L 11 SF 563/13 EK AS

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 SF 563/13 EK AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung gerichtete Klage nach §§ 198 ff. Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Sie machen eine unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens S 15 AS 125/08 Sozialgericht (SG) Köln geltend.

In diesem Verfahren haben die Antragsteller am 17.06.2008 Klage gegen das Jobcenter L erhoben, mit der sie im Wesentlichen höhere Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von März bis August 2008 nach Maßgabe des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - begehrt haben. Der Verfahrensverlauf stellt sich zusammengefasst wie folgt dar:

17.06.2008 Eingang der über zehnseitigen Klageschrift
02.09.2008 Klageerwiderung vom 29.08.2008
08.09.2008 Stellungnahme der Antragsteller vom 07.09.2008
21.11.2008 Stellungnahme der Beklagten vom 19.11.2008 (mit Hinweis auf diverse von den Antragstellern im Jahr 2008 betriebene und ähnlich gelagerte auf einstweiligen Rechtsschutz gerichtete Verfahren (ER-Verfahren))
01.12.2008 Stellungnahme der Antragsteller vom 30.11.2008
11.02.2009 Antragsergänzung der Antragsteller vom 11.02.2009 (Antrag auf unverzügliche Zahlung von 6.500,00 EUR zur Abwendung eines drohenden Wohnungsverlustes)
13.02.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 13.02.2009 unter Hinweis auf beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen anhängiges ER-Verfahren, in dem ein Darlehen i.H.v. 12.043,93 EUR und die Übernahme laufender Tilgungsanteile ab 02/2009 beantragt worden seien
11.03.2009 Stellungnahme der Beklagten vom 09.03.2009 unter Hinweis auf Erfolglosigkeit der ER-Verfahren
16.03.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 16.03.2009
09.04.2009 Stellungnahme der Beklagten vom 08.04.2009 u.a. auch auf gerichtliche Anfrage vom 31.03.2009
20.04.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 18.04.2009
18.05.2009 Stellungnahme der Beklagten vom 18.05.2009
19.05.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 18.05.2009 und Antragserweiterung, gerichtet auf vorläufige Zahlung i.H.v. 1.300,00 EUR
25.05.2009 zwei Stellungnahmen der Antragsteller vom 23.05.2009 unter Hinweis, dass weitere Zeiträume streitig seien
26.05.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 26.05.2009
18.06.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 18.06.2009
19.06.2009 Stellungnahme der Beklagten vom 17.06.2009
06.07.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 06.07.2009
13.07.2009 Stellungnahme der Beklagten vom 10.07.2009 unter Hinweis auf drei Änderungsbescheide vom 16.04.2009, 19.05.2009 und 07.07.2009
14.07.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 14.07.2009
16.07.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 16.07.2009
14.08.2009 Stellungnahme der Beklagten vom 13.08.2009
19.08.2009 Stellungnahme der Antragsteller vom 19.08.2009
11.09.2009 Aufforderung des LSG Nordrhein-Westfalen, die Akten aller anhängigen AS-Verfahren der Antragsteller zu übersenden
15.09.2009 Verfügung der Aktenübersendung 04.11.2009 gegen den Vorsitzenden der 15. Kammer des SG Köln gerichteter Befangenheitsantrag der Antragsteller vom 12.10.2009
23.11.2009 ablehnender Befangenheitsbeschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23.11.2009
03.12.2009 Eingang der vom LSG Nordrhein-Westfalen zurückgesandten Akten
28.01.2010 Hinweis des SG zur Höhe der angemessenen Kosten
22.02.2010 Stellungnahme der Beklagten vom 19.02.2010
01.03.2010 Stellungnahme der Antragsteller vom 28.02.2010
24.03.2010 Stellungnahme der Beklagten vom 24.03.2010
24.03.2010 Ermittlungen des SG zu von den Beteiligten benanntem "Parallelverfahren"
11.05.2010 Antrag der Antragsteller auf Akteneinsicht
17.05.2010 Akteneinsicht der Antragsteller
20.05.2010 Anfrage des SG zum Ruhen des Verfahren im Hinblick auf "Parallelverfahren" nach Bekanntgabe der Aktenzeichen durch Beklagte am 19.05.2010
25.05.2010 Stellungnahme der Antragsteller vom 25.05.2010, bei Verfahrenstrennung würde Ruhen hinsichtlich der Kosten der Unterkunft zugestimmt; im Übrigen würde noch gesondert Stellung genommen werden
09.06.2010 Zustimmung der Beklagten vom 08.06.2010 zum Ruhen des Verfahrens
17.06.2010 Erinnerung der Antragsteller an angekündigte weitere Stellungnahme durch das SG vom 17.06.2010
18.06.2010 Stellungnahme der Antragsteller vom 19.06.2010
21.06.2010 Stellungnahme der Antragsteller vom 21.06.2010
29.07.2010 Schriftsatz der Antragsteller vom 29.07.2010 (Antrag, das Rubrum auf drei Kläger zu erweitern, und Bezifferung der begehrten Kosten der Unterkunft mit 991,31 EUR monatlich für März bis August 2008 sowie der begehrten monatlichen Darlehensbewilligung mit 285,30 EUR)
