L 10 R 1723/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 6126/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1723/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.03.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Der 1964 geborene Kläger erlernte den Beruf des Raumausstatters und qualifizierte sich später zum Raumausstattermeister. Er arbeitete bis zum Jahr 2000 in diesem Beruf. Im Zuge einer im Jahr 2000 erlittenen Subarachnoidalblutung und anschließend durchgeführter Reha-Maßnahmen wurde dem Kläger bis einschließlich Juli 2008 Rente wegen Erwerbsminderung gewährt. Den darüber hinausgehenden Weitergewährungsantrag lehnte die Beklagte, gestützt auf ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom Mai 2008 (dieser gelangte zur Diagnose eines angegebenen Schwindels, von angegebenen Spannungskopfschmerzen sowie eines Zustands nach operiertem Kleinhirnangiom 2000 und sah ein vollschichtiges Arbeitsvermögen für mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes), ab. Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht Stuttgart (S 10 R 9084/08) nahm der Kläger auf das im dortigen Verfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten des Dr. H. auf Grund Untersuchung im Juli 2009 hin zurück. Der Sachverständige konnte weder eine psychiatrische Erkrankung noch in körperlich-neurologischer Sicht auf die Blutung bzw. Operation im Jahr 2000 zurückführbare Residuen feststellen; er erhob auch keine kognitiven Leistungseinschränkungen und sah den Kläger für im Stande, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben, wobei auf Grund des vom Kläger beklagten Schwindels Arbeiten die mit Absturzgefahr einhergehen, und Arbeiten an ungeschützten Maschinen vermieden werden sollten.

Am 25.03.2011 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung, woraufhin die Beklagte eine Begutachtung durch den Nervenarzt Dr. W. veranlasste. Dieser diagnostizierte beim Kläger, beruhend auf einer Untersuchung im April 2011, einen Zustand nach Operation im Januar 2000 wegen Kleinhirnangiom mit Subarachnoidalblutung, eine psychogene Ausgestaltung im Rahmen des Verfahrens mit Angabe vegetativer Störungen sowie eine Hypertonie und bejahte ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr arbeitstäglich, ohne dass weitere wesentliche Einschränkungen zu berücksichtigen wären. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 18.05.2011 bzw. Widerspruchsbescheid vom 05.10.2011 ab.

Hiergegen hat der Kläger am 27.10.2011 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben und die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 25.03.2011 begehrt. Das Sozialgericht hat zunächst den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Neurologie Dr. R. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat mitgeteilt, als Folgen der im Jahre 2000 stattgehabten Operation bestünden weiterhin ausschließlich neurologische Beschwerden in Form belastungsabhängiger Schwindelbeschwerden mit vermehrt auftretenden occipitalen Kopfschmerzen, Übelkeitsgefühl, Koordinationsstörungen mit Fallneigung im Stehen und Gangataxie, vermehrter Wetterfühligkeit und verminderter konzentrativer und psychischer Belastbarkeit, weshalb der Kläger maximal drei Stunden leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitstäglich ausüben könne.

Das Sozialgericht hat weiterhin eine Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet durch Dr. V. veranlasst. Dieser hat beim Kläger, beruhend auf einer ambulanten Untersuchung im Oktober 2012, die Diagnose eines Verdachts auf Angsterkrankung mit Panikattacken sowie einer depressiven Episode, derzeit leicht- bis mittelgradig ausgeprägt, gestellt und ist von einem täglichen Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Tätigkeiten mit Absturzgefahr, mit häufigem Treppensteigen, Steigen auf Leitern, Arbeiten an gefährdenden Maschinen, Akkordarbeiten, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnis und Arbeiten mit Verantwortung für anderen Menschen ausgegangen. Auf Grund der depressiven Störung in Kombination mit der wahrscheinlich vorliegenden Angststörung halte er ein vollschichtiges Leistungsvermögen derzeit nicht für gegeben. Die Beklagte ist dem Gutachten durch eine sozialmedizinische Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. entgegengetreten.

