L 10 R 2848/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 4191/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2848/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 05.06.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 1959 in der T. geborene Kläger kam im Jahr 1970 nach Deutschland. Er erlernte keinen Beruf und arbeitete als Hilfsarbeiter, zuletzt als Maschinenbediener. Seit Januar 2008 ist er arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.

Im August/September 2010 durchlief er eine stationäre medizinische Rehabilitation in der Klinik am S ... Im dortigen Entlassungsbericht wurde eine rezidivierende depressive Episode, gegenwärtig mittelgradig, ein Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine Trigeminusneuralgie links sowie ein degeneratives BWS-Syndrom diagnostiziert. Der Kläger könne sowohl die letzte Tätigkeit als Maschinenbediener wie auch leichte und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr täglich ausüben.

Den Antrag des Klägers auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente vom 29.12.2010 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.01.2011 ab. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte das Gutachten des Nervenarztes B. ein. Dieser gelangte auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung im März 2011 zu den Diagnosen einer depressiven Entwicklung auf narzisstischem Strukturniveau mit leichtgradigem depressivem Syndrom und narzisstischer Persönlichkeitsstörung angegebenen degenerativen Wirbelsäulenveränderungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule ohne klinische Hinweise für ein radikuläres Defizit sowie angegebenen degenerative Veränderungen im Bereich der Schultergelenke ohne höhergradige Leistungsrelevanz. Dem Kläger seien noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne vermehrtes Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten, ohne vermehrtes Überkopfarbeiten, ohne vermehrtes Knien, Bücken oder Hocken sowie unter Vermeidung vermehrten Zeitdrucks, vermehrten Publikumsverkehrs, vermehrter Verantwortung für Menschen, ohne erhöhte Anforderungen an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Während der gesamten körperlichen Untersuchung habe der Kläger die Gliedmaßen funktionell uneingeschränkt eingesetzt, sodass die angegebenen degenerativen Veränderungen im Bereich der Schultergelenke sich nicht quantitativ leistungsmindernd auswirken würden. Eher aus prophylaktischen Überlegungen heraus habe er hier qualitative Leistungsminderungen gesehen. Auch die anamnestisch angegebenen weiteren Aufbraucherscheinungen im Bereich des skelettalen Systems würden sich nicht relevant leistungsmindernd auswirken. Ein mögliches Schlafapnoe-Syndrom sei diagnostisch noch nicht abgeklärt. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2011 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 19.07.2011 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Das Sozialgericht hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. mit ihrer Auskunft hat die Hausärztin Dr. R. u. a. einen Arztbrief des Schlaflabors des Marienhospital Stuttgart vom April 2011 vorgelegt, wonach sich beim Kläger neben einer diskreten Tagesschläfrigkeit erfreulicherweise keine signifikanten schlafbezogenen Atempausen oder anderweitige signifikante Pathologika gefunden hätten, sodass aus schlafmedizinischer Sicht keine Therapieindikation bestehe. Im Einzelnen wird auf die Stellungnahmen der Dr. R. (Bl. 26/43 SG-Akte: leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich möglich), des Dr. N. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie R. - p.-Klinik - (Bl. 47/58 SG-Akte: keine Leistungsfähigkeit) und des Dr. A. , Facharzt für Psychiatrie und Suchtmedizin, ZfP S. (Bl. 59 SG-Akte) verwiesen.

Das Sozialgericht hat weiterhin von Amts wegen eine ambulante Begutachtung durch Dr. P. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, veranlasst. Dr. P. hat in seinem Gutachten, beruhend auf einer Untersuchung im Mai 2012, beim Kläger eine Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstischen und querulatorischen Zügen, soziale Anpassungsstörungen mit Selbstwertproblematik, rezidivierende depressive Phasen, derzeit weitestgehend kompensiert, anamnestisch eine Trigeminusneuralgie sowie ein orthopädisches Beschwerdebild ohne funktionelle neurologische Auffälligkeiten diagnostiziert. Der Kläger sei noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wie auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maschinenbediener und Lagerarbeiter mindestens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (Vermeidung von Tätigkeiten unter erhöhtem Zeitdruck, mit Publikumsverkehr und von Tätigkeiten, die Teamfähigkeit abfordern sowie das Erfordernis einer klar strukturierten Arbeitstätigkeit) auszuüben.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat Prof. Dr. W. ein nervenärztliches Gutachten, beruhend auf ambulanter Untersuchung im Februar 2013, erstattet. Bei Diagnosen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und querulatorischen Zügen, von rezidivierenden depressiven Episoden, aktuell leicht depressiv und einer Trigeminusneuralgie ist sie zu einer auch quantitativen Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers gelangt. Da es den Kläger besondere Anstrengung koste, sich in die an einem normalen Arbeitsplatz geltenden Regeln und Routinen einzufügen, sei er nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich an fünf Tagen in der Woche zu leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wie auch als Maschinenbediener fähig. In einer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte hat Dr. G. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, die Plausibilität dieser Leistungsbeurteilung in Frage gestellt.

Mit Urteil vom 05.06.2013 hat das Sozialgericht die Klage, gestützt im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. P. , abgewiesen. Die von Prof. Dr. W. zur Begründung quantitativer Leistungseinschränkungen herangezogenen Persönlichkeitsstörungen seien beim Kläger, der keinen besonderen Berufsschutz genießt und deshalb auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei, bereits seit seiner Jugend vorhanden, ohne dass dies den Kläger in der Vergangenheit gehindert habe, verschiedenen, zum Teil jahrelangen Beschäftigungen nachzugehen.

Gegen das dem Kläger am 14.06.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 11.07.2013 Berufung eingelegt.

Auf Veranlassung des Senats haben Dr. N. und Dr. A. erneut Auskünfte erteilt. Dr. N. hat ausgeführt, der Kläger dürfte zwar im Stande sein, sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben, sofern die Bedingungen, die auf Grund der ganz im Vordergrund stehenden dysfunktionalen Verhaltens- und Denkmuster auf Persönlichkeitsebene geboten seien, gewährleistet seien. Solche "Schönwetterbedingungen" dürften aber in der Lebenswelt nicht realisierbar sein. Dr. A. ist in seiner Stellungnahme von einem zwischen drei und sechs Stunden liegenden Leistungsvermögen auf Grund der Persönlichkeitsstörung ausgegangen. Bezüglich der Einzelheiten der Stellungnahme der sachverständigen Zeugen wird auf Bl. 31/52 LSG-Akte (Dr. N. ) sowie Bl. 59/81 LSG-Akte (Dr. A. ) verwiesen.

Der Senat hat weiterhin von Amts wegen eine neurologisch-psychiatrische Fachbegutachtung durch Prof. Dr. Dr. W. veranlasst. Dieser hat beim Kläger eine medikamentös kompensierte Trigeminusneuralgie sowie eine aktuell leichtgradige depressive Störung bei anamnestisch zu eruierenden depressiven Episoden auf dem Boden einer ausgeprägten kombinierten Persönlichkeitsstörung, diagnostiziert. Die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet, insbesondere die in das Berufsleben eingebrachte Persönlichkeitsstörung, bedingten lediglich eine verminderte Stressbelastbarkeit, weshalb Tätigkeiten mit erhöhtem Zeit- und Leistungsdruck, wie beispielsweise Akkordarbeiten, dem Kläger nicht zumutbar seien. Bezüglich der Schwere der körperlichen Arbeit bestünden über die "Altersnorm" eines 55-jährigen hinaus keine Einschränkungen. Er vermöge nicht zu erkennen, weshalb der Kläger nicht in der Lage sein sollte, leichte und durchaus auch mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs und mehr Stunden an fünf Tagen in der Woche auszuüben.

Der Kläger hat den Entlassungsbericht des ZfP S. vom September 2014 über eine in diesem Monat stattgehabte teilstationäre Behandlung mit der Diagnose (u. a.) einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, vorgelegt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom Dezember 2014 hat Prof. Dr. Dr. W. auch unter Berücksichtigung dieses Berichtes, welcher seine gutachtliche Einschätzung bestätige, an seiner Leistungseinschätzung festgehalten.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung vorgetragen, eine Erwerbsminderung komme auch bei eingebrachten Leiden, wie hier der Persönlichkeitsstörung, in Betracht, wenn sich diese im Längsschnitt so verschlimmert habe, dass Erwerbsminderung eingetreten sei. Er halte an der Einschätzung der Prof. Dr. W. fest, deren Leistungsbeurteilung ausreichend plausibel sei. Unter Bezugnahme auf eine vorgelegte ärztliche Stellungnahme des Dr. N. vom Februar 2015 ist er der Auffassung, dass die bestehende Persönlichkeitsproblematik von Prof. Dr. Dr. W. nicht adäquat gewichtet worden sei. Die Störung der Persönlichkeitsstruktur seien einer therapeutischen Beeinflussung nicht zugänglich.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 05.06.2013 und den Bescheid vom 10.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 10.01.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2011 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung noch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, ggf. bei Berufsunfähigkeit. Das Sozialgericht hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die vom Kläger beanspruchte Rente dargelegt und ebenso zutreffend insbesondere auf Grundlage des Gutachten von Dr. P. sowie des Nervenarztes B. dargelegt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung wie auch für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, nicht erfüllt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Das Berufungsvorbringen des Klägers wie auch das Ergebnis der im Berufungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme führt zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr hat das vom Senat veranlasste Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. sowohl die Diagnosen wie auch die Leistungsbeurteilung des Dr. P. bestätigt. Auch Prof. Dr. Dr. W. hat, wie zuvor schon der Nervenarzt B. und Dr. P. , aber auch Prof. Dr. W. , beim Kläger für die Frage des beruflichen Leistungsvermögens bei weitem die bereits in der Jugend entwickelte narzisstisch-dissoziale Persönlichkeitsstörung im Vordergrund gesehen und der depressiven Störung keine Rentenrelevanz beigemessen. Denn eine wesentliche depressive Störung hat Prof. Dr. Dr. W. anhand des von ihm erhobenen psychopathologischen Untersuchungsbefundes schlüssig und nachvollziehbar nicht festgestellt. So hat sich der Kläger in der Untersuchungssituation umstellungsfähig, im Antrieb in keiner Weise beeinträchtigt und mit gut erhaltener Schwingungsfähigkeit gezeigt. Ein Abfall der Konzentrationsfähigkeit ist in der lang andauernden Untersuchungssituation ebenso wenig festzustellen gewesen, wie Bewusstseins-, Orientierungs-, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen. Auch ein relevanter sozialer Rückzug ist nicht zu eruieren gewesen. Dieser Befund deckt sich zunächst weitgehend mit dem 2011 vom Nervenarzt B. erhobenen psychiatrischen Befund (Konzentration und Aufmerksamkeit nicht eingeschränkt, Anpassungs- und Umstellungsvermögen allenfalls leichtgradig persönlichkeitsbedingt eingeschränkt, bei moroser, nicht eigentlich depressiver Stimmung ohne erkennbares Antriebsdefizit), welcher hierauf gestützt eine nur leichtgradige depressive Symptomatik feststellte. Dr. P. hat sogar eine weitestgehend kompensierte depressive Symptomatik festgestellt. Aber auch Prof. Dr. W. hat eine aktuell lediglich leichte depressive Symptomatik diagnostiziert. Soweit dem gegenüber insbesondere in Entlassungsberichten der p.-Klinik mitunter höhergradige Ausprägungen der depressiven Symptomatik berichtet worden sind (so im Entlassungsbericht vom September 2014: "gegenwärtig mittelgradige Episode"), hat Prof. Dr. Dr. W. in seiner ergänzenden Stellungnahme nachvollziehbar hierin keinen Widerspruch zu den gutachterlichen Beurteilungen, sondern vielmehr eine Bestätigung dieser gesehen. Denn die beispielsweise im Entlassungsbericht vom September 2014 berichtete mittelgradige depressive Episode hat sich ausweislich des Entlassungsberichts so schnell gebessert, dass bereits drei Wochen später eine Beendigung der Therapie möglich gewesen ist. Es ist eine deutliche Stabilisierung der Stimmung und des Antriebs bei Entlassung beschrieben worden, was sich mit dem zeitgleich mit der Entlassung erhobenen psychopathologischen Befund des Prof. Dr. Dr. W. deckt. Im Querschnitt der letzten Jahre, so Prof. Dr. Dr. W. , sind 2012 eine vierwöchige, 2013 eine fünfwöchige und 2014 je eine dreiwöchige teilstationäre Behandlung im Januar und September erforderlich, aber auch ausreichend gewesen, um danach wieder eine hinreichende Stabilisierung der depressiven Symptomatik zu erreichen. Somit sind zwar temporäre Verschlechterungen beim Kläger mit rezidivierenden schwergradigeren depressiven Episoden durchaus möglich, es ergibt sich hieraus jedoch keine dauerhafte depressionsbedingte Leistungseinschränkung. Diese Beurteilung wird im Übrigen auch von Dr. N. geteilt, welcher in seiner ärztlichen Stellungnahme vom Februar 2015 ebenfalls ausgeführt hat, die von ihm angenommene Leistungseinschränkung sei nicht depressionsbedingt.

Aber auch die von sämtlichen Gutachtern und Behandlern auf nervenärztlichem Gebiet berichtete Persönlichkeitsstörung führt - im Gegensatz zur Einschätzung von Prof. Dr. W. und Dr. N. - nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung. Hierbei handelt es sich - so Prof. Dr. Dr. W. , auch zum Nachfolgenden - letztlich um eine in das Berufsleben eingebrachte Normvariante der Persönlichkeit, welche zwar eine recht ausgeprägte Persönlichkeitsstörung aber im engeren Sinne keine Krankheit darstellt. Diese Normvariante beinhaltet die Gefahr, dass es bei an sich "normalen" Lebenssituationen am Arbeitsplatz durch inadäquate Reaktionen des Klägers zu Konflikten kommt, die dann auf dem Boden der narzisstischen Persönlichkeit des Klägers Kränkungen und in deren Verarbeitung rezidivierende depressive Episoden hervorrufen können. Diese bloße Gefahr kann indes bei aktuell leichtgradiger depressiver Störung für sich genommen keine "gleichsam prophylaktische" Erwerbsminderung begründen. Gleiches gilt für die unverrückbare Überzeugung des Klägers, nicht mehr arbeiten zu können, da er ansonsten Konflikte am Arbeitsplatz erwartet, bei denen er sich in der Opferrolle vorfindet. Dies, so Prof. Dr. Dr. W. , ist primärer Ausdruck seiner Persönlichkeit und zumindest derzeit nicht mit schwerwiegenderen Krankheitssymptomen vergesellschaftet. Zutreffend hat bereits Dr. G. darauf hingewiesen, dass die Persönlichkeitsstörung des Klägers zwar die Beachtung spezifischer Funktionseinschränkungen gebietet, aber unter diesen Vorgaben dem Kläger nach wie vor auch ein gewisses Maß an Anstrengungsbereitschaft abverlangbar ist. So bot der Kläger zeitlebens erhebliche Auffälligkeiten in seinem Verhalten, sowohl im schulischen wie auch im außerschulischen, insbesondere beruflichen Bereich, ungeachtet derer es ihm dennoch bis jetzt stets möglich war, sich ausreichend zu integrieren. Soweit Dr. N. anführt, dass die genannten Störungen der Persönlichkeitsstruktur bisher einer therapeutischen Besserung nicht zugänglich waren, so ist nicht ersichtlich, weshalb der Kläger unter Berücksichtigung der von den Sachverständigen genannten qualitativen Einschränkungen auf nervenärztlichem Gebiet (Vermeidung von Tätigkeiten mit erhöhtem Zeit- und Leistungsdruck, mit erhöhter Anforderung an die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, von Tätigkeiten, die mit Publikumsverkehr einhergehen oder eine Teamfähigkeit abfordern sowie ohne Nachtschicht und dem Erfordernis einer klar strukturierten Arbeitstätigkeit) nicht in der Lage sein sollte, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche auszuüben. So war es ihm - worauf Dr. P. verweist - möglich, beispielsweise mehrere Jahre bei der Firma A. im Lager zu arbeiten und es gelang ihm auch beim letzten Arbeitgeber bis 2002 ohne Konflikte und anschließend trotz von ihm empfundener Mobbingsituation bis 2007 weiterzuarbeiten. Gründe warum ihm dies weiterhin nicht möglich sein sollte, haben weder der Nervenarzt B. , noch Dr. P. oder Prof. Dr. Dr. W. erkennen können. Der vom Klägers selbst gefasste Beschluss, nicht mehr unter Vorgesetzten arbeiten zu wollen, ist aus psychopathologischer Sicht, so Dr. G. in seiner Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Dr. W. , nicht als unumstößlich zu bewerten; ihm ist mithin kein wahnhafter Charakter beizumessen. Nicht gefolgt werden kann deshalb Dr. N. , soweit er in seiner zeugenschaftlichen Stellungnahme gegenüber dem Senat auf Grund der erforderlichen (von ihm allerdings nicht benannten) qualitativen Leistungseinschränkungen von "Schönwetterbedingungen" gesprochen hat, die in der Lebensrealität nicht realisiert werden könnten. Wie von Dr. P. und Dr. G. jeweils schlüssig aufgezeigt fand der Kläger in der Vergangenheit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die für ihn passenden, von Dr. N. als "Schönwetterbedingungen" bezeichneten Arbeitsbedingungen vor, so dass es ihm möglich war, auch mehrere Jahre am selben Arbeitsplatz zuzubringen.

Soweit Prof. Dr. W. weitergehend eine quantitative Leistungseinschränkung mit der Begründung bejaht hat, es sei nachvollziehbar, dass es den Kläger viel Kraft koste, auftauchende negative Gefühle zu beherrschen, weshalb sie von einem auf unter sechs Stunden abgesunkenen Leistungsvermögen ausgehe, so ist dies nicht überzeugend. Weshalb dem Kläger das Einhalten von geltenden Regeln unter Aufwendung der vorhandenen Ressourcen derartig Kraft kosten soll, ist - so zu Recht Dr. G. und Prof. Dr. Dr. W. - nicht nachvollziehbar.

Der noch vom Nervenarzt B. geäußerte Verdacht eines Schlafapnoesyndroms bestätigte sich ausweislich des Schlaflaborberichts des Marienhospitals nicht. Die medikamentös kompensierte Trigeminusneuralgie führt zu keiner Leistungseinschränkung (vgl. Prof. Dr. Dr. W. ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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