05.08.2010 Stellungnahme der Beklagten vom 03.08.2010
07.08.2010 Stellungnahme der Antragsteller vom 07.08.2010
27.08.2010 Stellungnahme der Beklagten vom 26.08.2010
01.09.2010 Stellungnahme der Antragsteller vom 01.09.2010
01.10.2010 Hinweis des SG vom 01.10.2010 (Vorlage der Wohn-/Hausgeldabrechnung)
07.10.2010 Vorlage der Wohn-/Hausgeldabrechnung durch Antragsteller
16.11.2010 Verfügung des SG: Rechtsstreit zur Sitzung
20.12.2010 Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 19.12.2010
21.12.2010 Anfrage des SG, ob benannter Rechtsanwalt vertretungsbereit sei
23.12.2010 Anfrage der Antragsteller vom 22.12.2010, wann mit einer Entscheidung des SG zu rechnen sei; die Verfahrensdauer werde gerügt
23.12.2010 Anzeige des benannten Rechtsanwalts, dass Vertretungsbereitschaft bestehe
28.12.2010 Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 28.12.2010
12.01.2011 Bestellung des Bevollmächtigten der Antragsteller vom 10.01.2011 und Antrag auf Akteneinsicht
13.01.2011 Übersendung der Akten an Bevollmächtigten der Antragsteller
04.02.2011 Erinnerung des SG an Rücksendung der Akten
18.02.2011 Erinnerung des SG an Rücksendung der Akten
08.03.2011 Eingang der Akten
20.04.2011 Schriftsatz der Antragsteller vom 20.04.2011, wegen Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten stehe Besprechung mit den Antragstellern aus
19.05.2011 Ankündigung der Antragsteller vom 18.05.2011, Stellungnahme zu nehmen
26.05.2011 Ankündigung der Antragsteller vom 26.05.2011, Stellungnahme zu nehmen
29.06.2011 Schriftsatz der Antragsteller vom 27.05.2011, das SG solle seine Auffassung mitteilen
30.06.2011 Übersendung der Entscheidung des SG vom 31.05.2011 - S 15 AS 200/09 - zur Stellungnahme an Antragsteller
25.07.2011 Ankündigung der Antragsteller vom 25.07.2011, Stellungnahme zu nehmen
25.08.2011 Erinnerung der Antragsteller durch das SG
07.10.2011 Erinnerung der Antragsteller durch das SG
04.11.2011 Stellungnahme der Antragsteller vom 03.11.2011 und Abänderung des Klageantrags
08.11.2011 Aufforderung des SG an Beklagte, Stellung zu nehmen
21.12.2011 Anfrage der Antragsteller vom 19.12.2011, wie das Verfahren gefördert werden könne und ob noch eine Stellungnahme der Beklagten zu erwarten sei
22.12.2011 Schreiben des SG, das Beklagte an Stellungnahme erinnert und dass das Verfahren seitens des Gerichts gefördert worden sei
02.01.2012 Stellungnahme der Antragsteller vom 02.01.2012, die Anfrage vom 19.12.2011 sei missverstanden worden, dem Gericht sollte in diesem Verfahren keineswegs ein Vorwurf gemacht werden
26.01.2012 Stellungnahme der Beklagten vom 25.01.2012
03.03.2012 Erinnerung der Antragsteller an Stellungnahme zu Schriftsatz vom 25.01.2012 durch das SG
25.04.2012 Erinnerung der Antragsteller an Stellungnahme zu Schriftsatz vom 25.01.2012 durch das SG
14.05.2012 Stellungnahme der Antragsteller vom 10.05.2012
15.05.2012 Aufforderung des SG an Beklagte, Stellung zu nehmen
18.06.2012 gegen den Vorsitzenden der 15. Kammer des SG Köln gerichteter Befangenheitsantrag vom 18.06.2012 u.a. wegen einer Verfahrensdauer von vier Jahren
12.07.2012 Schreiben der Antragsteller vom 12.07.2012 an die Präsidentin des SG Köln mit der Bitte um Beschleunigung des Rechtsstreits
30.08.2012 das Befangenheitsgesuch ablehnender Beschluss des SG Köln vom 30.08.2012
12.09.2012 Stellungnahme der Beklagten vom 10.09.2012
27.12.2012 Stellungnahme der Antragsteller vom 21.12.2012
25.01.2013 Stellungnahme der Beklagten vom 22.01.2013, dass sich keine neuen Gesichtspunkte ergäben
14.02.2013 Stellungnahme der Antragsteller vom 25.01.2013, dass der Rechtsstreit entscheidungsreif sei
18.02.2013 Schriftsatz der Antragsteller vom 17.02.2013, es werde Verzögerungsrüge erhoben
21.02.2013 Übersendung der Verwaltungsakten an LSG Nordrhein-Westfalen auf dessen Anforderung vom 14.02.2013
09.04.2013 - 04.06.2013 Ermittlungen des SG zur Anschrift / Wohnsitz der drei Kläger
09.07.2013 Aushändigung der Verwaltungsakten an Beklagte
12.07.2013 Rückgabe der Verwaltungsakten an SG
15.07.2013 Übersendung der Akten an Bundessozialgericht (BSG) auf dessen Anforderung
30.09.2013 Ersuchen des SG an BSG, die Verwaltungsakten zurückzusenden, damit der Rechtsstreit zum Abschluss gebracht werden könne
13.11.2013 Nachricht des BSG vom 11.11.2013, dass die Akten in unmittelbarem Anschluss an die Sitzung vom 12.12.2013 zurückgesandt würden
06.02.2014 Erinnerung des SG an BSG, die Verwaltungsakten zurückzusenden
18.02.2014 Eingang der vom BSG zurückgesandten Akten
20.03.2014 Anfrage des SG an Antragsteller
02.04.2014 Antwort der Antragsteller vom 01.04.2014
13.05.2014 Ladungsverfügung des SG 24.06.2014 Termin zur mündlichen Verhandlung und klageabweisendes Urteil vom 24.06.2014
21.08.2014 Zustellung des Urteils

