Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 25 KR 438/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem Arbeitgeberwechsel anlässlich eines Betriebsübergangs im Sinne von § 613a BGB ist von einem Fortbestand der Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 2 SGB V, 229 Abs. 6 Satz 1 SGB VI, § 434i Satz 1SGB III auszugehen.
I. Der Bescheid vom 01.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2012 wird aufgehoben. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III. Der Streitwert wird auf 2.822,28 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Ergebnis einer Betriebsprüfung, insbesondere darüber, ob die Beigeladene zu 1. in dem Zeitraum vom 01.10.2006 bis 31.12.2009 versicherungspflichtig beschäftigt war.
Der Kläger und Herr Dr. H. sind persönlich haftende Gesellschafter der D. Finanz Repräsentanz Dr. H. und G. OHG (Im Folgenden: OHG). Die Geschäftsanschrift der OHG, die seit dem 22.02.1999 im Handelsregister eingetragen ist, lautete zuletzt "S.-Straße 39, 00000 D.". Die Beigeladene zu 1. war seit 1999 bei der OHG versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsentgelt betrug ab dem 01.06.1999 500,00 DM. Mit an die OHG gerichteten Schreiben vom 31.03.2003 bat die Beigeladene zu 1. um Bestandsschutz ihrer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung über den 31.03.2003 hinaus. Die OHG führte daraufhin weiter Beiträge zur Gesamtsozialversicherung für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1. ab. Zum 01.08.2005 meldete der Kläger ein Einzelgewerbe zum Gewerberegister an. Als Gewerbetätigkeit nannte er: "Selbstständiger Handelsvertreter für Einarbeitung und Coaching von Mitarbeitern, Geschäftspflege, freier Handelsvertreter für Versicherungen und Bausparen". Er übte diese Tätigkeit unter der Firma "G., D. Versicherung" unter der Adresse S.-Straße 39, 00000 D. aus. Die Beigeladene zu 1. war seit 2005 nicht mehr für die OHG tätig, sondern bei dem Kläger beschäftigt, der ein Unternehmen unter der Firma führte. Ausweislich der Gehaltsabrechnungen erhielt sie im streitgegenständlichen Zeitraum ein Gehalt in Höhe von 255,65 EUR monatlich. Unter Zugrundelegung dieses Monatsgehalts führte der Kläger Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, und Renten - und Arbeitslosenversicherung ab.
Die Beklagte führte vom 27.10.2010 bis zum 27.05.2011 eine Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum vom 01.10.2006 bis 31.12.2009 durch. Nach Anhörung erließ sie am 01.07.2011 den Bescheid über das Ergebnis der Betriebsprüfung, in dem sie einen Nachforderungsbetrag in Höhe von 2.822,28 EUR feststellte. Die Beigeladene zu 1. erhalte seit Beginn des Prüfzeitraums ein monatliches Arbeitsentgelt, das regelmäßig 400,00 EUR im Monat nicht übersteige, so dass ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nach § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vorliege. Auf Grund des Arbeitgeberwechsels (von der OHG in eine Einzelfirma) könne nicht von einem Bestandschutz nach § 7 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausgegangen werden. In der Anlage zum Bescheid berechnete die Beklagte die für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis zu zahlenden Pauschalbeiträge für die Kranken- und Rentenversicherung sowie die zu Unrecht gezahlten Pflichtversicherungsbeiträge. Die zu viel gezahlten Beiträge in Höhe von 4.101,24 EUR könnten anlässlich der Prüfung nicht erstattet und verrechnet werden. Der Kläger solle sich diesbezüglich an die zuständige Einzugsstelle wenden.
