L 6 R 2008/11

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 16 R 1009/10
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 2008/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 18. Oktober 2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Juli 2009 bis 30. September 2013 streitig.

Der 1950 geborene Kläger absolvierte vom 1. September 1965 bis 31. Juli 1967 eine Ausbildung zum Maurerhelfer und war danach laut Sozialversicherungsausweis zunächst als Maurerhelfer, ab 17. Dezember 1968 als Maurer, Bohrarbeiter und Tiefbaufacharbeiter tätig. Ab Januar 1977 arbeitete er wieder als Maurer in verschiedenen Betrieben, ab 1991 unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit. Vom 1. Mai 1999 bis 31. Januar 2001 war er laut Arbeitsbescheinigung nach § 312 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) als Elektrohelfer bei der Firma E.-T. beschäftigt. Vom 1. April 2002 bis 30. November 2007 arbeitete er als Maurer bei dem A.-A. J. B. Zuletzt war er vom 18. Februar 2008 bis 13. September 2009 bei der C. B. GbR beschäftigt. Nach der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III handelte es sich um eine Tätigkeit als Hof- und Lagerarbeiter. In einem Schreiben des Arbeitgebers vom 9. Februar 2009 wird die ausgeübte Tätigkeit als Bauhelfertätigkeit bezeichnet. Laut Arbeitgeberauskunft vom 23. Juni 2009 sollte der Kläger im Betrieb als Betriebsmaurer eingesetzt und mit Abriss- und Reparaturarbeiten, Hof- und Lagerarbeiten sowie Aufräumarbeiten auf dem Firmengelände betraut werden. Am 17. März 2008 erlitt er einen Arbeitsunfall. Seit dem 29. April 2008 bezog er Krankengeld, vom 14. September 2009 bis 26. August 2011 Arbeitslosengeld. Seit 1. Oktober 2013 bezieht er Altersrente für langjährig Versicherte.

Im Juni 2009 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog verschiedene Befundberichte mit entsprechenden Anlagen bei und holte ein orthopädisches Gutachten des Dr. Sch. vom 26. August 2009 ein (Diagnosen auf orthopädischem Fachgebiet: Zustand nach ostheosynthetisch versorgter Acetabulumfraktur links im Zusammenhang mit einem Polytrauma vom 17. März 2008 mit einer verbliebenen Funktionslimitierung im linken Hüftgelenk sowie einer diesbezüglich fortbestehenden Belastbarkeitseinbuße, Zustand nach ostheosynthetisch versorgter Schrägfraktur links mit Materialentfernung im März 2009 und endgradigen Einschränkung der Bewegungsamplituden des linken Schultergelenkkomplexes und einer in diesem Zusammenhang reduzierten Belastbarkeit, Residualzustand nach mittels Zuggurtungsostheosynthese ostheosynthetisch versorgter offener Trümmerfraktur des linken Oleokranon mit einem resultierenden Streckdefizit von 10°, einer endgradigen Beugebehinderung sowie einer im Seitenvergleich leicht eingeschränkten Unterarmwendebewegung und einer dadurch etwas verminderten Belastbarkeit, Chondropathie patellae rechts als isolierte Degeneration des Gelenkknorpels der Kniescheibe meist als Arthrosevorstufe bei noch kaum eingeschränkter Kniegelenkfunktion; Leistungsbild: leichte, zeitweise mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen mit Möglichkeiten zu einem gelegentlichen Wechsel der Körperposition unter Berücksichtigung zusätzlicher Funktionseinschränkungen für mehr als sechs Stunden arbeitstäglich unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen). Mit Bescheid vom 30. September 2009 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab. Im Widerspruchsverfahren zog sie die medizinischen Unterlagen der BG Bau zum Arbeitsunfall im Jahr 2008 bei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. Februar 2010 zurück. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, weil vom Hauptberuf des Betriebshandwerkers auszugehen sei und der Kläger in die Gruppe der Angelernten im unteren Bereich einzuordnen und auf Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sei.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) u.a. ein orthopädisches Gutachten des Dipl.-Med. A. vom 2. Dezember 2010 eingeholt. Danach bestehen auf orthopädischem Fachgebiet eine leichte Funktions- und Belastungseinschränkung der linken Hüfte nach erlittener Acetabulumfraktur und operativer Stabilisierung, eine leichte Funktions- und Belastungseinschränkung des linken Ellenbogengelenkes nach erlittener Olecranotrümmerfraktur und ostheosynthetischer Versorgung, eine leichte Funktions- und Belastungseinschränkung der linken Schulter nach erlittener Humerusschaftfraktur und ostheosynthetischer Versorgung sowie postoperativ entstandenem Impingementsyndrom sowie ein Zustand nach Arthroskopie im April 2010. Weitere schwerwiegende Erkrankungen auf anderen Fachgebieten ergäben sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht. Der Kläger könne dauerhaft nur noch leichte Arbeiten unter Beachtung zusätzlicher Einschränkungen acht Stunden täglich ausführen. Einschränkungen der Wegefähigkeit bestünden nicht. Der Kläger könne eine Tätigkeit als Mitarbeiter einer Poststelle oder als Warenauf- und Versandfertigmacher entsprechend dem Gutachten der berufskundlichen Sachverständigen J. vom 25. Dezember 2000 ausüben. Das SG hat eine weitere Arbeitgeberauskunft der C. B. GbR vom 30. März 2011 eingeholt, wonach der Kläger zu 75 v.H. Maurer-, Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten an Gebäuden auf dem Firmengelände und zu 25 v.H. Lager- und Hofarbeiten/Aufräumarbeiten ausübte. Ein Ungelernter hätte aufgrund der "Produktvielfalt" mindestens ein Jahr angelernt werden müssen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat der Kläger erklärt, er habe bei der C. B. GbR hauptsächlich Maurer-, Putz- und Isolierarbeiten gemacht. Er habe aber auch Pflasterarbeiten, Baustellenräumung mit dem Radlader und Lagerarbeiten durchgeführt oder sei LKW gefahren. Das SG hat den Mitarbeiter der C. B. GbR E. W. als Zeugen vernommen. Bezüglich seiner Aussage wird auf die Niederschrift des SG vom 18. Oktober 2011 Bezug genommen. Mit Urteil vom 18. Oktober 2011 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 30. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Februar 2010 verurteilt, dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Juli 2009 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Der Kläger sei aufgrund seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Maurer bei der C. B. GbR als Facharbeiter einzustufen.

Im Berufungsverfahren macht die Beklagte geltend, mit dem Abschluss der achten Klasse sei in der ehemaligen DDR bei der hier zurückgelegten Lehrzeit lediglich der Abschluss in Teilgebieten eines Berufsbildes (Teilfacharbeiter) vorgesehen gewesen. Mit dem behaupteten Abschluss könne der Kläger auch nur über eine Teilausbildung im Berufsbild als Maurer verfügen. Die maßgebliche Tätigkeit als Betriebshandwerker sei nicht mit dem Beruf eines Maurers gleichzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 18. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er sei seit Abschluss seiner Ausbildung fast ununterbrochen als Maurer qualifiziert tätig gewesen. Er habe Lehrgänge im Bereich Hoch-, Trocken- und Tiefbau absolviert und in diesen Bereichen jahrzehntelang qualifiziert gearbeitet. Er verfüge über sämtliche praktischen und theoretischen Kenntnisse eines qualifizierten Maurers und sei als Betriebshandwerker bei der C. B. GbR eingestellt worden.

Der Senat hat den Beteiligten die Auskünfte des Bundesverbandes der Wach- und Sicher-heitsunternehmen vom 20. Dezember 2007, 31. März 2008 und 1. Juni 2011 zur Kenntnisnahme übersandt sowie einen Befundbericht des Dr. B. vom 8. Oktober 2014 mit Anlagen und eine ergänzende Stellungnahme des Dipl.-Med. A. vom 6. November 2014 eingeholt. Danach ist der Kläger weiterhin in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich auch als Pförtner an der Nebenpforte auszuüben.

Die Berichterstatterin des Senats hat im Erörterungstermin am 13. Dezember 2013 den Inhaber der C. B. GbR, M. C., als Zeugen vernommen. Bezüglich seiner Aussage wird auf die Niederschrift Bezug genommen. Der Senat hat zusätzlich die Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit beigezogen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozess- und der beigezogenen Ver-waltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet; der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist allein diese Rentengewährung.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch Versicherte bis zum Erreichen der Regelal-tersgrenze, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten nach denen ihre Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Definition der Berufsunfähigkeit in § 240 Abs. 2 SGB VI entspricht der in § 43 Abs. 2 SGB VI in der Fassung vor dem 1. Januar 2001 mit dem Unterschied, dass nunmehr auf ein Herabsinken auf weniger als sechs Stunden abgestellt wird. Die bisherige Auslegung und Rechtsprechung zur Berufsunfähigkeit gilt bei der Neuregelung weiter (vgl. u.a. Senatsurteil vom 26. Juli 2004 - Az.: L 6 RJ 301/03). Danach liegt Berufsunfähigkeit nicht schon vor, wenn der Versicherte seinen "bisherigen Beruf" nicht mehr ausüben kann, sondern erst dann wenn eine Verweisung auf eine zumutbare andere Tätigkeit nicht mehr möglich ist. Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit wird grundsätzlich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes festgestellt, wozu die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das sogenannte Mehrstufenschema entwickelt hat. Die verschiedenen Stufen sind nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufes - dieser wird nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht anhand von Prestige oder Entlohnung bestimmt - hierarchisch geordnet (vgl. BSG, Urteile vom 14. Mai 1996 - Az.: 4 RA 60/94 in BSGE 78, 207, 218 und vom 24. März 1998 - Az.: B 4 RA 44/96 R, nach juris). Die Arbeiterberufe werden durch das Mehrstufenschema in Gruppen untergliedert, die durch den Leitberuf des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert werden (vgl. BSG, Urteil vom 3. November 1994 - Az.: 13 RJ 77/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 49). Im Rahmen der sozialen Zumutbarkeit kann auf eine Tätigkeit der jeweils nächst niedrigeren Gruppe verwiesen werden.

Die Einordnung des Berufes in eine bestimmte Stufe des Berufsschemas erfolgt nicht aus-schließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, sondern auch nach der Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt dem aus der Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnden Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 - Az.: 13 RJ 35/93 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Es kommt somit auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufes, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird. Auch wenn in einem Beruf der herkömmliche Ausbildungsweg nicht durchlaufen wurde, besteht ein entsprechender Berufsschutz, wenn er nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt wurde, der Versicherte über die für die Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten verfügt und sich dies auch in einer entsprechenden Bezahlung bzw. tariflichen oder tarifvertraglichen Einstufung widerspiegelt (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - Az.: B 13 RJ 29/04 R, nach juris). Die bloße Ausübung von Facharbeitertätigkeiten in einem Teilbereich reicht grundsätzlich nur für eine Einstufung als angelernter Arbeiter aus, auch wenn die Entlohnung im Einzelfall derjenigen eines Facharbeiters entsprochen haben sollte (vgl. BSG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - Az.: B 5 RJ 28/99 R m.w.N., nach juris).

Der Kläger ist aufgrund der zuletzt auf Dauer ausgeübten Tätigkeit bei der C. B. GbR allenfalls als Angelernter oberen Ranges einzustufen. Er absolvierte in der DDR nach Abschluss der 8. Klasse eine 23 Monate dauernde Berufsausbildung zum Maurerhelfer. Soweit er vorgetragen hat, er habe sich dann zum Maurer fortgebildet, hat er hierfür keinen Nachweis vorgelegt. Allerdings können auch ohne die vorgeschriebene Ausbildung durch langjährige Berufstätigkeit die für die Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten erworben werden. Der Kläger hat seit 1968 unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit und der jedenfalls so bescheinigten Tätigkeit als Elektrohelfer vom 1. Mai 1999 bis 31. Januar 2001 als Maurer, auch bei Bauunternehmen gearbeitet. Letztendlich bedarf es hier aber keiner Entscheidung darüber, ob der Kläger die Tätigkeit als Maurer wettbewerbsfähig ausüben konnte. Aufgrund der zuletzt bei der C. B. GbR ausgeübten Tätigkeit wäre er nur dann in die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzustufen, wenn es sich dabei ihrer Art nach um eine Facharbeitertätigkeit handelte (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 1993 - Az.: 13 RJ 37/92, nach juris). Hiervon konnte sich der Senat nicht überzeugen.

Der Kläger wurde nicht für den Kernbereich der Geschäftstätigkeit der C. B. GbR - (Brunnen-) Bohrungen sowie die Installation und der Betrieb von Grundwasserabsenkung (vgl. ) - eingestellt. Nach den Angaben des Arbeitgebers in den Auskünften vom 23. Juni 2009 und 30. März 2011 führte er Maurer-, Abriss- und Reparaturarbeiten auf dem Betriebsgelände sowie Hof- und Lagerarbeiten aus, wobei die Maurer-, Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten an Gebäuden laut der Auskunft vom 30. März 2011 75 v.H. betrugen. Anlass für seine Einstellung war der Umbau des Betriebsgeländes. Nach der unbestrittenen Aussage der Zeugen C. im Erörterungstermin am 13. Dezember 2013 wurden ehemalige Tierställe in Lagerhallen, Bürogebäude und Werkstätten umgebaut oder abgerissen. Die Gebäude wurden komplett entkernt und neu verputzt; es wurden Mauern eingezogen und Fenster neu eingesetzt. Neben dem Kläger war ein weiterer Maurer für den Umbau der Gebäude eingestellt worden. Der Kläger sei hauptsächlich als Maurer, Putzer, Fliesenleger, also als Betriebshandwerker im Betrieb tätig gewesen. Der Arbeitgeber habe jemanden gebraucht, der alle Bereiche abdecken konnte. Diese Tätigkeitsbeschreibung entspricht im Wesentlichen den Angaben des Klägers, wonach er Pflasterarbeiten, Putz- und Maurerarbeiten, Grundierungstätigkeiten und Isolierungsarbeiten, Baustellenräumungsarbeiten, Fahrtätigkeiten und auch Lagertätigkeiten ausgeführt hat. Nach Aussage des Zeugen W. war er als Hofhandwerker eingestellt. Die sogenannte Hoftruppe habe Auflade- und Entladetätigkeiten und handwerkliche Sachen ausgeführt ebenso wie Putz- und Malerarbeiten, eben alles, was beim Umbau der Hallen angefallen sei.

Aus den Arbeitgeberauskünften und der Aussage der Zeugen ergibt sich kein eindeutiges Bild für eine Facharbeitertätigkeit. Deshalb ist auch die tarifliche Einstufung des Klägers ergänzend zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die individuelle Eingruppierung des Versicherten in eine für Facharbeiter vorgesehene Stufe ein Indiz für einen entsprechenden Qualitätsgrad der geleisteten Arbeit (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 1993, a.a.O). Da es sich nur um ein widerlegbares Indiz handelt, bleiben jedenfalls eindeutig unterwertige Eingruppierungen durch die letzten Arbeitgeber im Rahmen der rentenversicherungsrechtlichen Bewertung des bisherigen Berufes unberücksichtigt. Es wird davon ausgegangen, dass die abstrakte - "tarifvertragliche" - Einstufung der einzelnen, in der Tarifgruppe genannten Tätigkeiten in der Regel auf deren Qualität beruht. Demgemäß lässt die abstrakte (tarifvertragliche) Einordnung einer bestimmten Berufstätigkeit in eine Tarifgruppe, in der auch Facharbeiter eingeordnet sind, in der Regel den Schluss zu, dass diese Berufstätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrags als Facharbeitertätigkeit zu qualifizieren ist. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten dann, wenn die Einstufung durch qualitätsfremde Merkmale bestimmt ist (vgl. BSG, Urteil vom 20. Juli 2005 - Az.: B 13 RJ 29/04 R, nach juris).

Der Kläger wurde bei der C. B. GbR nicht wie ein Facharbeiter entlohnt. Er erhielt in der Probezeit einen Stundenlohn von 8,50 EUR. Anwendbar ist der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV, vgl. § 1 Abschnitt V) in der Fassung vom 20. August 2007. Die Entlohnung lag unterhalb des seit dem 1. September 2007 geltenden Mindestlohnes für die Lohngruppen 1 und 2 - bei denen es sich nicht um Facharbeiterlohngruppen handelt - in Höhe von 9,00 EUR bzw. 9,80 EUR. Er wurde damit nicht nach der Lohngruppe entlohnt, in der Facharbeiter mit einer dreijährigen Ausbildung (Stufenausbildung in der zweiten Stufe) genannt werden. Eine eindeutig unterwertige Eingruppierung mit der Konsequenz, dass der Kläger tatsächlich nach den Facharbeiterlohngruppen (Lohngruppe 3 bzw. Lohngruppe 4 BRTV) zu entlohnen gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. Nach § 5 BRTV ist jeder Arbeitnehmer unter Beachtung des § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes in eine der Lohngruppe 1 bis 6 einzugruppieren. Für die Eingruppierung sind seine Ausbildung, seine Fertigkeiten und Kenntnisse sowie die von ihm auszuübende Tätigkeit maßgebend. Führt ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten gleichzeitig aus, die in verschiedenen Gruppen genannt sind, wird er in diejenige Gruppe eingruppiert, die seiner überwiegenden Tätigkeit entspricht. Der Kläger selbst hat seiner Eingruppierung nicht widersprochen. Unabhängig von seiner Ausbildung und seinen Fertigkeiten und Kenntnissen sprechen seine Angaben und die Angaben der Zeugen bezüglich der ausgeführten Tätigkeiten nicht eindeutig dafür, dass er in einer Facharbeiterlohngruppe einzugruppieren gewesen wäre, denn zu seinen Aufgaben gehörten jedenfalls auch Arbeiten, die in den Lohngruppen 1 und 2 erfasst werden. Die Lohngruppe 1 (Werker/Maschinenwerker) umfasst einfache Bau- und Montagearbeiten nach Anweisung, einfache Wartungs- und Pflegearbeiten an Baumaschinen und Geräten nach Anweisung. Als Tätigkeitsbeispiele werden u.a. Reinigungs- und Aufräumarbeiten, Helfen beim Einrichten, Sichten und Räumen von Baustellen genannt. Die hier durchgeführten Aufräumarbeiten dürften der Lohngruppe 1 entsprechen. Die Lohngruppe 2 umfasst fachlich begrenzte Arbeiten (Teilleistungen eines Berufsbildes oder angelernte Spezialtätigkeiten) nach Anweisung; als Regelqualifikation kommt u.a. die baugewerbliche Stufenausbildung in der ersten Stufe in Betracht. Als Tätigkeitsbeispiele werden u.a. genannt Fertigteilbauer (Herstellen, Abbau und Wartung von Form- und Rahmenkonstruktionen für Fertigteile, Einlegen oder Einbauen von Bewehrungen oder Einbauteilen, Herstellen von Verbundbauteilen, Fertigstellen und Nachbehandeln von Fertigteilen), Mineur (Ausführen einfacher Beton- und Maurerarbeiten), Putzer (Vorbereiten des Untergrundes, Herstellen und Aufbereiten der gebräuchlichsten Mörtel, Zurichten und Befestigen von Putzträgern, Herstellen und Aufbringen von Putzen, Oberflächenbearbeitung von Putzen; Auf- und Abbauen der erforderlichen Arbeits- und Schutzgerüste), Kraftfahrer (Führen von Kraftfahrzeugen). Die vom Kläger durchgeführten Putzarbeiten und Kraftfahrertätigkeiten entsprechen daher Tätigkeiten nach der Lohngruppe 2, einfache Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten dürften ebenfalls dieser Lohngruppe entsprechen. Das Ausführen einfacher Maurerarbeiten wird bei den Tätigkeiten in der Lohngruppe 2 eindeutig genannt. In der Lohngruppe 3 werden dagegen nur Facharbeiten des jeweiligen Berufsbildes erfasst.

Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Betriebshandwerker kann der Kläger aufgrund seiner ge-sundheitlichen Einschränkungen nicht mehr ausüben. Als Angelernter oberen Ranges kann er auf alle angelernten Tätigkeiten und Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, die nicht nur ganz geringwertig sind. Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist allerdings erforderlich. Der Senat verweist den Kläger auf die zumutbare und angesichts seiner gesundheitlichen Einschränkungen mögliche ungelernte Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte entsprechend den Stellungnahmen des Bundesverbandes der Wach- und Sicherheitsunternehmen vom 20. Dezember 2007, 31. März 2008 und 1. Juni 2011. Danach besteht diese Tätigkeit darin, in der Pförtnerloge des Auftraggebers auf ein Klingelzeichen hin bzw. auf individuelle Anforderung vor Ort eine Tür, Schranke, Pforte zu öffnen oder Zugang zu einem Gebäudeteil zu gewährleisten. Sie erlaubt ein Arbeiten überwiegend im Sitzen bei hohem Anteil an Arbeitsbereitschaft. Ein beliebiger Haltungswechsel sowie ein Hin- und Hergehen in der Pförtnerloge bzw. je nach Örtlichkeit auch davor, ist möglich. Der Pförtner/die Pförtnerin, muss durchschnittlichen Anforderungen an Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Übersicht gewachsen sein. Sie müssen über ein normales Hör- und Sehvermögen verfügen. Die Tätigkeiten werden je nach Anforderungsprofil des Auftraggebers im Regelfall in zwei Tagesschichten, im Ausnahmefall und vor dem Hintergrund des zu schützenden Objektes auch im Nachtschichtdienst, ausgeübt. Besondere Anforderungen an Kommunikationsfähigkeit, Ausdrucksvermögen und Umgang mit Besuchern bzw. Publikum werden nicht gestellt. Es stehen ca. 800 bis 850 Arbeitsplätze zur Verfügung.

Nach dem Gutachten des Dipl.-Med. A. vom 8. Dezember 2010 und seiner ergänzenden Stel-lungnahme vom 6. November 2014 kann der Kläger noch mindestens sechs Stunden leichte Tätigkeiten ausführen. Die von ihm angenommenen besonderen Einschränkungen werden bei der Pförtnertätigkeit an der Nebenpforte berücksichtigt. Es handelt sich um Arbeiten, die eine sitzende Körperhaltung aber auch einen Wechsel der Körperhaltung ermöglichen. Sie beinhalten keine Arbeiten mit ständigem Anheben der Arme über Kopf, unter Absturzgefahr auf Leitern und Gerüsten und keine Arbeiten im Hocken oder Knien sowie mit gehäuftem Treppensteigen. Die Möglichkeit der Ausübung einer Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte hat Dipl.-Med. A. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 8. Dezember 2010 ausdrücklich bejaht. Seine Einschätzung deckt sich inhaltlich mit der von Dr. Sch. im Gutachten vom 26. August 2009.

Unwesentlich ist, ob dem Kläger mit dem festgestellten Leistungsvermögen eine entsprechende Tätigkeit als Pförtner an der Nebenpforte vermittelt werden kann. Das Risiko, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, trägt nicht die Beklagte, sondern die Arbeitslosenver-sicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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