Die Antragsteller haben gegen das Urteil Berufung eingelegt (L 6 AS 1728/14 LSG Nordrhein-Westfalen); der Rechtsstreit ist noch anhängig.

Am 20.12.2013 haben die Antragsteller Prozesskostenhilfe für eine auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Gerichtsverfahrens S 15 AS 125/08 SG Köln gerichtete Klage beantragt. Verzögerungsrügen hätten sie mit Schriftsätzen vom 22.12.2010, 11.12.2011, 12.07.2012 und 17.02.2013 erhoben. Der Rechtsstreit S 15 AS 125/08 SG Köln sei derzeit um 56 Monate verzögert. Für jedes Jahr werde eine Entschädigung von 1.200,00 EUR je Antragsteller begehrt; für jeden weiteren Monat erhöhe sich das Entschädigungsbegehren entsprechend. Darüber hinaus werde ein materieller Nachteil in Form eines Zinsschadens i.H.v. 4.932,13 EUR und 3.498,57 EUR geltend gemacht, so dass sich zur Zeit eine Forderung von 18.030,70 EUR ergebe. Hätte das SG vor Juni 2010 entschieden und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, hätten sie kein Darlehen aufnehmen müssen und wäre der Zinsschaden i.H.v. 4.932,13 EUR nicht eingetreten. Der Zinsschaden i.H.v. 3.498,57 EUR beruhe darauf, dass sie gegen die Beklagte einen Darlehnsanspruch i.H.v. 18.615,51 EUR gehabt hätten, der vorschüssig zu verzinsen sei.

II.

Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe.

Prozesskostenhilfe ist nach Maßgabe des § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Satz 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur zu bewilligen, wenn u.a. die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO ist regelmäßig ohne vollständig abschließende tatsachliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen, da die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen soll, die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Verfahrens in der Hauptsache treten zu lassen. Daraus folgt, dass an die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden dürfen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern überhaupt erst zugänglich machen. Prozesskostenhilfe darf allerdings verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 03.09.2013 - 1 BvR 1419/13 - und vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 -).

Vorliegend besteht keine Erfolgschance; die beabsichtigte Klage ist unbegründet.

Für eine Entschädigungsklage wegen unangemessener Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens sind § 198 Abs. 1 GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 03.12.2011 geltenden Fassung durch das ÜGG vom 24.11.2011 (BGBl. I 2302), zuletzt geändert durch das Gesetz über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06.12.2011 (BGBl. I 2554), maßgebend.

Davon ausgehend gilt:

1. Nach Art. 23 Satz 1 ÜGG gilt dieses Gesetz auch für Verfahren, die - wie vorliegend - bei Inkrafttreten am 03.12.2011 bereits anhängig waren, sowie für abgeschlossene Verfahren, deren Dauer bei Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist oder noch werden kann.