Mit seinem am 01.08.2011 eingelegten Widerspruch erklärte der Kläger, dass ein Arbeitgeberwechsel in Bezug auf die Beigeladene zu 1. nicht erfolgt sei. Er habe das Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1. fortgesetzt, nachdem er gezwungen gewesen sei, die OHG zu kündigen. Er habe die OHG in seiner Person in den gleichen Räumen fortgesetzt. Die ursprünglichen Vertragsverhältnisse, der Kundenstamm und die eingesetzten sachlichen Mittel seien ebenfalls bei ihm verblieben. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er mit, dass ein rechtsgeschäftlicher Übergang im Sinne einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den ehemaligen Gesellschaftern nicht erfolgt sei. Allerdings sei die Versicherungsagentur nach Beendigung der OHG am gleichen Standort mit den gleichen materiellen Betriebsmitteln tätig. Immaterielle Rechte der OHG hätten nicht bestanden. Die Geschäftstätigkeit der vormaligen OHG sei nicht unterbrochen worden. In die fortgeführte Einzelfirma seien die Kunden der OHG, soweit diese nicht einen anderen Willen geäußert hätten, übernommen worden. Auch seien mit einer Ausnahme sämtliche Arbeitnehmer übernommen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) habe nicht stattgefunden. Der Kläger habe keine Unterlagen zu einem formalen Betriebsübergang oder einem formalen Rechtsformwechsel vorgelegt. Zudem seien keine vertraglichen Vereinbarungen über einen rechtsgeschäftlichen Übergang vorgelegt worden.
Mit der am 23.07.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 SGB V seien gegeben, da die Beigeladene zu 1. in gleicher Beschäftigung weiter tätig gewesen sei. Er sei auf Grund einer internen Auseinandersetzung mit dem anderen Gesellschafter dazu gezwungen gewesen, die Gesellschaft zu kündigen. Dabei seien die ursprünglichen Räume, die ursprünglichen Vertragsverhältnisse, der ursprüngliche Kundenstamm und die sächlichen Mittel weitergenutzt worden. Die ursprünglichen Arbeitnehmer seien weiter beschäftigt worden. Ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB sei nicht möglich gewesen, da die ursprüngliche OHG lediglich aus zwei Gesellschaftern bestanden habe. Nach dem Ausscheiden des anderen Gesellschafters sei die Gesellschaft nicht mehr existent gewesen. Er habe in seiner Person sämtliche Geschäfte weitergeführt und die vorhandenen Einrichtungen und Kunden behalten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 01.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass aus den Abrechnungen der Brutto-/Nettobezüge ersichtlich ist, dass dort nicht mehr die OHG, sondern die Einzelfirma D. G. als Arbeitsgeber aufgeführt ist. Der Kläger habe auch keine Unterlagen zu einem Betriebsübergang vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird gemäß § 136 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Rechtsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen nach Satz 5 der Vorschrift im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken- Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Zu Unrecht hat die Beklagte festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt war. Zwar unterschritt das monatliche Arbeitsentgelt in Höhe von 255,65 EUR die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der jeweiligen Fassung genannte Grenze (bis 31.12.2012: 400,00 EUR), so dass grundsätzlich die Voraussetzungen für eine geringfügige Beschäftigung gegeben sind. Gemäß § 7 Abs. 2 SGB V bleiben jedoch Personen, die am 31.03.2003 nur in einer Beschäftigung versicherungspflichtig waren, die die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung nach den § 8, 8a des Vierten Buches erfüllt, und die nach dem 31.03.2003 nicht die Voraussetzungen für eine Versicherung nach § 10 erfüllen, in dieser Beschäftigung versicherungspflichtig. Gleichlautende Vorschriften finden sich für die Rentenversicherung in § 229 Abs. 6 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), für die Arbeitslosenversicherung in § 434i Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sowie für die Pflegeversicherung in § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) i.V.m. § 7 Abs. 2 SGB V. Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind erfüllt. Zwar ist es entgegen der Ansicht des Klägers zu einem Arbeitgeberwechsel gekommen. Die Beigeladene zu 1. war vor dem Jahr 2005 bei der OHG beschäftigt. Ab dem Jahr 2005 wurde sie durch den Kläger als Einzelunternehmer unter einer anderen Betriebsnummer beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde auch nicht mehr über die OHG, die im Übrigen bis heute fortbesteht und im Handelsregister eingetragen ist, abgerechnet. Die fortbestehende OHG und der Kläger sind zwei unterschiedliche Rechtssubjekte, so dass es zu einem Arbeitgeberwechsel gekommen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers war die OHG Arbeitgeber der Beigeladenen zu 1. und nicht er und sein Mitgesellschafter als Einzelpersonen. Auch wenn die OHG keine juristische Person ist, sind nicht die gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter Zuordnungsobjekt für die Rechte und Pflichten, die die Gesellschaft betreffen. Es ist vielmehr die Gesamthand selbst als ein von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt, die Trägerin dieser Rechte und Pflichten ist. Sie handelt als Organisationseinheit im Rechtsverkehr durch ihre Organe (Haas in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 105 HGB, Rdnr. 6, m.w.N.). Arbeitgeber ist damit die OHG als Gesamthand und nicht die einzelnen Gesellschafter. Durch die Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 1, durch den Kläger ist es daher ab dem Jahr 2005 zu einem Arbeitgeberwechsel gekommen.
Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass gleichwohl von einer Fortsetzung "dieser" Beschäftigung im Sinne der vorgenannten Bestandsschutzvorschriften auszugehen ist, weil ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB stattgefunden hat. Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB lässt den neuen Arbeitgeber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis eintreten. Die Vorschrift richtet sich zwar an die Parteien des Arbeitsrechtsverhältnisses. Zu den "Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis" gehört jedoch auch, dass die ursprünglichen Vertragsparteien ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vereinbart haben, das als solches Bestandsschutz nach den hier maßgeblichen Vorschriften genießt. Der übernehmende Arbeitgeber tritt in dieses Arbeitsverhältnis ein, so dass von "dieser" Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 2 SGB V, 229 Abs. 6 Satz 1 SGB VI, § 434i Satz 1 SGB III und § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 7 Abs. 2 SGB V auszugehen ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat hier ein Betriebsübergang stattgefunden. Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, sind sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen. Zu diesen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang materieller Betriebsmittel, wie Gebäude und bewegliche Güter, sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit (vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2007, Az. 8 AZR 917/06, juris, Rdnr. 28). Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass ein Betriebsübergang im vorgenannten Sinne stattgefunden hat. Nach glaubhafter Angabe des Klägers hat er am gleichen Standort dieselbe Tätigkeit mit den gleichen Vertragspartnern, dem gleichen Kundenstamm und im Wesentlichen gleicher Belegschaft mit den gleichen sächlichen Betriebsmitteln ohne Unterbrechung weitergeführt. Die entsprechenden Angaben des Klägers sind glaubhaft. Auch wenn der Kläger keine schriftliche Vereinbarung über die Weiterführung des Unternehmens durch seine Person als Einzelunternehmen vorlegen konnte, ist auch das Tatbestandsmerkmal "durch Rechtsgeschäft" im Sinne von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt. Das Tatbestandsmerkmal des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB "Übergehen durch Rechtsgeschäft” ist weit zu verstehen. Der Begriff "Rechtsgeschäft” erfasst alle Fälle einer Fortführung der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen vertraglicher und sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen, ohne dass unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen (vgl. BAG, a.a.O., Rdnr. 30 m. w. N.) Durch dieses Tatbestandsmerkmal werden vor allem die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge und der Übertragung auf Grund eines Hoheitsaktes von der Anwendbarkeit des § 613a BGB ausgeschlossen. Ein Betriebsübergang setzt auch nicht die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes voraus. Für die Annahme eines Betriebsüberganges ist der tatsächliche Übergang und die Nutzung der wesentlichen Betriebsmittel entscheidend (BAG, a.a.O.). Im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des BAG ist vorliegend damit von einem Betriebsübergang auszugehen, da der Betrieb tatsächlich übergegangen ist und dies von der vormaligen Inhaberin, der OHG, geduldet worden ist.
Nach alledem ist von einem Fortbestehen der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne der oben genannten Bestandsschutzvorschriften auszugehen, so dass die Beklagte zu Unrecht die Pflichtbeiträge beanstandet und Pauschalbeiträge für eine geringfügige nachgefordert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über das Ergebnis einer Betriebsprüfung, insbesondere darüber, ob die Beigeladene zu 1. in dem Zeitraum vom 01.10.2006 bis 31.12.2009 versicherungspflichtig beschäftigt war.
Der Kläger und Herr Dr. H. sind persönlich haftende Gesellschafter der D. Finanz Repräsentanz Dr. H. und G. OHG (Im Folgenden: OHG). Die Geschäftsanschrift der OHG, die seit dem 22.02.1999 im Handelsregister eingetragen ist, lautete zuletzt "S.-Straße 39, 00000 D.". Die Beigeladene zu 1. war seit 1999 bei der OHG versicherungspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsentgelt betrug ab dem 01.06.1999 500,00 DM. Mit an die OHG gerichteten Schreiben vom 31.03.2003 bat die Beigeladene zu 1. um Bestandsschutz ihrer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung über den 31.03.2003 hinaus. Die OHG führte daraufhin weiter Beiträge zur Gesamtsozialversicherung für ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1. ab. Zum 01.08.2005 meldete der Kläger ein Einzelgewerbe zum Gewerberegister an. Als Gewerbetätigkeit nannte er: "Selbstständiger Handelsvertreter für Einarbeitung und Coaching von Mitarbeitern, Geschäftspflege, freier Handelsvertreter für Versicherungen und Bausparen". Er übte diese Tätigkeit unter der Firma "G., D. Versicherung" unter der Adresse S.-Straße 39, 00000 D. aus. Die Beigeladene zu 1. war seit 2005 nicht mehr für die OHG tätig, sondern bei dem Kläger beschäftigt, der ein Unternehmen unter der Firma führte. Ausweislich der Gehaltsabrechnungen erhielt sie im streitgegenständlichen Zeitraum ein Gehalt in Höhe von 255,65 EUR monatlich. Unter Zugrundelegung dieses Monatsgehalts führte der Kläger Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege-, und Renten - und Arbeitslosenversicherung ab.
Die Beklagte führte vom 27.10.2010 bis zum 27.05.2011 eine Betriebsprüfung über den Prüfzeitraum vom 01.10.2006 bis 31.12.2009 durch. Nach Anhörung erließ sie am 01.07.2011 den Bescheid über das Ergebnis der Betriebsprüfung, in dem sie einen Nachforderungsbetrag in Höhe von 2.822,28 EUR feststellte. Die Beigeladene zu 1. erhalte seit Beginn des Prüfzeitraums ein monatliches Arbeitsentgelt, das regelmäßig 400,00 EUR im Monat nicht übersteige, so dass ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nach § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) vorliege. Auf Grund des Arbeitgeberwechsels (von der OHG in eine Einzelfirma) könne nicht von einem Bestandschutz nach § 7 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausgegangen werden. In der Anlage zum Bescheid berechnete die Beklagte die für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis zu zahlenden Pauschalbeiträge für die Kranken- und Rentenversicherung sowie die zu Unrecht gezahlten Pflichtversicherungsbeiträge. Die zu viel gezahlten Beiträge in Höhe von 4.101,24 EUR könnten anlässlich der Prüfung nicht erstattet und verrechnet werden. Der Kläger solle sich diesbezüglich an die zuständige Einzugsstelle wenden.
Mit seinem am 01.08.2011 eingelegten Widerspruch erklärte der Kläger, dass ein Arbeitgeberwechsel in Bezug auf die Beigeladene zu 1. nicht erfolgt sei. Er habe das Arbeitsverhältnis mit der Beigeladenen zu 1. fortgesetzt, nachdem er gezwungen gewesen sei, die OHG zu kündigen. Er habe die OHG in seiner Person in den gleichen Räumen fortgesetzt. Die ursprünglichen Vertragsverhältnisse, der Kundenstamm und die eingesetzten sachlichen Mittel seien ebenfalls bei ihm verblieben. Auf Nachfrage der Beklagten teilte er mit, dass ein rechtsgeschäftlicher Übergang im Sinne einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den ehemaligen Gesellschaftern nicht erfolgt sei. Allerdings sei die Versicherungsagentur nach Beendigung der OHG am gleichen Standort mit den gleichen materiellen Betriebsmitteln tätig. Immaterielle Rechte der OHG hätten nicht bestanden. Die Geschäftstätigkeit der vormaligen OHG sei nicht unterbrochen worden. In die fortgeführte Einzelfirma seien die Kunden der OHG, soweit diese nicht einen anderen Willen geäußert hätten, übernommen worden. Auch seien mit einer Ausnahme sämtliche Arbeitnehmer übernommen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) habe nicht stattgefunden. Der Kläger habe keine Unterlagen zu einem formalen Betriebsübergang oder einem formalen Rechtsformwechsel vorgelegt. Zudem seien keine vertraglichen Vereinbarungen über einen rechtsgeschäftlichen Übergang vorgelegt worden.
Mit der am 23.07.2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 SGB V seien gegeben, da die Beigeladene zu 1. in gleicher Beschäftigung weiter tätig gewesen sei. Er sei auf Grund einer internen Auseinandersetzung mit dem anderen Gesellschafter dazu gezwungen gewesen, die Gesellschaft zu kündigen. Dabei seien die ursprünglichen Räume, die ursprünglichen Vertragsverhältnisse, der ursprüngliche Kundenstamm und die sächlichen Mittel weitergenutzt worden. Die ursprünglichen Arbeitnehmer seien weiter beschäftigt worden. Ein rechtsgeschäftlicher Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB sei nicht möglich gewesen, da die ursprüngliche OHG lediglich aus zwei Gesellschaftern bestanden habe. Nach dem Ausscheiden des anderen Gesellschafters sei die Gesellschaft nicht mehr existent gewesen. Er habe in seiner Person sämtliche Geschäfte weitergeführt und die vorhandenen Einrichtungen und Kunden behalten.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 01.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2012 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass aus den Abrechnungen der Brutto-/Nettobezüge ersichtlich ist, dass dort nicht mehr die OHG, sondern die Einzelfirma D. G. als Arbeitsgeber aufgeführt ist. Der Kläger habe auch keine Unterlagen zu einem Betriebsübergang vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird gemäß § 136 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
Rechtsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheides ist § 28p Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Die Träger der Rentenversicherung erlassen nach Satz 5 der Vorschrift im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken- Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Zu Unrecht hat die Beklagte festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. im streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt war. Zwar unterschritt das monatliche Arbeitsentgelt in Höhe von 255,65 EUR die in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV in der jeweiligen Fassung genannte Grenze (bis 31.12.2012: 400,00 EUR), so dass grundsätzlich die Voraussetzungen für eine geringfügige Beschäftigung gegeben sind. Gemäß § 7 Abs. 2 SGB V bleiben jedoch Personen, die am 31.03.2003 nur in einer Beschäftigung versicherungspflichtig waren, die die Merkmale einer geringfügigen Beschäftigung nach den § 8, 8a des Vierten Buches erfüllt, und die nach dem 31.03.2003 nicht die Voraussetzungen für eine Versicherung nach § 10 erfüllen, in dieser Beschäftigung versicherungspflichtig. Gleichlautende Vorschriften finden sich für die Rentenversicherung in § 229 Abs. 6 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), für die Arbeitslosenversicherung in § 434i Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sowie für die Pflegeversicherung in § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) i.V.m. § 7 Abs. 2 SGB V. Die Voraussetzungen der genannten Vorschriften sind erfüllt. Zwar ist es entgegen der Ansicht des Klägers zu einem Arbeitgeberwechsel gekommen. Die Beigeladene zu 1. war vor dem Jahr 2005 bei der OHG beschäftigt. Ab dem Jahr 2005 wurde sie durch den Kläger als Einzelunternehmer unter einer anderen Betriebsnummer beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde auch nicht mehr über die OHG, die im Übrigen bis heute fortbesteht und im Handelsregister eingetragen ist, abgerechnet. Die fortbestehende OHG und der Kläger sind zwei unterschiedliche Rechtssubjekte, so dass es zu einem Arbeitgeberwechsel gekommen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers war die OHG Arbeitgeber der Beigeladenen zu 1. und nicht er und sein Mitgesellschafter als Einzelpersonen. Auch wenn die OHG keine juristische Person ist, sind nicht die gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter Zuordnungsobjekt für die Rechte und Pflichten, die die Gesellschaft betreffen. Es ist vielmehr die Gesamthand selbst als ein von den Gesellschaftern verschiedenes Rechtssubjekt, die Trägerin dieser Rechte und Pflichten ist. Sie handelt als Organisationseinheit im Rechtsverkehr durch ihre Organe (Haas in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, § 105 HGB, Rdnr. 6, m.w.N.). Arbeitgeber ist damit die OHG als Gesamthand und nicht die einzelnen Gesellschafter. Durch die Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zu 1, durch den Kläger ist es daher ab dem Jahr 2005 zu einem Arbeitgeberwechsel gekommen.
Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass gleichwohl von einer Fortsetzung "dieser" Beschäftigung im Sinne der vorgenannten Bestandsschutzvorschriften auszugehen ist, weil ein Betriebsübergang im Sinne von § 613a BGB stattgefunden hat. Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB lässt den neuen Arbeitgeber in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnis eintreten. Die Vorschrift richtet sich zwar an die Parteien des Arbeitsrechtsverhältnisses. Zu den "Rechten und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis" gehört jedoch auch, dass die ursprünglichen Vertragsparteien ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vereinbart haben, das als solches Bestandsschutz nach den hier maßgeblichen Vorschriften genießt. Der übernehmende Arbeitgeber tritt in dieses Arbeitsverhältnis ein, so dass von "dieser" Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 2 SGB V, 229 Abs. 6 Satz 1 SGB VI, § 434i Satz 1 SGB III und § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 7 Abs. 2 SGB V auszugehen ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat hier ein Betriebsübergang stattgefunden. Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Ob ein im Wesentlichen unveränderter Fortbestand der organisierten Gesamtheit "Betrieb" bei dem neuen Inhaber anzunehmen ist, richtet sich nach den Umständen des konkreten Falles. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit übergegangen ist, sind sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen. Zu diesen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebes, der Übergang materieller Betriebsmittel, wie Gebäude und bewegliche Güter, sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Betriebstätigkeit (vgl. BAG, Urteil vom 25.10.2007, Az. 8 AZR 917/06, juris, Rdnr. 28). Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass ein Betriebsübergang im vorgenannten Sinne stattgefunden hat. Nach glaubhafter Angabe des Klägers hat er am gleichen Standort dieselbe Tätigkeit mit den gleichen Vertragspartnern, dem gleichen Kundenstamm und im Wesentlichen gleicher Belegschaft mit den gleichen sächlichen Betriebsmitteln ohne Unterbrechung weitergeführt. Die entsprechenden Angaben des Klägers sind glaubhaft. Auch wenn der Kläger keine schriftliche Vereinbarung über die Weiterführung des Unternehmens durch seine Person als Einzelunternehmen vorlegen konnte, ist auch das Tatbestandsmerkmal "durch Rechtsgeschäft" im Sinne von § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB erfüllt. Das Tatbestandsmerkmal des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB "Übergehen durch Rechtsgeschäft” ist weit zu verstehen. Der Begriff "Rechtsgeschäft” erfasst alle Fälle einer Fortführung der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen vertraglicher und sonstiger rechtsgeschäftlicher Beziehungen, ohne dass unmittelbare Vertragsbeziehungen zwischen dem bisherigen Inhaber und dem Erwerber bestehen müssen (vgl. BAG, a.a.O., Rdnr. 30 m. w. N.) Durch dieses Tatbestandsmerkmal werden vor allem die Fälle der Gesamtrechtsnachfolge und der Übertragung auf Grund eines Hoheitsaktes von der Anwendbarkeit des § 613a BGB ausgeschlossen. Ein Betriebsübergang setzt auch nicht die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes voraus. Für die Annahme eines Betriebsüberganges ist der tatsächliche Übergang und die Nutzung der wesentlichen Betriebsmittel entscheidend (BAG, a.a.O.). Im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des BAG ist vorliegend damit von einem Betriebsübergang auszugehen, da der Betrieb tatsächlich übergegangen ist und dies von der vormaligen Inhaberin, der OHG, geduldet worden ist.
Nach alledem ist von einem Fortbestehen der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne der oben genannten Bestandsschutzvorschriften auszugehen, so dass die Beklagte zu Unrecht die Pflichtbeiträge beanstandet und Pauschalbeiträge für eine geringfügige nachgefordert hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
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