L 11 KR 5355/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 3491/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5355/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Anspruch auf Gewährung einer Hypnosebehandlung durch einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Psychologischen Psychotherapeuten besteht, wenn im Einzelfall eine Unterversorgung mit zugelassenen Leistungserbringern (sog Versorgungslücke) nachgewiesen ist. Ein solcher Nachweis ist nicht erbracht, wenn der Versicherte auf einen bestimmten Therapeuten fixiert ist und sich deshalb nicht um einen Therapieplatz bei den von der Krankenkasse vorgeschlagenen Behandlern bemüht.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.11.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Hypnosebehandlung bei einem nicht zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassenen Leistungserbringer.

Der am 29.06.1961 geborene und berentete Kläger wandte sich mit E-Mail vom 02.01.2012 an die Leitende Ärztin des MDK Bayern mit der Bitte um Mitteilung von Möglichkeiten einer Kostenübernahme für eine medizinische Hypnosetherapie. Die Leitende Ärztin wies in ihrer Antwort darauf hin, dass sie keine generelle Aussage zum Thema Hypnosebehandlung machen könne. Die Entscheidung über die Leistungsgewährung treffe die Krankenkasse. Der Kläger müsse zunächst die gewünschte Behandlung bei der Krankenkasse beantragen.

Mit E-Mail vom 31.01.2012 beantragte der Kläger mit Verweis auf ein Schreiben von Anfang Januar, das nicht bei der Beklagten eingegangen ist, die Kostenübernahme für eine medizinische Hypnoseheilbehandlung bei dem nicht zur vertragsärztlichen Behandlung zugelassenen Dr. N. P. (www.hypnose-doktor.de) in M ... Zur Begründung seines Antrags führte aus, dass er seit 28 Jahren einen extrem hartnäckigen Wasch- und Putzzwang habe. Insgesamt drei stationäre Klinikaufenthalte in den letzten 15 Jahren von einer jeweils zwei- bis dreimonatigen Dauer sowie weitere ambulante Therapien bis zum Jahr 2009 hätten nicht zur Reduzierung oder Heilung der Zwangskrankheit geführt. Da es sich bei ihm um einen besonders schweren Ausnahmefall handle und es ihm durch diese schwere Zwangskrankheit mittlerweile nicht mehr möglich sei, die Wohnung bzw das Grundstück zu verlassen, sehe er in einer Hypnosebehandlung die einzige Möglichkeit, sein Leben danach wieder halbwegs normal leben zu können. Dr. P. sei einer der renommiertesten Hypnosetherapeuten in Deutschland und verfüge über beste und langjährige Erfahrungen und Ausbildungen in Hypnose, Psychologie, Neurologie und Psychiatrie.

Der Beklagten lag eine fachärztliche Bescheinigung der Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Dr. N., vom 24.02.2012 vor. Darin beschrieb die Ärztin eine ambulante Behandlung von 1993 bis 2006 aufgrund einer Zwangsneurose. Durch die Therapie sei keine ausreichende und nachhaltige Besserung erreicht worden. Wegen der extremen Ausprägung der Zwangssymptomatik halte sie eine Hypnosetherapie für sinnvoll und erforderlich. Dr. S. vom MDK Bayern nahm am 19.04.2012 Stellung und befürwortete die Hypnosebehandlung nicht. Sie verwies auf eine alternative fachärztliche psychiatrische Behandlung stationär oder zumindest ambulant. Der Facharzt für Innere Medizin, Dr. R., nahm mit ärztlichem Zeugnis vom 21.05.2012 Stellung. Er führte aus, dass eine ärztliche Betreuung im Rahmen des Krankheitsbildes, welches querolatorische und egozentrische Züge beinhalte, scheitere. Da psychotherapeutische Maßnahmen eine wesentliche Änderung des Krankheitsbildes nicht ergeben hätten, werde die Bitte des Klägers zur Durchführung der Hypnosetherapie fachärztlich unterstützt.

Der MDK Bayern nahm mit sozialmedizinischem Gutachten vom 20.06.2012 erneut ablehnend Stellung. Die Beklagte teilte dem Kläger danach zunächst telefonisch mit, dass eine Kostenübernahme abgelehnt werde. Mit E-Mail vom 04.07.2012 erhob der Kläger Widerspruch und beantragte Akteneinsicht.

Mit Bescheid vom 24.07.2012 lehnte die Beklagte schließlich den Antrag auf Kostenübernahme für eine Hypnosebehandlung bei Dr. N. P. schriftlich ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Dr. P. kein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringer sei, so dass eine Übernahme der Behandlungskosten innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich sei. Die Beklagte fügte dem Bescheid eine Liste von zugelassenen Ärzten und Psychotherapeuten, die eine Genehmigung für Hypnose haben, bei. Sie führte zudem aus, dass die Prüfung, ob eine Hypnosebehandlung medizinisch indiziert sei, alleine dem Arzt/Psychotherapeuten obliege. Eine Kostenübernahme durch die Beklagte sei hierfür nicht erforderlich. Sofern die Hypnose medizinisch notwendig sei, werde die Behandlung direkt über die Chipkarte abgerechnet.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger mit E-Mail vom 10.08.2012 Widerspruch. Er habe die ersten vier Fachärzte der übersandten Liste kontaktiert. Diese Ärzte führten entweder keine Hypnosetherapie durch oder ein Termin sei frühestens im Februar 2013 zu bekommen. Er könne von der Krankenkasse die Behandlung durch einen privaten niedergelassenen Arzt bezahlt bekommen, wenn erst nach einer unzumutbaren Wartezeit von mehr als drei Monaten in seiner Nähe ein Therapieplatz angeboten werden könne. Der Kläger begehrte weiterhin die Genehmigung einer Hypnosebehandlung bei Dr. P ...

Mit Schreiben vom 28.08.2012 übersandte die Beklagte dem Kläger eine Liste von 27 Ärzten in dessen Wohnbereich, die Hypnose im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung anbieten. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2012 wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ua aus, dass aufgrund des Umstands, dass Dr. P. kein Vertragsbehandler sei, eine Genehmigung und Kostenübernahme der begehrten Behandlung nicht möglich sei. Der Widerspruchsstelle sei bewusst, dass die Suche nach einem geeigneten Behandler mit Schwierigkeiten verbunden sein könnte. Insbesondere könnten persönliche Wünsche und Besonderheiten, die terminliche Vorlieben, Entfernung zum Wohnort oder dem Arbeitsplatz, Geschlecht des Therapeuten und ähnliches aufgrund der beschränkten Verfügbarkeit von Vertragstherapeuten nicht immer vollständig berücksichtigt werden. Daraus erwecke aber kein Rechtsanspruch auf Kostenübernahme von Aufwendungen bei einem nicht an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt. Der Widerspruchsbescheid wurde am 05.10.2012 als einfacher Brief zur Post gegeben.

Gegen die Entscheidungen der Beklagten hat der Kläger am 7.11.2012 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben. Zur Begründung hat die Klägerbevollmächtigte auf die Begründungen des Klägers im Antrags- und Widerspruchsverfahren verwiesen und zusätzlich ausgeführt, dass ein absolutes Vertrauensverhältnis zu Dr. P. bestünde. Die von der Beklagten mitgeteilten Ärzte arbeiteten entweder nicht mit Hypnose, ihnen fehle es an entsprechender Erfahrung oder sie würden nur eine Hypnosetherapie in Verbindung mit Psychotherapie und Psychopharmaka anbieten. Der Kläger begehre jedoch eine reine medizinische Hypnosebehandlung. Die Therapie sei dringend erforderlich. Sie sei auch Gegenstand der Gesetzlichen Krankenversicherung und käme dem Wirtschaftlichkeitsgebot sehr entgegen. Im Übrigen liege ein Systemversagen vor.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass aus Ihrer Sicht eine Kostenübernahme auch im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung bezüglich eines Systemversagens nicht erfolgen könne. Eine Hypnosetherapie sei Bestandteil der psychosomatischen Grundversorgung gemäß der Psychotherapie-Richtlinie. Da diese im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vom Kläger noch nicht in Anspruch genommen worden sei, sei der Therapieweg auch nicht ausgeschöpft.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11.11.2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch auf Kostenübernahme schon daran scheitere, dass Dr. P. die generelle Qualifikation zur Ausübung der Heilkunde im Bereich der Psychotherapie fehle.

Gegen das am 28.11.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.12.2014 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er hat die Berufung nicht begründet. Der Senatsvorsitzende hat mit Schreiben vom 20.03.2015 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Verfahrensweise sei auf Grund des derzeitigen Sach- und Streitstandes beabsichtigt. Der Kläger erhalte Gelegenheit, zur Sache und zum beabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen. Zu diesem Schreiben hat sich der Kläger nicht geäußert. Die Beklagte hat ihr Einverständnis erklärt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 11.11.2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für eine Hypnosebehandlung bei Dr. P. zu übernehmen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Behandlung bei Dr. P ...

Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Kläger ist darauf hingewiesen worden, dass der Senat diese Verfahrensweise beabsichtigt und hat hierzu keine Stellung genommen.

Nach dem vom SGB V installierten Sach- und Dienstleistungssystem (§§ 2 Abs 2, 13 Abs 1 SGB V) dürfen Versicherte nur zugelassene Leistungserbringer (zu den Psychotherapeuten vgl §§ 95 ff SGB V) in Anspruch nehmen (§ 76 Abs 1 Satz 1 SGB V). Ein nicht zugelassener psychotherapeutischer Leistungserbringer kann zu Lasten der Krankenkasse nur nach Maßgabe des § 76 Abs 1 Satz 2 SGB V in Anspruch genommen werden. Danach kommt die notfallmäßige Inanspruchnahme nur dann in Betracht, wenn der Versicherte auf eine Akutbehandlung angewiesen und ein zugelassener Leistungserbringer zumutbar nicht erreichbar ist (siehe auch Senatsurteil vom 26.06.2012, L 11 KR 3528/11, sozialgerichtsbarkeit.de).

Zwar besitzt Dr. P. ausweislich seiner Internetseite entgegen der Ausführungen des Sozialgerichts die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut. Jedoch fehlt ihm die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Im Fall des Klägers lag auch kein Notfall vor, denn eine sofortige psychotherapeutische Behandlung war und ist nicht erforderlich. Dies zeigt sich schon an dem Umstand, dass die Zwangskrankheit seit 28 Jahren besteht und seit 2006 keine spezifische Behandlung mehr belegt ist. Eine Dekompensation oder akute Exazerbation wurde nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.

Für den Senat nicht nachgewiesen ist im vorliegenden Einzelfall eine Unterversorgung mit zugelassenen Leistungserbringern (sog Versorgungslücke), die ausnahmsweise den Kläger dazu berechtigen würde, auch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte hat dem Kläger eine Liste von über 20 in Frage kommenden Ärzten bzw. Therapeuten zur Verfügung gestellt, die eine psychosomatische Grundversorgung gemäß der Psychotherapie-Richtlinie anbieten. Eine Hypnosetherapie kann Bestandteil dieser psychosomatischen Grundversorgung sein (§ 11, 21b Psychotherapie-Richtlinie). Der Kläger hat sich jedoch nicht in zumutbarer Weise um einen diesbezüglichen Therapieplatz bemüht. Er hat sich z.B. trotz Hinweis des Kammervorsitzenden des Sozialgerichts Ulm noch nicht einmal in eine Warteliste eintragen lassen. Er hat sich vielmehr auf die Behandlung bei Dr. P. fokussiert und alternative Behandlungen bei zugelassenen Behandlern nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.

Das Argument des Klägers, die Hypnosebehandlung müsse wegen der Zwangsstörung am Stück (so bei Dr. P.) und nicht innerhalb von mehreren Terminen (Standardtherapie) nacheinander durchgeführt werden, ist nicht schlüssig. Denn der Kläger geht ausweislich den Ausführungen der Klägerbevollmächtigten im Schriftsatz vom 21.06.2013 wohl davon aus, dass zugleich mit der Hypnosetherapie mit einer sofortigen Besserung zu rechnen ist. Es erschließt sich dem Senat nicht, weshalb dies dann nicht bei einer Hypnosetherapie im Rahmen der psychosomatischen Grundversorgung bei einem zugelassenen Leistungserbringer der Fall sein sollte.

Da mögliche Therapieoptionen im Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung noch nicht ausgeschöpft sind, kommt eine Kostenübernahme auch nicht im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung bezüglich eines Systemversagens in Betracht.

Die Berufung hat deshalb unter keinem Gesichtspunkt Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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