2. Für die Entscheidung über die Klage ist das LSG Nordrhein-Westfalen zuständig. Nach § 200 Satz 1 GVG haftet das Land für Nachteile, die auf Grund von Verzögerungen bei Gerichten des Landes eingetreten sind. Für Klagen auf Entschädigung gegen das Land ist nach § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG das Oberlandesgericht (OLG) zuständig, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Für sozialgerichtliche Verfahren ergänzt § 202 Satz 2 SGG diese Regelung dahin, dass die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198 - 201 GVG) u.a. mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des OLG das LSG und an die Stelle der ZPO das SGG tritt. Daraus folgt die Zuständigkeit des LSG Nordrhein-Westfalen; das streitgegenständliche Verfahren S 15 AS 125/08 SG Köln wurde im Bezirk des LSG Nordrhein-Westfalen geführt.

3. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft (hierzu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.05.2014 - L 2 SF 3228/13 EK -).

4. Haftungsauslösend ist eine unangemessene Dauer des Ausgangsverfahrens (§ 198 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 SGG). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten des Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG).

5. Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge darauf hinweisen. Andernfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat, bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge (§ 198 Abs. 3 GVG). Die Verzögerungsrüge ist materielle Anspruchsvoraussetzung (Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 -; BSG, Beschluss vom 27.06.2013 - B 10 ÜG 9/13 B -; LSG Thüringen, Urteil vom 26.11.2013 - L 3 SF 1135/12 EK -; LSG Bayern, Urteil vom 20.06.2013 - L 8 SF 134/12 EK -), kombiniert mit Elementen einer Prozesshandlung (BFH, Urteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 -). Ohne wirksame Verzögerungsrüge entsteht der Entschädigungsanspruch nicht.

Nach Art. 23 ÜGG gilt für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 schon verzögert sind, § 198 Abs. 3 GVG mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten erhoben werden muss. In diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum. Mittels der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird "unverzüglich" durch "ohne schuldhaftes Zögern" präzisiert. Die Gesetzesbegründung zum ÜGG legt es nahe, diese allgemeine Bestimmung auch im vorliegenden Zusammenhang heranzuziehen (vgl. BT-Drucks 17/3802, S 31). Damit gehört zum Begriff der Unverzüglichkeit ein nach den Umständen des Falles beschleunigtes Handeln, das dem Interesse des Empfängers der betreffenden Erklärung an der gebotenen Klarstellung Rechnung trägt. Demnach ist "unverzüglich" nicht gleichbedeutend mit "sofort". Vielmehr ist dem Verfahrensbeteiligten eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen, ob er seine Rechte durch eine Verzögerungsrüge wahren muss (BSG, Beschluss vom 27.06.2013 - B 10 ÜG 9/13 B - m.w.N.). Bei der Bemessung der angemessenen Überlegungsfrist ist vor allem der Zweck des Gesetzes zu beachten, durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer eine Rechtsschutzlücke zu schließen und eine Regelung zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird. Hinzu kommt, dass das Gesetz nur einen Tag vor seinem Inkrafttreten verkündet worden ist (Art. 24 ÜGG). Davon ausgehend ist der Begriff der Unverzüglichkeit in Art. 23 Satz 2 ÜGG weit zu verstehen; eine zu kurze, wirksamen Rechtsschutz in Frage stellende Frist wäre mit den Erfordernissen eines effektiven Menschenrechtsschutzes nur schwer vereinbar. Der Senat hält deshalb in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 -), des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 10.04.2014- III ZR 335/13 -) und des BSG (Urteil vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 2/14 R -) eine Drei-Monats-Frist für erforderlich, um den Anforderungen des Art. 13 EMRK zu entsprechen, aber auch für ausreichend, damit Betroffene in allen Fällen prüfen können, ob eine entschädigungspflichtige Verzögerung bereits eingetreten und eine Rügeerhebung deshalb geboten ist (Senat, Beschluss vom 30.06.2014 - L 11 SF 364/12 VE AS -, Urteil vom 27.08.2014 - L 11 SF 210/14 EK SO -).

Eine solche, einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den dem 03.12.2011 vorausgehenden Zeitraum wahrende Verzögerungsrüge habe die Antragsteller nicht erhoben.

Vor dem 03.11.2011 geltend gemachte Beanstandungen der Laufzeit des Rechtsstreits sind irrelevant; bis zu diesem Zeitpunkt existierte das Institut der Verzögerungsrüge nicht. Dementsprechend bestimmt Art. 23 Satz 2 ÜGG auch, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des ÜGG am 03.12.2011 erhoben werden muss.

Nicht festgestellt werden kann, dass die insoweit beweisbelasteten Antragsteller mit Schreiben vom 11.12.2011 eine wirksame Verzögerungsrüge erhoben haben. Das Schreiben vom 11.12.2011 ist weder in den in darin angegebenen drei Verfahrensakten - S 15 AS 125/08, S 15 AS 3537/10 und S 15 AS 5031/10 - noch in den höchst vorsorglich von der Präsidentin des SG Köln gesichteten Akten über 86 weitere Rechtstreitigkeiten der Antragsteller bzw. in der vom Senat zusätzlich geprüften Akte S 15 AS 3475/11 enthalten. Ein Eingang der Verzögerungsrüge ist damit nicht festzustellen.

Soweit die Antragsteller demgegenüber unter Vorlage einer Ablichtung eines Sendeberichts vortragen, das Schreiben vom 11.12.2011 sei durch Fax übermittelt worden, reicht dies nicht aus. Ein Sendebericht mit Vermerk "Ergeb. OK" belegt grundsätzlich lediglich das Zustandekommen der Verbindung zwischen dem Telefaxgerät des Senders und dem des Empfängers zu der angegebenen Zeit, nicht aber die Übermittlung einer Nachricht. Er stellt keinen Beweis des ersten Anscheins hinsichtlich des Zugangs am Faxgerät des Empfängers dar, sondern allenfalls ein Indiz (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 151 Rdn 10d, m.w.N.; BGH, Urteil vom 07.12.1994 - VII ZR 153/93 -; OLG Koblenz, Beschluss vom 04.07.2013 - 3 W 298/13 -). Ob demgegenüber dem Empfänger nach ca. zweieinhalb Jahren nach behaupteter Übermittlung eine substantiierte, sog. sekundäre Darlegungslast dahingehend aufzuerlegen ist, dass er die Nachricht nicht erhalten hat (s. dazu OLG Frankfurt, Urteil vom 05.03.2010 - 19 U 213/09 -; OLG Koblenz a.a.O.), kann vorliegend aus zwei Gründen dahinstehen.

Der Sendebericht gibt zwar wieder, dass am 12.11.2011, 20.00 Uhr, eine Nachricht an das SG Köln (ID 1617160) abgesandt worden sein soll. Er belegt aber nicht, wer (Name) von wo (Tel) insbesondere welche konkrete Nachricht (Seite 2) übersandt hat. Damit führt der Sendebericht nicht weiter. In diesem Zusammenhang ist schließlich anzumerken, dass die Angabe von zwei übersandten Seiten auch nicht mit dem Vorbringen der Antragsteller in Übereinstimmung zu bringen ist. Das Schreiben vom 11.12.2011 umfasst eine Seite, das als Anlage benannte Schreiben vom 22.12.2010 zwei Seiten, so dass insgesamt drei Seiten zu erwarten wären.

Darüber hinaus würde auch ein Eingang des Schreibens vom 12.11.2011 beim SG Köln nicht ausreichen; das Schreiben hätte zu dem bzw. den entsprechenden Verfahren gelangen müssen. Das Gesetz bestimmt, dass die Rüge bei "dem mit der Sache befassten Gericht" einzulegen ist (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG). Das ist das Gericht, bei dem das Gerichtsverfahren i.S.d. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG rechtshängig ist. Sinn und Zweck einer Verzögerungsrüge ist nämlich vorrangig, das Gebot der Verfahrensbeschleunigung zu verdeutlichen und das Gericht dazu zu motivieren, drohende Säumnis zu verhindern oder reale Säumnis zu beseitigen (BT-Drucks. 17/3802, S. 20), d.h. die Verzögerungsrüge muss den zuständigen Richter erreichen, der allein abhelfen kann (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 30.06.2014 - L 11 SF 364/12 VE AS -). Unbeachtlich im Rahmen einer Entschädigungsklage ist deshalb auch, dass in einem derartigen Fall, wie dem hier zu Gunsten der Antragsteller unterstellten, vieles für ein gerichtliches Organisationsverschulden o.ä. spricht. Dies kann aber allenfalls Grundlage für ein Amtshaftungsverfahren nach § 839 Abs. 1 BGB sein. Eine Widereinsetzung, die im Übrigen auch nicht beantragt ist, kommt nicht in Betracht. Es fehlt insoweit an einer in § 67 SGG geforderten gesetzlichen Verfahrensfrist (§ 63 Abs. 1 SGG) bzw. gesetzlichen Frist (§ 60 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung) oder Notfrist (§ 233 ZPO).

Schließlich hätten die Antragsteller am 12.11.2011 auch keine wirksame Verzögerungsrüge erhoben. Wird die Rüge zur Unzeit erhoben, ist der Anspruch nicht begründet und ist die Klage abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 17.07.2014 - III ZR 228/13 -). Die Gesetzesbegründung formuliert, dass die Rüge "ins Leere" gehe (BT-Drucks. 17/3802, S. 20). Sie ist damit endgültig unwirksam und wird auch dann nicht wirksam, wenn tatsächlich eine unangemessene Verfahrensdauer eintritt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 04.12.2013 - L 11 SF 398/13 EK AS - und Urteil vom 27.08.2014 - L 11 SF 155/13 EK SO -).

Eine Rüge vom 12.11.2011 wäre deplaziert, d.h. zur Unzeit erhoben. Am 12.11.2011 bestand "bei vernünftiger Betrachtung" (Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, 2013, § 198 GVG, Rdn. 187) kein Anhaltspunkt für eine Besorgnis, dass das Gerichtsverfahren wegen einer dem beklagten Land zuzuordnenden Säumnis nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden würde. Das SG hat den Rechtsstreit, der von ihm bis dahin ohne jede Verzögerung betrieben worden ist, am 16.11.2010 zur Sitzung, d.h. zur Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung, vorgesehen. Danach erfolgten jedoch dem im Ablauf entgegenstehend im Wesentlichen die Beantragung von Prozesskostenhilfe seitens der Antragsteller, deren Bewilligung nach Klärung der Vertretungsbereitschaft des Bevollmächtigten der Antragsteller, die Akteneinsicht der Antragsteller und deren erst nach mehrmaligen gerichtlichen Erinnerungen des SG erfolgte Stellungnahme im Schriftsatz vom 03.11.2011, der gleichzeitig eine Änderung des Klageantrags enthielt. Bei dieser Sachlage wäre eine am 12.11.2011 erfolgte Verzögerungsrüge in höchstem Maße unverständlich.

Der Befangenheitsantrag im Schriftsatz vom 18.06.2012 und das an die Präsidentin des SG gerichtete Schreiben der Antragssteller vom 12.07.2012 stellen, soweit sie überhaupt als Verzögerungsrüge gewertet werden können, ebenso wie die mit Schriftsatz vom 18.02.2013 erhobene und so auch bezeichnete Verzögerungsrüge, keine rechtzeitige Verzögerungsrüge i.S.d. Art. 23 ÜGG dar; diese hätte - wie dargelegt - zur Wahrung von Entschädigungsansprüchen für den dem 03.12.2011 vorausgehenden Zeitraum bis spätestens am 03.03.2011 erfolgen müssen.

Im Übrigen tragen diese Verzögerungsrügen auch keinen Anspruch für die Zeit ab 03.12.2011, denn sie sind unwirksam, weil sie zur Unzeit erhoben worden sind (s.o.). Zu keinem der drei Zeitpunkte (18.06.2012, 12.07.2012 und 18.02.2013) bestand "bei vernünftiger Betrachtung" ein Anhaltspunkt für eine Besorgnis, dass das Gerichtsverfahren wegen einer dem beklagten Land zuzuordnenden Säumnis nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werden würde.

Mit Schriftsatz vom 10.05.2012 haben die Antragsteller nach zweimaliger gerichtlicher Erinnerung umfangreich auf das Vorbringen der Beklagten vom 25.01.2012 erwidert und konnten deshalb bei vernünftiger Betrachtung weder am 18.06.2012 noch am 12.07.2012 eine Säumnis des SG und darauf beruhend eine Besorgnis, dass der Rechtsstreit nicht in angemessener Zeit abgeschlossen werde, hegen. Gleiches gilt schließlich für die Verzögerungsrüge im Schriftsatz vom 17.02.2013. Nach Entscheidung über das Befangenheitsgesuch der Antragsteller durch Beschluss vom 30.08.2012 haben die Beteiligten nochmals in der Sache vorgetragen (Schriftsätze vom 10.09.2012 und 21.12.2012), um dann zumindest sinngemäß Entscheidungsreife zu bestätigen (Schriftsatz der Beklagten vom 22.01.2013 und Schriftsatz der Antragsteller vom 13.02.2013). Davon ausgehend ist die Rüge im Schriftsatz vom 17.02.2013 ebenfalls deplatziert.

Auf den weiteren Verlauf des Rechtsstreits kommt es mangels wirksamer Verzögerungsrüge nicht an.

Ergänzend ist festzustellen, dass insgesamt keine entschädigungsrelevante unangemessene Dauer des Rechtsstreits S 15 AS 125/08 SG Köln besteht. Die Antragsteller verweisen selber nur auf die Dauer des Rechtsstreits, die von Klagerhebung am 17.06.2008 bis zur Zustellung des Urteils am 21.08.2014 sechs Jahre und zwei Monate beträgt. Indes sagt dies nichts darüber aus, ob der Rechtsstreit unangemessen gedauert hat.

Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nämlich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten des Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG). Feste Zeitvorgaben sind mit § 198 GVG nicht vereinbar. Die Vorschrift verbietet es nachgerade, die Angemessenheit der Verfahrensdauer mit Hilfe von Orientierungs- oder Richtwerten für die Laufzeit gerichtlicher Verfahren zu ermitteln, und zwar unabhängig davon, ob diese auf eigener Annahme, Erfahrungswerten oder auf statistisch basierten durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten beruhen (BGH, Urteile vom 05.12.2013 - II ZR 73/13 - und vom 13.03.2014 - III ZR 91/13 -; BFH, Urteil vom 07.11.2013 - X K 13/12 -; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 11.07.2013 - 5 C 27/12 D und 5 C 23/12 D -; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.12.2013 - L 37 SF 82/12 EK R -; OOLG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2013 - 23 SchH 2/13 EntV -; LSG Thüringen, Urteile vom 18.06.2013 - L 3 SF 1149/12 EK, L 3 SF 1759/12 EK und L 3 SF 1147/12 EK -). Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, nach der sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer "nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter" richtet, folgt überdies aus der Gesetzesbegründung, nach der eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist (BT-Drucks. 17/3802, S. 18). Auch die als Auslegungshilfe mit Orientierungsfunktion heranzuziehende Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 EMRK (hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 -) lässt nicht ansatzweise den Schluss zu, der Gerichtshof habe feste Vorgaben entwickelt. Das Gegenteil ist der Fall. Jeder Sachverhalt wird auf der Grundlage der immer wiederkehrenden Eingangsformel

"Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer im Lichte der Umstände der Rechtssache sowie unter Berücksichtigung folgender Kriterien zu beurteilen ist: Komplexität der Rechtssache, Verhalten des Beschwerdeführers sowie der zuständigen Behörden und Bedeutung des Rechtsstreits für den Beschwerde-führer (siehe u.v.a. Frydlender./. Frankreich [GK], Individualbeschwerde Nr. 30979/96, Rdnr. 43, ECHR 2000-VII)."

einer individuellen Betrachtung unterzogen (z.B. EGMR, Urteil vom 13.10.2011 - 37264/06 - (Mianowicz/Deutschland); Urteil vom 22.09.2011 - 28348/09 - (Otto/Deutschland); Urteil vom 07.06.2011 - 277/05 - (S.T.S./Niederlande)). Es gibt weder eine feste zeitliche Grenze noch hat der EGMR eine allgemeine Höchstdauer für Verfahren einer bestimmten Art definiert (vgl. Mayer-Ladewig, EMRK, 3. Auflage, 2011, Art 6. Rdn. 199; Meyer, in Karpenstein/Mayer, EMRK, 2012, Art. 6 Rdn. 76). So hat der EGMR eine Verfahrensdauer von zwölf Jahren und sieben Monaten durch mehrere Instanzen einschließlich des Kosten- und Vollstreckungsverfahrens unter Berücksichtigung der Komplexität der Sach- und Rechtslage und des Verhaltens des Beschwerdeführers als angemessen bewertet (EGMR, Urteil vom 04.02.2010 - 13791/06 - (Gromzig/Deutschland)).

§ 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt deshalb nur beispielhaft ("insbesondere") solche Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind (BT-Drucks. 17/3802, S. 18), nämlich die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Zu beachten ist bei der Bewertung eines Zeitraums als unangemessen i.S.d. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG überdies, dass u.a. für eine Meinungsbildung des angerufenen Gerichts erforderliche Zeiten nicht als entschädigungsrelevante Verzögerung zu berücksichtigen sind (BSG, Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -; Senat, Beschluss vom 21.08.2014 - L 11 SF 211/14 EK -). Gleichermaßen besteht auch kein Anspruch darauf, dass ein Rechtsstreit, auch wenn er entscheidungsreif ist, sofort bzw. unverzüglich vom Gericht entschieden wird. Das Land als verantwortlicher Justizgewährträger ist nicht verpflichtet, so große Gerichtskapazitäten vorzuhalten, dass jedes anhängige Verfahren sofort und ausschließlich von einem Richter bearbeitet werden kann. Vielmehr muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Verfahren zu bearbeiten hat. Insofern ist ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten (BSG, Urteil vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 KL -; Senat, Beschluss vom 21.08.2014 - L 11 SF 211/14 EK - AL).

Das BSG hat dazu (z.B. Urteil vom 03.09.2014 - B 10 ÜG 9/13 R -) formuliert:

"Eine Verfahrensdauer von bis zu zwölf Monaten je Instanz ist damit regelmäßig als angemessen anzusehen, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden kann. Diese Zeitspanne muss und wird in der Regel nicht vollständig direkt im Anschluss an die Erhebung der Klage bzw die Einlegung der Berufung liegen, in der das Gericht normalerweise für einen Schriftsatzwechsel sorgt und Entscheidungsunterlagen beizieht. Die Vorbereitungs- und Bedenkzeit kann vielmehr auch am Ende der jeweiligen Instanz liegen und in mehrere, insgesamt zwölf Monate nicht übersteigende Abschnitte unterteilt sein."

"Beruht die Verfahrensdauer, die die genannte Dauer von zwölf Monaten je Instanz übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung (zB Zeit für Einholung von Auskünften, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Beiziehung von Akten) oder wird sie maßgeblich durch das Verhalten des Klägers, anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter verlängert, so macht selbst dies die Verfahrensdauer in der Regel ebenfalls noch nicht unangemessen."

"Die genannten Orientierungswerte gelten allerdings nur, wenn sich nicht aus dem Vortrag des Klägers oder aus den Akten besondere Umstände ergeben, die vor allem mit Blick auf die Kriterien von § 198 Abs 1 S 2 GVG im Einzelfall zu einer anderen Bewertung führen. Damit ändert die Zwölfmonatsregel nichts am Vorrang der Einzelfallbetrachtung, sondern verschiebt lediglich die sachlichen Anforderungen an die Verfahrensförderung entlang zeitlicher Grenzen.

Bei der noch ausstehenden genauen Feststellung der Zeiträume der Überlänge des Ausgangsverfahrens darf das LSG dem Ausgangsgericht daher grundsätzlich eine ausreichende Vorbereitungs- und Bedenkzeit einräumen, die nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden muss. Das LSG wird allerdings zu erwägen haben, ob insoweit die vom Senat regelmäßig akzeptierte Zeitspanne von zwölf Monaten noch angemessen ist, oder ob nach den besonderen Umständen dieses Einzelfalls, insbesondere wegen des in Streit stehenden Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen, nicht ausnahmsweise eine kürzere Vorbereitungs- und Bedenkzeit anzusetzen ist."

Die Verfahrensdauer ist demnach als unangemessen anzusehen, wenn eine Abwägung aller Umstände im Einzelfall ergibt, dass der aus den §§ 198 ff. GVG folgende Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen, nicht nachgekommen worden ist.

Das ist hier nicht der Fall; das Ausgangsverfahren hat lange, aber nicht unangemessen lange gedauert.

Als sog. inaktive Zeiten sind allenfalls lediglich

- die allerdings durch die Übersendung der Verwaltungsakten an das LSG Nordrhein-Westfalen kurzzeitig unterbrochene Zeit vom 15.02.2013 (Eingang des Schriftsatz der Antragsteller vom 25.01.2013 am 14.02.2013) bis 08.04.2013 (am 09.04.2013 Beginn der Ermittlungen des SG zur Anschrift / Wohnsitz der drei Kläger)
- die allerdings durch die Aushändigung der Verwaltungsakten an die Beklagte kurzzeitig unterbrochene Zeit vom 05.06.2013 (Ende der Ermittlungen am 04.06.2013) bis 19.03.2014 (Anfrage des SG am 20.03.2014)
- die durch Ladungsverfügung vom 13.05.2014 unterbrochene Zeit vom 02.04.2014 (Eingang der Antwort der Antragsteller vom 01.04.2014) bis zum 23.06.2014 (mündliche Verhandlung am 24.06.2014)

anzusehen, mithin ein Zeitraum von ca. 12 Monaten, der entsprechend der o.a. Rechtsprechung als Vorbereitungs- und Bedenkzeit, die nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte begründet und gerechtfertigt werden muss, eingeräumt werden kann. Von diesem Orientierungswert im konkreten Fall abzuweichen, besteht kein durchgreifender Anhaltspunkt. Der Umstand, dass existenzsichernde Leistungen in Streit standen, spricht für eine höhere Eilbedürftigkeit. Indes war der Leistungszeitraum schließlich auf sechs Monate begrenzt. Darüber hinaus war das Vorbringen der Beteiligten nicht nur umfangreich, sondern auch wechselhaft, der Rechtsstreit nicht nur deshalb, sondern auch zudem aufgrund teilweise ungeklärter bzw. erst im Verlauf des Verfahrens höchstrichterlich entschiedener Rechtsfragen und insbesondere aufgrund der Verknüpfung der diversen von den Antragstellern geführten Rechtsstreitigkeiten als sehr schwierig, mithin auch arbeits- und zeitintensiv zu bewerten, so dass im Ergebnis durchaus auch eine längere, aber keineswegs eine kürzere Vorbereitungs- und Bedenkzeit in Betracht kommt. Lediglich anzumerken ist, dass der Rechtsstreit vom SG bereits am 16.11.2010 als entscheidungsreif bewertet worden und dass die nachfolgende Verfahrenslaufzeit dem Grunde nach mit Ausnahme der vorrangig durch das BSG verursachten Verzögerung den Antragstellern zuzurechnen ist.

III.

Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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