L 13 AS 400/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 400/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage gegen die Bescheide vom 14. Mai 2013 wird abgewiesen.

Der Beklagte trägt ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.

Tatbestand:

Die Kläger begehren von dem beklagten Jobcenter die Übernahme der vollen Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. August 2009 bis 31. Juli 2010 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II).

Die im Jahr 1975 geborene Klägerin Ziff. 1 und ihre am 1. Juli 2005 geborene Tochter (Klägerin Ziff. 2) sind seit August 2005 in laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerinnen bewohnten in Fr. eine 45 m² große zwei Zimmer Dachgeschosswohnung für eine Kaltmiete von 301 EUR monatlich. Ohne vorher eine Zustimmung des Beklagten (vormals Arbeitsgemeinschaft Stadt Fr.) eingeholt zu haben, mietete die Klägerin Ziff. 1 zum 1. Januar 2007 ebenfalls in Fr. befindliche Zweizimmerwohnung (55,81 m²) in der R.allee XX, in der die Klägerinnen seither wohnen. Nach § 4 des Mietvertrages ist für die ersten zehn Vertragsjahre eine Staffelmietklausel vereinbart, wonach die monatliche Nettokaltmiete im drittem Vertragsjahr (Kalenderjahr 2009) 535 EUR und im vierten Vertragsjahr (Kalenderjahr 2010) 545 EUR beträgt. Zusätzlich ist für einen Tiefgaragenstellplatz ein monatlicher Betrag von 44 EUR zu entrichten. Für den Zeitraum 1. Februar 2007 bis 31. August 2007 bewilligte die Beklagte zunächst lediglich die Kaltmiete in Höhe der vormaligen Wohnung weiter. Den Antrag der Klägerinnen, ihnen für den genannten Zeitraum die tatsächlichen Unterkunftskosten für die "neue Wohnung" zu bewilligen lehnte der Beklagte ab. Die deswegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Freiburg (SG) mit Gerichtsbescheid vom 5. Februar 2008 ab (S 7 AS 4950/07). Die die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerinnen wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG - L 2 AS 302/09) mit Urteil vom 25. März 2009 zurück. Nach Aufhebung und Zurückverweisung durch das Bundessozialgericht (BSG - B 14 AS 41/09 B) wies das LSG (L 2 AS 4587/09) die Berufung mit Urteil vom 8. Dezember 2009 wieder zurück. Nach erneuter Aufhebung und Zurückverweisung durch das BSG (B 14 AS 107/10 R) verurteilte das LSG (L 2 AS 1281/12 ZVW) den Beklagten entsprechend dessen Anerkenntnis zur weiteren Gewährung von Kosten der Unterkunft für Februar 2007 i.H.v. 86,61 EUR. Im Übrigen wies es die Berufung zurück. Der Umzug in die Wohnung in der R.allee sei nicht erforderlich im Sinne von § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II BGB gewesen. Zur Ermittlung der angemessenen Nettokaltmiete könne auf den Mietspiegel der Stadt Fr. als schlüssiges Konzept zurückgegriffen werden.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2009 bewilligte der Beklagte, ohne auf die fehlende Zustimmung zum Umzug abzustellen, Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 1. August 2009 bis 31. Januar 2010 i.H.v. 478,94 EUR (Kaltmiete 364,80 EUR, Heizkosten 39,44 EUR, Nebenkosten 74,70 EUR). Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2009 zurück. Die Mietobergrenze sei unter Berücksichtigung der im neuen Mietspiegel für die Stadt Fr. ausgewiesenen Basismiete festzulegen. Danach sei für einen Zweipersonenhaushalt bei einer angemessenen Wohnungsgröße von 60 m² der Betrag von 364,80 EUR angemessen (Quadratmeterpreis 6,08 EUR). Diese Mietobergrenze würde überschritten.

Die Klägerinnen haben deswegen am 21. Dezember 2009 Klage beim SG erhoben (S 2 AS 6522/09). Der Beklagte habe die tatsächlichen Mietkosten zu erstatten.

Auf den von den Klägerinnen gestellten Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 21. Januar 2010 den Klägerinnen für den Zeitraum 1. Februar 2010 bis 31. Juli 2010 monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung i.H.v. 479,45 EUR (Kaltmiete 364,80 EUR). Den hiergegen von den Klägerinnen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2010 zurück. Auch hier stellte der Beklagte unter Berücksichtigung der Basismiete des Mietspiegels für die Stadt Fr. darauf ab, dass diese Mietobergrenze von 364,80 EUR überschritten worden sei.

Mit den zwischenzeitlich weiter ergangenen Bescheiden vom 30. März 2010 bewilligte die Beklagte weitere Nebenkosten (Bl. 562-568 der Verwaltungsakten).

Deswegen haben die Klägerinnen am 20. April 2010 erneut Klage mit dem Begehren der Übernahme der tatsächlichen Mietkosten beim SG erhoben (S 2 AS 2036/10).

Mit Beschluss vom 7. Juni 2010 hat das SG die Klagen verbunden und mit Gerichtsbescheid vom 31. August 2010 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, die von der Beklagten als angemessen erachtete Kaltmiete von insgesamt 364,80 EUR entspreche dem ortsüblichen Mietniveau im unteren Segment des Wohnungsmarktes, wobei der räumliche Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der ortsüblichen Durchschnittsmiete sich auf die Stadt Fr. beschränke. Insoweit könne auf den aktuellen qualifizierten Mietspiegel 2009 der Stadt Fr. zurückgegriffen werden. Die Fortschreibung des vorhergehenden Mietspiegels (2007) basiere auf einer Erhebung von Daten einer repräsentativen Stichprobe von 1063 Wohnungen im Monat November 2008. Berücksichtigt seien nur Mietverhältnisse worden, deren Miete in den letzten vier Jahren vereinbart oder von Betriebskosten abgesehen – geändert worden sei. Das dem Mietspiegel zu Grunde liegende Auswertungsverfahren habe detaillierte und statistisch signifikante Ergebnisse für den Mietwohnungsmarkt erbracht (vgl. Mietspiegel Seite 4). Dieser stelle ein schlüssiges Konzept für die Feststellung der angemessenen Kosten der Unterkunft dar.

Gegen den am 1. September 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 21. September 2010 eingelegte Berufung der Klägerinnen (L 13 AS 4477/10). Zur Begründung haben sie vorgetragen, der Mietspiegel der Stadt Fr. sei für die Ermittlung der Angemessenheit im Sinne des § 22 SGB II unzureichend. Die Diskrepanz zwischen Mieten von Wohnungen, die in Fr. tatsächlich angemietet werden könnten und dem Betrag, den die Berufungsbeklagte für angemessen halte, sei derart groß, dass keinesfalls angenommen werden könne, dass das Konzept plausibel sei.

Mit Beschluss vom 10. Januar 2011 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet weil zur Frage der Anwendbarkeit bzw. Rechtmäßigkeit des Mietspiegels der Stadt Fr. ein Revisionsverfahren beim Bundessozialgericht anhängig gewesen ist (B 14 AS 106/10 R, betreffend das Urteil des L SG – L 1 AS 3815/09, jeweils juris). Am 4. Januar 2013 hat der Bevollmächtigte der Klägerinnen das Verfahren wieder angerufen.

Mit Bescheiden vom 14. Mai 2013 bewilligte der Beklagte für den streitigen Zeitraum höhere Kosten der Unterkunft und Heizung. Für den Zeitraum 1. August 2009 bis 31. Dezember 2010 bewilligte die Beklagte Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v.558,03 EUR (Grundmiete 443,89 EUR, Heizung 39,44 EUR, Nebenkosten von 71,51 EUR, Müllgebühren 3,19 EUR). Daraus ergaben sich monatliche Nachzahlungsbeträge für den Zeitraum 1. August bis 30. September 2009 i.H.v.79,09 Euro, für den Zeitraum 1. Oktober bis 31. Oktober 2009 von 102,09 EUR, für die Zeit vom 1. November 2009 bis 31. Dezember 2009 79,09 EUR. Für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Januar 2010 DM anerkannte die Beklagte einen Bedarf für Unterkunft und Heizung i.H.v. 563,12 EUR (Grundmiete 440,70 EUR, Heizung 39,44 EUR, Nebenkosten 74,70 EUR, Müllgebühren 8,28 EUR). Die Nachzahlung für diesen Zeitraum errechnete der Beklagte auf 75,90 EUR. Für den Zeitraum 1. Februar 2010 bis 31. Juli 2010 anerkannte die Beklagte einen Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 563,33 EUR (Grundmiete 430,40, Heizung 39,65 EUR, Nebenkosten 85,00 EUR, Müllgebühren 8,28 EUR). Insgesamt wurden für diesen Zeitraum monatlich 65,60 EUR mehr als bisher bewilligt.

