sollte. Wäre die Regelung hingegen so zu interpretieren, dass eine vom EBM-Ä abweichende Regelung (wie die Onkologie-Vereinbarung) auf Krankenhäuser Anwendung finden sollte, wäre eine Gesetzesreform nicht notwendig gewesen. Für die bisherige alleinige Geltung des EBM-Ä spricht auch, dass § 116b Abs. 6 Satz 8 SGB V in der seit dem 1. Januar 2012 geltenden Fassung für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten einer entsprechenden Vereinbarung nach § 116b Abs. 6 Satz 2 SGB V den EBM-Ä als Abrechnungsgrundlage vorsieht.

2. Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht unmittelbar auf die sogenannte Onkologie-Vereinbarung stützen. Zwar kommt hier nicht die vom Kläger und dem Sozialgericht zu Grunde gelegte Vereinbarung zwischen dem GKV-Spitzenverband und der kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 1. Oktober 2009 zur Anwendung. Denn diese ist erst mit der "Umsetzungsvereinbarung zur Onkologie-Vereinbarung" vom 26. März 2010 zum 1. April 2010 in Kraft getreten. Die hier streitbefangene Behandlung des Versicherten hat jedoch bereits im Januar 2010 stattgefunden. Zu dieser Zeit galt noch die Vorgängerregelung der "Vereinbarung über besondere Maßnahmen zur Verbesserung der onkologischen Versorgung (Onkologie-Vereinbarung)" vom 19. März 2009 – im Folgenden: Vereinbarung –. Die Anwendung der in der Anlage 1 zu dieser Vereinbarung in deren Nummer 1 aufgeführte Abrechnungsnummer 86503, nach der der onkologisch verantwortliche Arzt bei der Behandlung solider Tumore 25,56 EUR in Ansatz bringen darf, kommt für die Klägerin jedoch nicht in Betracht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Vereinbarung alleine zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung H. (KVH) und den dort aufgeführten Ersatzkassen in H., zu denen die Beklagte gehört, getroffen wurde. Krankenhäuser, wie die Klägerin, sind nicht Partner dieser Vereinbarung. Das ist auch konsequent, denn nach § 1 Abs. 1 der Vereinbarung ist deren Ziel die Förderung einer qualifizierten ambulanten Behandlung krebskranker Patienten in der vertragsärztlichen Versorgung. Dadurch sollen in der onkologischen Diagnostik und Therapie eine Alternative zur stationären Behandlung angeboten, Versorgungsengpässe vermieden und die vertragsärztliche onkologische Versorgung verbessert werden. In Abs. 2 derselben Regelung wird weiter formuliert, dass im Rahmen einer umfassenden Betreuung und Rehabilitation eine wohnortnahe ambulante Behandlung der Patienten durch niedergelassene Vertragsärzte erreicht werden und die Durchführung und Koordination der onkologischen Behandlung von dafür besonders qualifizierten Vertragsärzten in einem umfassenden Versorgungskonzept gesamtverantwortlich wahrgenommen werden solle. Auch der weitere Text der Vereinbarung richtet sich ausschließlich an Vertragsärzte und stellt Voraussetzungen auf, nach denen die onkologische Qualifizierung des fraglichen Arztes zu prüfen und aufrechtzuerhalten ist, die Form der auf Basis dieser Vereinbarung abrechenbaren onkologischen Behandlung definiert wird und weitere organisatorische und sonstige Anforderungen, die an den Arzt, der der Vereinbarung beitreten will, zu richten sind. Aus dem Umstand, dass in § 1 Satz 4 der Onkologie-Vereinbarung vom 1. Oktober 2009 ausdrücklich postuliert wird, dass die Vereinbarung nicht für gemäß § 116b Abs. 2 SGB V zur Diagnostik und Versorgung von Patienten mit onkologischen Erkrankungen bestimmte Krankenhäuser gilt, wird deutlich, dass die Vertragsparteien den Ausschluss der Krankenhäuser von dieser Vereinbarung auch von vornherein beabsichtigt und in dieser Fassung der Vereinbarung vorsorglich und zur Klarstellung noch ausdrücklich formuliert haben, selbst wenn dies sowohl nach dem Inhalt und dem Sinn und Zweck der Vereinbarung sowie mit Blick auf die klar definierten Vertragsparteien des GKV-Spitzenverbandes und der kassenärztlichen Bundesvereinigung nicht notwendig gewesen wäre.

3. Eine entsprechende Anwendung der Vereinbarung auf ambulante Leistungen des Krankenhauses der Klägerin nach § 116b SGB V ist aber auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht geboten. Das hessische Landessozialgericht hat hierzu in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2013 (L 8 KR 328/12, Sozialgerichtsbarkeit.de) in einem dem vorliegenden vergleichbaren Fall wie folgt ausgeführt:

"Nach der sog. neuen Formel des Bundesverfassungsgerichts ist danach zu unterscheiden, ob eine Ungleichbehandlung von Personen oder Personengruppen oder lediglich von Sachverhalten vorliegt. Hier liegt eine Ungleichbehandlung von Personengruppen vor. In diesem Fall muss für die Ungleichbehandlung ein Grund von solcher Art und von solchem Gewicht vorhanden sein, dass er die Ungleichbehandlung rechtfertigen kann. Dabei wird eine strenge Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angenommen. Der Betroffene hat sich zunächst einmal auf eine Differenzierung einzustellen, die der Gesetzgeber allgemein vorgibt, er hat sich den herrschenden Verhältnissen anzupassen, die die Rechtsordnung "generell-abstrakt" für alle formuliert. Je intensiver aber der Eingriff in seine Grundrechte ist, je weniger ihm das Ausweichen möglich ist, desto strenger ist hier die Bindung des Staates an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 12. Oktober 2011, Az. 2 BvR 236/08, 2 BvR 237/08, 2 BvR 422/08 m.w.N., Juris) spricht insoweit von einer abgestuften gerichtlichen Kontrolldichte.

Gemessen an diesen Vorgaben ist die vorliegend streitige Vergütungsregelung gerechtfertigt. Der fraglichen Vereinbarung lag das Ziel der Förderung einer qualifizierten ambulanten Behandlung krebskranker Patienten zu Grunde. Diese wurde geschlossen zwischen dem GKV Spitzenverband und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung mit dem Ziel der Förderung einer qualifizierten ambulanten Behandlung krebskranker Patienten in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 1 der Vereinbarung). Dadurch soll in diesem Bereich eine wohnortnahe ambulante Behandlung der Patienten durch niedergelassene Vertragsärzte erreicht werden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 der Vereinbarung). Die zusätzliche Vergütung soll insbesondere der Tatsache Rechnung tragen, dass durch die besonderen Anforderungen an die ambulante Behandlung krebskranker Patienten für den onkologisch tätigen niedergelassenen Arzt nicht nur erhöhte zeitliche und personelle Belastungen, sondern auch beträchtliche Kosten für zusätzliche Praxiseinrichtungen speziell zur Versorgung Krebskranker sowie vermehrte zeitliche und personelle Belastungen entstehen (§ 2 Abs. 3 der Vereinbarung). Der niedergelassene Onkologe wird damit überdies verpflichtet, eine Vielzahl von fachlichen und organisatorischen Maßnahmen sicherzustellen, die in den weiteren Regelungen der Vereinbarung im Einzelnen umfassend und detailliert aufgelistet sind. Der Ausschluss der nach § 116b SGB V teilnehmenden Krankenhäuser ist aus dem weiteren Wortlaut von § 1 der Vereinbarung zu entnehmen. Darin heißt es, dadurch solle in der onkologischen Diagnostik und Therapie eine Alternative zur stationären Behandlung angeboten, Versorgungsengpässe vermieden und die vertragsärztliche onkologische Versorgung verbessert werden.

Wegen den hohen Anforderungen, die sich aus der Vereinbarung ergeben, wurden die Abrechnungsziffern für den qualifizierten niedergelassenen Onkologen eingeführt. Dies ist gerechtfertigt, denn die nach § 116b SGB V teilnehmenden Krankenhäuser haben demgegenüber nicht einen vergleichbaren zusätzlichen personellen und organisatorischen Kostenaufwand. Ein solches hochspezialisiertes Krankenhaus hat die in der Onkologie-Vereinbarung 2009 statuierten Voraussetzungen per se im Rahmen seiner Bestimmung nach § 116b SGB V zu erfüllen und muss damit aufgrund seiner Spezialisierung keinen mit dem niedergelassenen onkologisch tätigen Arzt vergleichbaren zusätzlichen Aufwand betreiben."

Schließlich führt auch der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17. September 2008 (Az. B 6 KA 46/07 R) zu keiner anderen, für die Klägerin günstigen Entscheidung. Ein wesentlicher Unterschied zu dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall besteht hier nämlich darin, dass die ambulante Behandlung eines Versicherten im Notfall verpflichtend ist, während die hier in Streit stehende ambulante Behandlung kranker Patienten freiwillig vom Krankenhaus angeboten wird. Darauf hat auch das Sozialgericht in der hier durch die Berufung angefochtenen Entscheidung zu Recht bereits hingewiesen Zudem stellt das Kosten- und Anreizargument für die wohnortnahe Behandlung krebskranker Patienten durch niedergelassene Ärzte ein überzeugendes sachliches Differenzierungskriterium für die ungleiche Behandlung der beiden Sachverhalte dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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