L 10 R 4138/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 8053/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4138/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.06.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.

Der am 1968 geborene Kläger erlernte den Beruf des Industriemechanikers und arbeitete zunächst als Mechaniker, später als PC-Techniker (ohne eine Ausbildung in diesem Berufsfeld absolviert zu haben), jeweils unterbrochen von häufigen Zeiten der Arbeitslosigkeit. Letztmalig war der Kläger als PC-Techniker im Dezember 2003 versicherungspflichtig beschäftigt. Er bezieht eine private Berufsunfähigkeitsrente. Pflichtbeiträge wurden nach Dezember 2003 nochmals in der Zeit von Dezember 2007 bis Februar 2009 (wegen des Bezugs von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II) entrichtet. Danach hat er keine rentenrechtlichen Zeiten aufzuweisen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Versicherungsverlauf vom August 2014 (Bl. 64/65 LSG-Akte) verwiesen.

Im Entlassungsbericht der medizinisch-psychosomatischen Klinik Bad B. über einen mehrwöchigen Aufenthalt des Klägers im Herbst 2006 wurde u. a. eine depressive Episode, schwer¬gradig, eine dysthyme Störung, psychologische und Verhaltensfaktoren bei Tinnitus und chronischem Schmerz, eine somatoforme Schmerzstörung und Tinnitus aurium diagnostiziert. Arbeitsfähigkeit im Entlassungszeitpunkt wurde verneint.

Am 17.01.2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, welche er mit Schmerzen, starken Depressionen, Tinnitus u. a. begründete. In einem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten gelangte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. auf der Grundlage einer ambulanten Untersuchung im Juni 2008 zur Diagnose eines isolierten coenästhetischen Wahns sowie eines Tinnitus aurium. Das Leistungsvermögen des Klägers liege auch für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter drei Stunden täglich. Ohne fachpsychiatrische Behandlung sei auch für die Zukunft mit einem aufgehobenen Leistungsvermögen zu rechnen. In einer nervenärztlichen Stellungnahme wies der Beratungsarzt der Beklagten S. auf Widersprüche im Gutachten des Dr. P. hin und empfahl angesichts fehlender kontinuierlicher fachspezifischer Behandlung eine stationäre psychotherapeutische Reha-Maßnahme. Mit Bescheid vom 21.08.2008 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Erwerbsminderungsrente ab.

Im Zuge des Widerspruchsverfahrens bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Gestalt einer stationären Rehabilitation. Im Entlassungsbericht der F. -Klinik M. über den stationären Aufenthalt im Juni 2010, der mit einer vorzeitigen Entlassung des Klägers - nach Klinikangaben auf Grund geringer Eigenmotivation - sein Ende fand, wurden die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, sonstiger spezifischer Persönlichkeitsstörungen, eines Tinnitus aurium, von psychischen und Verhaltensstörungen durch Alkohol/Abhängigkeitssyndrom sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung gestellt. Auf Grund der psychischen Leistungseinschränkungen betreffend die Kompetenz, das Durchhaltevermögen, die Selbstbehauptungsfähigkeit und Kontaktfähigkeit zu Dritten könne der Kläger die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als PC-Techniker nur noch drei bis unter sechs Stunden ausüben. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen unter Vermeidung des Hebens und Tragens schwerer Lasten sowie körperlicher Zwangshaltungen sechs Stunden und mehr täglich ausüben. Für diese Tätigkeiten bestünde auch Arbeitsfähigkeit. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2010 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen, da kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung bestünde.

Hiergegen hat der Kläger am 22.12.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben. Die schriftliche Vernehmung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen hat ergeben, dass bei keinem der befragten Ärzte im nachgefragten Zeitraum ab Anfang 2010 noch eine Behandlung des Klägers stattgefunden hat. Der Kläger hat hierzu mitgeteilt, seit März 2009 über keinen Krankenversicherungsschutz mehr zu verfügen, weshalb er sich seitdem nur noch in Einzelfällen in ärztliche Behandlung begeben habe.