Der Bevollmächtigte der Klägerinnen hat zur weiteren Begründung der Berufung sich auf das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 8. Juni 2012, S 17 AS 1452/09, berufen, wonach sich das BSG in seiner fortgesetzten Rechtsprechung zum schlüssigen Konzept nicht hinreichend mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt habe, weshalb eine verfassungskonforme Auslegung in der Weise vorzunehmen sei, dass unangemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II lediglich Kosten der Unterkunft seien, die deutlich über den Unterkunftskosten der für Größe und Struktur nach vergleichbarer Haushalte im geographischen Vergleichsraum lägen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Bescheide vom 14. Mai 2013 abzuändern und ihnen in dem Zeitraum vom 1. August 2009 bis 31. Juli 2010 die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage gegen die Bescheide vom 14. Mai 2013 abzuweisen.

Sie hält die mit Bescheiden vom 14. Mai 2013 gewährten Kosten der Unterkunft und Heizung für rechtmäßig in dem streitigen Zeitraum sei eine Bruttokaltmiete von 515,40 EUR (Basismiete 6,98 EUR/qm bei 60 qm = 418,80 EUR sowie kalte Nebenkosten gemäß dem bundesweiten Betriebskostenspiegel 1,61 EUR mal 60 qm = 96,60 EUR, gesamt 515,40 EUR für angemessen.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten des Beklagten, auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die beigezogenen Akten L 2 AS 1281/12 ZVW Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage gegen die Bescheide vom 14. Mai 2013 ist nicht begründet.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt. Der Beklagte hat mit den im Rahmen des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide vom 14. Mai 2013 die für den streitigen Zeitraum zu bewilligenden Leistungen für Unterkunft und Heizung zutreffend festgesetzt. Weitere Leistungen der Unterkunft und Heizung sind nicht zu erbringen.

Streitgegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens sind alleine die für den streitigen Zeitraum vom 1. August 2009 bis 31. Juli 2010 zu gewährenden Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II. Die Klägerinnen haben ihr Klagebegehren zulässigerweise auf diese Leistungen beschränkt (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014, B 14 AS 42/13 R, juris). Nachdem der Beklagte mit den Bescheiden vom 14. Mai 2013 für den streitgegenständlichen Zeitraum die zu bewilligenden Leistungen der Unterkunft und Heizung neu festgesetzt und höhere Leistungen bewilligt hat, sind diese Bescheide Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden (§ 96 SGG). Der noch Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesene Bescheid vom 10. Juli 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. November 2009, der Bescheid vom 21. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. März 2010 und die Bescheide vom 30. März 2010 sind– soweit die die hier allein streitigen Leistungen für Unterkunft und Heizung betreffend – vollständig ersetzt worden, so dass der Senat über die Bescheide vom 14. Mai 2013 auf Klage (vgl. Leitherer, in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer , SGG, § 96 Rn. 7 mit weiteren Nachweisen) zu entscheiden hat.

Die erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin zu 1 ist Berechtigte im Sinne des § 7 SGB II. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II hat sie Anspruch auf Alg II in Form von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, soweit diese angemessen sind. Nach § 28 SGB II umfasst das Sozialgeld die sich aus § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen; mithin ist auch die hilfebedürftige Klägerin zu 2 Berechtigte für Kosten der Unterkunft und Heizung.

Die Ansprüche der Klägerinnen umfassen dem Grunde nach auch Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung. Diese werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl. § 22 Abs. 1 S 1 SGB II). Für den hier streitigen Zeitraum ist es unerheblich, dass die Klägerin ohne vorherige Zustimmung des Beklagten in die hier genannte Wohnung umgezogen sind, weil der Beklagte dies bei der Bewilligung der Leistungen in diesem Zeitraum, anders als in dem in dem Verfahren L 2 AS 1281/12 ZVW streitigen Zeitraum, unberücksichtigt gelassen hatte.

Der Gesetzgeber lässt sich - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten, indem er anordnet, auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen. Diese sind im Grundsatz zu erstatten. Allerdings sind die tatsächlichen Kosten nicht in beliebiger Höhe erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind. Die Angemessenheitsprüfung limitiert somit die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach. Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Zur Festlegung der abstrakt angemessenen Leistungen für die Unterkunft ist zunächst die angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche örtliche Vergleichsraum zu ermitteln. Angemessen ist eine Wohnung nur dann, wenn sie nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist, wobei es genügt, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, angemessen ist, also die zu übernehmende Miete in dem räumlichen Bezirk, der den Vergleichsmaßstab bildet, die angemessene Mietobergrenze nicht überschreitet (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, RdNr 24; BSG Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 27 (Essen) RdNr 15; BSG Urteil vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51 (Duisburg), RdNr 14; BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 4 AS 16/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 59;. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 87/12 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 73).

Da die tatsächlichen Kosten der angemieteten Wohnung deutlich darüber liegen, ist die ermittelte angemessene Höhe der Mietkosten zugrunde zu legen. Maßgebend ist, ob die Kaltmiete und die kalten Betriebskosten zusammen die zu ermittelnde Angemessenheitsgrenze überschreiten (BSG, Urteil v. 19. Oktober 2010, B 14 AS 65/09 R). Die tatsächlichen unangemessenen Wohnkosten sind somit nicht zu bewilligen. Ein derartiger Anspruch besitzt einfachgesetzlich und verfassungsrechtlich keine Rechtsgrundlage.

Für die Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft ist zunächst die angemessene Größe festzulegen. Diese beträgt in Anlehnung an das landesrechtlich geregelte Wohnungsbindungsrecht für Zwei-Personenhaushalte 60 m² Wohnfläche in Baden-Württemberg (Verwaltungsvorschrift des Wirtschaftsministeriums B.-W. zur Sicherung von Bindungen in der sozialen Wohnraumförderung - VwV-SozWo vom 12. Februar 2002 [GABl S. 240] i.d.F. der VwV vom 22. Januar 2004 [GABl S. 248]; VwV vom 25. September 2012 in Verbindung mit Teil 3 Nr. 1.2 der Durchführungshinweise des Wirtschaftsministeriums zum Landeswohnraumförderungsgesetz, Stand Juli 2010). Diesen Rahmen übersteigt die Wohnung in der R.allee XX mit 54 m² nicht.

Als maßgeblicher örtlicher Vergleichsraum ist die Stadt Fr. zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 13.04.2011 - B 14 AS 106/10 R, juris Rn. 21).

Der Beklagte hat als schlüssiges Konzept zurecht den vom 15. Februar 2009 bis 31. Dezember 2010 gültigen Mietspiegel der Stadt Fr. zu Grunde gelegt. Zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche unter Berücksichtigung eines einfachen Wohnungsstandards ist ein sog. schlüssiges Konzept zugrunde zu legen. Das BSG hat hierzu in Bezug auf die Stadt Fr. ausgeführt (BSG, a.a.O., Rn. 24 ff.), zur Bestimmung der angemessenen Nettokaltmiete könne in Ermangelung eines anderen schlüssigen Konzepts auf die Freiburger Mietspiegel 2007 und 2009 zurückgegriffen werden. Qualifizierte Mietspiegel im Sinne des § 558d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - wie diese Mietspiegel - könnten Grundlage der Bestimmung der angemessenen Miete nach § 22 Abs. 1 SGB II sein (BSG, a.a.O., unter Verweis auf die Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 18.06.2008 - B 14/7b AS 44/06 R - Rn. 16; BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/80 R - BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R - BSG, Urteil vom 19.12.2007 - B 14 AS 50/10 R - jeweils in juris).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des BSG hat bereits das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) im Urteil vom 21. Juni 2013, L 1 AS 19/13 (a.a.O) weiter dargelegt, dass der qualifizierte Mietspiegel der Stadt Fr. aus dem Jahr 2009 Grundlage für die Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten sein könne. Der erkennende Senat schließt sich dem ausdrücklich an. Wird der Durchschnittsmietpreis (Basismiete) eines qualifizierten Mietspiegels zu Grunde gelegt, bedarf es keinen weiteren Ermittlungen, ob es Wohnungen zu den abstrakt angemessenen Quadratmeter – Nettokaltmieten im örtlichen Vergleichsraum in einer bestimmten Häufigkeit gibt. Dies steht vielmehr aufgrund des qualifizierten Mietspiegels, der zur Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises für die Kaltmiete zu Grunde gelegt wurde, und der Anwendung des Durchschnittswerts dieses Mietspiegels fest. Entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerinnen bedarf es somit keinen weitergehenden Ermittlungen dahingehend, ob tatsächlich auf dem Wohnungsmarkt zur Basismiete Wohnungen angeboten werden. Der Beklagte hat auch keine weitergehenden Abschläge von der Basismiete vorgenommen.

Somit kann die in dem Mietspiegel angeführte Standardwohnung (errichtet in der Zeit zwischen 1961 und 1977, in einem Mehrfamilienhaus mit mindestens fünf Wohnungen pro Haupteingang, normale Art und Beschaffenheit, mit durchschnittlicher Wohnungsausstattung) zu Grunde gelegt werden (BSG a.a.O. Rdnr. 25; LSG a.a.O. Rdnr. 39). Nachdem hiermit anwendbaren Mietspiegel 2009 der Stadt Fr. ist für eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 m² in dem streitigen Zeitraum ein Quadratmeterpreis von 6,98 EUR zu Grunde zu legen. Dies hat die Beklagte in den Bescheiden vom 14. Mai 2013 umgesetzt (Nettokaltmiete 418,80 EUR).

Der Senat hat auch keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Der Senat folgt ausdrücklich nicht der Auffassung des Sozialgerichts Mainz (Urteil vom 8. Juni 2012, S 17 AS 1452/09 und Vorlagebeschluss vom 12. Dezember 2014, S 3 AS 130/14). Die dort geäußerte Auffassung, dass der in § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II verwendete Begriff der "Angemessenheit" den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 9. Februar 2010, 1 BvL 1/09, juris aufgestellten Anforderungen nicht genüge, kann nicht gefolgt werden. Das BVerfG hat ausdrücklich betont, dass bei der Bestimmung des Umfangs der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zukommt, der der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs umfasst. Mithilfe des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessen" und der insofern gefestigten Rechtsprechung des BSG (zum schlüssigen Konzept) werden sowohl Verwaltung als auch die Gerichte in die Lage versetzt, den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort im Wege einer Einzelfallprüfung Rechnung zu tragen (ebenso LSG a.a.O., Luik in Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 22 Rdnr. 72). Das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 23. Oktober 2013 (1 BvR 1842/11, juris) zum unbestimmten Rechtsbegriff der "Angemessenheit" die Auffassung vertreten, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der "Angemessenheit" einer Auslegung durch Gerichte bedürfe und den Fachgerichten die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Angemessenheit" obliege. Im Bereich von existenzsichernden Leistungen hat das BVerfG bereits in dem Nichtannahmebeschluss vom 29. Oktober 2008 (2 BvR 1268/07, juris) dargelegt, die gesetzliche Vorgabe einer "angemessenen" Bemessung des Taschengeldes für Strafgefangene biete hinreichenden grundrechtlichen Schutz. Nichts Anderes kann für die Angemessenheitsregelung des § 22 SGB II gelten. Der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 22 SGB II den unbestimmten Rechtsbegriff der "Angemessenheit "gewählt hat, ist nicht nur sachgerecht und verfassungsrechtlich unbedenklich, sondern vielmehr geeignet auch Änderungen auf dem Wohnungsmarkt Rechnung zu tragen. Der Maßstab dessen, was Hilfeempfänger von der Allgemeinheit beanspruchen können, orientiert sich im Übrigen daran, was sich Menschen, die ihren Lebensunterhalt durch Einkommen selbst verdienen, in einem vergleichbaren Wohnumfeld leisten können, insoweit ist auch bei der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft auf die in der Referenzgruppe unterer Einkommensgruppen herrschenden Wohnraum bezogenen Lebensgewohnheiten abzustellen (Luik in Eicher, a.a.O., BSG, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19 Rdnr. 17).

Die weiter zu gewährenden kalten Nebenkosten zur Berechnung der Bruttokaltmiete von 96,60 EUR hat die Beklagte unter Berücksichtigung des bundesweiten Betriebskostenspiegels (1,61 EUR mal 60 m²) zutreffend (hierzu u. a. Urteil des LSG Baden-Württemberg v. 21 Juni 20013, L 1 AS 3518/11 ZVW) berechnet, sodass die angemessene Bruttokaltmiete 515,40 EUR beträgt. Die dargelegten tatsächliche Bruttokaltmiete für die bezeichnete Wohnung ist somit deutlich höher. Die Müllgebühren sind von dem Beklagten richtigerweise ebenfalls berücksichtigt worden.

Die getrennt zu bewilligenden Heizkosten sind von dem Beklagten in tatsächlich angefallener Höhe zutreffend, rechnerisch richtig und von den Klägerinnen auch unbeanstandet gewährt worden. Weitere Leistungen kommen auch hier nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hierbei berücksichtigt der Senat im Rahmen seines hier zustehenden Ermessens, dass die Klägerinnen über die mit den im Berufungsverfahren ergangenen Bescheiden vom 14. Mai 2013 hinaus keine Ansprüche haben, andererseits dass der Beklagte erst im Laufe des Berufungsverfahrens die rechtmäßigen Bescheide erlassen hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved