L 6 JVEG 329/15

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 35 R 3580/12
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 JVEG 329/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der zuständige Richter, nicht die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG zu entscheiden (Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung - vgl. Beschluss vom 3.05.2006 - L 6 SF 146/06).
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 27. Februar 2015 wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Im Klageverfahren./. (S 35 R 3580/12) beauftragte die Vorsitzende der 35. Kammer des Sozialgerichts Nordhausen mit Beweisanordnung vom 7. Oktober 2013 den Beschwerdeführer, Oberarzt und Leiter des Bereichs Rheumatologie eines Universitätsklinikums, mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Der übersandten Beweisanordnung war ein "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachver-ständigen" (Stand: 01. August 2013) beigefügt. Es enthält u.a. folgenden Hinweis: "Der Ent-schädigungsantrag muss binnen drei Monaten nach Eingang des Gutachtens bei Gericht ein-gegangen sein, weil der Anspruch sonst erlischt (§ 2 JVEG)." Am 14. März 2014 ging das beauftragte internistisch-rheumatische Gutachten ein.

Unter dem 15. Dezember 2014 (Eingang beim Sozialgericht: 19. Dezember 2014) hat der Be-schwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und vorgetragen, seine langjährige Sekretärin habe sich in Elternzeit befunden und deren Vertretung habe die Rech-nungsunterlagen irrtümlich unbearbeitet abgeheftet. Er beantrage, eine nachträgliche Liquidation einreichen zu dürfen. Unter dem 13. Januar 2015 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt. Unter dem 2. Februar 2015 (Eingang beim Sozialgericht: 5. Februar 2015) hat der Beschwerdeführer die gerichtliche Festsetzung der "Entschädigung" seiner gutachterlichen Tätigkeit beantragt, seine eigene Kostenrechnung über 713,08 Euro sowie Rechnungen des Zentrallabors (37,10 Euro) und der Radiologie (420,72 Euro) des Universitätsklinikums eingereicht. Mit Beschluss vom 27. Februar 2015 hat die Vorsitzende der 35. Kammer den "Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Vergütung für das Gutachten vom 21. Februar 2014 (Rechnung vom 2. Februar 2015)" abgelehnt. Über den Antrag habe nicht der Kostenbeamte, sondern nach § 2 Abs. 2 S. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) das Gericht zu entscheiden. Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des Vergütungsanspruchs sei am 16. Juni 2014 abgelaufen. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer habe seinen Anspruch deutlich nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist und damit nicht fristgerecht beziffert. Darüber hinaus sei das Verschulden der Praxismitarbeiterin dem Beschwerdeführer zuzurechnen, denn er habe im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht die Pflicht, für eine effektive Ausgangskontrolle durch Belehrung und Überwachung zu sorgen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. August 2013 - L 15 SF 253/12, nach juris). Ein Organisationsverschulden liege vor, denn der Beschwerdeführer hätte sicherstellen müssen, dass die Vertretung ausreichende Handlungsanweisungen erhielt, und die Einhaltung auch überwachen müssen.

Gegen den am 9. März 2015 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 17. März 2015 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, er wisse zwar, dass die fehlende Rechnungsstellung von ihm verschuldet sei. Die komplette Verweigerung der Zahlung halte er aber für unverhältnismäßig, denn er habe die beauftragte Leistung unzweifelhaft erbracht und müsse der Klinik die Aufwendungen für die Labor- und Röntgenleistungen erstatten. Dem Gericht sei durch sein Verhalten kein Schaden entstanden.

Der Beschwerdegegner hat gerügt, dass er im Verfahren vor dem Sozialgericht nicht beteiligt wurde. Zudem sei entgegen der Ansicht der Vorinstanz nach dem Senatsbeschluss vom 3. Mai 2006 - L 6 SF 146/06 nicht die Kammervorsitzende sondern die UdG zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung zuständig. In der Sache verweist er auf die Ausführungen im Beschluss der Vorinstanz.

Diese hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senat hat das dem Beschwerdeführer mit der Beweisanordnung übersandte "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen" beigezogen. Mit Beschluss vom 26. Mai 2015 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat übertragen.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts ist nach §§ 2 Abs. 2 S. 4 JVEG statthaft und zulässig.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Der Senat schließt sich unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Mai 2006 - L 6 SF 146/06) der Ansicht der Vorinstanz an, dass der zuständige Richter (hier: die Vorsitzende der 35. Kammer des Sozialgerichts Nordhausen) und nicht die UdG über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden hatte. War der Berechtigte ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer Frist nach Absatz 1 gehindert, gewährt ihm das Gericht nach § 2 Abs. 2 JVEG (in der Fassung ab 1. August 2013 (n.F.)) auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen (Satz 1). Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Belehrung nach § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG unterblieben oder fehlerhaft ist. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt (Satz 4).

Zwar ist der UdG grundsätzlich für die Festsetzung der Vergütung zuständig und hat sie bei einer Versäumung der Antragsfrist dann ggf. auf 0,00 Euro festzusetzen. Allerdings hat er nicht über die Wiedereinsetzung zu entscheiden (so Hartmann in Kostengesetze, 44. Auflage 2014, § 2 JVEG Rdnr. 17), denn der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist von der eigentlichen Festsetzung unabhängig (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 16. August 2012 - L 15 SF 172/12, nach juris) und setzt einen ausdrücklichen Antrag voraus (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2013 - L 6 SF 1739/12 E). Gegen eine Entscheidung durch den UdG spricht § 2 Abs. 2 S. 4 JVEG, wonach gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung Beschwerde möglich ist. Dieses Rechtsmittel kommt aber ausschließlich gegen Beschlüsse des Richters in Betracht; Entscheidungen der UdG können nur mit der Erinnerung angegriffen werden. Die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt hier nicht in Betracht. Dem steht bereits entgegen, dass der Beschwerdeführer seinen Anspruch nicht innerhalb von zwei Wochen seit Beseitigung des Hindernisses beziffert hatte. Zu Recht weist die Vorinstanz darauf hin, dass ihm spätestens mit Abfassung des Wiedereinsetzungsantrags am 15. Dezember 2014 bekannt war, dass er die Antragsfrist versäumt hatte. Erst deutlich nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG (am 5. Februar 2015) sind die Rechnungen beim Sozialgericht eingegangen. Auf diese Fristen musste das Gericht nicht hinweisen. Die Versäumnis schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Ein Ermessen des Senats besteht insoweit nicht.

Im Übrigen war die Nichteinhaltung der Frist des § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG verschuldet. In dem übersandten Merkblatt hatte die Verwaltung ausdrücklich auf sie hingewiesen, womit die Vermutung in § 2 Abs. 2 S. 2 JVEG, dass kein Verschulden vorlag, entfällt. Der Beschwerdeführer hatte die Fristversäumnis durch sein Organisationsverschulden verschuldet, wie er selbst zugesteht. Insofern wird auf die Ausführungen der Vorinstanz verwiesen, denen sich der Senat anschließt. Die vorgetragene Härte für den Beschwerdeführer sieht auch der Senat. Auf eine Unverhältnismäßigkeit kommt es aber angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht an. Sie wird vom Gesetzgeber hingenommen. Die Drei-Monats-Frist ohne individuelle Fristsetzung soll nach dessen Willen (vgl. BT-Drucksache 15/1971 S. 178) grundsätzlich sicherstellen, dass die Abrechnung zeitnah erfolgt, weil sie eine größere Gewähr für die Richtigkeit bietet und die Möglichkeit zur schnelleren Durchsetzung einer etwaigen Nachzahlungspflicht des Kostenschuldners verbessert. An diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers ist der Senat gebunden; er hat keine Möglichkeit, davon abzuweichen.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG). Eine Be-schwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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