Mit Urteil vom 25.03.2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Sowohl Dr. W. als auch die Vorgutachter Dr. H. und Dr. H. hätten im Hinblick auf die Gesundheitsstörungen im Gefolge der Kleinhirnangiom-Operation 2000 keine wesentlichen Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers feststellen können. Soweit Dr. V. , der im Übrigen gleichfalls relevante neurologische Gesundheitsstörungen verneint habe, erstmals die Diagnosen des Verdachts einer Angsterkrankung sowie einer depressiven Episode gestellt und hieraus eine quantitative Leistungseinschränkung abgeleitet habe, habe die Kammer dem nicht folgen können. Insbesondere habe bislang keine leitliniengerechte Behandlung der Depression stattgefunden. Gegen das dem Kläger am 02.04.2014 zugestellte Urteil hat dieser am 16.04.2014 Berufung eingelegt und diese im Wesentlichen mit seiner Schwindelproblematik begründet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.03.2014 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2011 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 25.03.2011 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat eine Begutachtung des Klägers auf nervenärztlichem Gebiet durch Dr. B. veranlasst. Dr. B. hat in seinem Gutachten, beruhend auf einer Untersuchung des Klägers im Juni 2014, u.a. einen Zustand nach intrazerebraler Blutung mit nachfolgender OP eines Kleinhirnangioms im Jahr 2000 ohne Anhalt für überdauernde organ-neurologisch begründete Funktionsstörung, für hirnorganisch begründete Psychopathologie oder für epileptische Anfälle und ohne Nachweis einer überdauernden zerebellären Läsion, einen beklagten Schwindel, der als herzphobisch gefärbte Panikattacke einzuordnen ist, funktionelle Schlafstörungen im Kontext mit Belastungen im psychosozialen Hintergrund, eine dysthyme Verstimmung im Kontext mit Belastungen im biographischen Hintergrund und eine Adipositas bei anklingender psychogener Essstörung diagnostiziert. Der Kläger könne bis zu mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wenigstens sechs Stunden und mehr an fünf Tagen in der Woche, dies nur zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne ständigen Zeitdruck, ohne ständige nervöse Anspannung und ohne Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht ausüben. In einem - auf Nachfrage des Senats hinsichtlich der Leistungseinschätzung korrigierten - ärztlichen Entlassungsbericht über den Reha-Aufenthalt des Klägers in der A.-Klinik W. in der Zeit vom August 2014 bis Anfang Januar 2015 sind bei diesem psychische und Verhaltensstörungen durch Sedativa oder Hypnotika (Abhängigkeitssyndrom), psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol (schädlicher Gebrauch), kombinierte und andere Persönlichkeitsstörungen, sonstige somatoforme Störungen und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode, diagnostiziert worden. Es sei aus psychischer Sicht von einer maximalen Leistungsfähigkeit von drei bis unter sechs Stunden auszugehen. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie B. ist der Beurteilung im Reha-Entlassungsbericht in einer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte entgegengetreten. Weiterhin hat Dr. B. ergänzend zum Reha-Entlassungsbericht gutachterlich Stellung genommen und dabei an seiner ursprünglichen Einschätzung festgehalten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 18.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.10.2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Es ist nicht festzustellen, dass der Kläger auf Grund der bei ihm bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Sinne der maßgeblichen gesetzlichen Regelungen in seinem beruflichen Leistungsvermögen in einem rentenrelevanten Ausmaß eingeschränkt ist und volle Erwerbsminderung vorliegt. Der (ausschließlich) geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht nicht.

