Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 17 U 2438/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 1536/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger höhere Verletztenrente, insbesondere wegen psychischer Beschwerden, zu gewähren ist.
Der 1957 geborene, als Bauhelfer bei der Firma A., B., tätig gewesene Kläger, erlitt am 21.02.2007 auf der Fahrt von der Arbeitsstelle nach Hause auf der Bundesstraße 317 mit seinem PKW einen Unfall, als er mit einem ihm entgegenkommenden Auto kollidierte. Dabei zog er sich ein Polytrauma mit Schädelhirntrauma ersten Grades (Gehirnerschütterung), eine Humeruskopf- und Scapulamehrfragmentfraktur links (Oberarmkopf- und Schulterblattbruch), eine Daumenendgliedluxation rechts mit Ruptur der Beugesehne, eine Lungenkontusion bei stumpfem Thoraxtrauma, eine Rippenserienfraktur links 1. und 6. bis 9. Rippe, eine Halswirbelkörper (HWK) 7-Quersatzfraktur links und multiple Schnitt- und Schürfwunden zu. Die primäre Versorgung erfolgte im Kreiskrankenhaus C., zunächst auf der Intensivstation vom 21.02.2007 bis 26.02.2007 und danach bis 09.03.2007 auf der Normalstation. Die Schulter- und Daumenverletzung wurde operativ behandelt, die Behandlung der übrigen Verletzungen erfolgte konservativ (Zwischenbericht des Kreiskrankenhauses C., undatiert). Vom 09.03.2007 bis 28.04.2007 befand sich der Kläger in stationärer Anschlussheilbehandlung in der Schwarzwaldklinik Bad D ... Im Rahmen dieses Aufenthaltes wurde der Kläger zweimal neurologisch untersucht (Berichte vom 30.03.2007 und 04.05.2007). Ein dabei gestellter Verdacht auf (V. a.) eine Läsion des Nervus suprascapularis und Nervus axillaris links wurde später nicht bestätigt (vgl. Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E. vom 06.08.2007). Hinsichtlich des psychischen Befundes hieß es zunächst, es bestehe eine deutliche Aggravationstendenz und Regression (Bericht vom 30.03.2007); demgegenüber wurden zuletzt im Bericht vom 04.05.2007 ein Hinweis auf bewusstseinsnahe Aggravation sowie ein regressives Verhalten verneint.
Auf Grund der stark eingeschränkten Schulterbeweglichkeit unterzog sich der Kläger einem weiteren stationären Heilverfahren in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F. in der Zeit vom 19.06.2007 bis 10.07.2007. Der Kläger wurde arbeitsunfähig entlassen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß werde verbleiben (Bericht vom 02.08.2007).
Im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im Kreiskrankenhaus C. zur Metallentfernung in der linken Schulter am 25.10.2007 zeigte sich der Kläger trotz zusätzlicher Analgesie weiterhin schmerzgeplagt und in der Bewegung stark eingeschränkt (Bericht vom 02.11.2007). Ein psychologisches Konsil bei Dipl.-Psych. G. ergab, dass eine beginnende unfallreaktive Somatisierungsstörung sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bestehe, differentialdiagnostisch auch an eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu denken sei (Bericht vom 02.11.2007). Zu den Beschwerden wurde u. a. ausgeführt, der Kläger leide unter Bewegungseinschränkungen und Schmerzen vielfältiger Lokalisation, er fühle sich schlapp und kraftlos, jede Nacht erlebe er den Unfall in Albträumen wieder. Am schlimmsten sei dabei das erschreckende Geräusch des Aufpralles. Dipl.-Psych. G. empfahl eine fachpsychotherapeutische Behandlung.
Prof. Dr. S. lehnte in der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme vom 06.12.2007 eine entsprechende Behandlung mit der Begründung ab, Unfallfolgen auf psychiatrischem Gebiet lägen nicht vor.
Gleichwohl wurde unter der Kostenträgerschaft der Beklagten eine mehrwöchige stationäre schmerztherapeutische Behandlung im Schmerztherapie-Zentrum Bad H. in der Zeit vom 11.12.2007 bis 19.02.2008 durchgeführt. Im Abschlussbericht vom 19.02.2008 heißt es, auffällig sei eine sehr ausgeprägte Schmerzempfindlichkeit, begleitet von massiven Funktions- und Bewegungseinschränkungen; ferner zeigten sich ausgeprägte starke vegetative Begleiterscheinungen wie Schwindel, Ohnmachtsanfälle und Schlafstörungen. Im Zusammenhang mit den vom Kläger angegebenen immer wiederkehrenden Albträumen bezüglich des Unfalles sei von einer PTBS auszugehen.
Die Beklagte veranlasste ein Zusammenhangsgutachten bei Dr. I., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Dieser führte unter dem 23.05.2008 aus, psychopathologisch bestehe eine erhebliche Fixierung des Klägers auf die subjektiv empfundenen Beschwerden; außer der Angabe von nächtlichen Schlafstörungen fänden sich keine vegetativen Störungen, keine szenischen Nachhallerinnerungen. Diagnostisch entspreche der Befund einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Es handele sich um eine abnorme seelische, im Rahmen der primären Persönlichkeitsstruktur des Klägers begründeten, Entwicklung. Das angeschuldigte Trauma sei für deren Auslösung wesentlich nachgeordnet. Eine psychoreaktive Störung lasse sich nicht als Unfallfolge diagnostizieren, insbesondere seien die klassischen Kriterien einer PTBS nicht erfüllt. Die stattgehabte Commotio cerebri sei folgenlos ausgeheilt. Die MdE betrage unter 10 v. H.
Prof. Dr. K., Department Orthopädie und Traumatologie des Universitätsklinikums L., erstattete am 04.10.2008 das erste Rentengutachten unter Mitberücksichtigung des radiologischen Gutachtens von Prof. Dr. M. vom 30.09.2008. Als Unfallfolgen wurden eine konsolidierte Humeruskopffraktur links mit Bewegungseinschränkung der linken Schulter, eine ausgeheilte Weichteilverletzung mit Beugesehnenverletzung am rechten Daumen mit Kontraktur der Beugesehnen, eine konsolidierte HWK 7-Querfortsatzfraktur, konsolidierte Rippenfrakturen links sowie Narben an der linken Schulter, am Daumen rechts, am Rücken links sowie im Gesicht diagnostiziert. Er befundete im Bereich der linken Schulter eine Atrophie der Muskulatur, eine Kraftlosigkeit des gesamten Ober- und Unterarmes und eine damit eingehergehende eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit links; die linke Schulter sei bei fehlender Mitarbeit des Klägers aktiv nicht beweglich, passiv bestehe eine Abduktion bis 70 Grad unter intensiver Schmerzangabe. Die MdE bewertete der Gutachter mit 30 v. H.
Die Beklagte, die die Verletztengeldzahlung mit Ablauf des 21.08.2008 einstellte (Bescheid vom 18.08.2008), bewilligte mit Bescheid vom 08.12.2008 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 30 v. H. ab 22.08.2008 und stützte sich hierbei auf die Gutachten des Dr. I. und Prof. Dr. K ...
Der Kläger legte Widerspruch ein und machte neben psychischen Problemen u. a. geltend, er leide unter unfallbedingten Lungenproblemen, habe Schmerzen beim Atmen und könne lediglich eine Wegstrecke von ca. 700 Meter gehen. In dem zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.04.2009 führte die Beklagte insoweit aus, die vorgetragenen Lungenprobleme ließen sich objektiv nicht feststellen, da der röntgenologische Befund (Bericht vom 30.09.2008) eine beidseits seitengleich belüftete Lunge ohne Hinweis auf Erguss oder Pneu ergeben habe.
Die Beklagte lehnte ferner mit Bescheid vom 10.11.2008 (Widerspruchsbescheid vom 15.04.2009) den vom Kläger - unter Hinweis auf die von seiner gesetzlichen Krankenversicherung, der IKK N., anerkannten Pflegebedürftigkeit der Stufe II ab Februar 2007 - gestellten Antrag auf Pflegeleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Diese Entscheidung ist nach Klagerücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) bestandskräftig geworden.
Der Kläger hat gegen die Entscheidung der Beklagten betreffend die Gewährung von Verletztenrente am 13.05.2009 Klage zum SG erhoben und eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 40 v. H. begehrt.
Das SG hat von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten bei Dr. O. und nach Anhörung des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P. und des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Q. als sachverständige Zeugen ein psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. R. eingeholt.
