L 5 KR 3592/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 KR 2156/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3592/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.07.2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um weiteres Krankengeld für die Zeit vom 11.03.2007 bis zum 31.05.2008.

Der 1948 geborene Kläger war zunächst vom 01.06.1989 bis zum 21.12.2004 als Arbeitnehmer krankenversichert. Er übte bis zum 30.09.2004 eine Tätigkeit als Güteprüfer für Medizinprodukte aus. Vom 22.12.2004 bis zum Anspruchsende am 20.02.2007 bezog der Kläger Arbeitslosengeld I von der Agentur für Arbeit. Seit dem 15.01.2007 erkrankte der Kläger arbeitsunfähig. Die Beklagte gewährte dem Kläger Krankengeld ab dem 21.02.2007 bis zum 10.03.2007 in Höhe von 49,45 EUR brutto. Vom 27.07.2007 bis zum 31.01.2008 bezog der Kläger Alg II.

Bereits am 24.01.2007 hatte der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung beantragt. Die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg gewährte dem Kläger ausgehend von einem Leistungsfall am 15.11.2007 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.06.2008 bis zum 30.11.2010. Ab dem 01.10.2008 bezog der Kläger eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Im Rahmen der Prüfung des Krankengeldanspruchs teilte die Hausärztin des Klägers, Dr. W., der Beklagten am 26.02.2007 mit, der Kläger leide vorrangig an einer massiven Gonarthrose rechts und einem Meniskusschaden links, der Zeitpunkt des Wiedereintritts von Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar und sie halte den Kläger bis auf eine mögliche Meniskus-OP sowie eine spätere Endoprothese rechts für austherapiert. Die Fachärzte für Chirurgie nannten in ihrer Stellungnahme vom 13.02.2007 die Diagnosen M 17.0 (Primäre Gonarthrose, beidseitig) und M 16.9 (Koxarthrose, nicht näher bezeichnet) und gaben an, andere Probleme bei der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit gebe es nicht, es drohe keine Erwerbsminderung, eine ASU sei geplant. Dr. Sch. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) setzte daraufhin in einem sozialmedizinischen Gutachten vom 08.03.2007 das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf den 10.03.2007 fest. Zur Funktion der beiden Kniegelenke, einem eventuellen Reizzustand sowie der Gehfähigkeit lägen keine Informationen vor. Der Kläger sei als in der Lage zu erachten, körperlich leichtere Arbeiten ohne Zwangshaltungen, mehrheitlich im Sitzen, noch regelmäßig auszuführen. Aufgrund der vorhandenen Informationen könne die Notwendigkeit anhaltender Arbeitsunfähigkeit könne aktuell nicht bestätigt werden.

Die Beklagte teilte dies mit Schreiben vom 09.03.2007 dem Kläger mit. Der Kläger erhob dagegen am 13.03.2007 Widerspruch, zu dessen Begründung er ausführen ließ, er müsse sich wegen erheblichster Schmerzen im Bereich beider Kniegelenke immer wieder hinlegen. Im April 2006 seien ausgeprägte Knorpelschäden am rechten Kniegelenk mit anhaltenden Reizerscheinungen festgestellt worden. Hinzu kämen auch Schmerzen in der Lendenwirbelsäule. Aufgrund notwendiger Pausen zur Entlastung des rechten Kniegelenks sei er nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten von acht Stunden zu verrichten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2007 zurück. Die Beklagte führte zur Begründung aus, dass spätestens ab dem 10.03.2007 wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bestanden habe. Die subjektive Krankheitsempfindung des Klägers sowie eine behandlungsbedürftige Erkrankung seien nicht gleichbedeutend mit Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 44 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Eine Behandlung im Jahr 2006, wegen derer keine Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen worden sei, begründe keine Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2007.

Der Kläger hat hiergegen am 21.05.2007 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben (S 8 KR 3975/07) und hat zur Begründung angeführt, dass er aufgrund seiner orthopädischen Beschwerden keinesfalls in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im zeitlichen Umfang von acht Stunden zu verrichten. Allein hierauf komme es aber an, nachdem er sich der Arbeitsvermittlung für eine Vollzeitstelle zur Verfügung gestellt habe.

Das Sozialgericht befragte hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Die Allgemeinärztin Dr. W. teilte am 17.10.2007 mit, sie habe dem Kläger am 15.03.2007 einen Auszahlschein wegen eines nervösen Erschöpfungszustands ausgestellt, weitere Auszahlscheine habe sie am 19.04., 21.05., 09.07.2007 ausgestellt. Es habe ferner Arbeitsunfähigkeit vom 02.08.2007 bis zum 17.08.2007 bestanden, ferner sei am 14.09.2007 Arbeitsunfähigkeit festgestellt worden und am 17.09.2007 ein Auszahlschein ausgestellt worden. Der Kläger sei infolge der Bewegungseinschränkungen und der Schmerzen im rechten Knie sowie infolge des chronischen Bandscheibenschadens und eines chronischen Schmerzsyndroms in seiner körperlichen und seelischen Gesundheit schwer angeschlagen und könne nur noch einer Tätigkeit im zeitlichen Umfang von unter drei Stunden nachgehen. Der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. O. teilte am 05.11.2007 mit, dass er den Kläger am 16.03.2006 und am 30.01.2007 gesehen habe und eine Coxarthrose beidseits sowie eine Gonarthrose beidseits, jeweils mehr rechts als links, diagnostiziert habe. Den klinische Befund des rechten Kniegelenks teilte er wie folgt mit: Extension 0-5-100, deutliches retropatellares Reiben, Meniskuszeichen positiv, keine Ergussbildung, keine Entzündungszeichen, Bandverhältnisse stabil. Auch am linken Knie habe keine Ergussbildung bestanden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger nach dem 10.03.2007 in der Lage gewesen sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt acht Stunden täglich zu verrichten. Dem Gutachten des MDK vom 08.03.2007 werde zugestimmt.

Dr. Sch. erstellte dazu am 05.12.2007 ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des MDK. Unter Auswertung verschiedener Befundberichte, u.a. des orthopädischen Befundberichts von Dr. O. vom 05.11.2007 ging Dr. Sch. von einer mäßigen Funktionseinschränkung aufgrund einer endgradigen Streckhemmung des rechten Kniegelenks und einer Beugehemmung um 20 Grad aus. Diese stünden einer überwiegend stehenden Tätigkeit und der Zurücklegung mehrfacherer Gehstrecken über 30 Minuten entgegen. Der Kläger sei noch dazu in der Lage, in Wechselhaltung eine regelmäßig Arbeitstätigkeit ohne schwerere Hebe- und Trageverrichtungen auszuführen. Aus einem über drei Jahre alten psychiatrischen Befund ließen sich keine weitergehenden Einschränkungen herleiten.

Das Sozialgericht zog aus dem sozialgerichtlichen Rentenverfahren (S 2 R 4953/07) des Klägers ein orthopädisches Gutachten von Dr. R. vom 05.03.2008 sowie ein psychiatrisch-schmerzpsychologisches Gutachten von Dr. B. vom 04.08.2008 bei. Dr. R. war aufgrund der festgestellten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, der Kniegelenke und der Hüftgelenke zu einem Restleistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes an einem leidensgerechten Arbeitsplatz von mindestens drei bis sechs Stunden gelangt, die Tätigkeit des Güteprüfers könne der Kläger fast ausschließlich sitzend wenigstens sechs Stunden, sonst mindestens drei bis sechs Stunden verrichten. Dr. B. war in seinem auf Antrag des Klägers erstellten Gutachten zu einem aufgehobenen Leistungsvermögen gekommen.

Die Agentur für Arbeit L. teilte dem Sozialgericht mit Schreiben vom 04.06.2008 mit, dass sich der Kläger Vollzeit der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe. Eine Einschränkung der Arbeitszeit sei nicht ersichtlich.

Im Hinblick auf das Rentenverfahren wurde das Klageverfahren zum Ruhen gebracht (Beschluss vom 29.06.2009). Am 08.04.2011 rief der Kläger das Verfahren wieder an. Die Ablehnung eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente auch für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 31.05.2008 sei für das Krankengeldverfahren nicht maßgeblich, da im Rentenverfahren auf ein Restleistungsvermögen von bis zu sechs Stunden abgestellt werde, während für den Anspruch auf Krankengeld maßgeblich der Umfang sei, in dem sich der Kläger der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe. Dies seien vorliegend acht Stunden gewesen.

Mit Urteil vom 21.07.2014 hob das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 09.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2007 auf und verurteilte die Beklagte, dem Kläger für die Zeit vom 11.03.2007 bis zum 31.05.2008 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Kläger habe Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V für diesen Zeitraum, weil er arbeitsunfähig gewesen sei. Diese Überzeugung habe die Kammer aus den in der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. W. sowie im Gutachten von Dr. R. mitgeteilten Befunden gewonnen. Den von Dr. W. mitgeteilten Befunden sei zu entnehmen, dass die Schmerzsymptomatik und die Bewegungsbeeinträchtigung infolge der Schädigungen der Kniegelenke und der degenerativen Veränderungen in der Lendenwirbelsäule sich auch unter fortlaufender medikamentöser Therapie und Heilmittelanwendungen nicht gebessert hätten. Bei der Untersuchung am 11.10.2007 sei eine ausgeprägte Beeinträchtigung der Beweglichkeit des Kniegelenkes festgestellt worden. Zudem hätten auch nachweisbare Nervenwurzelreizerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule vorgelegen. Dagegen vermöge die sachverständige Zeugenaussage von Dr. O. nicht zu überzeugen, in der dieser die deutliche Minderung der Belastbarkeit des Kniegelenkes bestätige, jedoch dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit am 11.03.2007 zugestimmt habe. Dies sei angesichts der einmaligen Behandlung am 30.01.2007 und seiner Stellungnahme im Verwaltungsverfahren vom 13.02.2007, in der er das Leistungsvermögen auf unter drei Stunden angesetzt habe, widersprüchlich. Bei der ambulanten Begutachtung durch Dr. R. am 14.02.2008 sei eine Tätigkeit im Sitzen im zeitlichen Umfang von sechs Stunden für noch möglich erachtet worden. Ansonsten sei das Leistungsvermögen auf drei bis unter sechs Stunden angesetzt worden. Der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. W. sei jedoch zu entnehmen, dass auch im Sitzen ein wechselnde Lagerung des Beines erforderlich sei. Hinzu komme die Nervenwurzelreizsymptomatik der Wirbelsäule, so dass nach Ansicht der Kammer auch keine überwiegend sitzenden Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von acht Stunden möglich seien. Die Befunde von Dr. R. belegten überdies, dass sich die deutliche Bewegungseinschränkung der Kniegelenke sowie der Lendenwirbelsäule nicht gebessert, sondern vielmehr schleichend verschlechtert habe. Auch die Schmerzsymptomatik sei nach wie vor gegeben gewesen. Die Kammer schließe aus diesen Befunden, dass die Arbeitsunfähigkeit über den 10.03.2007 bis zum 31.05.2008 angedauert habe und der Kläger auch nicht in der Lage gewesen sei, eine Tätigkeit im maßgeblichen zeitlichen Umfang von acht Stunden pro Tag überwiegend im Sitzen zu verrichten. Zu beachten sei auch, dass nach den Aussagen von Dr. O. vom 13.02.2007 und Dr. W. vom 26.02.2007 im Verwaltungsverfahren der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht absehbar gewesen sei und übereinstimmend das Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten auf unter drei Stunden täglich angesetzt worden sei. Insofern sei es nicht nachvollziehbar, dass Dr. Sch. vom MDK im Gutachten vom 08.03.2007 ausführe, es lägen keine aktuellen Informationen über die Funktionsfähigkeit der Kniegelenke vor. Auf welcher Basis der MDK von einer wieder hergestellten Arbeitsfähigkeit ausgegangen sei, erschließe sich der Kammer nicht. Sofern der MDK Zweifel an den ärztlichen Stellungnahmen hege, hätte er sich durch eine ambulante Begutachtung mit eigener Befunderhebung eine ausreichende Beurteilungsgrundlage schaffen können. Die Arbeitsunfähigkeit sei von Dr. W. durchgehend durch Auszahlscheine bescheinigt worden. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg sei von einer Krankschreibung bis auf Weiteres auszugehen, wenn der Versicherte einen Auszahlschein vorlege, in dem die Frage, ob noch Arbeitsunfähigkeit vorliege, bejaht werde und in der Rubrik "nächster Praxisbesuch" kein Eintrag erfolgt sei (Urteil vom 21.01.2014, L 11 KR 4174/12, Juris). Gemessen an diesen Vorgaben sei die Arbeitsunfähigkeit vorliegend durchgehend ärztlich festgestellt.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 30.07.2014 zugestellte Urteil am 20.08.2014 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Sozialgericht habe außer Acht gelassen, dass Dr. R. den Kläger für die DRV am 05.03.2007 begutachtet habe. Diagnostiziert habe Dr. R. einen deutlichen Kniegelenksverschleiß rechts und links beginnend und Funktionseinschränkung rechts; Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 1988 ohne Wurzelreizzeichen und leichte Funktionseinschränkung, beginnenden Hüftgelenksverschleiß beidseits ohne Reizzeichen und ohne wesentliche Funktionseinschränkung. Vor diesem Hintergrund sei Dr. R. zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger als Leiter einer Qualitätssicherungsabteilung sechs Stunden und mehr einsetzbar sei und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule täglich sechs Stunden und mehr verrichten könne. In seiner Begründung des Urteils vom 23.11.2010 habe der 9. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 9 R 5754/09) dargelegt, dass bei dem Kläger ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich vor dem 15.11.2007 nicht eingetreten sei. Der deutliche Kniegelenksverschleiß, die LWS-Beschwerden bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach Bandscheibenoperation L 4/5 1988 hätten den Kläger in der streitigen Zeit (01.01.2007 bis 31.05.2008) nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen sechs Stunden täglich zu verrichten und eine entsprechende Tätigkeit als Qualitätsprüfer/Güteprüfer auszuüben. Das Sozialgericht Stuttgart habe das angegriffene Urteil letztlich allein auf die Mitteilungen der Allgemeinärztin Dr. W. gestützt. Dr. W. habe sich bei ihrer Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Klägers am 15.01.2007 weitgehend von den Untersuchungsbefunden und -berichten der Fachärzte, die zeitlich vor dem 15.01.2007 erhoben worden seien, leiten lassen und keine eigenen umfangreichen Untersuchungen vorgenommen. Eine Krankenbehandlung habe Dr. W. im Januar 2007 nicht eingeleitet und nur eine Überweisung zum Orthopäden ausgestellt. Erst im Februar 2007 habe Dr. W. eine Blutabnahme durchgeführt und das Arzneimittel Ibuprofen rezeptiert. Eine umfassende Untersuchung des Klägers habe Dr. W. erstmals im Zusammenhang mit der Befragung als sachverständige Zeugin am 11.10.2007 durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung gäben jedoch das Krankheitsgeschehen im Herbst 2007 wieder und ließen kaum Rückschlüsse auf die Verhältnisse im Februar und März 2007 zu. Eine umfassende Untersuchung und Befunderhebung hätten Dr. O. im Januar 2007 und Dr. R. im März 2007 vorgenommen. Beide Ärzte hatten die degenerativen Verschleißerkrankungen im Bereich der Wirbelsäule sowie der Hüft- und Kniegelenke beschrieben und bestimmte Funktionsbeeinträchtigungen auf diese Erkrankungen zurück geführt. Eine Nervenwurzelreizung habe Dr. R. in seiner Stellungnahme allerdings verneint. Beide Ärzte hätten den Kläger zumindest ab März 2007 wieder für arbeitsfähig erachtet und in der Lage gesehen, leichte Arbeitstätigkeiten vollschichtig auszuüben. Leichte Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung seien dem Kläger im März 2007 wieder möglich gewesen. Nachdem eine Nervenwurzelreizsymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule, auf deren Vorliegen das Sozialgericht seine Begründung des Urteils im Wesentlichen stütze, nach der Untersuchung und Mitteilung von Dr. R. bei dem Kläger im Frühjahr 2007 nicht bestanden habe, sei es dem Kläger zum damaligen Zeitpunkt auch möglich gewesen, überwiegend sitzende Tätigkeiten mit wechselnder Lagerung des Beines auszuüben. Mit der einseitigen Bezugnahme auf die Aussage und Bewertung der Allgemeinärztin Dr. W. sei das Sozialgericht Stuttgart in seinem Urteil zu einer Entscheidung gelangt, welche weder dem Sachverhalt noch den gesetzlichen Bestimmungen gerecht werde.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21.07.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angegriffene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätzen sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144, 151 (Sozialgerichtsgesetz) SGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet.