Das Sozialgericht hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 43 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) im Einzelnen dargelegt. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Wie bereits das Sozialgericht gelangt auch der Senat in Würdigung des Berufungsvorbringens der Beteiligten sowie des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme zum Ergebnis, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt, weil er zumindest noch mittelschwere Tätigkeiten unter Beachtung der von Dr. B. genannten qualitativen Einschränkungen (nur Arbeiten zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen, ohne ständigen Zeitdruck, ohne ständige nervöse Anspannung, ohne Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht) noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann.

Beim Kläger stehen Erkrankungen auf nervenärztlichem Fachgebiet ganz im Vordergrund. Dabei sind die beim Kläger vorliegenden relevanten Gesundheitsstörungen - entgegen der sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Nervenarztes Dr. R. - nicht dem neurologischen Fachgebiet zuzuordnen, sondern liegen auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. B. , der mit seiner diesbezüglichen Beurteilung (nämlich der Verneinung relevanter neurologischer Störungen) im Einklang mit sämtlichen Gutachtern, die den Kläger seit 2008 begutachtet haben und auch mit den Beurteilungen im Reha-Entlassungsbericht der A. -Klinik W. steht. Dr. B. hat im Rahmen seiner Begutachtung keinen richtungsweisenden positiven neurologischen Befund erhoben. Der Kläger hat sich insbesondere beim Finger-Nase-Versuch wie auch beim Knie-Hacken-Versuch beidseits zielsicher gezeigt, ohne Intentionstremor und bei negativen Rebound-Phänomen. Es hat sich keine Rumpf-, Stand- oder Gangataxie gezeigt. Sowohl der Romberg- wie auch der Unterberger-Versuch und das Gangbild sind unauffällig gewesen. Nach alledem nachvollziehbar hat Dr. B. Anhaltspunkte für eine überdauernde organneurologisch begründete Funktionsstörung, für eine hirnorganisch begründete Psychopathologie oder für eine zerebelläre Kleinhirnläsion verneint. Gleichermaßen nachvollziehbar hat er eine neurologische Ursache des vom Kläger beklagten Schwindels verneint. Vielmehr ist der Schwindel, so Dr. B. , als herzphobisch gefärbte Panikattacke einzuordnen und geht dabei vor allem nicht mit richtungsweisendem Vermeidungsverhalten oder Einschränkungen im üblichen Alltag einher. So sieht sich der Kläger durch den Schwindel auch nach eigenen Angaben nicht daran gehindert, regelmäßig PKW und Fahrrad zu fahren und sogar den Motorroller regelmäßig zu nutzen. Der Kläger selbst hat gegenüber dem Sachverständigen mitgeteilt, es handle sich um einen Dauerschwindel, mit dem er zwischenzeitlich zu leben gelernt habe. Insbesondere, so der Kläger, kündige sich der Schwindel - dessen Symptomatik der Kläger gegenüber dem Sachverständigen nur sehr vage hat beschreiben können - frühzeitig an, sodass er auch beim Autofahren noch rechtzeitig reagieren könne und kein Risiko bestehe. Eine relevante Leistungseinschränkung auf Grund der vom Kläger beklagten Schwindelproblematik liegt somit schon nach dessen eigenen Angaben nicht vor. Zu beachten ist ferner, dass Dr. B. , wie die behandelnden Ärzte der A. -Klinik Wilhelmsheim, angesichts der während der Exploration dargebotenen Schwindelbeeinträchtigungen im direkten inhaltlichen und zeitlichen Kontext mit der diesbezüglichen Beschwerdeschilderung (bei einem rasch bei anderer Thematik wieder unbekümmerten Aspekt) nicht der willentlichen Kontrolle entzogene Aspekte des Krankheitsverhaltens gesehen hat. Dies deckt sich mit den übrigen Gutachten. Bereits die Sachverständigen Dr. H. und Dr. H. konnten im Rahmen ihrer Begutachtung auf nervenärztlichem Gebiet eine belangvolle neurologische Gesundheitsbeeinträchtigung des Klägers nicht feststellen. Vielmehr verneinte Dr. H. bei von ihm festgestellten ausgeprägten aggravatorischen Verhaltensweisen in der Untersuchung eine zentral- oder peripherneurologische Symptomatik. Ebenso beschrieb Dr. H. einen neurologisch völlig unauffälligen Befund. Auch Dr. W. berichtete von einem neurologischem Befund ohne objektivierbare Ausfallserscheinungen. Gleichfalls hat Dr. V. im Rahmen seines klinisch-neurologischen Befundes keine sozialmedizinisch richtungsweisende organ-neurologisch begründete Störungen feststellen können. Vielmehr hat er eine vorrangig funktionell ausgestaltete Problematik mit Hinweisen für Aggravation gesehen. Auch im Reha-Entlassungsbericht der A. -Klinik W. wird von einem unauffälligen neurologischen Untersuchungsbefund im Rahmen des neurologischen Konzils berichtet; lediglich ein leichtes Schwanken im Unterbergerversuch habe sich gezeigt. Im Hinblick auf die beklagte Schwindelproblematik ist die Schilderung, so die Ausführungen im Entlassungsbericht, sehr unkonkret und vage geblieben; der Kläger hat danach seine Problematik sehr auffällig ausgestaltet vorgetragen, wobei die Art der Symptomschilderung teilweise bizarr angemutet hat. Die vom Kläger demonstrierte Symptomatik ist, so die Ärzte der A. -Klinik Wilhelmsheim, definitiv nicht durch die stattgehabte Kleinhirnoperation zu erklären, sondern steht im unmittelbarem Zusammenhang mit von außen herangetragenen Leistungsanforderungen. Dementsprechend finden sich auch keine Diagnosen auf neurologischem Gebiet im Entlassungsbericht.

Nach Einschätzung der Gutachter (soweit sie überhaupt eine relevante Gesundheitsstörung festgestellt haben) liegt der Schwerpunkt der Beeinträchtigungen des Klägers vielmehr auf psychiatrisch-psychosomatischem Gebiet. Während Dr. W. 2011 noch einen regelrechten psychischen Befund erhob, hat erstmals Dr. V. eine depressive Verstimmung mit affektiver Labilität und fehlender Auslenkbarkeit festgestellt und hierauf beruhend eine depressive Episode mit derzeitig leicht- bis mittelgradiger Ausprägung diagnostiziert. Dr. B. hat bei von ihm festgestellter ausgeglichener Grundstimmung, gut erhaltener affektiver Resonanz, gut erhaltener Lebens- und Gestaltungsfähigkeit, bei Abwesenheit einer eigenständigen, überdauernden depressiven Einengung und bei von je her vorbestehend leicht akzentuierten Persönlichkeitszügen eine dysthyme Verstimmung im inhaltlichen Kontext mit Belastungen im biographischen Hintergrund (insbesondere Ablehnung der begehrten Weitergewährung von Rente) diagnostiziert. In der A. -Klinik W. hat sich der Kläger bewusstseinsklar und allseits orientiert mit einer leichten Antriebsminderung und deutlichen Grübelneigungen bei intakter Auffassung, Merkfähigkeit und Gedächtnisleistung gezeigt; es ist eine gegenwärtig leichte depressive Episode im Rahmen einer rezidivierend depressiven Störung diagnostiziert worden. Ungeachtet der unterschiedlichen Einordnungen bzw. Beurteilungen des Ausprägungsgrades der depressiven Erkrankung wird damit auch bei unkritischer Übernahme durchgehend, so zutreffend Dr. B. , schon keine depressive Symptomatik abgebildet, die eine weiterreichende überdauernde Funktionsstörung begründen könnte.

Ausschlaggebend für die sozialmedizinische Beurteilung ist aber, so zu Recht Dr. B. , weitaus weniger die ätiopathogenetische Diskussion der vorgetragenen Beschwerden, sondern vielmehr die Frage ganz konkreter, daraus resultierender, im Alltag konsistent und plausibel abzubildender Funktionsstörungen. Solche Funktionsstörungen lassen sich keinem der genannten Gutachten und auch nicht dem Reha-Entlassungsbericht entnehmen. So hat selbst Dr. V. , worauf Dr. B. hinweist, keine ausgeprägteren kognitiven oder mnestischen Defizite feststellen können. Die fehlende suffiziente psychiatrische antidepressive medikamentöse Behandlung spricht, worauf Dr. L. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme verweist, gegen einen ausgeprägteren Leidensdruck. Im Rahmen der klinischen Untersuchung durch Dr. V. ist vorwiegend eine deutlich aggravierte und teilweise simulierte depressive Symptomatik zu Tage getreten, so Dr. L ... Diese Tendenzen zur Aggravation und Simulation haben sich im Rahmen der Begutachtung durch Dr. V. auch testpsychologisch im "strukturierten Fragebogen simulierter Symptome" und den weiteren durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen gezeigt. Dem gegenüber hat Dr. B. den Kläger sehr ausführlich in seiner beruflichen sowie außerberuflichen Teilhabe abgebildet. Danach fährt der Kläger Rad, Motorroller, auch über längere Strecken, fährt PKW, nutzt S-Bahn und U-Bahn. Er hat Dr. B. davon berichtet, wie er vor der Begutachtung gemütlich durch Mannheim spaziert ist, dass er sehr gerne mit den Kindern aus der Verwandtschaft spielt, der Mutter hilft, mit seiner ehemaligen Partnerin und deren Tochter zusammen grillt, ins Kino geht, gerne auch Essen geht, mit dem Ruderboot fährt und Ausflüge macht. Sehr detailliert hat der Kläger über die von 2010 bis Mitte 2012 zuletzt stattgehabte Beziehung berichtet, mit gemeinsamem Bummeln und den Besuchen von Flohmärkten. Der Kläger verfügt über einen umfangreichen Freundeskreis, mit dem er zusammen feiert, Biergartenbesuche unternimmt, auch zusammen etwas trinken geht und zuletzt (2014) mit 10 bis 15 Personen Fußball-WM-Spiele regelmäßig verfolgt hat. Im Rahmen seines Freundeskreises finden zweimal wöchentlich Treffen statt, einmal wöchentlich unternimmt der Kläger mit Freunden Radtouren für ca. 45 Minuten. Bereits gegenüber Dr. V. hat der Kläger im Oktober 2012 berichtet, er habe noch in den letzten Jahren gemeinsam mit Freunden in einer Band gespielt wobei zwei-wöchentliche Proben übliche gewesen seien und er jährlich drei Auftritte gehabt habe. Er habe damit vor einem Jahr aufgehört. Er hat gegenüber Dr. B. angekündigt, möglicherweise mit zwei Bekannten wieder zu musizieren. Zu berücksichtigen ist schließlich auch die vom Kläger geschilderte berufliche Teilzeittätigkeit mit bis zu drei Stunden täglicher Arbeitszeit. Bereits vor diesem Hintergrund hat Dr. B. zu Recht das Vorliegen weiterreichender, sei es körperlich, sei es psychisch begründender Funktionsstörungen verneint. Diese Beurteilung wird auch nicht durch die Einwendungen des Klägers gegen das Gutachten des Dr. B. erschüttert: Die vom Kläger monierte Behauptung, er würde derzeit Bassgitarre spielen, hat der Sachverständige schon nicht aufgestellt. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob, wie vom Kläger behauptet, er entgegen den Feststellungen im Gutachten nicht regelmäßig seine Mutter beim Unkraut jäten unterstützt und er auch in eineinhalb Jahren nur auf einem einzigen kleineren Konzert gewesen ist. Denn auch in diesem Fall lässt sich das Ausmaß der dann immer noch verbliebenen beruflichen wie außerberuflichen Teilhabe des Klägers nicht mit einer relevanten überdauernden Funktionsstörung vereinbaren.

Die von Dr. B. aus der beruflichen sowie außerberuflichen Teilhabe gezogenen Rückschlüsse auf die noch erhaltenen Ressourcen bzw. fehlenden überdauernden Funktionsstörungen, werden im Übrigen durch den von ihm erhobenen psychischen Befund, der nicht wesentlich von denjenigen des Dr. W. , des Dr. V. und dem in der A. -Klinik W. erhobenen Befund abweicht, bestätigt. Der Kläger hat sich bewusstseinsklar, sicher in allen Qualitäten orientiert, mit flotter Auffassung und flexiblem Gedankengang gezeigt. Im Rahmen der sehr langen gutachterlichen Untersuchungsprozedur, die zwangsläufig für jeden zu Begutachtenden eine weit überdurchschnittliche Anstrengung darstellt, so Dr. B. , sind Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis und Aufmerksamkeit bis zuletzt ungestört geblieben und hat sich keinerlei Erschöpfung bzw. Ermüdung eingestellt. Soweit Dr. V. - in Abweichung zu Dr. B. wie aber auch zu Dr. W. - den Kläger im Verlauf als etwas verlangsamt und fahrig bei gleichwohl fehlenden ausgeprägteren kognitiven oder mnestischen Defiziten erlebt hat, darf zum einen nicht außer Acht bleiben, dass Dr. V. selbst in der Untersuchung und in Fragebögen Hinweise für eine aggravatorische Ausgestaltung gefunden hat. Andererseits gestattet die sehr umfangreiche Begutachtung durch Dr. B. mit ihrer Fülle an angesprochenen, scheinbar auch belanglosen Nebenthemen in der Zusammenschau eine unmittelbare Beurteilung auch "harter" psychopathologischer Parameter wie Auffassung, Konzentration, Merkfähigkeit, Gedächtnis, inhaltliche und affektive Auslenkbarkeit, Antriebslage, genauso aber auch etwaige vorzeitige Erschöpfung oder Ermüdung (Dr. B. ). Dabei haben sich erhebliche Diskrepanzen zwischen den vom Kläger reklamierten Beschwerden, insbesondere bezüglich Leistungs- bzw. Konzentrationsschwächen und dem von Dr. B. objektivierten Befund gezeigt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die gesamte bei Dr. B. verbrachte Zeit von viereinhalb Stunden als Untersuchungszeit zu Grunde zu legen ist, wie von Dr. B. angegeben, oder aber "effektiv" wie vom Kläger behauptet, nur über drei Stunden Untersuchung stattgefunden haben und der Kläger im Übrigen anderthalb Stunden "auf einer Liege gelegen hat". Denn auch eine "nur" dreistündige Untersuchung durch den Sachverständigen ist nach Auffassung des Senats bei weitem ausreichend, um die maßgeblichen Gesichtspunkte für das Begutachtungsergebnis zu ermitteln. Dies belegt im Übrigen eindrucksvoll die sehr umfangreiche Anamneseerhebung im Gutachten von Dr. B. , die weit über das übliche Maß entsprechender Begutachtungen hinausgeht und geeignet ist, das von Dr. B. gefundene Beurteilungsergebnis zu tragen. Letztendlich deckt sich der von Dr. B. erhobene Befund weitgehend unbeeinträchtigter Konzentration und geistiger Leistungsfähigkeit im Wesentlichen mit demjenigen der übrigen Gutachtern. Im Übrigen ist auch Dr. V. trotz der von ihm behaupteten Defizite lediglich zu einer leicht- bis allenfalls mittelgradigen depressiven Episode gelangt. Soweit er hierauf gestützt - in Kombination mit einer Angststörung, die, wie Dr. B. festgestellt und der Kläger selbst eingeräumt hat, mittlerweile weitestgehend kompensiert ist - zu einer quantitativen Leistungseinschränkung gelangt, kann dem der Senat nicht folgen. Die Leistungseinschätzung steht in deutlichem Widerspruch zu dem von Dr. B. ausführlich dargelegten Fehlen konkreter, im Alltag konsistent und plausibel abzubildender Funktionsstörungen.