Die Beklagte hat in einem parallel hierzu geführten Verfahren bezüglich der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine nervenfachärztliche Begutachtung des Klägers durch Dr. A. veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten, beruhend auf einer Untersuchung im Juli 2011, beim Kläger eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und paranoiden Anteilen, einen Tinnitus aurium beidseits, einen Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und ein leichtes Karpaltunnelsyndrom beidseits diagnostiziert und eine Polyneuropathie ausgeschlossen. Der Gutachter hat keine Hinweise auf stärkere Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten mit Auswirkungen auf Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung erheben können. Beim Kläger liege unter Berücksichtigung von Einschränkungen im Bereich der geistigen und psychischen Belastbarkeit (Umstellungs- und Anpassungsvermögen, Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge) ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vor.

Im Juni/Juli 2012 hat der Kläger auf Veranlassung der Beklagten an einer sechswöchigen medizinisch-beruflichen Rehabilitationsmaßnahme im beruflichen Bildungs- und Rehabilitationszentrum K.-L. (künftig S. -Klinikum L. ) teilgenommen. Bei Diagnosen einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und paranoiden Anteilen, einer Somatisierungsstörung, eines Tinnitus aurium sowie eines nicht primär insulinabhängigen Diabetes mellitus ist im Reha-Entlassungsbericht sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als PC-Techniker als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein wenigstens dreistündiges Leistungsvermögen verneint worden. Der Kläger sei angesichts der gezeigten Leistungen unter Wettbewerbsbedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht arbeitsfähig. Man empfehle die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Auf Veranlassung des Sozialgerichts haben der Internist Dr. S. und der Nervenarzt Dr. S. Gutachten auf ihrem jeweiligen Fachgebiet, beruhend auf einer ambulanten Untersuchung im Januar 2013, erstattet. Dr. S. hat beim Kläger einen Tinnitus, einen Diabetes mellitus, derzeit nicht behandelt, sowie einen Bluthochdruck, gleichfalls derzeit nicht behandelt, diagnostiziert. Der Diabetes mellitus und der Bluthochdruck seien zwar unbedingt therapiebedürftig, jedoch nicht leistungseinschränkend. Organische Veränderungen, die eine relevante Einschränkung des Leistungsvermögens rechtfertigten könnten, lägen nicht vor. Soweit der Kläger Schmerzen seitens des Bewegungsapparates geltend gemacht habe, seien im Rahmen der klinischen Untersuchung keine Funktionseinschränkungen feststellbar gewesen, welche eine zeitliche Einschränkung der Belastbarkeit bedingen könnten. Dr. S. hat eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine Somatisierungsstörung sowie einen Alkohol- und früheren Opiatabusus diagnostiziert. Zum jetzigen Zeitpunkt stünden die depressiven Symptome gegenüber den persönlichkeitsspezifischen Besonderheiten nicht im Vordergrund. Eine so nachhaltige Dekompensation der vorliegenden Persönlichkeitsstörung oder eine so schwere Ausprägung der übrigen Störungen, dass allein hierdurch auf ein fehlendes Leistungsvermögen zu schließen wäre, sei nicht festzustellen. Zusammenfassend haben die Sachverständigen den Kläger noch in der Lage gesehen, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Zu vermeiden seien besondere Anforderungen an die Stressbelastbarkeit (besonderer Zeitdruck, Nachtschicht), überdurchschnittliche Anforderungen an Konzentration, Umstellungsfähigkeit, Auffassungsgabe und Teamfähigkeit, Tätigkeiten mit Fremd- oder Selbstgefährdung (Fahr- und Steuertätigkeiten, Absturzgefahr etc.) sowie häufiges Knien oder Hocken.

Mit Urteil vom 26.06.2013 hat das Sozialgericht, im Wesentlichen gestützt auf die Gutachten von Dr. S. und Dr. S. , die Klage abgewiesen.

Gegen das dem Kläger am 23.08.2013 zugestellte Urteil hat dieser am 23.09.2013 Berufung eingelegt

Der Senat hat von Amts wegen eine neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinische Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. W. veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten, beruhend auf einer Untersuchung des Klägers im März 2014, eine ausgeprägte kombinierte Persönlichkeitsstörung, einen dekompensierten Tinnitus, eine derzeit allenfalls mittelgradige depressive Störung und eine inzwischen eher in den Hintergrund gerückte Somatisierungsstörung festgestellt. Auf Grund der komplexen psychischen Störung mit in das Berufsleben eingebrachten und (erst) in den letzten Jahren erworbenen Anteilen sehe er den Kläger allenfalls noch in der Lage, Tätigkeiten ohne wesentlichen Zeitdruck in einem zeitlichen Umfang von drei bis vier Stunden täglich auszuüben. Mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit gehe er davon aus, dass die aktuell beschriebene quantitative Leistungseinschränkung bereits zum Zeitpunkt der beruflichen Rehabilitation im Sommer 2012, in welcher letztlich bereits dieselben Symptome genannt worden seien, vorgelegen habe.

Der Kläger hat zur Begründung der Berufung vorgetragen, dem Reha-Entlassungsbericht aus dem Jahre 2012, welcher schließlich auf einem sechswöchigen Aufenthalt des Klägers im S. -Klinikum beruhe, sei gegenüber den Gutachten auf nervenärztlichem und internistischem Gebiet der Vorzug zu geben. Soweit die Beklagte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig im Jahr 2011 für erfüllt erachte, sei darauf hinzuweisen, dass er durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei, weshalb der Fünf-Jahres-Zeitraum entsprechend zu verlängern sei. Auch sei er bereits im Jahre 2006 ausweislich des Entlassungsberichts der psychosomatischen Klinik Bad B. als arbeitsunfähig entlassen worden und habe zum damaligen Zeitpunkt unter denselben Symptomen wie jetzt gelitten, weshalb der Leistungsfall schon früher eingetreten sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.06.2013 sowie den Bescheid vom 21.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zwar räume man im Hinblick auf das Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. ein, dass volle Erwerbsminderung mit Leistungsfall 13.06.2012 eingetreten sei. Allerdings seien zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, da in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung keine drei Jahre Pflichtbeiträge vorliegen würden. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers Arbeitsunfähigkeit für die Zeit von Februar 2007 bis November 2007 unterstelle, so lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig zum 28.02.2011 vor.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist in erster Linie § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 Satz 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - teilweise bzw. voll erwerbsgemindert sind.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig sind. Nachdem der Kläger am 26.02.1968 und damit nach dem in § 240 Abs. 1 SGB VI genannten Stichtag geboren ist, scheidet eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bereits deshalb aus.

Ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI scheitert daran, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt waren, eine teilweise oder volle Erwerbsminderung nicht nachgewiesen ist.

Dabei geht der Senat - in Übereinstimmung mit der Beklagten - davon aus, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Prof. Dr. Dr. W. der Kläger nicht mehr im Stande gewesen ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese quantitative Leistungseinschränkung ergibt sich - Prof. Dr. Dr. W. folgend - aus der beim Kläger vorliegenden, ausgeprägten kombinierten Persönlichkeitsstörung, die dieser zwar ins Berufsleben eingebracht hat, die sich zugleich aber in den letzten Jahren noch deutlich verschlechtert hat, in Kombination mit einem dekompensierten Tinnitus. Diese Gesundheitsstörung, die sich, wenngleich in weniger schwerer Ausprägung, nahezu in sämtlichen Entlassungsberichten bzw. Gutachten wiederfindet und sich in einer ganz erheblichen Impulskontrollstörung und einem Unvermögen, mit einem "normalen" Druck umzugehen äußert, hat - so der Sachverständige - zusammen mit der seit 2006 bestehenden Tinnituserkrankung einen Schweregrad erreicht, welcher eine rentenrelevante Leistungseinschränkung verursacht.

Voraussetzung für ein Rentenanspruch ist indessen nach § 43 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI auch, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufweist. Zu Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zählen nach § 55 Abs. 2 SGB VI auch freiwillige Beiträge, die als Pflichtbeiträge gelten (Nr. 1), oder (Nr. 2) Pflichtbeiträge, für die aus den in § 3 oder § 4 SGB VI genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten (dies betrifft insbesondere auch Pflichtbeiträge für Lohnersatzleistung, vgl. § 3 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 3a SGB VI) oder Beiträge für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat (Nr. 3). Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung, in dem drei Jahre Pflichtbeitragszeiten enthalten sein müssen, verlängert sich gemäß § 43 Abs. 4 SGB VI u. a. um nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegte Anrechnungszeiten (Nr. 1) und Zeiten (Nr. 3), die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Anrechnungs- oder Berücksichtigungszeit vorliegt.

An diesen besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehlt es für den hier nachgewiesenen Zeitpunkt der rentenrelevanten Leistungseinschränkung.

Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob, wie von der Beklagten angenommen, unter Berücksichtigung der in § 43 Abs. 4 SGB VI genannten Verlängerungstatbestände die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig zum 31.05.2010 vorgelegen haben bzw. auf Grund eines weiteren Verlängerungstatbestandes nach § 43 Abs. 4 Nr. 1 Alt. 1 SGB VI i.V.m. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 1. Var. SGB VI (Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit) für den Zeitraum Februar 2007 bis November 2007 - wobei Nachweise, insbesondere ärztliche Bestätigungen der Arbeitsunfähigkeit für diesen Zeitraum nicht aktenkundig und vom Kläger auch nicht vorgelegt worden sind -letztmalig zum 28.02.2011. Denn jedenfalls ab März 2011 liegen unter keinen Umständen mehr die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor. Der an den letztmals mit Pflichtbeiträgen belegten Monat Februar 2009 anschließende Zeitraum ab März 2009 ist weder mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit noch mit Verlängerungstatbeständen belegt. Insbesondere sind für diesen Zeitraum - entgegen der Auffassung des Klägers - keine Anrechnungszeiten (Arbeitsunfähigkeitszeiten) im Sinne der §§ 43 Abs. 4 Nr. 1, 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bzw. Zeiten im Sinne des § 43 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI nachgewiesen. Vielmehr wurde der Kläger aus der stationären Rehabilitation im Juni 2010 in der F. -Klinik M. ausweislich des Reha-Entlassungsberichts als arbeitsfähig für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes entlassen. Da für die während der Arbeitslosigkeit des Klägers eingetretene Arbeitsunfähigkeit gem. § 121 Abs. 1 SGB III in der bis 31.03.2012 anzuwendenden Fassung Bezugspunkt alle der Arbeitsfähigkeit des Klägers entsprechenden Beschäftigungen (Brandts in Kasseler Kommentar, 84. EL Dezember 2014, § 44 SGB V Rdnr. 44 ff.) ist, liegt Arbeitsunfähigkeit nicht vor, soweit wenigstens leichte Arbeiten verrichtet werden können. Im Übrigen liegen für den Zeitraum ab März 2009 keine ärztlichen Befundberichte vor, denen Aussagen zu einer Arbeits(un)fähigkeit entnommen werden könnten. Dass der Kläger mangels Krankenversicherungsschutz - so seine Angaben - keine Ärzte aufsuchte, ändert hieran nichts. Die Voraussetzungen einer vorzeitigen Wartezeiterfüllung gem. § 53 SGB VI liegen ebenfalls nicht vor; auch sind Pflichtbeitragszeiten nicht gem. § 241 Abs. 2 SGB VI entbehrlich, da der Kläger die allgemeine Wartezeit nicht vor dem 01.01.1984 erfüllte. Damit sind spätestens ab März 2011 mehr als 24 Monate nicht mehr mit rentenrechtlichen Zeiten belegt und ist die Dreifünftelbelegung gem. § 43 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Abs. 2 Nr. 2 SGB VI nicht mehr erfüllt.

Zu diesem Zeitpunkt ist der Kläger indes (noch) nicht erwerbsgemindert gewesen. Dies entnimmt der Senat in erster Linie dem im Verwaltungsverfahren wegen der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erstatteten Gutachten des Dr. A. (Untersuchung im Juli 2011), ferner dem Reha-Entlassungsbericht der F. -Klinik M. (stationärer Aufenthalt im Juni 2010) sowie dem im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten des Dr. S. (Untersuchung im Januar 2013).

Dabei liegen nach übereinstimmender Einschätzung sämtlicher im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren beauftragten Sachverständigen wie auch ausweislich der Reha-Entlassungsberichte der F. -Klinik M. sowie des S. -Klinikums L. die maßgeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers auf nervenfachärztlichem Gebiet, u.a. auch vor dem Hintergrund eines dekompensierten Tinnitus aurium.

Sowohl im Reha-Entlassungsbericht der F. -Klinik M. wie auch im Gutachten des Dr. A. sind beim Kläger übereinstimmend eine kombinierte Persönlichkeitsstörung bzw. sonstige spezifische Persönlichkeitsstörungen, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie ein Tinnitus aurium diagnostiziert worden. Zusätzlich fand sich im Reha-Entlassungsbericht der F. -Klinik M. noch die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mit gegenwärtig mittelgradiger Episode. Zwar wurden beim Kläger bei Entlassung aus der stationären Rehabilitation im Zuge der rezidivierenden depressiven Störungen noch psychische Leistungseinschränkungen gesehen. Ungeachtet dessen war der Kläger bei Entlassung unter Berücksichtigung von Leistungseinschränkungen betreffend die Kompetenz, das Durchhaltevermögen, die Selbstbehauptungsfähigkeit und Kontaktfähigkeit zu Dritten sowohl arbeitsfähig wie auch leistungsfähig für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, wobei diese überwiegend im Stehen, Gehen und Sitzen, unter Vermeidung des Hebens und Tragens schwerer Lasten sowie körperlicher Zwangshaltungen erfolgen sollten. Im Rahmen der Begutachtung durch Dr. A. hat sich der Kläger im gesamten Verlauf der über einstündigen Untersuchung nicht depressiv gezeigt. Zwar, so der Sachverständige, dürfte hierbei auch die Aufrechterhaltung einer Fassade eine Rolle gespielt haben. Vor dem Hintergrund, dass der Kläger sich aber im Stande gezeigt hat, diese Fassade noch aufrecht zu erhalten, überzeugt die Beurteilung von Dr. A. , wonach zum Zeitpunkt seiner Begutachtung von einer leichten depressiven Erkrankung auszugehen war. Eine solche nur leichte bis mittelgradige depressive Erkrankung hat sich im Übrigen auch im Zuge der nachfolgenden Begutachtungen durch Dr. S. - dort sind die depressiven Symptome nicht im Vordergrund gestanden - und Prof. Dr. Dr. W. - dieser hat eine allenfalls mittelgradige depressive Störung festgestellt - bestätigt. Dagegen hat sich im Rahmen der Begutachtung durch Dr. A. die später im Entlassungsbericht des S. -Klinikum L. sowie insbesondere im Gutachten des Prof. Dr. Dr. W. berichtete erhebliche Dekompensation der Persönlichkeitsstörung noch nicht gezeigt. Dr. A. hat keine Hinweise auf stärkere Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten mit Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis im Explorationsverlauf festgestellt. Der Kläger hat sich lebhaft und eloquent bei unauffälligem bis allenfalls leicht eingeschränktem Antrieb und affektiver Modulationsfähigkeit gezeigt. Im Hinblick auf die diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung hat Dr. A. keine Schonzeichen bei allseits regelrechter Muskelkraft und unauffälliger Motorik gefunden. So ist die Feinbeweglichkeit voll erhalten gewesen und haben sich bei der Funktionstestung die verschiedenen Geh- und Stehvarianten sowie das Stuhlbesteigen und In-die-Hocke-Gehen beidseits unauffällig gezeigt. Der Kläger hat gut sitzen, und sich auch in der Ebene gut bewegen können. Zusammenfassend hat Dr. A. von motorischer Seite her keinerlei Einschränkungen feststellen können. Trotz der beklagten Schmerzen hat sich der Kläger insbesondere auch in der Lage gezeigt, über eine Stunde konzentriert an der Untersuchung teilzunehmen. Dr. A. hat vor diesem Hintergrund die Leistungseinschätzung im Entlassungsbericht der F. -Klinik M. bestätigt und ist - für den Senat angesichts des von ihm erhobenen Befundes schlüssig und nachvollziehbar - zu einem Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, überwiegend stehend, gehend und sitzend unter Vermeidung von Nachtschicht gelangt. Qualitative Einschränkungen haben ferner im Bereich des Umstellungs- und Anpassungsvermögens sowie bezüglich der Überwachung und Steuerung komplexer Arbeitsvorgänge bestanden, wobei sich dies angesichts der von Dr. A. im Befund verneinten starken Einschränkungen nur auf besondere Anforderungen beziehen kann. Diese Beurteilung ist später von den gerichtlichen Sachverständigen Dr. S. und Dr. S. bestätigt worden. Auf Grund der Leistungseinschätzung sowohl im Reha-Entlassungsbericht der F. -Klinik M. wie auch im Gutachten des Dr. A. kann sich der Senat nicht von einer quantitativen Leistungseinschränkung bis spätestens 28.02.2011 überzeugen. Vielmehr hat zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. A. im Juli 2011 noch ein Leistungsvermögen von wenigstens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der vorstehend genannten qualitativen Einschränkungen vorgelegen.

Anderes ergibt sich nicht aus dem Reha-Entlassungsbericht des S. -Klinikums L ... Denn dieser beruht auf einem Aufenthalt des Klägers im Juni/Juli 2012 und kann damit nur eine Aussage über den Gesundheitszustand knapp ein Jahr später treffen, für einen Zeitpunkt also, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keinesfalls mehr vorgelegen haben. So geht auch Prof. Dr. Dr. W. in seinem Gutachten davon aus, dass die von ihm belegte quantitative Leistungseinschränkung (erst) seit Sommer 2012 mit "zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit" vorgelegen hat und stützt sich dabei auf die Schilderung des Verlaufs der beruflichen Rehabilitation im S. -Klinikum L ... In diesem Zusammenhang kann allerdings nicht außer Acht bleiben, dass Dr. S. im Januar 2013 einen deutlich gebesserten psychischen Zustand des Klägers festgestellt hat. So haben belangvolle kognitive Störungen nicht vorgelegen. Zwar hat sich die Konzentration des Klägers mitunter suboptimal gezeigt. Gravierende Störungen des Auffassungsvermögens und der Umstellungsfähigkeit haben zu diesem Zeitpunkt je¬doch nicht vorgelegen. Der Kläger hat sich nicht gravierend depressiv gezeigt. Im Hinblick auf die Somatisierungsstörung hat auch Dr. S. (wie Dr. S. ) keine Funktionseinschränkungen des Bewegungsapparats feststellen können, welche eine zeitliche Einschränkung der Belastbarkeit bedingen würden. Dr. S. hat danach - wie dargelegt - die Einschätzung von Dr. A. bestätigt, wonach weder der depressiven Störung noch der somatoformen Störung zu diesem Zeitpunkt Relevanz für das quantitative Leistungsvermögen zugekommen ist. Auch zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. haben sich die persönlichkeitsspezifischen Besonderheiten gegenüber der depressiven Symptomatik deutlich im Vordergrund stehend gezeigt. Dr. S. gelangt zwar zur selben Einschätzung wie Prof. Dr. Dr. W. insoweit, als bereits zu diesem Zeitpunkt der Schwerpunkt der nervenärztlichen Beschwerden des Klägers im Bereich der kombinierten Persönlichkeitsstörung im Sinne einer emotional instabilen Persönlichkeit von impulsiven Typ her mit (allerdings weitgehend verdrängt gehaltenen) paranoiden Verarbeitungsweisen sowie narzisstischen Zügen gelegen hat. Allerdings hat Dr. S. eine so nachhaltige Dekompensation der vorliegenden Persönlichkeitsstörung oder eine so schwere Ausprägung der übrigen Störungen des Klägers, die ein fehlendes Leistungsvermögen rechtfertigen könnte, nicht festgestellt. Angesichts des von Dr. S. im Januar 2013 erhobenen Befundes kann der Beurteilung im Reha-Entlassungsbericht des S. -Klinikums L. bzw. des Prof. Dr. Dr. W. , wonach eine quantitative Leistungseinschränkung bereits seit Sommer 2012 vorliege (wobei im Übrigen auch Prof. Dr. Dr. W. nur von einer für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nicht ausreichenden "überwiegenden Wahrscheinlichkeit" ausgeht) nicht gefolgt werden. Umgekehrt bestätigt das Ergebnis der Begutachtung durch Dr. S. die Leistungseinschätzung des Dr. A ...

Soweit dem gegenüber der im Verwaltungsverfahren beauftragte Gutachter Dr. P. von einem auf unter drei Stunden abgesunkenen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bereits im Zeitpunkt seiner Begutachtung im Juni 2008 ausging, steht dies im Widerspruch zu sämtlichen nachfolgenden Gutachten. So hat bereits keiner der nachfolgenden Sachverständigen die Diagnose des Dr. P. über das Vorliegen eines isolierten coenästhetischen Wahns geteilt. Einen solchen hat Prof. Dr. Dr. W. beim Kläger ausdrücklich ausgeschlossen. Auch die Leistungsbeurteilung von Dr. P. ist vor dem Hintergrund des erhobenen Befundes nicht nachvollziehbar, so zutreffend der Nervenarzt S. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom Juli 2008. So fehlen jedwede Erhebungen zur Alltagsgestaltung, finden sich im Gutachten häufig widersprüchliche oder zumindest missverständliche Ausführungen und kann zusammenfassend dem Gutachten nicht entnommen werden, woraus sich eine quantitative Leistungseinschränkung konkret ergeben soll.

Dem vom Kläger angeführten Entlassungsbericht der Klinik Bad B. aus dem Jahr 2006 kann eine rentenrelevante Leistungsminderung gleichfalls nicht entnommen werden. Bei Diagnose u.a. einer schwergradigen depressiven Episode im Rahmen einer dysthymen Störung und somatoformen Schmerzstörung erfolgte die Entlassung zwar als arbeitsunfähig. Allerdings wird dort auch von einer deutlichen Stabilisierung des Klägers, insbesondere die Stimmung betreffend, berichtet. Die ausweislich des Berichts weiterhin schwerpunktmäßig behandelte Somatisierungsstörung ist mittlerweile, so Dr. S. und auch Prof. Dr. Dr. W. , in den Hintergrund getreten und eine schwere depressive Episode ist in den späteren Gutachten nicht mehr diagnostiziert worden, weshalb der Entlassungsbericht überholt ist.

Soweit der Kläger daneben an einem derzeit nicht behandelten Diabetes mellitus sowie einem gleichfalls nicht behandelten Bluthochdruck leidet, ist dies nach den überzeugenden Darstellungen des Sachverständigen Dr. S. jedenfalls (bis) zum Zeitpunkt der Begutachtung im Januar 2013 (und damit deutlich nach dem letztmaligen Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen) ohne Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers geblieben. Gleiches gilt für den von Dr. S. vermuteten schädlichen Alkoholgebrauch. Denn im Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. S. haben keine Hinweise auf eine bereits vorliegende Leberzirrhose und insbesondere keine Auswirkungen auf die Syntheseleistung der Leber vorgelegen.

Nach allem dem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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