Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 25/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 405/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine stationäre Krankenhausbehandlung zwecks Durchführung einer Liposuktion im Bauchbereich und einer gegebenenfalls danach erforderlich werdenden Abdominoplastik.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger leidet u.a. an einer benignen (gutartigen) symmetrischen Lipomatose (vermehrte Fettbildung/Fettfehlverteilung) vom Typ II bis III ("Morbus Madelung"). Erstmals im Juli 2006 wurde beim Kläger eine Liposuktion (Fettabsaugung) im Bereich beider Oberarme durchgeführt; im Bereich des Oberbauchs wurde ein Lipom entfernt. Im Februar 2007 wurde erneut eine Liposuktion im Bereich der Oberarme durchgeführt. Beide Behandlungsmaßnahmen erfolgten zu Lasten der Beklagten.
Am 30.06.2014 beantragte der Kläger durch die Klinik für Plastische Chirurgie der Uniklinik der RWTH B. die Übernahme der Kosten für eine von den Klinikärzten empfohlenen Abdominoplastik (Bauchdeckenstraffung) und eine Brachioplastik (Oberarmstraffung), jeweils mit angleichender Liposuktion. Dazu legte der Kläger entsprechende Fotos vor.
In einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam Dr. N. am 29.08.2014 zum Ergebnis, es liege die Indikation für die beantragte Oberarmoperation vor; eine Abdominoplastik sei jedoch nicht zwingend medizinisch notwendig. Zusätzlich zur bekannten Lipomatose bestehe beim Kläger auch eine generalisierte Adipositas. Die MDK-Ärztin meinte, hier seien weitere Patientenschulungsmaßnahmen bei bekanntem Risikoprofil erforderlich.
Gestützt hierauf bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 10.09.2014 die Übernahme der Kosten für eine plastisch-chirurgische Maßnahme im Bereich der Oberarme, lehnte aber die Übernahme der Kosten für eine Abdominoplastik ab.
Gegen die ablehnende Entscheidung erhob der Kläger am 29.09.2014 Widerspruch.
In einem weiteren MDK-Gutachten vom 13.11.2014 stellte Dr. G. fest, es liege beim Kläger keine körperliche Anomalie (im Bereich des Bauches) vor, die als Krankheit zu bewerten wäre. Der Morbus Madelung könne nicht durch den gewünschten Eingriff "geheilt" werden; die Ansammlung des Fettgewebes sei im vorliegenden Ausmaß nicht operativ behandlungsbedürftig; es lägen weder funktionelle Defizite vor noch chronisch therapieresistente Hautveränderungen; die medizinischen Voraussetzungen für eine Abdominoplastik seien nicht erfüllt.
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 16.12.2014 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 13.01.2015 Klage erhoben. Er hat zunächst schriftsätzlich vorgetragen, dass die herabhängende Bauchdecke (Fettschürze) deutliche hygienische Schwierigkeiten mit chronischer bzw. akuter Hautreizung verursache; am Rand der Hautfalte liege ein Hautpilzbefall vor. Auch wenn die Krankheit selbst nicht geheilt werden könne, könnten aber ihre Auswüchse abgemildert bzw. beseitigt werden. Er – der Kläger – könne sich nur schwer damit bewegen; er müsse inzwischen eine Atemmaske bei Schlafapnoe tragen; er habe Rückschmerzen, Diabetes und Bluthochdruck. Eine Gewichtsreduktion lasse sich nicht durch diätetische Maßnahmen, sondern nur durch die Operation bewerkstelligen. Es gehe ihm nicht um eine schönheitschirurgische Maßnahme; ernsthafte Chirurgen der Uniklinik B. befürworteten die Abdominoplastik mit Liposuktion. Der Kläger meint, diese sei aus gesundheitlichen Gründen geboten. Er hat hierzu ein aktuelles Schreiben der Klinik für plastische Chirurgie vom 29.04.2015 vorgelegt, in dem u.a. eine "Abdominoplastik mit angleichender Liposuktion" empfohlen wird; die Begründung ist im Wesentlichen dieselbe wie im Kostenübernahmeantrag der Klinikärzte vom 30.06.2014.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger klargestellt, dass es ihm mit der vorliegenden Klage in erster Linie um die Liposuktion, also die Fettabsaugung im Bereich des Bauches geht und in deren Folge dann gegebenenfalls um eine Bauchdeckenplastik. Erst wenn das Fett im Bereich des Bauches abgesaugt sei, könne es durch die erschlaffte Haut zu einer Hautfalte kommen, die dann erforderlichenfalls durch eine Abdominoplastik beseitigt werden müsse.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 10.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2014 zu verurteilen, ihm eine stationäre Krankenhausbehandlung zwecks Durchführung einer Liposuktionim Bauchbereich mit angleichender Abdominoplastik zu gewähren, hilfsweise, die Krankenhausbehandlung ausschließlich zwecks Durchführung einer Liposuktion im Bauchbereich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung. Sie verweist insofern auf ein früheres MDK-Gutachten vom 25.11.2008 sowie eine aktuelle MDK-Stellungnahme vom 29.04.2015.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts einen Befundbericht von dem Hautarzt Dr. I. vom 16.03.2015 sowie umfangreiche medizinische Unterlagen von der Uniklinik der RWTH B. beigezogen, auf die verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat weder einen Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung zwecks Durchführung einer Liposuktion im Bauchbereich noch einen Anspruch auf eine sich anschließende stationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer angleichenden Abdominoplastik zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Dabei ist eine Krankenbehandlung grundsätzlich jedoch nur notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand geheilt, gebessert, vor einer Verschlimmerung bewahrt wird oder Schmerzen gelindert werden können. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2010 – B 1 KR 5/10 R m.w.N.).
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen ist davon auszugehen, dass beim Kläger eine Krankheit in diesem Sinne vorliegt. Zwar kann ausweislich der in den Akten befindlichen zahlreichen Fotos nicht von einer Entstellung ausgegangen werden; jedoch besteht eine Lipomatose, das ist eine vermehrte Bildung des Fettgewebes, aufgrund deren sich das Fett in verschiedenen Körperpartien in einem das Normalmaß übersteigenden Umfang ansetzt. Beim Kläger wirkt sich die Lipomatose insbesondere im Bereich der Oberarme, der Oberschenkel, des Brust- und des Bauchbereiches aus. Die vom Kläger zur Beseitigung dieser Fettansammlungen – hier konkret im Bauchbereich – begehrten, im Wege einer stationären Krankenhausbehandlung durchzuführenden Liposuktion gehört jedoch ebenso wenig wie eine entsprechende ambulante Behandlung zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen (LSG, Urteile vom 08.05.2014 – L 16 KR 439/10 – und 16.01.2014 – L 16 KR 558/13; LSG Sachsen, Urteil vom 16.01.2014 – L 1 KR 229/10, LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11 – und 27.04.2012 – L 4 KR 595/11). Die Liposuktion entspricht – schon ganz grundlegend – nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen sind.
§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen. Hierzu gehört es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv wirkt. Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitenmethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich: BT-Drucksache 11/2237, S. 157). Die einzige – hier nicht in Betracht kommende – Ausnahme bildet nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind zur Förderung des medizinischen Fortschritts zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11 m.w.N.).
Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich verlässliche wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ist Voraussetzung für eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der (neuen) Behandlungsmethode abgegeben hat (vgl. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nichts anderes gilt für neue Behandlungsmethoden, die im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung durchgeführt werden. Zwar ergibt sich aus § 137c Abs. 1 SGB V, dass für den stationären Bereich eine Anspruch grundsätzlich nur dann ausgeschlossen ist, wenn der G-BA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat, was für die Liposuktion nicht der Fall ist. Allein die rechtstechnisch unterschiedliche Gestaltung einerseits von § 135 Abs. 1 SGB V als "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" für die ambulante vertragsärztliche Versorgung und andererseits von § 137c Abs. 1 SGB V als "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" für die stationäre Versorgung im Krankenhaus sowie Wortlaut und Regelungszweck von § 137c Abs. 1 SGB V gebieten es nicht, bereits im Rahmen der Prüfung, ob Nachweise zur Wirksamkeit der Methode bei der beanspruchten Indikation vorliegen, unterschiedliche Maßstäbe zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit einer Behandlungsmethode im ambulanten oder stationären Versorgungsbereich zur Anwendung zu bringen. Trotz der andersartigen Normstruktur und des unterschiedlichen Wortlauts von § 135 Abs. 1 und § 137c Abs. 1 SGB V ist die Methodenbewertung im SGB V prinzipiell bereits übergreifend angelegt (LSG NRW, Urteile vom 08.05.2014 – L 16 KR 439/10 – und 16.01.2014 – L 16 KR 558/13 – unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 06.05.2009 – B 6 A 1/08 R). Dementsprechend erfordert der Anspruch auf Krankenhausbehandlung auch dann, wenn der G-BA nicht über die Zulässigkeit der Behandlungsmethode im Krankenhaus entschieden hat, dass die angewandte Methode zur Zeit der Behandlung dem Qualitätsgebot des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse oder den Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung genügt. Nur insoweit entspricht der Vergütungsanspruch des Krankenhauses dem Anspruch der Versicherten auf stationäre Behandlung (LSG NRW, a.a.O.).
Zu Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion bei Lipomatose im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V können derzeit keine zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen gemacht werden. Es fehlen wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode. Dies ergibt sich aus dem "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" des MDK vom 06.10.2011 in der aktualisierten Fassung vom 15.01.2015 (abrufbar unter: www.sindbad-mds.de [Datenbank/Schlagwortliste "L"/Liposuktion]). Das Gutachten nimmt eine umfassende Auswertung der über den Einsatz Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen oder anderen Fettverteilungserkrankungen veröffentlichten Studien vor. Die Gutachter kommen in der Zusammenfassung (Abschnitt 11 des Gutachtens) zu dem Ergebnis, dass für die Liposuktion keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung besteht. Diesem überzeugenden Fazit der Gutachter schließt sich die Kammer an. Die Methode ist derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion; es sind weitere randomisierte Studien erforderlich, um sie zu einer den Kriterien der Evidenz basierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können (so auch: LSG NRW, Urteile vom 08.05.2014 – L 16 KR 439/10 – und vom 16.01.2014 – L 16 KR 558/13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11). Eine Übertragung der Grundsätze aus dem MDK-Gutachten vom 06.10.2011 (Stand: 15.01.2015) scheitert nicht etwa daran, dass der Kläger an einer Lipomatose leidet, während sich das Gutachten hauptsächlich mit Lip- und Lymphödemen auseinandersetzt. Das Gutachten befasst sich in Abschnitt 5 unter den Ziffern 5.1.2 und 5.3.2 auch mit der Lipomatose ("Lipomatosis dolorosa"). Auf dieses Krankheitsbild sind die Ergebnisse und das Fazit des MDK-Gutachtens übertragbar. Einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf die – ambulante oder stationäre – Liposuktion zur Therapie der Lipomatose steht nach alledem entgegen, dass die in den §§ 2 und 12 SGB V definierten Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit nicht erfüllt sind.
Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzung nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsberechtigten Stellen oder dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 12/05 R). Im Fall der Liposuktion besteht ein Systemversagen deshalb nicht, weil sich der G-BA aktuell mit der Behandlungsmethode befasst. Der G-BA hat in seiner Sitzung vom 22.05.2014 den Beschluss gefasst, den Antrag der Patientenvertretung anzunehmen und das diesbezügliche Beratungsverfahren einzuleiten; er hat den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gem. §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V beauftragt.