Die Beklagte hat die Gewährung von Krankengeld über den 10.03.2007 hinaus zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 11.03.2007 bis zum 31.05.2008. Das Sozialgericht hätte der Klage nicht stattgeben dürfen.

I.

Rechtsgrundlage für die Gewährung von Krankengeld sind die Bestimmungen der §§ 44 ff. SGB V. Gem. § 44 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Keinen Anspruch auf Krankengeld haben gem. § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V (u.a.) die nach § 10 SGB V Versicherten; das sind Personen in der Zeit, für die sie über die Familienversicherung mitversichert sind.

Unter welchen Voraussetzungen Arbeitsunfähigkeit i. S. d. § 44 Abs. 1 SGB V vorliegt, richtet sich nach dem Umfang des Krankenversicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entstehung des Krankengeldanspruchs, außerhalb von Krankenhausbehandlungen oder von Behandlungen in einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung also der Tag, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt (§ 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V; vgl. auch BSG, Urt. v. 10.05.2012, - B 1 KR 19/11 R - und - B 1 KR 20/11 R -). Dies ist bei Personen, die Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem SGB III beziehen, deren Versicherung in der KVdA. Die Versicherung auf Grund einer früheren Beschäftigung ist für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ohne Bedeutung, wenn die zur behaupteten Arbeitsunfähigkeit führende Leistungseinschränkung - wie hier - erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses während des Bezuges der genannten Leistungen der Bundagentur für Arbeit eingetreten ist. Ein in der KVdA nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V versicherter Arbeitsloser ist arbeitsunfähig i.S. von § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wenn er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, Arbeiten zu verrichten, für die er sich der Arbeitsverwaltung zwecks Vermittlung zur Verfügung gestellt hat: Das Krankengeld stellt sich in der KVdA nicht als Ersatz für Ausfall des früher auf Grund Beschäftigung bezogenen Arbeitsentgelts, sondern als Ersatz für eine entgehende Leistung wegen Arbeitslosigkeit dar. Entscheidend für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser sind im Grundsatz alle Arbeiten, die dem Versicherten arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbar sind. Hat die Arbeitsverwaltung dem Arbeitslosen ein konkretes Arbeitsangebot nicht unterbreitet, liegt krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Arbeitslose gesundheitlich nicht (mehr) in der Lage ist, auch leichte Arbeiten in einem Umfang (z.B. vollschichtig) zu verrichten, für die er sich zuvor zwecks Erlangung des Alg-Anspruchs der Arbeitsverwaltung zur Verfügung gestellt hat. Ist der Arbeitslose zwar nicht mehr in der Lage, mittelschwere oder schwere, wohl aber noch leichte Arbeiten zu verrichten, beseitigt dies seine objektive Verfügbarkeit nicht. Abstrakter Ermittlungen der Krankenkasse, welche Arbeiten dem krankheitsbedingt leistungsgeminderten Arbeitslosen nach § 121 Abs. 3 SGB III finanziell zumutbar sind, bedarf es nicht. Die Krankenkasse darf im Regelfall davon ausgehen, dass sich der Arbeitslose der Arbeitsverwaltung auch für leichte Arbeiten zur Verfügung gestellt hat (BSG, Urteil vom 04.04.2006 - B 1 KR 21/05 R -, Juris).

II.

Der Kläger war bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 15.01.2007 in der KdVA versichert. Arbeitsunfähigkeit lag deshalb bei ihm vor, wenn ihm leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr zumutbar gewesen wären. Gemessen an diesem Maßstab, hat die Beklagte zu Recht angenommen, dass der Kläger ab dem 11.03.2007 nicht mehr arbeitsunfähig war.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers über den 11.03.2007 hinaus nicht festgestellt werden. Zwar hat die behandelnde Hausärztin Dr. W. dem Kläger über den 10.03.2007 hinaus mittels Auszahlscheinen Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Nach dem Gutachten des MDK vom 08.03.2007 sowie der sachverständigen Zeugenaussage des Orthopäden Dr. O. vom 05.11.2007 kann die Einschätzung der Hausärztin nicht als maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Klägers nach dem 10.03.2007 herangezogen werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 08.03.2007 mangels hinreichender Informationen über Funktionseinschränkungen aufgrund der Kniegelenkserkrankungen ein Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nicht bestätigt hat. Die Stellungnahme der Hausärztin Dr. W. vom 26.02.2007 und die Stellungnahme von Dr. O. vom 13.02.2007 enthielten orthopädische Diagnosen sowie den Hinweis auf die Operationsbedürftigkeit der Knie. Ausdrückliche Hinweise auf Funktionseinschränkungen der Knie enthielten die Stellungnahmen nicht. Zwar war am 13.02.2007 von Dr. O. ein unter dreistündiges Leistungsvermögen angegeben worden. Die Frage nach dem Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit hatte Dr. O. allerdings offengelassen und nicht wie Dr. W. mit "nein" beantwortet. Er hat auch angegeben, dass bei der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit andere Probleme nicht bestünden und Erwerbsminderung nicht drohe. Die Einschätzung von Dr. Sch. im Gutachten vom 08.03.2007 hat Dr. O. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 05.11.2007 gegenüber dem Sozialgericht vor dem Hintergrund der von ihm am 30.01.2007 erhobenen Befunde ausdrücklich bestätigt. Er hat in dieser Aussage eine zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers über den 10.03.2007 hinaus nicht bestätigt, sondern eine Tätigkeit im Umfang von acht Stunden für möglich gehalten. Der Senat hält die fachärztliche Aussagen von Dr. O. für nachvollziehbar und überzeugend und nicht - wie das Sozialgericht meint - für widersprüchlich gegenüber der Angabe eines unter dreistündigen Leistungsvermögens vom 13.02.2007. Dem Kläger war zu diesem Zeitpunkt durch die Hausärztin Dr. W. Arbeitsunfähigkeit attestiert worden. Der Kläger hat nach dem 30.01.2007 fachärztliche Behandlung bei Dr. O. nicht weiter nachgesucht, es ist bei diesem Untersuchungstermin verblieben. Im Übrigen bestand die gleich Diagnose bereits im März 2006, wie sich aus dem von Dr. W. vorgelegten Befundbericht des Dr. O. vom 16.03.2006 ergibt, ohne dass dies zu einer Arbeitsunfähigkeit geführt hätte. Der Kläger stand während des damaligen Bezugs von Alg I dem Arbeitsmarkt ununterbrochen zur Verfügung. Die Hausärztin Dr. W. hat - wie Dr. Sch. am 08.03.2007 zu Recht beanstandet hat - Angaben zu einer Funktionseinschränkung der Kniegelenke im Februar 2007 nicht gemacht, sondern erst in ihrer Stellungnahme vom 17.10.2007 aufgrund einer Untersuchung am 11.10.2007, und dies im Übrigen fachfremd. Am 15.01.2007 hatte sie den Kläger zum Orthopäden überwiesen. Dr. O. hat zwar am 30.01.2007 eine deutliche Minderung der Belastbarkeit des rechten Kniegelenks festgestellt. Eine überwiegend sitzende Tätigkeit, die Dr. Sch. am 08.03.2007 für zumutbar erachtet hat, ist dadurch aber keineswegs ausgeschlossen. Insbesondere hat Dr. O. bei seiner Untersuchung am 30.01.2007 auch keine akute LWS-Problematik oder etwaige Nervenwurzelreizerscheinungen festgestellt. Auch Dr. R. hat in seiner Begutachtung für die DRV im Rahmen des Rentenverfahrens am 02.03.2007 keine Wurzelreizzeichen der LWS feststellen können. Dies lässt sich den tatbestandlichen Feststellungen des Urteils des Landessozialgerichts vom 23.11.2010 - L 9 R 5754/ 09 - entnehmen. Die Argumentation des Sozialgerichts, dass eine überwiegend sitzende Tätigkeit aufgrund der Nervenwurzelreizsymptomatik nicht möglich sei, ist damit nicht tragfähig. Die von Dr. R. festgestellte Funktionseinschränkung am rechten Knie aufgrund degenerativer Veränderungen stand nach seiner Einschätzung leichten Tätigkeiten in Wechselhaltung nicht entgegen. Der Senat ist deshalb aufgrund der Feststellungen von Dr. O. und Dr. R. davon überzeugt, dass dem Kläger ab dem 11.03.2007 leichte Tätigkeiten jedenfalls in überwiegend sitzender Haltung noch in einem Umfang von acht Stunden möglich waren, so dass er nicht arbeitsunfähig war. Die Einstellung des Krankengeldes zum 10.03.2007 durch die Beklagte ist daher nicht zu beanstanden.

Ein Anspruch auf Krankengeld ist auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt neu entstanden. Zwar wurde im Rahmen des Rentenverfahrens ein Leistungsfall am 15.11.2007 angenommen, da bei dem Kläger eine depressive Symptomatik hinzugetreten war, die zu einem auf drei bis unter sechs Stunden eingeschränkten Leistungsvermögen geführt hatte (vgl. die sozialmedizinische Stellungnahme von Dr. St. vom 16.09.2008, SG-Akte S 2 R 4953/07, AS 139/141). Selbst wenn insoweit von einer (erneuten) Arbeitsunfähigkeit auszugehen wäre, da eine achtstündige Erwerbstätigkeit nicht mehr möglich gewesen wäre, kann dies nicht zu einem Anspruch auf Krankengeld führen, denn der Kläger war ab dem 11.03.2007 bei der Beklagten als Rentenantragsteller und ab dem 27.07.2007 als Bezieher von Alg II-Leistungen (vgl. Schreiben der Beklagten vom 11.02.2009 im Verfahren S 8 KR 3975/07, AS 163/165) und damit ohne Anspruch auf Krankengeld versichert.

Rentner und Rentenantragsteller sind nur dann mit Anspruch auf Krankengeld versichert, wenn sie aus einer neben dem Rentenbezug ausgeübten Beschäftigung oder Tätigkeit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, das der Beitragsberechnung unterlag (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 2/07 R –, Juris). In der den Krankengeldanspruch für bestimmte Versichertengruppen ausschließenden Vorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind die nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 und 12 SGB V versicherten Rentner sowie die Rentenantragsteller, deren Mitgliedschaft auf § 189 beruht, zwar nicht aufgeführt. Ihr demzufolge grundsätzlich bestehender Krankengeldanspruch kann jedoch nur verwirklicht werden, soweit ihnen beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen entgeht (§ 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Würden sie jedoch Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen beziehen, welches nicht mehr geringfügig (§ 7 SGB IV) ist und daher Versicherungspflicht begründen würde, käme die Vorrangversicherung (§ 5 Abs. 7 Satz 1 SGB V) zum Zuge und die Versicherung beruhte nicht mehr auf der KVdR. Insofern ist dieser Personenkreis de facto vom Krankengeldbezug deshalb ausgeschlossen, weil er kein durch Krankengeld zu ersetzendes Arbeitsentgelt erhält (Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB, 03/10, § 44 SGB V).

Dass der Kläger in der Zeit vom 27.07.2007 bis zum 31.01.2008 als Bezieher von Alg II (ebenfalls ohne Krankengeldanspruch) bei der Beklagten versichert gewesen ist, ändert daran nichts. Dieser Leistungsbezug setzt voraus, dass der Kläger in dieser Zeit arbeitsfähig gewesen ist und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden hat. Ein Krankengeldanspruch käme dann mangels Arbeitsunfähigkeit nicht in Betracht. Wäre der Kläger ab dem 15.11.2007 hingegen arbeitsunfähig gewesen, hätte dies - wie ausgeführt - mangels Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld nicht zu einem Krankengeldanspruch geführt. Ab dem 01.02.2008 war er ohnehin wieder als Rentenantragsteller bei der Beklagten versichert (vgl. Schreiben der Beklagten vom 11.02.2009).

Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved