S 48 SO 23/15 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
48
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 48 SO 23/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, ab dem 16.01.2015 für die Dauer von sechs Monaten, längstens jedoch bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, vorläufig die dem Antragsteller bis zum 13.02.2015 entstandenen und ab dem 14.02.2015 im Falle einer entsprechenden Beauftragung entstehenden Kosten für die Bereitstellung eines Integrationshelfers zur Begleitung des Antragstellers während des Besuchs des Integrativen Montessori Kinderhauses in K. in einem zeitlichen Umfang bis zu 19,5 Stunden wöchentlich bis zu einem Betrag i.H.v. 1.100,76 EUR monatlich zu übernehmen.

Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Kosten für einen Integrationshelfer zum Besuch einer Kindertagesstätte.

Bei dem am 20.12.2010 geborenen Antragsteller sind u.a. kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen (ICD 10, F83), eine infantile hemiplegische Zerebralparese (ICD 10, G80.2), eine spastische rechtsseitige Tetraparese (ICD 10, G82.4), ein Strabismus verticalis (ICD 10, H50.2) sowie sonstige tief greifende Entwicklungsstörungen (ICD 10, F84.9) diagnostiziert. Ausweislich eines in der Verwaltungsakte befindlichen Schwerbehindertenausweises vom 11.12.2012 ist der Antragsteller schwerbehindert bei einem Grad der Behinderung (GdB) von 80. Weiterhin wurde das Merkzeichen "G" festgestellt. Seit Januar 2014 erhält der Antragsteller Leistungen der Pflegestufe III.

Am 03.04.2014 stellte der Antragsteller, vertreten durch seine Eltern, einen Antrag auf Kostenübernahme einer Integrationsfachkraft für den Besuch des integrativen Montessori Kinderhauses Reichswalde in K. ab dem 01.08.2014. Mit Schreiben vom 31.03.2014 teilte die Kindertagestätte dem Antragsgegner mit, dass bei dem Antragsteller ein besonders hoher Bedarf von Förderung und Begleitung bestehe und er auf eine Unterstützung durch eine Integrationsfachkraft angewiesen sei. Die Integrationsfachkraft werde den Antragsteller "in allen lebenspraktischen Bereichen (Toilettengang, Essen, An– und Ausziehen ) und Kindergartentätigkeiten (Spielen, Fortbewegen, Turnen, Schneiden, ) unterstützen, kleinschrittig die entsprechenden Handlungsabläufe mit ihm gemeinsam immer wieder durchführen, um ihm zu zunehmender Selbstständigkeit zu verhelfen". Zusätzlich werde die Integrationsfachkraft das Geschehen um den Antragsteller herum verbal unterstützen, damit er aus Abläufen etc. zusätzliche Informationen gewinnen und seinen Wortschatz aufbauen und erweitern könne. Im Bereich der Orientierung und Mobilität werde die Integrationsfachkraft mit dem Antragsteller die Räumlichkeiten mit seinen Funktionen und Spielmöglichkeiten erarbeiten. Im sozial–emotionalen Bereich komme der Integrationsfachkraft eine wichtige Mittlerrolle zu. Sie werde das Knüpfen von Freundschaften unterstützen und begleiten und gemeinsames Spielen mit Kindern initiieren. Die Frühförderstelle für den Kreis K. gGmbH, welche den Antragsteller seit dem 01.06.2012 heilpädagogisch, ergotherapeutisch, physiotherapeutisch und logopädisch betreut, bescheinigte dem Antragsteller mit Schreiben vom 20.04.2014, dass er einen Integrationshelfer zur Gewährung seiner Teilhabe im Kindergarten benötige.

In einer Stellungnahme vom 21.05.2014 führte das Gesundheitsamt des Antragsgegners aus, dass bei dem Antragsteller eine wesentliche Behinderung vorliege. Der Antragsteller benötige Hilfe durch einen Integrationshelfer bei der Verbringung in verschiedene Räume (infolge von Gehunfähigkeit und mangels Orientierung), bei Toilettengängen (infolge einer Blasen– und Darminkontinenz) sowie bei der Nahrungsaufnahme und der Aufnahme von Flüssigkeiten (infolge der Zerebralparese). Weiterhin sei Hilfe bei der Lagerung im Rollstuhl sowie der Verwendung eines Walkers erforderlich, da der Antragsteller nicht selbstständig gehen, stehen oder sitzen könne. Zudem führte die Amtsärztin aus, dass der Antragsteller während des gesamten Kindergartentages auf eine pädagogische/pflegerische Fachkraft angewiesen sei.

Der Antragsteller besucht ab August 2014 das Integrative Montessori Kinderhaus. Zur Betreuung des Antragstellers stellte der Integrative Montessori Kinderhaus Reichswalde e.V. ab dem 15.08.2014 eine Integrationshelferin in einem Umfang von 19,5 Stunden pro Woche ein.

Mit Bescheid vom 03.09.2014 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Integrationshilfe ab. Zur Begründung führte er an, dass der Beigeladene zum Kindergartenjahr 2014/2015 das Förderverfahren für von Behinderung bedrohte und behinderte Kinder in Kindertageseinrichtungen geändert habe. Statt einer bisherigen Einzelfallförderung durch die Übernahme der Kosten für einen integrativen Kindergartenplatz oder der Kosten für eine Einzelinklusion im Regelkindergarten, erfolge seit dem 01.08.2014 eine institutionelle Förderung in Form der Finanzierung durch das Kinderbildungsgesetz (KiBiz) und der neuen Pauschale des Beigeladenen "Förderung der Inklusion in Kindertageseinrichtungen" (FInK). Im Rahmen der Umsetzung der UN-Behinderrechtskonvention bestehe für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet hätten, ab dem Kindergartenjahr 2014/2015 ein Rechtsanspruch auf einen inklusiven Kindergartenplatz. Dies bedeute, dass ab dem 01.08.2014 jedes Kind unabhängig von einer vorhandenen oder drohenden Behinderung dem Grunde nach in jeder Kindertageseinrichtungen umfassend entsprechend seines individuellen Bedarfes betreut werden könne. Eine Unterscheidung in Regel– und Integrativkindergärten oder –plätze erfolge nicht mehr. Für den pädagogischen Bedarf eines Kindes könne die erhöhte Pauschale nach KiBiz beantragt werden. Darüber hinaus könne für die Umsetzung der Inklusion die neue FInK-Pauschale bei dem Beigeladenen beantragt werden. Der Beigeladene gewähre für von Behinderung bedrohte bzw. behinderte Kinder einen Betrag i.H.v. 5.000,00 EUR je Kindergartenjahr zur inklusiven Betreuung in einem Kindergarten. Nach Auffassung des Antragsgegners habe der Antragsteller einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung entsprechend seines individuellen Betreuungs– und Begleitbedarfs in einem Kindergarten unter Berücksichtigung des Inklusionsgedankens. Dieser Rechtsanspruch auf eine inklusive Betreuung führe dazu, dass ein sozialhilferechtlich ungedeckter Bedarf nicht festzustellen sei und zusätzliche Leistungen der Eingliederungshilfe nicht in Betracht kämen.

Der Antragsteller hat am 22.01.2015, vertreten durch seinen Verfahrensbevollmächtigten, gerichtlichen Eilrechtsschutz beantragt. Zur Begründung seines Antrags führt er an, dass das Arbeitsverhältnis der bisherigen Integrationshelferin nach Auskunft des Kindergartens innerhalb der Probezeit, die bis zum 31.01.2015 gehe, gekündigt werde, da eine Kostenübernahme nicht geklärt sei. Ohne einen Integrationshelfer sei ein Kindergartenbesuch für den Antragsteller nicht möglich. Der Antragsgegner verkenne, dass die Leistungen zur Förderung der Inklusion in Kindertageseinrichtungen durch den Beigeladenen freiwillig seien. Weiterhin diene die begehrte Finanzierung eines Integrationshelfers nicht dem Zweck einer pädagogischen, sondern einer rein pflegerischen Betreuung zum Ausgleich der körperlichen Behinderungen des Antragstellers.

Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ab Antragstellung die Kosten eines Integrationshelfers zum Besuch des Montessori Kinderhauses für das Kindergartenjahr 2014/2015 höchstens für die Dauer von sechs Monaten zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung führt er an, dass es an einem Anordnungsanspruch fehle, da ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe aufgrund des Nachranggrundsatzes (§ 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch –Sozialhilfe– (SGB XII)) ausgeschlossen sei, da der Antragsteller infolge der Umsetzung der UN–Behindertenrechtskonvention einen Rechtsanspruch auf einen inklusive Kindergartenplatz habe. Zur Deckung des Betreuungsbedarfs des Antragstellers seien die erhöhte Pauschale nach KiBiz sowie die FInK-Pauschale des Beigeladenen zu beanspruchen. Den Kindergarten stünden bei fünf Kindern, die sonderpädagogisch betreut würden, pro Kindergartenjahr 105.853,50 EUR zur Deckung des Förderbedarfs der betroffenen Kinder zur Verfügung. Für den Antragsgegner sei unklar, wie diese Pauschalen im Einzelnen für die Kinder verwendet würden. Seines Erachtens stünden dem Verein ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung, damit eine Integrationshilfe weiterhin für den Antragsteller beschäftigt werden könne.

Der Integrative Montessori Kinderhaus Reichswalde e.V. hat auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis mit der bisherigen Integrationshelferin vonseiten des Vereins mit Schreiben vom 30.01.2015 zum 13.02.2015 gekündigt worden sei. Bis zum Ablauf dieses Tages sei eine Betreuung des Antragstellers sichergestellt. Die Integrationshelferin, die für die Tätigkeit als Integrationshelferin über keine Fachqualifikation verfüge, sei bisher 19,5 Stunden pro Woche ausschließlich für den Antragsteller tätig. Der Antragsteller habe zu der Integrationshelferin eine positive Bindung aufgebaut, die für ihn entwicklungsfördernd sei. Die monatlichen Kosten der Integrationshelferin i.H.v. 1.100,76 EUR (inklusive Lohnnebenkosten) seien von dem Verein übernommen worden, der fest mit einer Erstattung dieser Kosten durch den Antragsgegner bzw. durch den Beigeladenen gerechnet habe. Weiterhin sei zwischen den Eltern des Antragstellers und dem Verein vereinbart, dass die Aufwendungen für die Integrationshelferin, die sich bislang auf 6.678,45 EUR beliefen, von dem Antragsteller bzw. von dessen Eltern gefordert würden, da die Aufwendungen den Kostenrahmen des Vereins bei weitem übersteigen würden. In der Kindertagesstätte würden derzeit 37 Kinder in zwei Gruppen betreut. Bei fünf dieser 37 Kinder bestehe ein sonderpädagogischer Förderbedarf. Insgesamt habe der Verein im pädagogischen Bereich sechs Erzieherinnen (vier Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte) für die Betreuung der 37 Kinder beschäftigt. Mit der Betreuung des Antragstellers in einem Umfang von 19,5 Stunden würde lediglich knapp die Hälfte der dem Antragsteller eigentlich zustehenden Zeit i.H.v. 45 Stunden pro Woche abgedeckt. In der übrigen Zeit sei der Antragsteller praktisch vom Besuch des Kindergartens ausgeschlossen.

Das Gericht hat den Landschaftsverband Rheinland mit Beschluss vom 27.01.2015 gemäß § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen. Der Beigeladene ist der Ansicht, dass einem Anspruch des Antragstellers auf Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers im Rahmen des Nachranggrundsatzes weder Fördermittel nach dem KiBiz noch solche der FInK-Pauschale entgegenhalten könnten. Die Förderung nach dem KiBiz ziele darauf ab, dass sich das pädagogische Personal nur um den pädagogischen Kernbereich kümmere, der keine Schnittmenge mit der Eingliederungshilfe aufweise. In Bezug auf die FInK-Pauschale hat der Beigeladene mitgeteilt, dass der Integrative Montessori Kinderhaus Reichswalde e.V. im April 2014 diese Pauschalen beantragt habe. Der Beigeladene habe die Pauschale für fünf Kinder, zu denen auch der Antragsteller gehöre, i.H.v. 5.000,00 EUR pro Kind für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 31.07.2015 bewilligt. Nach dem Zuwendungszweck könne die Förderung nur für Personalkosten verwendet werden, soweit damit die anteiligen Lohnkosten für heilpädagogische Fachkräfte abgedeckt würden (ca. 3,9 Stunden pro Woche je Kind bei einer Vollzeitstelle). Die FInK-Pauschale sei für Personalkosten einer Fachkraft zu verwenden, nicht für die Finanzierung einer Integrationshilfe.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der den Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte des Antragsgegners, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

Gründe:

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

1. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt dabei neben dem Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. eines materiellen Anspruchs auf die begehrte Leistung, auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes voraus. Ein solcher Anordnungsgrund besteht, wenn die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, vgl. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, S. 927).

Nach der demzufolge im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung hat der Antragsteller einen Anordnungsgrund sowie einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

2. Zunächst hat der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung bedeutet dabei das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Bestehens des Anordnungsanspruchs (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 07.08.2013, L 9 SO 307/13 B ER, Rn. 3). Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit ist dargetan, wenn die gute Möglichkeit besteht, dass der Anspruch besteht, wobei es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2011, B 9 VG 15/10 B, Rn. 6, m.w.N.). Unter Zugrundelegung diese Maßgaben erscheint es überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe hat, der aus § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 55 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch -Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen- (SGB IX) folgt.

a) Der Antragsgegner ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe (vgl. § 97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 1 Ausführungsgesetz zum SGB XII für das Land Nordrhein-Westfalen (AG SGB XII NRW)) für die beantragte Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers als ambulante Leistung der Eingliederungshilfe sachlich zuständig. Er hat sich diese Aufgabe gem. § 3 Nr. 1 der Satzung über die Durchführung der Sozialhilfe nach dem SGB XII im Kreis Kleve vom 20.06.2008 vorbehalten und nicht an die kreisangehörigen Kommunen übertragen.

b) Gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII wird Eingliederungshilfe für Behinderte Menschen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitel des SGB XII nicht zuzumuten ist. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen stellt die streitige Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers eine gemäß § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 SGB XII privilegierte Leistung dar.

Der Antragsteller erfüllt, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, die personenbezogenen Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Hiernach erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach den Feststellungen des Gesundheitsamtes des Antragsgegners liegt bei diesem eine wesentliche Behinderung vor. Er benötigt während seines Besuchs des Kindergartens durchgängig die Hilfe eines Integrationshelfers, insbesondere bei der Verbringung in verschiedene Räume, bei Toilettengängen sowie bei der Nahrungsaufnahme und der Aufnahme von Flüssigkeiten.

Die begehrte Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers stellt auch eine Leistung der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX dar. Nach letztgenannter Vorschrift werden als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft solche Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und die bereits nicht nach den Kapiteln 4 bis 6 des SGB IX erbracht werden. Zwar nennt § 55 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX als Leistungen für Kinder, die noch nicht eingeschult sind, ausdrücklich lediglich heilpädagogische Leistungen, welche durch § 56 SGB IX konkretisiert werden. Gleichwohl stellt die Übernahme der Kosten eines Integrationshelfers zur Sicherstellung eines Besuchs einer Kindertagesstätte, die sich nicht unter den beispielhaften, nach dem Wortlaut der Vorschrift ("insbesondere") nicht abschließenden Leistungskatalog des § 55 Abs. 2 SGB IX fassen lässt, eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 Abs. 1 SGB IX dar (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 27.08.2013, L 9 SO 211/13 B ER, Rn. 7).

c) Der Anspruch des Antragstellers auf Übernahme der Kosten des Integrationshelfers ist nicht aufgrund der Zuwendungen, die der Integrative Montessori Kinderhaus Reichswalde e.V. für den sonderpädagogischen Förderbedarf im Rahmen einer erhöhten Pauschale nach dem KiBiz sowie durch die FInK-Pauschale des Beigeladenen erhält, ausgeschlossen. Denn die dem Verein bewilligten Fördermittel können dem Antragsteller nicht unter dem Aspekt des in § 2 SGB XII normierten Nachranggrundsatzes entgegengehalten werden. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe stellt keine eigenständige Ausschlussnorm dar. Eine Bedürftigkeit lässt sich lediglich im Zusammenhang mit ergänzenden bzw. konkretisierenden Vorschriften verneinen (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.2010, B 8 SO 21/08 R, Rn. 13; vgl. zur Notwendigkeit einer normativen Grundlage bei der Heranziehung von Strukturprinzipien ferner Coseriu, Das "neue" Sozialhilferecht, S. 254, in: Bender/Eicher (Hrsg.), Sozialrecht, eine Terra incognita, Saarbrücken (2009)). Vorliegend fällt der Bedarf des Antragstellers, der durch die Leistungen des Integrationshelfers abzudecken ist, weder in den Aufgabenbereich des Integrativen Montessori Kinderhauses Reichswalde e.V. als Kindertagesstätte, noch hat der Antragsteller einen Anspruch gegen den Verein auf Deckung dieses Bedarfs.

Gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuches Achtes Buch –Kinder– und Jugendhilfe– (SGB VIII) handelt es sich bei Tageseinrichtungen um Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden. Abs. 2 der Vorschrift bestimmt weiter, dass Tageseinrichtungen für Kinder die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit fördern, die Erziehung und Bildung in der Familie unterstützen und ergänzen sowie den Eltern dabei helfen sollen, Erwerbstätigkeit und Kindererziehung besser miteinander vereinbaren zu können. Schließlich umfasst der Förderungsauftrag nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII die Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf seine soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung. Der Bedarf des Antragstellers, der durch den Integrationshelfer gedeckt werden soll, besteht jedoch gerade nicht in diesen, in § 22 Abs. 3 S. 1 SGB VIII spezifizierten Aufgaben, sondern in dem Ausgleich seiner infolge seiner Behinderungen bestehenden Defizite, nämlich insbesondere im Bereich der Mobilität (Verbringung in verschiedene Räume infolge seiner Gehunfähigkeit), der Körperhygiene (Toilettengänge) sowie bei der Nahrungsaufnahme und der Aufnahme von Flüssigkeiten.

Soweit der Antragsgegner der Auffassung ist, dass von dem Verein Fördermittel nicht zweckentsprechend verwendet würden, kann er dies dem Antragsteller nicht im Rahmen des Nachranggrundsatzes entgegenhalten, da dem Antragsteller, allein aufgrund der Rechtsansicht des Antragsgegners, kein bereites Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht. Der Antragsgegner bleibt daher zur Leistung verpflichtet und kann die von ihm behaupteten Ansprüche des Antragstellers mittels Überleitungsanzeige gemäß § 93 SGB XII auf sich überleiten (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 27.08.2013, a.a.O., Rn. 12 ff., unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BSG zum "Kernbereich der pädagogischen Arbeit" in der Entscheidung zur Montessori Therapie, in: BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 8 SO 30/10 R, Rn. 25).

Ebenfalls sind Ansprüche des Antragstellers aus der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat insoweit lediglich behauptet, dass sich ein Anspruch des Antragstellers unmittelbar aus der Konvention ergeben würde, ohne substantiiert zu erläutern, aus welchen konkreten Normen und gegen wen ein solcher Anspruch bestehen soll. Ein solcher vom Antragsgegner behaupteter Anspruch des Antragstellers stellt jedenfalls kein bereites Mittel der Selbsthilfe dar, mit dem der Antragsteller seinen Bedarf decken könnte, zumal eine unmittelbare Anwendung des Art. 24 der Konvention von der Rechtsprechung verneint wurde (vgl. etwa VGH Kassel, NVwZ 2010, 602; BVerwG, Beschluss vom 18.01.2010, 6 B 52/09; so wohl auch Luthe, br 2014, 89 f.; a.A. etwa Riedel/Arend, NVwZ 2010, 1346 ff.).

d) Einem Anspruch des Antragstellers für den Zeitraum ab der Antragstellung bis zum Ablauf des 13.02.2015 steht auch nicht entgegen, dass ein Integrationshelfer tatsächlich durch den Integrativen Montessori Kinderhaus Reichswalde e.V. zur Verfügung gestellt wurde. Zwar wird - für den Bereich von schulischen Maßnahmen - teilweise angenommen, dass Eingliederungshilfeleistungen nachrangig sind, wenn die Schule Hilfen tatsächlich anbietet und auch leistet (vgl. Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, 5. Aufl. (2014), § 53 SGB XII, Rn. 27, m.w.N.). Vorliegend besteht aber die Besonderheit, dass der Verein für den Antragsteller in Vorleistung getreten ist. Erfolgt eine Hilfe Dritter bis zur Entscheidung des Sozialhilfeträgers im Vorgriff auf die zu erwartende Leistung, lässt eine dadurch eintretende tatsächliche Bedarfsdeckung den sozialhilferechtlichen Bedarf nicht entfallen (vgl. Coseriu, in: jurisPK, 2. Auflage (2014), § 2 SGB XII, Rn. 42, m.w.N.). Nach den Angaben des Vereins hat dieser die Aufwendungen für die Integrationshelferin des Antragstellers in der Absicht getätigt, dass eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger erfolgen würde. Zudem wurde zwischen den Eltern des Antragstellers und dem Verein vereinbart, dass der Verein letztlich nicht Kostenträger der Aufwendungen sein soll, sondern dass eine Rückerstattung durch die Eltern des Antragstellers erfolgen solle.

e) Eine Verpflichtung des Antragsgegners auf Übernahme der Kosten des Integrationshelfers dem Grunde nach kommt vorliegend nicht in Betracht, da es sich bei der Kostenübernahme um einen Schuldbeitritt, verbunden mit einem Anspruch auf Befreiung von der Schuld gegenüber dem Leistungsträger handelt (vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2013, B 8 SO 10/12 R, Rn. 22). Ist in der Hauptsache der Erlass eines Grundurteils gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG, was eine Leistung in Geld voraussetzt, nicht möglich, gilt dies auch für die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, die den gleichen Grenzen wie die Entscheidung in der Hauptsache unterliegt (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2013, L 9 SO 429/13 B ER, Rn. 48)

Der Antragsteller hat einen, im Hinblick auf den zeitlichen Umfang sowie die Kosten konkretisierten Antrag nicht gestellt. Nach § 123 SGG ist das Gericht bezogen auf den erhobenen Anspruch gebunden, nicht jedoch auf die Fassung des konkreten Antrags. Der Antrag des Antragstellers wird im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes so verstanden, dass von ihm begehrt wird, dass jedenfalls der Zustand, der bis zur Kündigung der Integrationshelferin durch den Verein zum 13.02.2015 besteht, auch nach Ablauf des 13.02.2015 weiterbesteht, der Antrag also auf eine Übernahme von Kosten für einen Integrationshelfer in einem Umfang von 19,5 Stunden pro Woche gerichtet ist. Jedenfalls in diesem Umfang ist der Anspruch begründet. Ob ein weitergehender Anspruch des Antragstellers besteht, wird von dem Antragsgegner in dem laufenden Widerspruchsverfahren zu prüfen sein und kann, sofern dem Antragsteller aus seiner Sicht durch eine Nichtinanspruchnahme eines über 19,5 Stunden wöchentlich hinausgehenden Angebots der Kindertagesstätte ein wesentlicher Nachteil zu entstehen droht, Gegenstand eines weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sein.

Da der Antragsgegner mit der bis zum 13.02.2015 von dem Verein beschäftigten und für den Antragsteller tätigen Integrationshelferin keine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung im Sinne des § 75 Abs. 3 SGB XII geschlossen hat und auch zwischen der Integrationshelferin und dem Antragsteller kein Dienstleistungsverhältnis besteht, kommt eine notwendige Beiladung des Dienstleisters nach § 75 Abs. 2 SGG mangels Vorliegens eines sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnisses nicht in Betracht. Gleiches gilt für den ab dem Zeitraum des 13.02.2015 einzusetzenden Dienstleister. In einem auf Kostenübernahme gerichteten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist dann, wenn ein zivilrechtlicher Dienstvertrag über die Bereitstellung eines Integrationshelfers mit dem Hilfesuchenden noch nicht besteht, darüber zu entscheiden, welche Kosten im Falle der Beauftragung eines Dienstleisters von dem zuständigen Leistungsträger durch Beitritt zu der noch zu begründenden Schuld zu übernehmen sind (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2013, a.a.O., Rn. 50).

Das Gericht geht davon aus, dass die bisherige Integrationshelferin, die im Hinblick auf die Tätigkeit als Integrationshelferin über keine Fachqualifikation verfügt, geeignet und erforderlich ist, um dem Hilfebedarf des Antragstellers zu genügen. Ausgehend hiervon legt das Gericht hinsichtlich der zu übernehmenden Kosten die bislang für die Integrationshelferin entstehenden monatlichen Kosten i.H.v. 1.100,76 EUR zu Grunde.

3. Eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Kosten des Integrationshelfers besteht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, mithin ab dem 16.01.2015.

a) Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da er ohne die Betreuung durch eine Integrationshelferin die Kindertagesstätte nicht besuchen kann, womit ihm schwere und unzumutbare Nachteile drohen und er nicht auf eine Entscheidung in der Hauptsache verwiesen werden kann. Eine Eilbedürftigkeit ist jedenfalls in Bezug auf die Wahrung des bis zum Ablauf des 13.02.2015 bestehenden Zustandes, mithin auf eine weitere Gewährleistung eines Integrationshelfers in einem Umfang von 19,5 Stunden pro Woche gegeben.

b) Die Leistungsdauer war, wie auch von dem Antragsteller beantragt, beginnend ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht auf sechs Monate, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache, zu begrenzen (vgl. zur Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung Keller, a.a.O., § 86b SGG, Rn. 35 f.). Das Gericht geht davon aus, dass der Antragsgegner auch nach Ablauf der sechs Monate die Kosten vorläufig übernehmen wird, um so den erneuten Erlass einer einstweiligen Anordnung mit demselben Inhalt wie der Vorliegenden zu vermeiden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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