Steht nach allem fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte (stationäre) Liposuktion im Bauchbereich hat, so braucht die Kammer nicht darüber zu entscheiden, ob anschließend eine Abdominoplastik zur Bauchdeckenstraffung von der Beklagten zu gewähren ist. Dies gilt umso mehr, als zum derzeitigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht abzusehen ist, ob, wenn der Kläger die Liposuktion (auf eigene Kosten) durchführen sollte, die Bauchdeckenhaut anschließend derart erschlafft ist, dass sie krankheitswerte Beschwerden auslöst, die einen Anspruch auf Krankenbehandlung nach dem SGB V begründen. Allein der durch eine Fettabsaugung entstandene Volumenverlust, der zu einem Hautüberschuss an betroffenen Körperteilen führt, stellt keine behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne von § 27 SGB V dar (LSG Hamburg, Urteil vom 17.07.2014 – L 1 KR 160/13). Sollten sich aufgrund der Hautfalte ("Fettschürze") dermatologische Erkrankungen einstellen, sind diese grundsätzlich mit den Mitteln dieser Fachrichtung zu behandeln. Erst wenn mit dermatologischen Behandlungsmethoden kein dauerhafter Erfolg erzielt werden kann, wäre zu prüfen, ob als Ultima ratio eine Hautstraffung mittels Abdominoplastik notwendig ist (LSG Hamburg, a.a.O.). Hierüber hat die Kammer aktuell jedoch nicht zu befinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine stationäre Krankenhausbehandlung zwecks Durchführung einer Liposuktion im Bauchbereich und einer gegebenenfalls danach erforderlich werdenden Abdominoplastik.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger leidet u.a. an einer benignen (gutartigen) symmetrischen Lipomatose (vermehrte Fettbildung/Fettfehlverteilung) vom Typ II bis III ("Morbus Madelung"). Erstmals im Juli 2006 wurde beim Kläger eine Liposuktion (Fettabsaugung) im Bereich beider Oberarme durchgeführt; im Bereich des Oberbauchs wurde ein Lipom entfernt. Im Februar 2007 wurde erneut eine Liposuktion im Bereich der Oberarme durchgeführt. Beide Behandlungsmaßnahmen erfolgten zu Lasten der Beklagten.
Am 30.06.2014 beantragte der Kläger durch die Klinik für Plastische Chirurgie der Uniklinik der RWTH B. die Übernahme der Kosten für eine von den Klinikärzten empfohlenen Abdominoplastik (Bauchdeckenstraffung) und eine Brachioplastik (Oberarmstraffung), jeweils mit angleichender Liposuktion. Dazu legte der Kläger entsprechende Fotos vor.
In einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) kam Dr. N. am 29.08.2014 zum Ergebnis, es liege die Indikation für die beantragte Oberarmoperation vor; eine Abdominoplastik sei jedoch nicht zwingend medizinisch notwendig. Zusätzlich zur bekannten Lipomatose bestehe beim Kläger auch eine generalisierte Adipositas. Die MDK-Ärztin meinte, hier seien weitere Patientenschulungsmaßnahmen bei bekanntem Risikoprofil erforderlich.
Gestützt hierauf bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 10.09.2014 die Übernahme der Kosten für eine plastisch-chirurgische Maßnahme im Bereich der Oberarme, lehnte aber die Übernahme der Kosten für eine Abdominoplastik ab.
Gegen die ablehnende Entscheidung erhob der Kläger am 29.09.2014 Widerspruch.
In einem weiteren MDK-Gutachten vom 13.11.2014 stellte Dr. G. fest, es liege beim Kläger keine körperliche Anomalie (im Bereich des Bauches) vor, die als Krankheit zu bewerten wäre. Der Morbus Madelung könne nicht durch den gewünschten Eingriff "geheilt" werden; die Ansammlung des Fettgewebes sei im vorliegenden Ausmaß nicht operativ behandlungsbedürftig; es lägen weder funktionelle Defizite vor noch chronisch therapieresistente Hautveränderungen; die medizinischen Voraussetzungen für eine Abdominoplastik seien nicht erfüllt.
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 16.12.2014 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 13.01.2015 Klage erhoben. Er hat zunächst schriftsätzlich vorgetragen, dass die herabhängende Bauchdecke (Fettschürze) deutliche hygienische Schwierigkeiten mit chronischer bzw. akuter Hautreizung verursache; am Rand der Hautfalte liege ein Hautpilzbefall vor. Auch wenn die Krankheit selbst nicht geheilt werden könne, könnten aber ihre Auswüchse abgemildert bzw. beseitigt werden. Er – der Kläger – könne sich nur schwer damit bewegen; er müsse inzwischen eine Atemmaske bei Schlafapnoe tragen; er habe Rückschmerzen, Diabetes und Bluthochdruck. Eine Gewichtsreduktion lasse sich nicht durch diätetische Maßnahmen, sondern nur durch die Operation bewerkstelligen. Es gehe ihm nicht um eine schönheitschirurgische Maßnahme; ernsthafte Chirurgen der Uniklinik B. befürworteten die Abdominoplastik mit Liposuktion. Der Kläger meint, diese sei aus gesundheitlichen Gründen geboten. Er hat hierzu ein aktuelles Schreiben der Klinik für plastische Chirurgie vom 29.04.2015 vorgelegt, in dem u.a. eine "Abdominoplastik mit angleichender Liposuktion" empfohlen wird; die Begründung ist im Wesentlichen dieselbe wie im Kostenübernahmeantrag der Klinikärzte vom 30.06.2014.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger klargestellt, dass es ihm mit der vorliegenden Klage in erster Linie um die Liposuktion, also die Fettabsaugung im Bereich des Bauches geht und in deren Folge dann gegebenenfalls um eine Bauchdeckenplastik. Erst wenn das Fett im Bereich des Bauches abgesaugt sei, könne es durch die erschlaffte Haut zu einer Hautfalte kommen, die dann erforderlichenfalls durch eine Abdominoplastik beseitigt werden müsse.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 10.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2014 zu verurteilen, ihm eine stationäre Krankenhausbehandlung zwecks Durchführung einer Liposuktionim Bauchbereich mit angleichender Abdominoplastik zu gewähren, hilfsweise, die Krankenhausbehandlung ausschließlich zwecks Durchführung einer Liposuktion im Bauchbereich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung. Sie verweist insofern auf ein früheres MDK-Gutachten vom 25.11.2008 sowie eine aktuelle MDK-Stellungnahme vom 29.04.2015.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts einen Befundbericht von dem Hautarzt Dr. I. vom 16.03.2015 sowie umfangreiche medizinische Unterlagen von der Uniklinik der RWTH B. beigezogen, auf die verwiesen wird.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat weder einen Anspruch auf stationäre Krankenhausbehandlung zwecks Durchführung einer Liposuktion im Bauchbereich noch einen Anspruch auf eine sich anschließende stationäre Krankenhausbehandlung zur Durchführung einer angleichenden Abdominoplastik zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr. 5 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung auch die Krankenhausbehandlung. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V haben Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Dabei ist eine Krankenbehandlung grundsätzlich jedoch nur notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand geheilt, gebessert, vor einer Verschlimmerung bewahrt wird oder Schmerzen gelindert werden können. Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2010 – B 1 KR 5/10 R m.w.N.).
Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen ist davon auszugehen, dass beim Kläger eine Krankheit in diesem Sinne vorliegt. Zwar kann ausweislich der in den Akten befindlichen zahlreichen Fotos nicht von einer Entstellung ausgegangen werden; jedoch besteht eine Lipomatose, das ist eine vermehrte Bildung des Fettgewebes, aufgrund deren sich das Fett in verschiedenen Körperpartien in einem das Normalmaß übersteigenden Umfang ansetzt. Beim Kläger wirkt sich die Lipomatose insbesondere im Bereich der Oberarme, der Oberschenkel, des Brust- und des Bauchbereiches aus. Die vom Kläger zur Beseitigung dieser Fettansammlungen – hier konkret im Bauchbereich – begehrten, im Wege einer stationären Krankenhausbehandlung durchzuführenden Liposuktion gehört jedoch ebenso wenig wie eine entsprechende ambulante Behandlung zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenkassen (LSG, Urteile vom 08.05.2014 – L 16 KR 439/10 – und 16.01.2014 – L 16 KR 558/13; LSG Sachsen, Urteil vom 16.01.2014 – L 1 KR 229/10, LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11 – und 27.04.2012 – L 4 KR 595/11). Die Liposuktion entspricht – schon ganz grundlegend – nicht den erforderlichen Qualitätsanforderungen, die an eine zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführende Behandlungsmethode zu stellen sind.
§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V gibt vor, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung nach § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V umfasst daher nur solche Leistungen, deren Qualität und Wirksamkeit diesen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechen. Hierzu gehört es nicht, dass eine Behandlungsmethode bei einem Versicherten nach Ansicht seiner Ärzte positiv wirkt. Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitenmethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkasse aus. Es ist nicht Aufgabe der Krankenkassen, die medizinische Forschung zu finanzieren (so ausdrücklich: BT-Drucksache 11/2237, S. 157). Die einzige – hier nicht in Betracht kommende – Ausnahme bildet nach § 137c Abs. 2 Satz 2 SGB V die Durchführung klinischer Studien. Behandlungen im Rahmen solcher Studien waren und sind zur Förderung des medizinischen Fortschritts zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11 m.w.N.).
Außerhalb klinischer Studien muss es jedoch zu Qualität und Wirksamkeit einer Behandlungsmethode grundsätzlich verlässliche wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen geben. Im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ist Voraussetzung für eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der Richtlinie nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der (neuen) Behandlungsmethode abgegeben hat (vgl. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nichts anderes gilt für neue Behandlungsmethoden, die im Rahmen stationärer Krankenhausbehandlung durchgeführt werden. Zwar ergibt sich aus § 137c Abs. 1 SGB V, dass für den stationären Bereich eine Anspruch grundsätzlich nur dann ausgeschlossen ist, wenn der G-BA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hat, was für die Liposuktion nicht der Fall ist. Allein die rechtstechnisch unterschiedliche Gestaltung einerseits von § 135 Abs. 1 SGB V als "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" für die ambulante vertragsärztliche Versorgung und andererseits von § 137c Abs. 1 SGB V als "Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt" für die stationäre Versorgung im Krankenhaus sowie Wortlaut und Regelungszweck von § 137c Abs. 1 SGB V gebieten es nicht, bereits im Rahmen der Prüfung, ob Nachweise zur Wirksamkeit der Methode bei der beanspruchten Indikation vorliegen, unterschiedliche Maßstäbe zur Beurteilung der therapeutischen Wirksamkeit einer Behandlungsmethode im ambulanten oder stationären Versorgungsbereich zur Anwendung zu bringen. Trotz der andersartigen Normstruktur und des unterschiedlichen Wortlauts von § 135 Abs. 1 und § 137c Abs. 1 SGB V ist die Methodenbewertung im SGB V prinzipiell bereits übergreifend angelegt (LSG NRW, Urteile vom 08.05.2014 – L 16 KR 439/10 – und 16.01.2014 – L 16 KR 558/13 – unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 06.05.2009 – B 6 A 1/08 R). Dementsprechend erfordert der Anspruch auf Krankenhausbehandlung auch dann, wenn der G-BA nicht über die Zulässigkeit der Behandlungsmethode im Krankenhaus entschieden hat, dass die angewandte Methode zur Zeit der Behandlung dem Qualitätsgebot des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse oder den Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung genügt. Nur insoweit entspricht der Vergütungsanspruch des Krankenhauses dem Anspruch der Versicherten auf stationäre Behandlung (LSG NRW, a.a.O.).
Zu Qualität und Wirksamkeit der Liposuktion bei Lipomatose im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V können derzeit keine zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen gemacht werden. Es fehlen wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode. Dies ergibt sich aus dem "Gutachten Liposuktion bei Lip- und Lymphödemen" der sozialmedizinischen Expertengruppe 7 "Methoden- und Produktbewertung" des MDK vom 06.10.2011 in der aktualisierten Fassung vom 15.01.2015 (abrufbar unter: www.sindbad-mds.de [Datenbank/Schlagwortliste "L"/Liposuktion]). Das Gutachten nimmt eine umfassende Auswertung der über den Einsatz Liposuktion als Methode zur Behandlung von Lipödemen oder anderen Fettverteilungserkrankungen veröffentlichten Studien vor. Die Gutachter kommen in der Zusammenfassung (Abschnitt 11 des Gutachtens) zu dem Ergebnis, dass für die Liposuktion keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung besteht. Diesem überzeugenden Fazit der Gutachter schließt sich die Kammer an. Die Methode ist derzeit noch Gegenstand wissenschaftlicher Diskussion; es sind weitere randomisierte Studien erforderlich, um sie zu einer den Kriterien der Evidenz basierten Medizin entsprechenden Behandlungsmethode qualifizieren zu können (so auch: LSG NRW, Urteile vom 08.05.2014 – L 16 KR 439/10 – und vom 16.01.2014 – L 16 KR 558/13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.2013 – L 4 KR 3517/11). Eine Übertragung der Grundsätze aus dem MDK-Gutachten vom 06.10.2011 (Stand: 15.01.2015) scheitert nicht etwa daran, dass der Kläger an einer Lipomatose leidet, während sich das Gutachten hauptsächlich mit Lip- und Lymphödemen auseinandersetzt. Das Gutachten befasst sich in Abschnitt 5 unter den Ziffern 5.1.2 und 5.3.2 auch mit der Lipomatose ("Lipomatosis dolorosa"). Auf dieses Krankheitsbild sind die Ergebnisse und das Fazit des MDK-Gutachtens übertragbar. Einer Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf die – ambulante oder stationäre – Liposuktion zur Therapie der Lipomatose steht nach alledem entgegen, dass die in den §§ 2 und 12 SGB V definierten Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit nicht erfüllt sind.
Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Systemmangels. Danach kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem G-BA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzung nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde ("Systemversagen"). Ein derartiger Systemmangel wird angenommen, wenn das Verfahren vor dem G-BA von den antragsberechtigten Stellen oder dem G-BA selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 04.04.2006 – B 1 KR 12/05 R). Im Fall der Liposuktion besteht ein Systemversagen deshalb nicht, weil sich der G-BA aktuell mit der Behandlungsmethode befasst. Der G-BA hat in seiner Sitzung vom 22.05.2014 den Beschluss gefasst, den Antrag der Patientenvertretung anzunehmen und das diesbezügliche Beratungsverfahren einzuleiten; er hat den Unterausschuss Methodenbewertung mit der Durchführung der Bewertung der Liposuktion bei Lipödem gem. §§ 135 Abs. 1 und 137c SGB V beauftragt.
Steht nach allem fest, dass der Kläger keinen Anspruch auf die begehrte (stationäre) Liposuktion im Bauchbereich hat, so braucht die Kammer nicht darüber zu entscheiden, ob anschließend eine Abdominoplastik zur Bauchdeckenstraffung von der Beklagten zu gewähren ist. Dies gilt umso mehr, als zum derzeitigen Zeitpunkt überhaupt noch nicht abzusehen ist, ob, wenn der Kläger die Liposuktion (auf eigene Kosten) durchführen sollte, die Bauchdeckenhaut anschließend derart erschlafft ist, dass sie krankheitswerte Beschwerden auslöst, die einen Anspruch auf Krankenbehandlung nach dem SGB V begründen. Allein der durch eine Fettabsaugung entstandene Volumenverlust, der zu einem Hautüberschuss an betroffenen Körperteilen führt, stellt keine behandlungsbedürftige Krankheit im Sinne von § 27 SGB V dar (LSG Hamburg, Urteil vom 17.07.2014 – L 1 KR 160/13). Sollten sich aufgrund der Hautfalte ("Fettschürze") dermatologische Erkrankungen einstellen, sind diese grundsätzlich mit den Mitteln dieser Fachrichtung zu behandeln. Erst wenn mit dermatologischen Behandlungsmethoden kein dauerhafter Erfolg erzielt werden kann, wäre zu prüfen, ob als Ultima ratio eine Hautstraffung mittels Abdominoplastik notwendig ist (LSG Hamburg, a.a.O.). Hierüber hat die Kammer aktuell jedoch nicht zu befinden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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