Eine quantitative Leistungseinschränkung resultiert auch nicht aus den von Dr. B. diagnostizierten funktionellen Schlafstörungen im Kontext mit Belastungen im psychosozialen Hintergrund. Denn diese sind, so Dr. B. , mit der jetzt berichteten, niedrig dosierten neuroleptischen Medikation ausreichend kompensiert und bilden sich in der Teilhabe des Klägers nicht ab. Im Übrigen besteht diesbezüglich auch nach klägerischen Angaben kein Problem mehr. Soweit darüber hinaus beim Kläger eine Adipositas mit anklingender psychogener Essstörung sowie ein Zustand nach Karpaltunnelsyndrom-Operation mit erzielter Beschwerdefreiheit vorliegen, so werden auch hierdurch, so Dr. B. , keine relevanten Funktionsstörungen hervorgerufen. Zusammenfassend vermögen die psychisch begründeten Auffälligkeiten keine quantitative Leistungseinschränkung zu begründen, wobei gleichzeitig mit Dr. B. auf unzureichend wahrgenommene Behandlungsmöglichkeiten (beispielsweise ambulante psychotherapeutische Ansätze) zu verweisen ist. Der Kläger kann demnach zumindestens mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen ausüben.

Eine hiervon abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Reha-Entlassungsbericht der A. -Klinik Wilhelmsheim. Soweit dort ein Sedativa-Abhängigkeitssyndrom genannt wird, bestehen auch dort keine Zweifel an einer zwischenzeitlichen diesbezüglichen Karenz des Klägers und werden auch keine Folgeschäden beschrieben (Dr. B. ). Im Hinblick auf die Diagnose psychischer und Verhaltensstörung durch Alkohol (schädlicher Gebrauch) lässt sich, so Dr. B. , eine sozialmedizinisch relevante Alkoholproblematik dem Reha-Entlassungsbericht nicht entnehmen. Auch liegen keine chronischen äthyltoxischen Folgeschäden vor und wird auch eine eigentliche Abhängigkeit gar nicht genannt. Die weiterhin dort diagnostizierten kombinierten und andere Persönlichkeitsstörungen sind seit jeher vorbestehend, ohne dass eine Verschlimmerung behauptet wird und haben auch früher vollschichtigen Tätigkeiten des Klägers nicht im Wege gestanden. Soweit weiterhin sonstige somatoforme Störungen diagnostiziert worden sind, so ergibt sich anhand der ausführlichen Darlegung im Gutachten des Dr. B. , dass angesichts fehlender abbildbarer Funktionsstörungen hieraus keine quantitative Leistungseinschränkung begründet werden kann. Insbesondere die in diesem Zusammenhang im Reha-Entlassungsbericht vorrangig angesprochene Schwindelsymptomatik kann nach den vorstehenden Ausführungen keine quantitative Leistungseinschränkung begründen. Bemerkenswerter Weise werden insoweit im Reha-Entlassungsbericht auf Grund dieser Symptomatik weder Tätigkeiten an unmittelbar gefährdenden Maschinen ausgeschlossen, noch die Fahreignung in Frage gestellt, woraus sich, so zutreffend Dr. B. , eine weitere Relativierung der sozialmedizinischen Relevanz dieser Schwindelsymptomatik ergibt. Letztlich wird im Reha-Entlassungsbericht noch eine rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichter Episode genannt. Weder lässt sich dieser Diagnose eine weiterreichende überdauernde Funktionsstörung entnehmen, noch wird eine solche im zu Grunde liegenden psychischen Befund abgebildet. Vielmehr ist eine relevante Änderung diesbezüglich gegenüber dem bei Dr. B. erhobenen Befund nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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