L 11 KR 47/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 4171/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 47/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.12.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Leistung zur stationären medizinischen Rehabilitation.

Die am 12.12.1943 geborene Klägerin ist bei der Beklagten freiwillig krankenversichert.

Der Orthopäde Dr. W. übersandte der Beklagten am 27.06.2013 das Formblatt zur Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation oder alternativen Angeboten. Als Diagnosen wurden darin ausschließlich Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems und des Bindegewebes (M51.1; M 25.51; M75.4; M17.1; M79.70; M43.1) genannt. Die Beklagte übersandte ihm daraufhin einen Verordnungsvordruck bezüglich Rehabilitation. Am 15.07.2013 verordnete Dr. W. der Klägerin eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Als Beschwerden der Klägerin wurden Schmerzen im LWS-Bereich mit Ausstrahlung in beide Beine angegeben. Folgende rehabilitationselevante Diagnosen wurden gestellt: Lumboischialgie, Coxitis vugax und chronisch psychotische Störung. Als Rehabilitationsziele wurden die Verbesserung des psychischen Zustands und der Beweglichkeit sowie Schmerzlinderung genannt. Der Orthopäde empfahl eine stationäre Rehabilitation mit Schwerpunkten auf Psychotherapie und orthopädischer Reha.

Die Klägerin wurde im ersten Halbjahr 2013 mehrfach krankengymnastisch und mit Massagen behandelt.

Mit Bescheid vom 07.08.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf eine Leistung der Rehabilitation mit der Begründung ab, die Klägerin könne vorrangig weiter von ambulanten Maßnahmen am Wohnort profitieren. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und legte ein Attest der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. S. bei. Diese Ärztin bescheinigte, dass die Klägerin seit 2012 regelmäßig physikalische Therapie in Form von Massagen und Krankengymnastik erhalte, diese Maßnahmen vor Ort jedoch nicht ausreichend seien. Es seien weiterhin Rückenschmerzen vorhanden. Eine Rehabilitation wäre besser, um die Leistungsfähigkeit im Alltag zu erhalten. Die Klägerin berichtete von ihren alternativen Behandlungsversuchen und von zwei Jahresrezepten für Wassergymnastik, die sie jedoch aufgrund von Reiseschwierigkeiten und aus ihrer Sicht ungünstigen Umständen nicht habe benutzen können.

Dr. S. vom MDK Baden-Württemberg führte in einer gutachtlichen Stellungnahme im August 2013 aus, dass im stationären Rahmen voraussichtlich keine Verbesserung erreicht werden könne. Dr. P. vom MDK erstattete am 10.09.2013 ein sozialmedizinisches Gutachten. Auf der Grundlage des Akteninhalts und der vorliegenden Arztbefunde aus dem Jahr 2012 diagnostizierte der Gutachter ein Wirbelsäulensyndrom und eine chronische psychotische Störung. Er führte aus, dass nach den vorliegenden Unterlagen keine Beeinträchtigungen der Aktivitäten und/oder Teilhabe vorlägen, welche eine komplexe interdisziplinäre Rehabilitationsleistung erforderlich machen würden. Des Weiteren seien die am Wohnort verfügbaren Möglichkeiten der ambulanten vertragsärztlichen Behandlung nicht ausgeschöpft. Empfohlen wurde eine Intensivierung bzw. Fortsetzung der bisherigen ambulanten Therapie, insbesondere Krankengymnastik, Funktionstraining, Rückenschule, Teilnahme am Gesundheitsprogramm der Kasse, fachärztliche Mitbehandlung orthopädisch und psychiatrisch sowie Fortführung der Psychotherapie.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2013 wies die Beklagte den Widerspruch unter Verweis auf die Ausführungen des MDK zurück. Hiergegen hat die Klägerin am 29.11.2013 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zur Begründung hat der Klägerbevollmächtigte ausgeführt, dass zusätzlich zu den im Bescheid angegebenen Diagnosen noch folgende weitere Beeinträchtigungen vorliegen würden: chronisches Wirbelsäulensyndrom, Myopathien, Wirbelsäulenfehlhaltung, Teilsteife, Atlasblockade, Iliosakralgelenksblockierung links, muskuläre Dysbalance und Osteoporose. Die Klägerin leide unter Rückenschmerzen, ohne dass diese exakt beschrieben werden könnten. Die ambulanten Maßnahmen hätten keinen Erfolg gehabt, weshalb das Begehren der Klägerin auf eine stationäre Maßnahme hinziele. Es sei ein Impingement-Syndrom der Schulter diagnostiziert worden. Vorliegend gehe es nicht um ein psychiatrisches, sondern um ein orthopädisches Problem. Die Klägerin hat einen Arztbrief des Internisten und Rheumatologen Dr. K. vom 13.06.2014 übersandt. Darin ist der dringende Verdacht auf Gichtarthritis geäußert worden.

Das Sozialgericht hat den Entlassbericht der M. Klinik G. B.-B. vom 28.07.2014 beigezogen. Dort ist die Klägerin vom 22.05.2014 bis 11.06.2014 wegen einer schizoaffektiven Störung, gegenwärtig depressiv, stationär psychiatrisch behandelt worden. Die Beklagte hat ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten von Dr. P. vom 04.09.2014 übersandt. Der Gutachter hat wiederum eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nicht für erforderlich gehalten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.12.2014 abgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin am 05.01.2015 persönlich Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Bezüglich des Klage- und Berufungsgegenstandes hat die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 02.12.2014 sowie den Bescheid vom 07.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 31.10.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Gegenstand der Berufung ist der Bescheid der Beklagten vom 07.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2013, mit dem der Antrag auf Bewilligung einer stationären Rehabilitation abgelehnt worden ist. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer stationären Leistung der Rehabilitation.

Gem § 11 Abs 2 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie auf unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern.

Dieser Anspruch wird in § 40 SGB V konkretisiert. Danach erbringt die Krankenkasse aus medizinischen Gründen erforderliche ambulante Rehabilitationsleistungen in Rehabilitationseinrichtungen, für die ein Versorgungsvertrag nach § 111c SGB V besteht, wenn bei Versicherten eine ambulante Krankenbehandlung nicht ausreicht, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen (§ 40 Abs 1 S 1 SGB V). Reicht eine ambulante Rehabilitationsleistung nicht aus, erbringt die Krankenkasse stationäre Rehabilitation mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht (§ 40 Abs 2 S 1 SGB V).

Mit der ausdrücklichen Voraussetzung, dass die Leistung nach § 40 Abs 1 SGB V nicht ausreichen darf, wird das Kriterium der Erforderlichkeit für eine stationäre Rehabilitationsleistung konkretisiert. Ausgeschlossen ist die stationäre Reha-Maßnahme deshalb, wenn eine ambulante Reha-Maßnahme oder eine ambulante Krankenbehandlung das Ziel gleichermaßen erreichen kann.

Gem § 40 Abs 3 SGB V bestimmt die Krankenkasse nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen.

Der Senat ist davon überzeugt, dass derzeit ambulante Krankenbehandlung bei der Klägerin ausreicht, um die gemäß § 11 Abs 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen. Er stützt sich dabei insbesondere auf das sozialmedizinische Gutachten von Dr. P. vom 04.09.2014 und die diesem Gutachten zu Grunde liegenden ärztlichen Befunde.

Dr. W. legte der für den vorliegenden Rechtsstreit relevanten Verordnung von medizinischer Rehabilitation folgende Diagnosen zu Grunde: Lumboischialgie, Zustand nach Coxitis vugax und chronische psychotische Störung. Auf dem Formblatt zur Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation oder alternativen Angeboten hat er am 27.06.2013 noch folgende weitere orthopädische Gesundheitsprobleme festgestellt: lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit Radikulopathie (M51.1), Gelenkschmerz in der Schulterregion (M25.51), Impingementsyndrom der Schulter (M75.4), Sonstige primäre Gonarthrose (M17.1), Fibromyalgie (M79.70) und Spondylolisthesis (M43.1).

Die Verordnung von medizinischer Rehabilitation stützte sich demnach hauptsächlich auf orthopädische Gesundheitsstörungen. Dies ergibt sich auch aus dem von der Klägerin am 16.07.2013 ausgefüllten Selbstauskunftsbogen. Die bestehenden orthopädischen Gesundheitsstörungen rechtfertigen jedoch nach Ansicht des Senats keine Rehabilitationsmaßnahme. Vielmehr sind sie noch ambulanter Krankenbehandlung zugänglich. Es kann dabei dahinstehen, ob zum Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung zusätzlich zum Impingementsyndrom der Schulter überhaupt noch krankheits- oder behinderungsrelevante orthopädische Gesundheitsstörungen bestehen. In der M. Klinik G. B.-B., in der sich die Klägerin vom 22.05.2014 bis 11.06.2014 zum siebten Mal aufgehalten hat, wurden keine weiteren orthopädischen Diagnosen gestellt. Das Impingementsyndrom wurde dort (erneut) diagnostiziert und medikamentös mit Diclofenac und Pantozol sowie mit Massagen und physiotherapeutischen Behandlungen therapiert. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Klinikärzte auch bei gegebenenfalls weiteren relevanten orthopädischen Gesundheitsstörungen eine Diagnose gestellt und Behandlungen durchgeführt hätten. Jedenfalls waren übrige orthopädische Gesundheitsstörungen nicht so schwerwiegend, dass eine Behandlung erforderlich gewesen wäre. Dann rechtfertigt sich auch keine Rehabilitationsmaßnahme.

Soweit zur Begründung der Klage auf den Arztbrief von Dr. K. vom 13.06.2014 Bezug genommen wurde, lässt sich auch daraus keine Notwendigkeit für eine Rehabilitationsmaßnahme ableiten. Dr. K. diagnostizierte den dringenden Verdacht auf Gichtarthritis. Er ging davon aus, dass die Beschwerden nach Harnsäuresenkung zurückgehen würden. Zudem leitete er eine medikamentöse Therapie ein.

Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass rehabilitationsrelevante Beeinträchtigungen der Aktivität bzw. Teilhabe nicht dokumentiert sind. Solche wären jedoch Voraussetzung für die Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme. Die Klägerin hat selbst im Selbstauskunftsbogen keine Probleme im Alltag beschrieben. Jedenfalls aber kann die Klägerin noch zur Behandlung ihrer orthopädischen Gesundheitsstörungen auf Heilmittel, Funktionstraining, Intensivierung der Facharztbehandlung und insbesondere der medikamentösen Therapie verwiesen werden, deren Erfolg zunächst abzuwarten ist.

Unabhängig davon, dass die Klägerin wohl nur eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit dem Schwerpunkt auf orthopädischem Fachgebiet begehrt, ist eine solche auch aufgrund ihrer psychischen Gesundheitsstörung nicht erforderlich. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Entlassbrief der M. Klinik G. B.-B. vom 28.07.2014. Dort wurde beschrieben, dass es durch medikamentöse Optimierung und psychotherapeutische Behandlung nach und nach zu einer affektiven Stabilisierung kam. Die Ärzte rieten bei längerfristiger Belastbarkeitssteigerung eine ambulante psychiatrische Behandlung an und baten um Weiterführung der Medikation unter regelmäßigen Labor- und EKG-Kontrollen. Die behandelnden Psychiater hielten demnach selbst keine Rehabilitationsmaßnahme für notwendig.

Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Sachvortrag der Klägerin im Berufungsverfahren für den hier zu prüfenden Anspruch auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme irrelevant ist.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Die Berufung konnte deshalb unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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