Dr. O. hat unter dem 10.11.2009 ausgeführt, röntgenologisch bestünden als Folge des Unfalles ein in leichter Fehlstellung knöchern verheilter ehemaliger Oberarmkopfbruch links mit Erhalt einer anatomisch korrekten Gelenkstellung ohne Ausbildung einer posttraumatischen Schultergelenksarthrose sowie eine in guter Stellung knöchern verheilte ehemalige Schulterblatt- mehrfragmentfraktur links. Funktionell bestehe eine subjektiv beklagte schmerzhafte hälftige Schulterteilsteife links mit schonungsbedingter Verschmächtigung der Armmuskulatur. Die Verletzung am linken Daumen sei mit unterhälftiger Teilsteife des linken Daumengrund- und -endgelenks ausgeheilt. Die übrigen Verletzungen - ehemalige Rippenserienfraktur links, Querfortsatzbruch des 7. HWK - seien folgenlos ausgeheilt. Die Unfallfolgen seien durch die Symptome der unfallunabhängigen somatoformen Schmerzstörung überlagert. Die MdE sei ab 30.08.2007 mit 30 v. H. einzuschätzen. Damit werde die hälftige, konzentrische Bewegungseinschränkung der linken Schulter ausreichend gewürdigt. Die Bewegungseinschränkung des rechten Daumens bedinge keine zusätzliche MdE angesichts einer uneingeschränkten Greiffunktion und eines nicht verletzten Daumensattelgelenks.
Dr. P. hat in seiner Auskunft vom 13.12.2010 ausgeführt, beim Kläger bestehe ein chronifiziertes psychophysiologisches Schmerzsyndrom bei dysthym-depressiver Entwicklung. Die Symptomatik entspreche nicht einer PTBS, sondern eher einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik nach schwerer Belastung. Der Kläger dürfte bereits vor dem Unfallereignis in seiner Primärpersönlichkeit beeinträchtigt gewesen sein. Dr. Q. hat unter dem 17.12.2010 darauf hingewiesen, dass der Kläger vor dem Unfall gesund gewesen sei.
Prof. Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 17.03.2011 ausgeführt, auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine depressive Episode, die die vermehrte Schmerzwahrnehmung im Sinne eines Schmerzsyndroms mit umfasse. Die depressive Episode gelte als neurobiologisch begründbare Erkrankung, die nicht durch ein Ereignis, vor allem nicht durch ein Unfallereignis verursacht werde. Ferner bestehe ein Angstsyndrom, das die Kriterien einer PTBS nach der internationalen Klassifikation der WHO ICD-10 erfülle. Der Kläger habe ein lebensgefährliches Trauma erlitten, das von ihm plötzlich und mit Angst und Schrecken erlebt worden sei. Er erlebe Teile bzw. Szenen dieses Traumas gegen seinen Willen wieder, in Albträumen und gelegentlich am Tag. Er vermeide die Wiedererlebnisse und die damit verbundenen Reaktionen, z. B. durch Übervorsicht und Vermeidungsverhalten beim Autofahren. Eine diesbezügliche Schreckhaftigkeit und dadurch induzierte Konzentrationsstörungen könnten hinzugezählt werden. Die PTBS sei Unfallfolge und bezüglich der geschilderten gelegentlichen Schlafstörungen, gelegentlichen Angstzuständen, Beeinträchtigungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr sowie der gelegentlichen Unkonzentriertheit mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten.
Prof. Dr. S. hat sich in der von der Beklagten angeforderten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.05.2011 gegen die Beurteilung des Prof. Dr. R. gewendet. Er hat ausgeführt, das Krankheitsbild der PTBS sei nicht mit dem Beweismaß des Vollbeweises gesichert. Insbesondere seien keine entsprechenden Befunde erhoben worden. Ferner sei Simulation und Aggravation nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die MdE mit 10 v. H. sei nicht nachvollziehbar zu begründen.
Das SG hat mit Urteil vom 18.11.2011 die streitbefangenen Bescheide der Beklagte abgeändert und diese verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 22.08.2008 eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v. H. zu bewilligen. Die darüber hinausgehende Klage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Darlegung der einschlägigen Rechtsvorschriften ausgeführt, die MdE auf orthopädisch-unfallfachchirurgischem Fachgebiet betrage 30 v. H. Insoweit hat es sich auf das Gutachten des Dr. O. und des Prof. Dr. K. gestützt. In psychiatrischer Hinsicht ist es dem Sachverständigen Prof. Dr. R. gefolgt und hat eine PTBS als Unfallfolge angenommen. Zwar seien die für die Diagnose einer PTBS erforderlichen entsprechenden Befunde erstmals am 31.10.2007 erhoben worden. Es bestünden jedoch keine Zweifel daran, dass die im Befundbericht des psychologischen Dienstes des Kreiskrankenhauses C. vom 02.11.2007 beschriebenen Beschwerden bereits seit einiger Zeit und möglicherweise bereits von Anfang an vorhanden gewesen seien. Der von Prof. Dr. S. geäußerten Kritik sei nicht zu folgen. Es sei nicht zutreffend, dass die Diagnose einer PTBS nur dann als nachgewiesen erachtet werden könne, wenn die entsprechenden Diagnosekriterien von Anfang an durch entsprechende Befunde, beispielsweise agitiertes, verwirrtes Verhalten mit äußeren Zeichen von Furcht und extremer Erregung unmittelbar nach dem Unfall belegt seien. Derartige Feststellungen setzten einen - in der Realität häufig nicht gegebenen - Fokus auf die psychische Gesundheit des Unfallverletzten bereits von Anfang an voraus. Häufig sei aber, wie im Falle des Klägers, die erste Phase der medizinischen Behandlung nach einem Unfall insbesondere bei wenig differenzierten Persönlichkeiten von orthopädisch-unfallchirurgischen Bemühungen geprägt, während die psychische Gesundheit erst nach und nach bei therapeutischem Misserfolg in das Blickfeld gerate. Auch unter diesen Voraussetzungen lasse sich die Diagnose einer PTBS stellen, wenn die hierzu erforderlichen Diagnosekriterien zu einem späteren Zeitpunkt durch entsprechende psychopathologische Befunde belegt seien und dies anamnestisch bis zu einem Zeitpunkt von maximal sechs Monaten nach dem Unfall zurückverfolgt werden könne. Die MdE für die PTBS sei mit 10 v. H. entsprechend der unfallmedizinischen Fachliteratur einzuschätzen. Die mit einer MdE von 30 v. H. auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet bewerteten Unfallfolgen seien angesichts der PTBS um 10 v. H. auf 40 v. H. zu erhöhen, da zwischen beiden Erkrankungen keine Überschneidungen bestünden.
Gegen das der Beklagten am 14.03.2012 zugestellte Urteil hat diese am 11.04.2012 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, die PTBS sei nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Unfallereignis erwiesen. Dabei verweist sie auf die unfallnahen Arztberichte in der Zeit von März 2007 bis November 2007, die einen psychischen Erstschaden nicht beschreiben würden, obwohl die psychische Befindlichkeit im Blick der Ärzte gewesen sei. In Frage gestellt wird von der Beklagten ferner, ob die PTBS - so sie denn vorliegen würde - von anhaltender Dauer gewesen sei. Auch die Einschätzung der MdE mit 10 v. H. sei angesichts der beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen nicht überzeugend. Es wird ein weiteres Sachverständigengutachten zur Frage der Verursachung der PTBS beim Kläger und ihrer Folgen für dessen Erwerbsfähigkeit angeregt.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er erachtet das Urteil des SG für zutreffend. Zu berücksichtigen sei zudem, dass zwischenzeitlich im Bereich des rechten nicht verletzten Armes erhebliche Beschwerden bestünden, die auf eine Überlastungsreaktion zurückzuführen seien. Hierzu verweist er auf den Bericht des Orthopäden Dr. Seiberlich vom 22.10.2012 und den Reha-Bericht Hausbaden vom 10.07.2013.
Der Senat hat von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. Dr. T. vom 04.08.2014 eingeholt. Der Sachverständige kommt darin zu dem Ergebnis, dass beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet eine spezifische Phobie (ICD-10 F40.2) vor dem Autofahren zu sichern sei. Möglicherweise bestünden auch noch diskrete Teilsymptome einer PTBS mit Wiedererleben des Unfallgeräusches ohne Nachweis weiterer spezifischer Symptome. Die darüber hinaus bestehende chronifizierte depressive und/oder dissoziative Episode sei nicht Unfallfolge, da die damit zusammenhängende Symptomatik ausgesprochen inkonsistent sei und vom Kläger massiv aggraviert werde, sodass wesentlich mehr für als gegen die Annahme spreche, dass hierbei persönlichkeitsimmanenten Faktoren die allein wesentliche Bedeutung zukomme. Die MdE bei eng begrenzten und spezifischen Phobien, die für die generelle Arbeitswelt wenig bestimmend seien, werde im unfallmedizinischen Schrifttum mit bis zu 10 v. H. bewertet, sodass es gerechtfertigt sei, die MdE mit 10 v. H. vorzuschlagen. Mit Prof. Dr. R. bestehe insofern Übereinstimmung, als eine psychoreaktive Störung als Folge des Unfallereignis bejaht werde. Man könne sich darüber streiten, ob die Angstsymptomatik als Teilsymptom einer PTBS oder als isolierte psychoreaktive Störung zu bewerten sei. Im Endefekt handele es sich dabei um eine eher "akademische Frage", da hinsichtlich der MdE-Bewertung der konkret bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen Übereinstimmung bestehe.
Die Beklagte ist dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. T. entgegengetreten. Sie sei vom Vorliegen einer psychoreaktiven Störung auf Grund des Unfallerlebnisses in Form einer spezifischen Phobie vor dem Autofahren mit einer MdE von 10 v. H. nicht überzeugt. Zum einen deshalb nicht, weil nach den Angaben des Sachverständigen eine durch Aggravation dominierte Symptomatik gegeben sei. Hier stelle sich die Frage, warum die aggravierte Hilflosigkeit im täglichen Leben nicht auch das Autofahren mit umfassen könne. Zum anderen habe der Kläger in der Vergangenheit wegen unfallbedingter Einschränkungen ein Taxi zur Wahrnehmung eines Behandlungstermins benutzt und die Übernahme der hierfür angefallenen Kosten beantragt. Dies dürfte die von Prof. Dr. T. als nachgewiesen erachtete Phobie in Frage stellen. Im Übrigen habe der Kläger nach seinen Angaben gegenüber Prof. Dr. Dr. T. und Prof. Dr. R. den Zusammenprall zwar akustisch vernommen, nicht jedoch visuell im Sinne einer Realisierung von existenzieller Bedrohung. Ob hierdurch das für die Ausbildung einer spezifischen Phobie erforderliche Angstgefühl vorhanden gewesen sei, habe Prof. Dr. Dr. T. nicht dargelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 08.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2009 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Deshalb hat das SG die Bescheide zu Recht abgeändert und dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v. H. zugesprochen.
Die rechtlichen Voraussetzungen der Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und eines Anspruchs auf Verletztenrente (§ 56 Abs. 1 SGB VII) hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Darauf wird, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente ist zum einen, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Beeinträchtigung des körperlichen und/oder geistigen Leistungsvermögens des Versicherten besteht und zum anderen, dass die Beeinträchtigung infolge des Versicherungsfalles - hier des Arbeitsunfalles - eingetreten ist (Kausalität). Ob ein solcher Ursachenzusammenhang besteht, ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen. Diese sowie die vom Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze sind vom SG ausführlich und zutreffend dargelegt worden. Gleiches gilt für den jeweils heranzuziehenden Beweismaßstab. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Das SG hat unter Berücksichtigung des Gutachtens des Prof. Dr. K. und des Dr. O. dargelegt, dass auf orthopädische-chirurgischem Fachgebiet eine MdE um 30 v. H. gegeben ist. Dieser Bewertung schließt sich der Senat vollumfänglich an. Bis auf die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter und des rechten Daumens sind sämtliche Verletzungen im Wesentlichen folgenlos ausgeheilt. Die beim Kläger unfallbedingt bestehende ca. hälftige konzentrische Bewegungseinschränkung der linken Schulter ist in Übereinstimmung mit dem unfallmedizinischen Schrifttum mit einer MdE um 30 v. H. einzuschätzen. (Mehrhoff/Ekkernkamp, Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl., S. 169). Die Bewegungseinschränkung des rechten Daumens bedingt angesichts der uneingeschränkten Funktion und eines nicht verletzten Daumensattelgelenkes keine zusätzliche MdE.
Weitere durch den Unfall vom 21.02.2007 verursachten Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet liegen nicht vor. Bei den vom Kläger im Berufungsverfahren angegebenen Beschwerden im Bereich der rechten Schulter handelt es sich um eine unfallunabhängige Erkrankung. Die am 22.10.2012 radiologisch gesicherte mittelgroße Ruptur der Supraspinatussehne rechts bei ausgeprägter Tendinose (Bericht des Dr. Seiberlich vom 22.10.2012) führte ab September 2012 zu massiven Beschwerden und im Dezember 2012 letztlich zu einer arthroskopischen Rekonstruktion (Reha-Bericht Hausbaden vom 10.07.2013). Entgegen der Ansicht des Klägers ist dieser Gesundheitsschaden kein Folgeschaden im Sinne einer nach dem Arbeitsunfall eingetretenen Überlastung des rechten Armes. Ein Unfallzusammenhang ist nach dem insoweit maßgeblichen Beweismaßstab nicht hinreichend wahrscheinlich. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass bereits bei der Untersuchung durch Prof. Dr. K. am 24.09.2008 die rechte Schulter schmerzbedingt stark eingeschränkt war (S. 8 u. 15 des Gutachtens), woraus ein degenerativer Prozess abzuleiten ist. Auch kann eine Überbeanspruchung des rechten Armes weder bis zum vorgenannten Untersuchungszeitpunkt bei Prof. Dr. Dr. T. noch danach nachvollzogen werden. Der Kläger war bis zum 22.08.2008 arbeitsunfähig krank und konnte ausweislich des Pflegegutachtens des MDK vom 07.04.2008, welches auf einer Untersuchung des Klägers am 14.03.2008 beruhte, vielfältige Dinge des täglichen Lebens auch mit dem rechten Arm nicht durchführen. So war er beispielsweise nicht in der Lage, sich an- und auszukleiden, das Essen mundgerecht zuzubereiten, sich zu rasieren, Zähne zu putzen und zu kämmen, weshalb für diese Tätigkeiten die volle Übernahme durch eine Pflegeperson für erforderlich erachtet wurde. Dies zeigt, dass der Kläger seinen rechten Arm nicht einmal für leichte Tätigkeiten in Anspruch nahm, eine Überlastung deshalb auch ansatzweise nicht zu erkennen ist.
Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht beim Kläger eine psychoreaktive Störung auf Grund des Unfallereignisses in Form einer spezifischen Phobie. Dass auch psychische Reaktionen rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden können, hat das BSG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 09.05.2006 (B 2 U 26/04 R, juris, Rn. 25) ausführlich dargelegt. Es hat dabei ausgeführt, dass psychische Gesundheitsstörungen nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten können: Sie können unmittelbare Folge eines Schädel-Hirn-Traumas mit hirnorganischer Wesensänderung ein, sie können aber auch ohne physische Verletzungen, z. B. nach einem Banküberfall entstehen, sie können die Folge eines erlittenen Körperschadens, z. B. einer Amputation sein, sie können sich in Folge der Behandlung des gesundheitlichen Erstschadens erst herausbilden (BSG, a. a. O.). Insoweit hat Prof. Dr. Dr. T. in seinem Gutachten zu Recht eine getrennte Prüfung durchgeführt, nämlich dahingehend, ob eine psychoreaktive Störung auf Grund des Unfallereignisses (Erlebnisses) und/oder auf Grund der körperlichen Unfallfolgen besteht.
Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente ist nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite fordert das Bundessozialgericht (BSG), dass die Feststellung aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen muss. Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind seine Ursachen zu beurteilen sowie die daraus resultierende MdE zu bewerten (BSG a. a. O., Rn. 26). Die im nächsten Schritt erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten Gesundheitsstörungen bestimmt sich auch für die psychischen Störungen nach den oben erwähnten allgemeinen Grundsätzen, d.h. nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, a.a.O. Rn. 28). Erforderlich ist insoweit eine einzelfallbezogene positive Feststellung sowohl der Verursachung nach der Bedingungstheorie (conditio sine qua non) als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankengeschehen, die mehrere Ursachen haben können, gerade nicht. Beweismaßstab für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a. a. O.).
Nach diesen Kriterien besteht bei dem Kläger eine spezifische Angststörung vor dem Autofahren, die durch den am 21.02.2007 erlittenen Unfall verursacht wurde.
Die spezifische (isolierte) Phobie ist in ICD-10 F40.2 wie folgt definiert: "Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe von bestimmten Tieren, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen ...beschränkt sind. Obwohl die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen."
Der Senat ist davon überzeugt, dass beim Kläger Ängste vor dem Autofahren bestehen. Dies zieht sich - worauf Prof. Dr. Dr. T. zu Recht hingewiesen hat - wie eine roter Faden durch alle vorliegenden Unterlagen. Dabei dürfte unstreitig sein, dass der Kläger - wie sich aus sämtlichen Befundberichten und Gutachten ergibt - seit dem Unfall nicht mehr in der Lage ist, selbst einen PKW zu führen und dies auch nicht mehr getan hat. Der Kläger kann auch nicht mehr als Beifahrer vorne im Auto sitzen; als Mitfahrer im Fond kommt es zu Wiedererlebnissen des Aufpralls und zu Angstzuständen (Gutachten Prof. Dr. R. S. 3 und Gutachten Prof. Dr. Dr. T. S. 20). Der Senat geht dabei nicht davon aus, dass die Angstsymptomatik vom Kläger simuliert oder aggraviert wurde. Die Sachverständigen Prof. Dr. R. und Prof. Dr. Dr. T. haben die Angstsymptomatik trotz der von ihnen beschriebenen massiven Aggravationstendenzen des Klägers zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Auch die Tatsache, dass der Kläger zu einer Behandlung mit dem Taxi gefahren ist, spricht nicht - wie die Beklagte meint - gegen das Vorhandensein einer Angststörung. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kam offensichtlich wegen unfallbedingter Einschränkungen nicht in Frage, sodass die Bestellung eines Taxi schon deshalb nachvollziehbar ist. Im Übrigen sagt die Benutzung eines Autos nichts darüber aus, welche psychischen Belastungen und Reaktionen beim Kläger hierbei ausgelöst wurden. Die Angstsymptomatik ist als isolierte psychoreaktive Störung im Sinne einer spezifischen Phobie vor dem Autofahren zu werten und nicht als (Teil)Symptom einer PTBS, wie es Prof. Dr. R. vertreten hat. Hierbei folgt der Senat der Beurteilung von Prof. Dr. Dr. T., der das Vorliegen ein PTBS nachvollziehbar mit der Begründung verneint hat, dass die hierfür notwendigen weiteren Symptome wie vegetative Erscheinungen beim Kläger nicht feststellbar sind, worauf bereits Dr. I. hingewiesen hat. Ob die Angstsymptomatik als isolierte Phobie oder als (Teil)Symptom einer PTBS anzusehen ist, führt nicht zu einer streitentscheidenden anderen Beurteilung, da sich - worauf Prof. Dr. Dr. T. nachdrücklich hingewiesen hat - kein Unterschied in der Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen ergibt.
Die Angststörung ist wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Dass eine solche Angstreaktion vor dem Autofahren in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne als durch den Unfall verursacht anzusehen ist, überzeugt. Denn der Unfall lässt sich nicht hinwegdenken, ohne dass die Angststörung entfällt (conditio sine qua non). Soweit die Beklagte geltend macht, dass derartige Symptome im Herbst 2007, also mehr als sechs Monate nach dem Unfall erstmals dokumentiert sind, lässt dies einen ursächlichen Zusammenhang nicht entfallen. Diese zeitliche Latenz belegt nicht, dass die Angststörung zuvor nicht bestanden hat. Prof. Dr. Dr. T. hat hierzu in überzeugender Weise darauf hingewiesen, dass die Exploration solcher Symptome voraussetzt, dass man sich die Zeit nimmt, gezielt nach diesen Dingen zu fragen und diese gegebenenfalls auch zu umschreiben, insbesondere bei Sprachbarrieren, wie sie hier mit nur sehr mäßigen Deutschkenntnissen vorliegen. Zudem standen in den ersten Monaten die körperlichen Probleme bei weitem im Vordergrund, sodass der Sachverständige Prof. Dr. Dr. T. keinen Zweifel daran ließ, dass eine gezielte Exploration zunächst nicht stattgefunden hatte, sondern erstmals im Oktober 2007.
Auch im wertenden Sinne der Wesentlichkeit kann der Ursachenzusammenhang nicht in Frage gestellt werden. Dabei ist die Schwere des Unfallereignisses im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung. Der Kläger kollidierte auf einer Bundesstraße mit einem ihm entgegenkommenden PKW frontal und erlitt hierbei schwere Verletzungen. Angesichts dieses Hergangs und seiner Folgen ist der wesentliche Beitrag zur Entstehung der Angstsymptomatik dem Unfallereignis vom 21.02.2007 beizumessen.
Eine psychoreaktive Störung auf Grund der körperlichen Unfallfolgen besteht demgegenüber nicht. Hierbei folgt der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. T ... Zwar wurde beim Kläger bereits wenige Wochen nach dem Unfall eine depressive Symptomatik mit regressivem Verhalten beschrieben. Bei einer Nachuntersuchung bereits einen Monat später wurde der Kläger jedoch als psychisch stabilisiert ohne regressives Verhalten beschrieben. Über die folgenden Monate hinweg finden sich in den Akten keinerlei Angaben über eine depressive Störung und/oder ein regressives Verhalten. Erstmals im Februar 2008 während des stationären Aufenthaltes in der Schmerzklinik Bad H. ist eine derartige Symptomatik beschrieben. Damit ist eine sekundäre Verschlechterung dokumentiert, die den unfallbedingten Funktionsstörungen nicht zugerechnet werden kann.
Die Angststörung ist mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten. Dabei folgt der Senat der Bewertung von Prof. Dr. Dr. T ... Auch Prof. Dr. R. hat - wenngleich unter anderer Diagnose - die Funktionsbeeinträchtigung mit einer MdE um 10 v.H. eingeschätzt. Diese Beurteilung steht im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur, die bei eng begrenzten und spezifischen Phobien, die für die generelle Arbeitswelt wenig bestimmend sind, einen MdE-Rahmen von bis zu 10 v. H. eröffnet sieht (Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, a.a.O., S. 308; Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 157). Diesen Rahmen auszuschöpfen begegnet bei einer Phobie vor dem Autofahren keinen Bedenken.
Bei der Beurteilung der Gesamt-MdE handelt es sich weder um eine Ermessensentscheidung noch um eine Berechnung, sondern um eine nur zu Annäherungswerten kommende Schätzung im Sinne einer Tatsachenfeststellung, die tatrichterliche Aufgabe ist. Die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers ist daher vollständig gerichtlich überprüfbar. Wegen des Schätzungscharakters ist dem Gericht allerdings eine abweichende Entscheidung um lediglich 5 % nach oben oder unten untersagt (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.1976 - 8 RU 14/76 - juris). Ausgangspunkt der Bildung der Gesamt-MdE sind die Funktionsstörungen mit der höchsten Einzel-MdE. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob - und ggf. in welchem Ausmaß - weitere Funktionsstörungen das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung vergrößern (Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O., S. 103). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das SG ausgehend von einer MdE um 30 v.H. für die Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet und einer MdE um 10 v.H. für die unfallbedingte psychische Störung die Gesamt-MdE zutreffend mit 40 v.H. bewertet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Funktionseinschränkungen nicht überlappen. Die MdE auf psychiatrischem Fachgebiet ergibt sich ausschließlich aus der bestehenden Angstsymptomatik und dem entsprechenden Vermeidungsverhalten. Das gesteigerte Schmerzempfinden ist der unfallunabhängigen depressiven Episode zuzuordnen und findet bei der Bewertung der Angstsymptomatik keinen Eingang.
Dem Kläger ist somit eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 ab Ende der Verletztengeldzahlung am 22.08.2008 zu bewilligen, weshalb die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger höhere Verletztenrente, insbesondere wegen psychischer Beschwerden, zu gewähren ist.
Der 1957 geborene, als Bauhelfer bei der Firma A., B., tätig gewesene Kläger, erlitt am 21.02.2007 auf der Fahrt von der Arbeitsstelle nach Hause auf der Bundesstraße 317 mit seinem PKW einen Unfall, als er mit einem ihm entgegenkommenden Auto kollidierte. Dabei zog er sich ein Polytrauma mit Schädelhirntrauma ersten Grades (Gehirnerschütterung), eine Humeruskopf- und Scapulamehrfragmentfraktur links (Oberarmkopf- und Schulterblattbruch), eine Daumenendgliedluxation rechts mit Ruptur der Beugesehne, eine Lungenkontusion bei stumpfem Thoraxtrauma, eine Rippenserienfraktur links 1. und 6. bis 9. Rippe, eine Halswirbelkörper (HWK) 7-Quersatzfraktur links und multiple Schnitt- und Schürfwunden zu. Die primäre Versorgung erfolgte im Kreiskrankenhaus C., zunächst auf der Intensivstation vom 21.02.2007 bis 26.02.2007 und danach bis 09.03.2007 auf der Normalstation. Die Schulter- und Daumenverletzung wurde operativ behandelt, die Behandlung der übrigen Verletzungen erfolgte konservativ (Zwischenbericht des Kreiskrankenhauses C., undatiert). Vom 09.03.2007 bis 28.04.2007 befand sich der Kläger in stationärer Anschlussheilbehandlung in der Schwarzwaldklinik Bad D ... Im Rahmen dieses Aufenthaltes wurde der Kläger zweimal neurologisch untersucht (Berichte vom 30.03.2007 und 04.05.2007). Ein dabei gestellter Verdacht auf (V. a.) eine Läsion des Nervus suprascapularis und Nervus axillaris links wurde später nicht bestätigt (vgl. Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E. vom 06.08.2007). Hinsichtlich des psychischen Befundes hieß es zunächst, es bestehe eine deutliche Aggravationstendenz und Regression (Bericht vom 30.03.2007); demgegenüber wurden zuletzt im Bericht vom 04.05.2007 ein Hinweis auf bewusstseinsnahe Aggravation sowie ein regressives Verhalten verneint.
Auf Grund der stark eingeschränkten Schulterbeweglichkeit unterzog sich der Kläger einem weiteren stationären Heilverfahren in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik F. in der Zeit vom 19.06.2007 bis 10.07.2007. Der Kläger wurde arbeitsunfähig entlassen. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Ausmaß werde verbleiben (Bericht vom 02.08.2007).
Im Rahmen eines stationären Aufenthaltes im Kreiskrankenhaus C. zur Metallentfernung in der linken Schulter am 25.10.2007 zeigte sich der Kläger trotz zusätzlicher Analgesie weiterhin schmerzgeplagt und in der Bewegung stark eingeschränkt (Bericht vom 02.11.2007). Ein psychologisches Konsil bei Dipl.-Psych. G. ergab, dass eine beginnende unfallreaktive Somatisierungsstörung sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bestehe, differentialdiagnostisch auch an eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu denken sei (Bericht vom 02.11.2007). Zu den Beschwerden wurde u. a. ausgeführt, der Kläger leide unter Bewegungseinschränkungen und Schmerzen vielfältiger Lokalisation, er fühle sich schlapp und kraftlos, jede Nacht erlebe er den Unfall in Albträumen wieder. Am schlimmsten sei dabei das erschreckende Geräusch des Aufpralles. Dipl.-Psych. G. empfahl eine fachpsychotherapeutische Behandlung.
Prof. Dr. S. lehnte in der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme vom 06.12.2007 eine entsprechende Behandlung mit der Begründung ab, Unfallfolgen auf psychiatrischem Gebiet lägen nicht vor.
Gleichwohl wurde unter der Kostenträgerschaft der Beklagten eine mehrwöchige stationäre schmerztherapeutische Behandlung im Schmerztherapie-Zentrum Bad H. in der Zeit vom 11.12.2007 bis 19.02.2008 durchgeführt. Im Abschlussbericht vom 19.02.2008 heißt es, auffällig sei eine sehr ausgeprägte Schmerzempfindlichkeit, begleitet von massiven Funktions- und Bewegungseinschränkungen; ferner zeigten sich ausgeprägte starke vegetative Begleiterscheinungen wie Schwindel, Ohnmachtsanfälle und Schlafstörungen. Im Zusammenhang mit den vom Kläger angegebenen immer wiederkehrenden Albträumen bezüglich des Unfalles sei von einer PTBS auszugehen.
Die Beklagte veranlasste ein Zusammenhangsgutachten bei Dr. I., Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie. Dieser führte unter dem 23.05.2008 aus, psychopathologisch bestehe eine erhebliche Fixierung des Klägers auf die subjektiv empfundenen Beschwerden; außer der Angabe von nächtlichen Schlafstörungen fänden sich keine vegetativen Störungen, keine szenischen Nachhallerinnerungen. Diagnostisch entspreche der Befund einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung. Es handele sich um eine abnorme seelische, im Rahmen der primären Persönlichkeitsstruktur des Klägers begründeten, Entwicklung. Das angeschuldigte Trauma sei für deren Auslösung wesentlich nachgeordnet. Eine psychoreaktive Störung lasse sich nicht als Unfallfolge diagnostizieren, insbesondere seien die klassischen Kriterien einer PTBS nicht erfüllt. Die stattgehabte Commotio cerebri sei folgenlos ausgeheilt. Die MdE betrage unter 10 v. H.
Prof. Dr. K., Department Orthopädie und Traumatologie des Universitätsklinikums L., erstattete am 04.10.2008 das erste Rentengutachten unter Mitberücksichtigung des radiologischen Gutachtens von Prof. Dr. M. vom 30.09.2008. Als Unfallfolgen wurden eine konsolidierte Humeruskopffraktur links mit Bewegungseinschränkung der linken Schulter, eine ausgeheilte Weichteilverletzung mit Beugesehnenverletzung am rechten Daumen mit Kontraktur der Beugesehnen, eine konsolidierte HWK 7-Querfortsatzfraktur, konsolidierte Rippenfrakturen links sowie Narben an der linken Schulter, am Daumen rechts, am Rücken links sowie im Gesicht diagnostiziert. Er befundete im Bereich der linken Schulter eine Atrophie der Muskulatur, eine Kraftlosigkeit des gesamten Ober- und Unterarmes und eine damit eingehergehende eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit links; die linke Schulter sei bei fehlender Mitarbeit des Klägers aktiv nicht beweglich, passiv bestehe eine Abduktion bis 70 Grad unter intensiver Schmerzangabe. Die MdE bewertete der Gutachter mit 30 v. H.
Die Beklagte, die die Verletztengeldzahlung mit Ablauf des 21.08.2008 einstellte (Bescheid vom 18.08.2008), bewilligte mit Bescheid vom 08.12.2008 Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 30 v. H. ab 22.08.2008 und stützte sich hierbei auf die Gutachten des Dr. I. und Prof. Dr. K ...
Der Kläger legte Widerspruch ein und machte neben psychischen Problemen u. a. geltend, er leide unter unfallbedingten Lungenproblemen, habe Schmerzen beim Atmen und könne lediglich eine Wegstrecke von ca. 700 Meter gehen. In dem zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.04.2009 führte die Beklagte insoweit aus, die vorgetragenen Lungenprobleme ließen sich objektiv nicht feststellen, da der röntgenologische Befund (Bericht vom 30.09.2008) eine beidseits seitengleich belüftete Lunge ohne Hinweis auf Erguss oder Pneu ergeben habe.
Die Beklagte lehnte ferner mit Bescheid vom 10.11.2008 (Widerspruchsbescheid vom 15.04.2009) den vom Kläger - unter Hinweis auf die von seiner gesetzlichen Krankenversicherung, der IKK N., anerkannten Pflegebedürftigkeit der Stufe II ab Februar 2007 - gestellten Antrag auf Pflegeleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Diese Entscheidung ist nach Klagerücknahme im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) bestandskräftig geworden.
Der Kläger hat gegen die Entscheidung der Beklagten betreffend die Gewährung von Verletztenrente am 13.05.2009 Klage zum SG erhoben und eine Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 40 v. H. begehrt.
Das SG hat von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten bei Dr. O. und nach Anhörung des behandelnden Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P. und des behandelnden Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Q. als sachverständige Zeugen ein psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. R. eingeholt.
Dr. O. hat unter dem 10.11.2009 ausgeführt, röntgenologisch bestünden als Folge des Unfalles ein in leichter Fehlstellung knöchern verheilter ehemaliger Oberarmkopfbruch links mit Erhalt einer anatomisch korrekten Gelenkstellung ohne Ausbildung einer posttraumatischen Schultergelenksarthrose sowie eine in guter Stellung knöchern verheilte ehemalige Schulterblatt- mehrfragmentfraktur links. Funktionell bestehe eine subjektiv beklagte schmerzhafte hälftige Schulterteilsteife links mit schonungsbedingter Verschmächtigung der Armmuskulatur. Die Verletzung am linken Daumen sei mit unterhälftiger Teilsteife des linken Daumengrund- und -endgelenks ausgeheilt. Die übrigen Verletzungen - ehemalige Rippenserienfraktur links, Querfortsatzbruch des 7. HWK - seien folgenlos ausgeheilt. Die Unfallfolgen seien durch die Symptome der unfallunabhängigen somatoformen Schmerzstörung überlagert. Die MdE sei ab 30.08.2007 mit 30 v. H. einzuschätzen. Damit werde die hälftige, konzentrische Bewegungseinschränkung der linken Schulter ausreichend gewürdigt. Die Bewegungseinschränkung des rechten Daumens bedinge keine zusätzliche MdE angesichts einer uneingeschränkten Greiffunktion und eines nicht verletzten Daumensattelgelenks.
Dr. P. hat in seiner Auskunft vom 13.12.2010 ausgeführt, beim Kläger bestehe ein chronifiziertes psychophysiologisches Schmerzsyndrom bei dysthym-depressiver Entwicklung. Die Symptomatik entspreche nicht einer PTBS, sondern eher einer Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik nach schwerer Belastung. Der Kläger dürfte bereits vor dem Unfallereignis in seiner Primärpersönlichkeit beeinträchtigt gewesen sein. Dr. Q. hat unter dem 17.12.2010 darauf hingewiesen, dass der Kläger vor dem Unfall gesund gewesen sei.
Prof. Dr. R. hat in seinem Gutachten vom 17.03.2011 ausgeführt, auf psychiatrischem Fachgebiet bestehe eine depressive Episode, die die vermehrte Schmerzwahrnehmung im Sinne eines Schmerzsyndroms mit umfasse. Die depressive Episode gelte als neurobiologisch begründbare Erkrankung, die nicht durch ein Ereignis, vor allem nicht durch ein Unfallereignis verursacht werde. Ferner bestehe ein Angstsyndrom, das die Kriterien einer PTBS nach der internationalen Klassifikation der WHO ICD-10 erfülle. Der Kläger habe ein lebensgefährliches Trauma erlitten, das von ihm plötzlich und mit Angst und Schrecken erlebt worden sei. Er erlebe Teile bzw. Szenen dieses Traumas gegen seinen Willen wieder, in Albträumen und gelegentlich am Tag. Er vermeide die Wiedererlebnisse und die damit verbundenen Reaktionen, z. B. durch Übervorsicht und Vermeidungsverhalten beim Autofahren. Eine diesbezügliche Schreckhaftigkeit und dadurch induzierte Konzentrationsstörungen könnten hinzugezählt werden. Die PTBS sei Unfallfolge und bezüglich der geschilderten gelegentlichen Schlafstörungen, gelegentlichen Angstzuständen, Beeinträchtigungen bei der Teilnahme am Straßenverkehr sowie der gelegentlichen Unkonzentriertheit mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten.
Prof. Dr. S. hat sich in der von der Beklagten angeforderten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 12.05.2011 gegen die Beurteilung des Prof. Dr. R. gewendet. Er hat ausgeführt, das Krankheitsbild der PTBS sei nicht mit dem Beweismaß des Vollbeweises gesichert. Insbesondere seien keine entsprechenden Befunde erhoben worden. Ferner sei Simulation und Aggravation nicht ausdrücklich ausgeschlossen worden. Die MdE mit 10 v. H. sei nicht nachvollziehbar zu begründen.
Das SG hat mit Urteil vom 18.11.2011 die streitbefangenen Bescheide der Beklagte abgeändert und diese verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab 22.08.2008 eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v. H. zu bewilligen. Die darüber hinausgehende Klage hat es abgewiesen. Zur Begründung hat es unter Darlegung der einschlägigen Rechtsvorschriften ausgeführt, die MdE auf orthopädisch-unfallfachchirurgischem Fachgebiet betrage 30 v. H. Insoweit hat es sich auf das Gutachten des Dr. O. und des Prof. Dr. K. gestützt. In psychiatrischer Hinsicht ist es dem Sachverständigen Prof. Dr. R. gefolgt und hat eine PTBS als Unfallfolge angenommen. Zwar seien die für die Diagnose einer PTBS erforderlichen entsprechenden Befunde erstmals am 31.10.2007 erhoben worden. Es bestünden jedoch keine Zweifel daran, dass die im Befundbericht des psychologischen Dienstes des Kreiskrankenhauses C. vom 02.11.2007 beschriebenen Beschwerden bereits seit einiger Zeit und möglicherweise bereits von Anfang an vorhanden gewesen seien. Der von Prof. Dr. S. geäußerten Kritik sei nicht zu folgen. Es sei nicht zutreffend, dass die Diagnose einer PTBS nur dann als nachgewiesen erachtet werden könne, wenn die entsprechenden Diagnosekriterien von Anfang an durch entsprechende Befunde, beispielsweise agitiertes, verwirrtes Verhalten mit äußeren Zeichen von Furcht und extremer Erregung unmittelbar nach dem Unfall belegt seien. Derartige Feststellungen setzten einen - in der Realität häufig nicht gegebenen - Fokus auf die psychische Gesundheit des Unfallverletzten bereits von Anfang an voraus. Häufig sei aber, wie im Falle des Klägers, die erste Phase der medizinischen Behandlung nach einem Unfall insbesondere bei wenig differenzierten Persönlichkeiten von orthopädisch-unfallchirurgischen Bemühungen geprägt, während die psychische Gesundheit erst nach und nach bei therapeutischem Misserfolg in das Blickfeld gerate. Auch unter diesen Voraussetzungen lasse sich die Diagnose einer PTBS stellen, wenn die hierzu erforderlichen Diagnosekriterien zu einem späteren Zeitpunkt durch entsprechende psychopathologische Befunde belegt seien und dies anamnestisch bis zu einem Zeitpunkt von maximal sechs Monaten nach dem Unfall zurückverfolgt werden könne. Die MdE für die PTBS sei mit 10 v. H. entsprechend der unfallmedizinischen Fachliteratur einzuschätzen. Die mit einer MdE von 30 v. H. auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet bewerteten Unfallfolgen seien angesichts der PTBS um 10 v. H. auf 40 v. H. zu erhöhen, da zwischen beiden Erkrankungen keine Überschneidungen bestünden.
Gegen das der Beklagten am 14.03.2012 zugestellte Urteil hat diese am 11.04.2012 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, die PTBS sei nicht innerhalb von sechs Monaten nach dem Unfallereignis erwiesen. Dabei verweist sie auf die unfallnahen Arztberichte in der Zeit von März 2007 bis November 2007, die einen psychischen Erstschaden nicht beschreiben würden, obwohl die psychische Befindlichkeit im Blick der Ärzte gewesen sei. In Frage gestellt wird von der Beklagten ferner, ob die PTBS - so sie denn vorliegen würde - von anhaltender Dauer gewesen sei. Auch die Einschätzung der MdE mit 10 v. H. sei angesichts der beschriebenen Funktionsbeeinträchtigungen nicht überzeugend. Es wird ein weiteres Sachverständigengutachten zur Frage der Verursachung der PTBS beim Kläger und ihrer Folgen für dessen Erwerbsfähigkeit angeregt.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. November 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Er erachtet das Urteil des SG für zutreffend. Zu berücksichtigen sei zudem, dass zwischenzeitlich im Bereich des rechten nicht verletzten Armes erhebliche Beschwerden bestünden, die auf eine Überlastungsreaktion zurückzuführen seien. Hierzu verweist er auf den Bericht des Orthopäden Dr. Seiberlich vom 22.10.2012 und den Reha-Bericht Hausbaden vom 10.07.2013.
Der Senat hat von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Gutachten von Prof. Dr. Dr. T. vom 04.08.2014 eingeholt. Der Sachverständige kommt darin zu dem Ergebnis, dass beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet eine spezifische Phobie (ICD-10 F40.2) vor dem Autofahren zu sichern sei. Möglicherweise bestünden auch noch diskrete Teilsymptome einer PTBS mit Wiedererleben des Unfallgeräusches ohne Nachweis weiterer spezifischer Symptome. Die darüber hinaus bestehende chronifizierte depressive und/oder dissoziative Episode sei nicht Unfallfolge, da die damit zusammenhängende Symptomatik ausgesprochen inkonsistent sei und vom Kläger massiv aggraviert werde, sodass wesentlich mehr für als gegen die Annahme spreche, dass hierbei persönlichkeitsimmanenten Faktoren die allein wesentliche Bedeutung zukomme. Die MdE bei eng begrenzten und spezifischen Phobien, die für die generelle Arbeitswelt wenig bestimmend seien, werde im unfallmedizinischen Schrifttum mit bis zu 10 v. H. bewertet, sodass es gerechtfertigt sei, die MdE mit 10 v. H. vorzuschlagen. Mit Prof. Dr. R. bestehe insofern Übereinstimmung, als eine psychoreaktive Störung als Folge des Unfallereignis bejaht werde. Man könne sich darüber streiten, ob die Angstsymptomatik als Teilsymptom einer PTBS oder als isolierte psychoreaktive Störung zu bewerten sei. Im Endefekt handele es sich dabei um eine eher "akademische Frage", da hinsichtlich der MdE-Bewertung der konkret bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen Übereinstimmung bestehe.
Die Beklagte ist dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. T. entgegengetreten. Sie sei vom Vorliegen einer psychoreaktiven Störung auf Grund des Unfallerlebnisses in Form einer spezifischen Phobie vor dem Autofahren mit einer MdE von 10 v. H. nicht überzeugt. Zum einen deshalb nicht, weil nach den Angaben des Sachverständigen eine durch Aggravation dominierte Symptomatik gegeben sei. Hier stelle sich die Frage, warum die aggravierte Hilflosigkeit im täglichen Leben nicht auch das Autofahren mit umfassen könne. Zum anderen habe der Kläger in der Vergangenheit wegen unfallbedingter Einschränkungen ein Taxi zur Wahrnehmung eines Behandlungstermins benutzt und die Übernahme der hierfür angefallenen Kosten beantragt. Dies dürfte die von Prof. Dr. T. als nachgewiesen erachtete Phobie in Frage stellen. Im Übrigen habe der Kläger nach seinen Angaben gegenüber Prof. Dr. Dr. T. und Prof. Dr. R. den Zusammenprall zwar akustisch vernommen, nicht jedoch visuell im Sinne einer Realisierung von existenzieller Bedrohung. Ob hierdurch das für die Ausbildung einer spezifischen Phobie erforderliche Angstgefühl vorhanden gewesen sei, habe Prof. Dr. Dr. T. nicht dargelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 08.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2009 ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Deshalb hat das SG die Bescheide zu Recht abgeändert und dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 v. H. zugesprochen.
Die rechtlichen Voraussetzungen der Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalls nach § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) und eines Anspruchs auf Verletztenrente (§ 56 Abs. 1 SGB VII) hat das SG in dem angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt. Darauf wird, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Voraussetzung für die Gewährung einer Verletztenrente ist zum einen, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch die Beeinträchtigung des körperlichen und/oder geistigen Leistungsvermögens des Versicherten besteht und zum anderen, dass die Beeinträchtigung infolge des Versicherungsfalles - hier des Arbeitsunfalles - eingetreten ist (Kausalität). Ob ein solcher Ursachenzusammenhang besteht, ist nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilen. Diese sowie die vom Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätze sind vom SG ausführlich und zutreffend dargelegt worden. Gleiches gilt für den jeweils heranzuziehenden Beweismaßstab. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen ebenfalls gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Das SG hat unter Berücksichtigung des Gutachtens des Prof. Dr. K. und des Dr. O. dargelegt, dass auf orthopädische-chirurgischem Fachgebiet eine MdE um 30 v. H. gegeben ist. Dieser Bewertung schließt sich der Senat vollumfänglich an. Bis auf die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der linken Schulter und des rechten Daumens sind sämtliche Verletzungen im Wesentlichen folgenlos ausgeheilt. Die beim Kläger unfallbedingt bestehende ca. hälftige konzentrische Bewegungseinschränkung der linken Schulter ist in Übereinstimmung mit dem unfallmedizinischen Schrifttum mit einer MdE um 30 v. H. einzuschätzen. (Mehrhoff/Ekkernkamp, Wich, Unfallbegutachtung, 13. Aufl., S. 169). Die Bewegungseinschränkung des rechten Daumens bedingt angesichts der uneingeschränkten Funktion und eines nicht verletzten Daumensattelgelenkes keine zusätzliche MdE.
Weitere durch den Unfall vom 21.02.2007 verursachten Gesundheitsstörungen auf orthopädisch-unfallchirurgischem Fachgebiet liegen nicht vor. Bei den vom Kläger im Berufungsverfahren angegebenen Beschwerden im Bereich der rechten Schulter handelt es sich um eine unfallunabhängige Erkrankung. Die am 22.10.2012 radiologisch gesicherte mittelgroße Ruptur der Supraspinatussehne rechts bei ausgeprägter Tendinose (Bericht des Dr. Seiberlich vom 22.10.2012) führte ab September 2012 zu massiven Beschwerden und im Dezember 2012 letztlich zu einer arthroskopischen Rekonstruktion (Reha-Bericht Hausbaden vom 10.07.2013). Entgegen der Ansicht des Klägers ist dieser Gesundheitsschaden kein Folgeschaden im Sinne einer nach dem Arbeitsunfall eingetretenen Überlastung des rechten Armes. Ein Unfallzusammenhang ist nach dem insoweit maßgeblichen Beweismaßstab nicht hinreichend wahrscheinlich. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass bereits bei der Untersuchung durch Prof. Dr. K. am 24.09.2008 die rechte Schulter schmerzbedingt stark eingeschränkt war (S. 8 u. 15 des Gutachtens), woraus ein degenerativer Prozess abzuleiten ist. Auch kann eine Überbeanspruchung des rechten Armes weder bis zum vorgenannten Untersuchungszeitpunkt bei Prof. Dr. Dr. T. noch danach nachvollzogen werden. Der Kläger war bis zum 22.08.2008 arbeitsunfähig krank und konnte ausweislich des Pflegegutachtens des MDK vom 07.04.2008, welches auf einer Untersuchung des Klägers am 14.03.2008 beruhte, vielfältige Dinge des täglichen Lebens auch mit dem rechten Arm nicht durchführen. So war er beispielsweise nicht in der Lage, sich an- und auszukleiden, das Essen mundgerecht zuzubereiten, sich zu rasieren, Zähne zu putzen und zu kämmen, weshalb für diese Tätigkeiten die volle Übernahme durch eine Pflegeperson für erforderlich erachtet wurde. Dies zeigt, dass der Kläger seinen rechten Arm nicht einmal für leichte Tätigkeiten in Anspruch nahm, eine Überlastung deshalb auch ansatzweise nicht zu erkennen ist.
Auf psychiatrischem Fachgebiet besteht beim Kläger eine psychoreaktive Störung auf Grund des Unfallereignisses in Form einer spezifischen Phobie. Dass auch psychische Reaktionen rechtlich wesentlich durch ein Unfallereignis verursacht werden können, hat das BSG in seiner grundlegenden Entscheidung vom 09.05.2006 (B 2 U 26/04 R, juris, Rn. 25) ausführlich dargelegt. Es hat dabei ausgeführt, dass psychische Gesundheitsstörungen nach einem Arbeitsunfall in vielfältiger Weise auftreten können: Sie können unmittelbare Folge eines Schädel-Hirn-Traumas mit hirnorganischer Wesensänderung ein, sie können aber auch ohne physische Verletzungen, z. B. nach einem Banküberfall entstehen, sie können die Folge eines erlittenen Körperschadens, z. B. einer Amputation sein, sie können sich in Folge der Behandlung des gesundheitlichen Erstschadens erst herausbilden (BSG, a. a. O.). Insoweit hat Prof. Dr. Dr. T. in seinem Gutachten zu Recht eine getrennte Prüfung durchgeführt, nämlich dahingehend, ob eine psychoreaktive Störung auf Grund des Unfallereignisses (Erlebnisses) und/oder auf Grund der körperlichen Unfallfolgen besteht.
Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die Gewährung einer Verletztenrente ist nach der Rechtsprechung des BSG zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern. Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglicher Schulenstreite fordert das Bundessozialgericht (BSG), dass die Feststellung aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen muss. Denn je genauer und klarer die bei dem Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, umso einfacher sind seine Ursachen zu beurteilen sowie die daraus resultierende MdE zu bewerten (BSG a. a. O., Rn. 26). Die im nächsten Schritt erforderliche Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und den festgestellten Gesundheitsstörungen bestimmt sich auch für die psychischen Störungen nach den oben erwähnten allgemeinen Grundsätzen, d.h. nach der im Sozialrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG, a.a.O. Rn. 28). Erforderlich ist insoweit eine einzelfallbezogene positive Feststellung sowohl der Verursachung nach der Bedingungstheorie (conditio sine qua non) als auch der wesentlichen Verursachung der vorliegenden Erkrankung durch die versicherten Einwirkungen. Das bloße Fehlen von konkurrierenden Ursachen genügt bei komplexen Krankengeschehen, die mehrere Ursachen haben können, gerade nicht. Beweismaßstab für die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, a. a. O.).
Nach diesen Kriterien besteht bei dem Kläger eine spezifische Angststörung vor dem Autofahren, die durch den am 21.02.2007 erlittenen Unfall verursacht wurde.
Die spezifische (isolierte) Phobie ist in ICD-10 F40.2 wie folgt definiert: "Phobien, die auf eng umschriebene Situationen wie Nähe von bestimmten Tieren, Höhen, Donner, Dunkelheit, Fliegen ...beschränkt sind. Obwohl die auslösende Situation streng begrenzt ist, kann sie Panikzustände wie bei Agoraphobie oder sozialer Phobie hervorrufen."
Der Senat ist davon überzeugt, dass beim Kläger Ängste vor dem Autofahren bestehen. Dies zieht sich - worauf Prof. Dr. Dr. T. zu Recht hingewiesen hat - wie eine roter Faden durch alle vorliegenden Unterlagen. Dabei dürfte unstreitig sein, dass der Kläger - wie sich aus sämtlichen Befundberichten und Gutachten ergibt - seit dem Unfall nicht mehr in der Lage ist, selbst einen PKW zu führen und dies auch nicht mehr getan hat. Der Kläger kann auch nicht mehr als Beifahrer vorne im Auto sitzen; als Mitfahrer im Fond kommt es zu Wiedererlebnissen des Aufpralls und zu Angstzuständen (Gutachten Prof. Dr. R. S. 3 und Gutachten Prof. Dr. Dr. T. S. 20). Der Senat geht dabei nicht davon aus, dass die Angstsymptomatik vom Kläger simuliert oder aggraviert wurde. Die Sachverständigen Prof. Dr. R. und Prof. Dr. Dr. T. haben die Angstsymptomatik trotz der von ihnen beschriebenen massiven Aggravationstendenzen des Klägers zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Auch die Tatsache, dass der Kläger zu einer Behandlung mit dem Taxi gefahren ist, spricht nicht - wie die Beklagte meint - gegen das Vorhandensein einer Angststörung. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kam offensichtlich wegen unfallbedingter Einschränkungen nicht in Frage, sodass die Bestellung eines Taxi schon deshalb nachvollziehbar ist. Im Übrigen sagt die Benutzung eines Autos nichts darüber aus, welche psychischen Belastungen und Reaktionen beim Kläger hierbei ausgelöst wurden. Die Angstsymptomatik ist als isolierte psychoreaktive Störung im Sinne einer spezifischen Phobie vor dem Autofahren zu werten und nicht als (Teil)Symptom einer PTBS, wie es Prof. Dr. R. vertreten hat. Hierbei folgt der Senat der Beurteilung von Prof. Dr. Dr. T., der das Vorliegen ein PTBS nachvollziehbar mit der Begründung verneint hat, dass die hierfür notwendigen weiteren Symptome wie vegetative Erscheinungen beim Kläger nicht feststellbar sind, worauf bereits Dr. I. hingewiesen hat. Ob die Angstsymptomatik als isolierte Phobie oder als (Teil)Symptom einer PTBS anzusehen ist, führt nicht zu einer streitentscheidenden anderen Beurteilung, da sich - worauf Prof. Dr. Dr. T. nachdrücklich hingewiesen hat - kein Unterschied in der Bewertung der Funktionsbeeinträchtigungen ergibt.
Die Angststörung ist wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Dass eine solche Angstreaktion vor dem Autofahren in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinne als durch den Unfall verursacht anzusehen ist, überzeugt. Denn der Unfall lässt sich nicht hinwegdenken, ohne dass die Angststörung entfällt (conditio sine qua non). Soweit die Beklagte geltend macht, dass derartige Symptome im Herbst 2007, also mehr als sechs Monate nach dem Unfall erstmals dokumentiert sind, lässt dies einen ursächlichen Zusammenhang nicht entfallen. Diese zeitliche Latenz belegt nicht, dass die Angststörung zuvor nicht bestanden hat. Prof. Dr. Dr. T. hat hierzu in überzeugender Weise darauf hingewiesen, dass die Exploration solcher Symptome voraussetzt, dass man sich die Zeit nimmt, gezielt nach diesen Dingen zu fragen und diese gegebenenfalls auch zu umschreiben, insbesondere bei Sprachbarrieren, wie sie hier mit nur sehr mäßigen Deutschkenntnissen vorliegen. Zudem standen in den ersten Monaten die körperlichen Probleme bei weitem im Vordergrund, sodass der Sachverständige Prof. Dr. Dr. T. keinen Zweifel daran ließ, dass eine gezielte Exploration zunächst nicht stattgefunden hatte, sondern erstmals im Oktober 2007.
Auch im wertenden Sinne der Wesentlichkeit kann der Ursachenzusammenhang nicht in Frage gestellt werden. Dabei ist die Schwere des Unfallereignisses im vorliegenden Fall von entscheidender Bedeutung. Der Kläger kollidierte auf einer Bundesstraße mit einem ihm entgegenkommenden PKW frontal und erlitt hierbei schwere Verletzungen. Angesichts dieses Hergangs und seiner Folgen ist der wesentliche Beitrag zur Entstehung der Angstsymptomatik dem Unfallereignis vom 21.02.2007 beizumessen.
Eine psychoreaktive Störung auf Grund der körperlichen Unfallfolgen besteht demgegenüber nicht. Hierbei folgt der Senat dem Gutachten des Prof. Dr. Dr. T ... Zwar wurde beim Kläger bereits wenige Wochen nach dem Unfall eine depressive Symptomatik mit regressivem Verhalten beschrieben. Bei einer Nachuntersuchung bereits einen Monat später wurde der Kläger jedoch als psychisch stabilisiert ohne regressives Verhalten beschrieben. Über die folgenden Monate hinweg finden sich in den Akten keinerlei Angaben über eine depressive Störung und/oder ein regressives Verhalten. Erstmals im Februar 2008 während des stationären Aufenthaltes in der Schmerzklinik Bad H. ist eine derartige Symptomatik beschrieben. Damit ist eine sekundäre Verschlechterung dokumentiert, die den unfallbedingten Funktionsstörungen nicht zugerechnet werden kann.
Die Angststörung ist mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten. Dabei folgt der Senat der Bewertung von Prof. Dr. Dr. T ... Auch Prof. Dr. R. hat - wenngleich unter anderer Diagnose - die Funktionsbeeinträchtigung mit einer MdE um 10 v.H. eingeschätzt. Diese Beurteilung steht im Einklang mit der unfallmedizinischen Literatur, die bei eng begrenzten und spezifischen Phobien, die für die generelle Arbeitswelt wenig bestimmend sind, einen MdE-Rahmen von bis zu 10 v. H. eröffnet sieht (Mehrhoff, Ekkernkamp, Wich, a.a.O., S. 308; Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 157). Diesen Rahmen auszuschöpfen begegnet bei einer Phobie vor dem Autofahren keinen Bedenken.
Bei der Beurteilung der Gesamt-MdE handelt es sich weder um eine Ermessensentscheidung noch um eine Berechnung, sondern um eine nur zu Annäherungswerten kommende Schätzung im Sinne einer Tatsachenfeststellung, die tatrichterliche Aufgabe ist. Die Entscheidung des Unfallversicherungsträgers ist daher vollständig gerichtlich überprüfbar. Wegen des Schätzungscharakters ist dem Gericht allerdings eine abweichende Entscheidung um lediglich 5 % nach oben oder unten untersagt (vgl. BSG, Urteil vom 07.12.1976 - 8 RU 14/76 - juris). Ausgangspunkt der Bildung der Gesamt-MdE sind die Funktionsstörungen mit der höchsten Einzel-MdE. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob - und ggf. in welchem Ausmaß - weitere Funktionsstörungen das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung vergrößern (Schönberger, Mehrtens, Valentin, a.a.O., S. 103). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das SG ausgehend von einer MdE um 30 v.H. für die Unfallfolgen auf orthopädischem Fachgebiet und einer MdE um 10 v.H. für die unfallbedingte psychische Störung die Gesamt-MdE zutreffend mit 40 v.H. bewertet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Funktionseinschränkungen nicht überlappen. Die MdE auf psychiatrischem Fachgebiet ergibt sich ausschließlich aus der bestehenden Angstsymptomatik und dem entsprechenden Vermeidungsverhalten. Das gesteigerte Schmerzempfinden ist der unfallunabhängigen depressiven Episode zuzuordnen und findet bei der Bewertung der Angstsymptomatik keinen Eingang.
Dem Kläger ist somit eine Verletztenrente nach einer MdE um 40 ab Ende der Verletztengeldzahlung am 22.08.2008 zu bewilligen, weshalb die Berufung der Beklagten zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved