L 8 SB 2159/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 16 SB 3716/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2159/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17.04.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) seit dem 07.07.2010 (höher als 40) zusteht.

Das Landratsamt O. - Amt für Soziales und Versorgung - (LRA) stellte bei der 1954 geborenen Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 20.03.2008 einen GdB von 30 seit dem 15.01.2008 fest (Bl. 59 der Verwaltungsakte). Dem lagen folgende Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:

- Degenerative Veränderungen und Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), - Bronchialasthma (Teil-GdB 20), - Kopfschmerzsyndrom und Migräne (Teil-GdB 10), - chronisch venöse Insuffizienz (Teil-GdB 10) und - Funktionsbehinderung des linken Handgelenks (Teil-GdB 10).

Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 01.04.2008 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2008 als unbegründet zurück (Bl. 76 der Verwaltungsakte).

Die Klägerin beantragte am 20.03.2009 erneut die Erhöhung des GdB, was das LRA mit Bescheid vom 15.06.2009 ablehnte (Bl. 80 der Verwaltungsakte). Einen weiteren Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 26.10.2009 lehnte das LRA mit Bescheid vom 03.12.2009 ab (Bl. 109 der Verwaltungsakte). Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin vom 16.12.2009 wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2010 als unbegründet zurück (Bl. 114 der Verwaltungsakte). Am 15.02.2010 stellte die Klägerin wieder einen Neufeststellungsantrag, welchen das LRA mit Bescheid vom 16.06.2010 ablehnte (Bl. 121 der Verwaltungsakte).

Die Klägerin beantragte am 07.07.2010 wieder die höhere (Neu-)Feststellung ihres GdB. Zur Begründung machte sie eine Cervicobrachialgie rechts sowie eine Bursitis subdeltoidea/subacromialis der rechten Schulter sowie ein Asthma bronchiale geltend und fügte ihrem Antrag Arztbriefe des O. Klinikums vom 12.02.2010 (Diagnose: Supraspinatussehnenruptur und Tendinitis der langen Bizepssehne der rechten Schulter) sowie des Radiologischen Instituts B. /A. vom 23.02.2010 und 18.05.2010 (Beurteilung: geringe alte posttraumatische Veränderungen des Innenbandes des linken Knies, keine Meniskusruptur bei leichten degenerativen Veränderungen des Innenmeniskushinterhornes; Chondropatia patellae Grad II bis III sowie abgeflachtes femorales Widerlager medial; geringe Knorpelschäden im medialen und lateralen Kompartiment; keine Defekte oder subchondrale Reaktionen und kein nennenswerter Gelenk-erguss/kleiner linkslateraler Bandscheibenvorfall LWK4/5 mit konsekutiv geringer Einengung des Neuraforamens; ein ähnliches Phänomen linksseitig - geringer ausgeprägt; kleinster rechtslateraler Bandscheibenvorfall LWK5/SWK1 ohne relevante raumfordernde Wirkung; ausgeprägte hypertrophe Facettengelenksarthropathie, konsekutiv relative spinale Enge im Segment LWK4/5; NB: Wirbelkörperhämangiome lumbal, vgl. Bl. 124 bis 129 der Verwaltungsakte) bei.

Die Beklagte zog einen Befundschein sowie aktuelle Befundberichte bei der Ärztin für Allgemeinmedizin und Hausärztin der Klägerin Frau G. bei (Bl. 132 bis 138 der Verwaltungsakte).

Auf Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. M. vom 03.09.2010, der den Gesamt-GdB mit 40 bewertete, stellte das LRA mit Bescheid vom 22.09.2010 unter Aufhebung des Bescheids vom 20.03.2008 einen Grad der Behinderung von 40 seit dem 07.07.2010 fest (Bl. 139 bis 141 der Verwaltungsakte).

Dagegen legte die Klägerin am 07.10.2010 Widerspruch ein, zu dessen Begründung sie vortragen ließ, die Leiden an Schulter und Händen seien getrennt voneinander zu bewerten und bedingten jeweils für sich genommen einen Teil-GdB von 20. Ferner lägen mehrere Bandscheibenvorfälle vor, weshalb ein GdB von 20 auch unter Berücksichtigung des erheblichen Schmerzsyndroms, welches sich vor allen Dingen im Bereich der Wirbelsäule auswirke, zu niedrig sei. Hier sei ein Teil-GdB von 30 zuzuerkennen. Es lägen ausgeprägte Symptome an mehreren Abschnitten der Wirbelsäule vor, welche bereits zu neurologischen Ausfällen geführt hätten. Schließlich könne das myofasciale Schmerzsyndrom als Mitreaktion auf den Tinnitus gewertet werden, welcher seinerseits mit einem Teil-GdB von 10 unterbewertet sei. Insgesamt sei es sachgerecht, die Schwerbehinderteneigenschaft anzuerkennen.

Der Beklagte holte eine versorgungsärztliche Stellungnahme bei Dr. Me. vom 30.01.2011 ein (Bl. 154 der Verwaltungsakte).

Die Klägerin legte eine Bestätigung ihres Zahnarztes Dr. We. vom 26.01.2011, wonach sie an Parodontose leide und im Oberkiefer nicht genügend Knochen für festsitzenden Zahnersatz vorhanden seien sowie einen Arztbrief des Dr. L. (Akkupunktur/Badearzt/Chirotherapie/Physikalische Therapie/Sportmedizin) vom 10.01.2011 (Diagnosen: Skoliose, Rund-Hohl-Rücken, muskuläre Dysbalance, Verdacht auf Fibromyalgie, degeneratives LWS-Syndrom, Verdacht auf Spinalkanalstenose und Lumboischialgie) vor (Bl. 155/156 der Verwaltungsakte).

Der Beklagte holte eine weitere versorgungsärztliche Stellungnahme bei Dr. K. ein, welche am 25.02.2011 den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 bewertete (Bl. 157/158 der Verwaltungsakte).

Die Klägerin legte einen Arztbrief des Radiologischen Instituts B. /A. vom 16.03.2011 (Beurteilung: AC-Gelenksarrthrose, leicht abgewinkeltes Acromion, Zeichen eines Impingement, chronische ROM-Schädigung mit Tendinosen von Subscapularis-, Supraspinatus- und langer Bizepssehne, inhomogene Signalgebung des superioren glenohumeralen Ligamentes, möglicherweise hier Schädigung des anterioren Labrums, intraartikuläre Ergussansammlung mit Einstrahlung in die Sehnenscheide der langen Bizepssehne sowie des Rezessus subcoracoideus) (vgl. Bl. 162 der Verwaltungsakte).

Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. K. , welche unter dem 12.04.2011 den Gesamt-GdB weiterhin mit 40 bewertete, wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2011 als unbegründet zurück (Bl. 163/164 und 166 der Verwaltungsakte).

Dagegen erhob die Klägerin am 11.07.2011 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG), zu deren Begründung sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholte.

Das SG erhob Beweis durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 20/46, 47/48, 49/55 sowie 57 der SG-Akte Bezug genommen.

Der Orthopäde Dr. M. zu V. teilte am 18.12.2011 mit, bei der Klägerin lägen ein Impingementsyndrom rechts bei Zustand nach ASK rechts vom 07.06.2010, eine Lumboischialgie links bei am 28.02.2011 erfolgter MRT gesicherter beidseits intraforaminal einstrahlender Bandscheibenprotrusion L4/5 rechts mehr als links, Differenzialdiagnose kleiner Vorfall ohne Nachweis einer relevanten Wurzeltangierung, ebenso leicht intraforaminal einstrahlende Bandscheibenprotrusion L5/S1 ohne erkennbare Wurzeltangierung, eine AC-Gelenksarthrose mit Zeichen eines deutlichen Impingement und chronischer Schädigung der Rotatorenmanschette mit Tendinosen der Subscapularis-, Supraspinatus- und langen Bizepssehne, ein Carpaltunnelsyndrom und ein degeneratives HWS-Syndrom vor.

Der Neurologe und Psychiater Dr. Sa. berichtete unter dem 16.02.2012, die Klägerin leide unter einer Dysthymie, einem beidseitigen Tinnitus, einem Carpaltunnelsyndrom sowie einer beidseitigen, linksbetonten Lumboischialgie.

Dr. Wei. schrieb dem SG am 05.03.2012, die Klägerin leide unter einem Carpaltunnelsyndrom, einem subacromialen Impingement der linken Schulter, einer AC-Gelenksarthrose links sowie einer beidseitigen Gonarthrose. Diese Gesundheitsstörungen seien mittelgradig ausgeprägt.

Die Fachärztin für Allgemeinmedizin und Hausärztin der Klägerin Frau G. teilte dem SG unter Vorlage von Fremdbefundberichten (Bl. 64-115 der SG-Akte) mit, die Klägerin leide unter Asthma bronchialis, Rückenschmerzen und einer Läsion der Rotatorenmanschette der rechten Schulter.

Weiter zog das SG die Verwaltungsakten der DRV Baden-Württemberg und die Prozessakte des vor dem SG gegen die DRV Baden-Württemberg geführten Verfahrens S 18 R 1972/11 bei und nahm das von der DRV eingeholte Gutachten von Dr. He. vom 07.02.2011, die im Klageverfahren eingeholten Aussagen der sachverständigen Zeugen Dr. St. vom 03.08.2011 und Dr. Sa. vom 18.08.2011 und ein vom SG eingeholtes orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. B. vom 16.11.2011 in Kopie zur Gerichtsakte (Bl. 128/158 der SG-Akte).

Mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2013 wies das SG die Klage als unbegründet ab. Zunächst könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin überhaupt noch ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des SGB IX habe, da die Schwerbehinderteneigenschaft mit einem GdB von mindestens 50 ohnehin nicht erreicht werde. Die verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin seien mit einem Gesamt-GdB von 40 ausreichend bewertet. Die Klägerin leide hinsichtlich des Funktionssystems Gehirn einschließlich Psyche unter einer rezidivierenden depressiven Störung mit leichter bis mittelgradiger Episode und Somatisierungsneigung, die unter Einbeziehung von Beschwerden durch einen Tinnitus und ein Kopfschmerzsyndrom mit einem zusammenfassenden Einzel-GdB von 20 ausreichend bewertet seien. Das Bronchialasthma der Klägerin und Allergien (insbesondere gegen Aeroallergene und Tierhaare) seien mit einem Einzel-GdB von maximal 20 zu bewerten. Weiter seien die Beschwerden der Klägerin wegen einer Laktoseintoleranz und diversen Nahrungsmittelallergien mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Die degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule seien mit einem Einzel-GdB von 20 angemessen bewertet. Aus den Gutachten von Dr. He. und Prof. Dr. B. ergebe sich, dass lediglich eine leichte Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule ohne Hinweise auf eine Nervenwurzelirritation oder Wurzelkompression und ohne neurologische Ausfälle bestehe. Das von der Klägerin geltend gemachte erhebliche Schmerzsyndrom vor allem im Bereich der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB von 20 ausreichend berücksichtigt. Im Funktionssystem Arme sei zusammenfassend ein Einzel-GdB von 20 anzunehmen. Hierbei sei für die Funktionsbehinderung der Schultergelenke allenfalls ein Einzel-GdB von 20 angemessen. Für die Heberdenarthrose des vierten und fünften Fingers links sei kein GdB zu vergeben. Das beidseitige Carpaltunnelsyndrom rechtfertige einen Einzel-GdB von 10. Die Funktionsbeeinträchtigung des linken Kniegelenks sei mit einem getrennten Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Es sei ein Gesamt-GdB von 40 gerechtfertigt (Bl. 168/175 der SG-Akte).

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 22.04.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 21.05.2013 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, die Schwerbehinderteneigenschaft liege bereits wegen der unglaublichen Vielzahl von einzelnen Erkrankungen der Klägerin und deren wechselseitiger negativer Wirkung vor. Dies gelte insbesondere für die Beeinträchtigungen am Bewegungsapparat und die Schmerzstörungen der Klägerin, welche sich negativ wechselseitig bedingten. Ferner liege im Hinblick auf die Psyche der Klägerin ein krankheitswertiger Verlauf vor, welcher die Vergabe eines Teil-GdB von 30 rechtfertige. Dies umso mehr, da die Klägerin unter Tinnitus leide, was eine typischerweise auch psychosomatisch auftretende Erkrankung sei. Ferner werde in Frage gestellt, ob das erhebliche Schmerzsyndrom in der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend berücksichtigt sei. Die Schwelle zur Schwerbehinderteneigenschaft sei unter Berücksichtigung der gesamten sich wechselseitig negativ bedingenden Funktionseinschränkungen überschritten.

Der Senat hat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG zunächst ein Gutachten bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Wi. eingeholt. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 50/63 der Senatsakte verwiesen. Im Gutachten vom 09.04.2014 hat Dr. Wi. ausgeführt, die Klägerin leide unter einer Dysthymie mit einer Somatisierungstendenz im Sinne eines leichten Tinnitus. Die Somatisierungsneigung im Rahmen der Dysthymie schlage sich auch in einer chronischen Schmerzsymptomatik bei degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und einer Kopfschmerzsymptomatik nieder. Ein außergewöhnliches Schmerzsyndrom liege nicht vor. Die Dysthymie mit Somatisierung im Sinne eines Tinnitus sei mit einem Einzel-GdB von 20, das Bronchialasthma und die Allergien ebenfalls mit einem Einzel-GdB von 20, die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen und die Schmerzsymptomatik mit einem Einzel-GdB von 20, die Funktionsbehinderungen der Schultergelenke, das beidseitige Carpaltunnelsyndrom und die Fingerpolyarthrose insgesamt mit einem Einzel-GdB von 20 und die Verdauungsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten. Die Funktionsbeeinträchtigungen Kopfschmerzsyndrom, Migräne und chronisch-venöse Insuffizienz sowie Funktionsbehinderung des linken Handgelenks seien dabei enthalten. Der Gesamt-GdB betrage unverändert 40.

Weiter hat der Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG ein Gutachten bei dem Orthopäden Dr. Hi. eingeholt. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 66/82 der Senatsakte verwiesen. Im Gutachten vom 02.04.2014 hat Dr. Hi. ausgeführt, bei der Klägerin liege eine Lumboischialgie mit Wurzelschädigung bei Bandscheibenvorfall L4/L5/S1 vor, welche einen Teil-GdB von 30 bedinge. Weiter leide die Klägerin unter einer schmerzhaften Funktionseinschränkung nach der Operation des rechten Schultergelenks, was mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Zudem liege ein myofasciales Schmerzsyndrom vor, welches einen Teil-GdB von 20 bedinge. Weiter leide die Klägerin unter einer Gonarthrose mit schmerzhafter Funktionseinschränkung und Achsabweichung sowie Knorpelschädigung, welche mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Folglich liege auf orthopädischem Fachgebiet ein GdB von 50 vor. Insgesamt ergebe sich ein GdB von 60. Da die Rückenproblematik mit Ausstrahlung in das linke Bein (Gefühlsstörungen) bereits im November 2010 durch die Neurologin Dr. Wu. dokumentiert worden seien, seien die schmerzhaften Funktionseinschränkungen mit einem Teil-GdB von 30 ab diesem Datum anzusetzen.

Nachdem der Beklagte Einwendungen gegen das Gutachten von Dr. Hi. erhoben hatte (Schriftsatz vom 07.08.2014 und versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wo. vom 06.08.2014; Bl. 89/91 der Senatsakte), hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. Hi. eingeholt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.08.2014 hat Dr. Hi. berichtet, die Höherbewertung des Teil-GdB für das Wirbelsäulenleiden begründe sich nicht allein auf die Funktionseinschränkung, sondern auch auf die neurologisch nachgewiesene chronische Wurzelreizung bei Bandscheibenschaden. Weiter sei bei der Inklination eine Krümmung der Lendenwirbelsäule nicht möglich, sondern es bleibe eine Streckhaltung bestehen, was mindestens als eine mittelgradige Funktionseinschränkung zu werten sei. Bei der Schultergelenksproblematik werde unzureichend berücksichtigt, dass es sich um ein chronisch schmerzhaftes postoperatives Syndrom handele und nach wie vor erhebliche Schmerzen infolge von Verwachsungen und Narbenbildung bestünden, welche mit einem Teil-GdB von 10 nicht ausreichend gewürdigt seien. Bei der Kniegelenksproblematik sei die deutliche Umfangsdifferenz des linken Oberschenkels von zwei bis drei Zentimetern zu berücksichtigen, was auf eine chronische Erkrankung hinweise. Weiter bestehe eine Seitenbandinstabilität sowie ein Druck- und Belastungsschmerz am inneren Gelenkspalt nach arthroskopischer Operation. Zwar sei das Bewegungsmaß nicht eingeschränkt, es bestehe jedoch eine verminderte Belastbarkeit, welche durch die Muskeldifferenz bewiesen sei, was für die Kniegelenksproblematik einen Teil-GdB von 20 rechtfertige. Das myofasciale Schmerzsyndrom sei von ihm mit "20%" bewertet worden, könne jedoch nicht zugleich auf psychischem Gebiet mit "20%" anerkannt werden (Bl. 95/96 der Senatsakte).

Der Beklagte hat eine weitere Stellungnahme von Dr. Wo. vom 12.12.2014 vorgelegt und keine Veranlassung gesehen, von seinem Standpunkt abzurücken (Bl. 98/100 der Senatsakte).

Die Berichterstatterin hat mit den Beteiligten am 25.03.2015 einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben (Bl. 105/107 der Senatsakte).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 17.04.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids des Landratsamts O. vom 22.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 08.06.2011 zu verurteilen, bei der Klägerin einen Grad der Behinderung von 50 ab dem 07.07.2010 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides und vertritt die Auffassung, allein die Vielzahl der Erkrankungen genüge nicht, um das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft begründen zu können. Ferner sei es nach der Rechtsprechung des 8. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg nicht möglich, bei Vorliegen mehrerer Behinderungen mit einem Teil-GdB von 20 einen Gesamt-GdB von 50 zu bilden. Eine Erhöhung des Teil-GdB für die psychische Erkrankung auf 30 sei ausweislich des Rentengutachtens des Dr. He. vom 07.02.2011 und der Auskunft des Dr. Sa. vom 18.08.2011 nicht möglich. Ferner könne der GdB-Bewertung von Dr. Hi. im Gutachten vom 02.04.14 aufgrund der dort erhobenen Bewegungsausmaße für die Wirbelsäule, die Schultergelenke und die Kniegelenke nicht gefolgt werden. Schließlich lasse sich dem Gutachten von Dr. Wi. vom 09.04.2014 entnehmen, dass die Klägerin nach Italien verzogen sei, weshalb fraglich sei, ob sie überhaupt noch ein Rechtsschutzbedürfnis habe.

Der Klägervertreter hat vorgetragen, die Klägerin pendele zwischen Italien und Deutschland und sei nach wie vor in Deutschland gemeldet. Er hat eine Meldebescheinigung der großen Kreisstadt A. vom 30.03.2015 vorgelegt (Bl. 85, 106 und 110 der Senatsakte).

Mit Beschluss vom 13.05.2015 ist das Land Baden-Württemberg aus dem Rechtsstreit entlassen und das Land Bayern als neuer Beklagter festgestellt worden. Mit Fax vom 13.05.2015 hat der Beklagte sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Dem Klägerbevollmächtigten ist der richterliche Hinweis vom 18.05.2015 erteilt worden, dass von der fortbestehenden Wirksamkeit seiner im Termin vom 25.03.2015 erteilten Einverständniserklärung ausgegangen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vom Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte sowie auf die Prozessakten des SG und des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung der Klägerin entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit dem Beschluss des Senats vom 13.05.2015 ist der kraft Gesetzes eingetretene Beklagtenwechsel deklaratorisch festgestellt worden, eine Änderung der Prozesslage, die nach der im Termin am 25.03.2015 abgegebenen Einverständniserklärung eingetreten ist und die Wirksamkeit dieser Prozesserklärung entfallen lässt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 124 Rn. 3d), ist damit nicht verbunden. Im Hinblick auf die Wohnsitznahme der Klägerin in Italien hatte der vormalige Beklagte bereits mit Schriftsatz vom 08.05.2014 die Entlassung aus dem Rechtsstreit beantragt, so dass die prozessuale Frage des Beklagtenwechsels für die Beteiligten auch nicht überraschend gewesen ist. Außerdem ist dem Klägerbevollmächtigten mit richterlicher Verfügung vom 18.05.2015, auf die hinsichtlich weiterer Einzelheiten verwiesen wird, die Rechtsauffassung des Senats mitgeteilt worden unter Hinweis auf die Terminsvormerkung für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. In dem verbleibenden Zeitraum bis zum Eintritt der Bindung des Gerichts an die getroffene Entscheidung durch Verlautbarung des im schriftlichen Verfahren gefällten Urteils an die Beteiligten (vgl. Keller a.a.O., § 125 Rn. 4b) hat der Klägerbevollmächtigte der Rechtsauffassung des Senats nicht widersprochen. Der Zeitraum von mindestens 3 Wochen ab der Bekanntgabe der richterlichen Verfügung vom 18.05.2005 bis zur Aufgabe der Urteilsausfertigung zur Post (im Sinne der getätigten Verlautbarung, vgl. Keller a.a.O.) ist auch nicht unangemessen kurz; vielmehr ist mit dem Hinweis auf die Terminsvormerkung erkennbar geworden, dass mit einer alsbaldigen Entscheidung zu rechnen ist, so dass innerhalb dieses Zeitraums etwaige Einwendungen hätten erhoben werden müssen.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat hat trotz der vom Klägervertreter vorgelegten Meldebescheinigung der Großen Kreisstadt A. vom 30.03.2015 nicht davon ausgehen können, dass die Klägerin weiterhin einen Wohnsitz i.S. des § 30 SGB I im Geltungsbereich des SGB IX hat. Auf den Beschluss des Senats vom 13.05.2015 zum Beklagtenwechsel wird verwiesen. Die vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob die im Ausland wohnhafte Klägerin wegen einer noch konkret in Deutschland erwachsenden Vergünstigung ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse an der Feststellung eines GdB hat (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2010 – B 9 SB 1/10 R –, juris), hat der Senat offenlassen können. Die grundsätzlich vorrangige Prüfung der allgemeinen Prozessvoraussetzungen ist im Hinblick auf die Sachurteilsvoraussetzung des Rechtsschutzinteresses nach herrschender Meinung insoweit verzichtbar, als aus prozessökonomischen Gründen die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs dahinstehen kann, wenn das Rechtsbegehren aufgrund der zum Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Beweismittel auch als unbegründet abzuweisen ist (vgl. Keller a.a.O., vor § 51 Rn. 13c m.w.N.; so auch bereits Sendler in Deutsches Verwaltungsblatt -DVBl.-, 1982, 929).

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17.04.2013 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts O. vom 22.09.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart - Landesversorgungsamt - vom 08.06.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40, da eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X im Verhältnis zu dem zuletzt maßgeblichen Bescheid vom 20.03.2008 zwar insofern eingetreten ist, als nunmehr ein GdB von 40 statt 30 gerechtfertigt ist. Jedoch hat der Beklagte der Änderung mit einer Feststellung eines GdB von 40 ausreichend Rechnung getragen. Ein Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB besteht hingegen nicht.

Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Neufeststellung eines höheren GdB ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG SozR 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m.w.N.). Die den einzelnen Behinderungen, welche ihrerseits nicht zum so genannten Verfügungssatz des Bescheides gehören zugrunde gelegten Teil-GdB-Sätze erwachsen nicht in Bindungswirkung (BSG 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 - BSGE 81, 50 bis 54). Hierbei handelt es sich nämlich nur um Bewertungsfaktoren, die wie der hierfür (ausdrücklich) angesetzte Teil-GdB nicht der Bindungswirkung des § 77 SGG unterliegen. Ob eine wesentliche Änderung eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustands mit dem bindend festgestellten früheren Behinderungszustand ermittelt werden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die der Zuerkennung eines GdB zugrundeliegende Behinderung wird gemäß § 69 Abs. 1 SGB IX im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Dabei stellt die Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2009 (BGBl. I, 2412) mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) auf funktionelle Beeinträchtigungen ab, die zunächst nach Funktionssystemen (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG) getrennt, später nach § 69 Abs. 3 SGB IX in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen sind.

Die im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche (vgl. dazu Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG bestehenden Behinderungen der Klägerin sind mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Nach Teil B Nr. 3.7 VG sind leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem Teil-GdB von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) mit einem Teil-GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Erst schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten rechtfertigen einen Teil-GdB von 50 bis 70, mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten einen Teil-GdB von 80 bis 100. Die Klägerin leidet nach den schlüssigen Ausführungen in dem vom Senat auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Dr. Wi. vom 09.04.2014, dem sich der Senat aufgrund eigener Überprüfung anschließt, an einer Dysthymie mit einer Somatisierungstendenz. Bei der Untersuchung durch Dr. Wi. waren die Schwingungsfähigkeit und der Antrieb der Klägerin lediglich leicht gemindert. Die Stimmung war dysphorisch-moros und leichtergradig depressiv mit thematischer Fixierung auf die eigene körperliche Befindlichkeit mit einer Schmerzsymptomatik und auch Zentrierung auf die gesamte biographische Situation. Reproduktionsfähigkeit der Gedächtnisleistung und Konzentration sowie Durchhaltevermögen waren normal. Es fanden sich keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, keine produktive Symptomatik und auch sonst keine Hinweise auf eine Prozesspsychose. Es bestand keine delirante Symptomatik. Zwar hat die Klägerin nach den nachvollziehbaren und schlüssigen Ausführungen von Dr. Wi. glaubhaft über innere Unruhe, Nervosität und gleichzeitige Müdigkeit mit Erschöpfungszuständen geklagt. Jedoch ist sie in der Lage, ihren Tagesablauf durchaus zu gestalten und zu strukturieren. So steht sie morgens um 06.00 Uhr auf, pflegt sich, frühstückt, macht den Haushalt und kocht auch regelmäßig zu Mittag und kauft mit ihrem Mann zusammen ein. Zudem verfügt sie über soziale Kontakte wie beispielsweise eine Freundin, welche auch abends öfter "zum Schwätzen" zur Klägerin kommt. Daraus kann nicht auf eine stärker behindernde psychische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit geschlossen werden. Auch aus der Medikation der Klägerin kann darauf nicht geschlossen werden. Bei der Untersuchung durch Dr. Wi. gab die Klägerin an, sie werde mit dem Antidepressivum Mirtazapin (sedierendes Antidepressivum) behandelt. Über eine weitere antidepressive Medikation konnte der Klägervertreter im Erörterungstermin vom 25.03.2015 nicht berichten. Weiter findet nach den Ausführungen von Dr. Wi. keine zusätzliche Psychotherapie etwa im Sinne einer Verhaltenstherapie statt. Eine während des Erörterungstermins vom 25.03.2015 bei der in Italien befindlichen Klägerin telefonisch eingeholte Information des Klägervertreters ergab lediglich, dass sich die Klägerin in Italien angeblich circa einmal pro Monat zum Nervenarzt begibt. Eine regelmäßige Psychotherapie/Verhaltenstherapie ist hingegen nicht dokumentiert. So beschränkt sich der behauptete Arztbesuch auf die ärztliche Verordnung des Arzneimittels, dessen regelmäßige Einnahme auch nicht belegt ist. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass das diagnostizierte seelische Leiden der Klägerin über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 -; juris, Rdnr. 31). Der Senat hat dem Umstand, dass überhaupt keine ärztliche Behandlung erfolgt, grundsätzlich eine starke Indizwirkung für mangelnden seelischen Leidensdruck zugemessen und dies als Kriterium zur Einstufung als noch leichtere psychische Störung bewertet (Urteil des Senats vom 17.12.2010 a.a.O.). Andererseits ist auch der Umstand, dass Arztbesuche wegen des seelischen Leidens dokumentiert sind, für sich genommen kein hinreichendes Indiz für die Ausprägung der psychischen Erkrankung als bereits stärker behindernde Störung. Maßgebend ist auch Art der Behandlung, Behandlungsfrequenz und Compliance.

Weiter leidet die Klägerin unter einem Tinnitus. Dieser ist nach Teil B Nr. 5.3 VG ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen mit einem Teil-GdB von 0 bis 10 und mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Derartige erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen des Tinnitus sind vorliegend nicht dokumentiert. Nach den Feststellungen von Dr. Wi. handelt es sich lediglich um einen leichten Tinnitus. Nach Auskunft des vom SG als sachverständiger Zeuge gehörten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sa. vom 16.02.2012 verschwimmen die multiplen Beschwerden wie Dysthymie und Tinnitus miteinander. Somit kann für den Tinnitus allenfalls ein Teil-GdB von 10 vergeben werden. Ferner schlägt sich die Somatisierungsneigung im Rahmen der Dysthymie nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. Wi. im Gutachten vom 09.04.2014 auch in der Kopfschmerzsymptomatik nieder. Folglich ist für das Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche unter Berücksichtigung der Erkrankungen Dysthymie mit Somatisierungstendenz, leichter Tinnitus und Kopfschmerzsyndrom sowie unter Beachtung von deren gegenseitiger Überschneidung ein Einzel-GdB von 20 zu bilden. Diese Einschätzung wird auch von Dr. Wi. im Gutachten vom 09.04.2014 vorgenommen.

Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. Teil A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist bei der Klägerin durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule gekennzeichnet, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten ist. Dabei ist das chronische Schmerzsyndrom in diesem Funktionssystem mit zu berücksichtigen und bei der Bewertung eines Teil-GdB von 20 mit eingeschlossen, da dessen Auswirkungen gerade in diesem Funktionssystem auftreten. Lediglich dann, wenn sich die Funktionsbeeinträchtigungen aufgrund des Schmerzsyndroms nicht mehr einem Funktionssystem zuordnen lassen, kommt eine Berücksichtigung im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche in Betracht. Ein eigenständiger Teil-GdB für das Schmerzsyndrom kommt nach Auffassung des Senats nicht in Betracht.

Nach Teil B Nr. 18.9 VG ist für Wirbelsäulenschäden ein GdB von 20 vorgesehen, wenn mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorliegen. Ein GdB von 10 ist dagegen bei Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) bestimmt. Ein GdB von 30 setzt nach Teil B Nr. 18.9 VG entweder schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) oder (nach der Rechtsprechung des Senats, Urteil vom 24.01.2014 - L 8 SB 2497/11 -; juris) mittelgradige funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus. Anhaltende Funktionsstörungen infolge Wurzelkompression mit motorischen Ausfallerscheinungen - oder auch die intermittierenden Störungen bei der Spinalkanalstenose - sowie Auswirkungen auf die inneren Organe (z.B. Atemfunktionsstörungen) sind zusätzlich zu berücksichtigen. Vorliegend konnte der Senat allenfalls mittelschwere Funktionsbeeinträchtigungen in einem Wirbelsäulenabschnitt feststellen.

Die Klägerin leidet vor allem unter einer chronisch rezidivierenden Lumboischialgie links bei Wirbelsäulenfehlstatik und deutlichem Übergewicht sowie einer Bandscheibenprotrusion L4/5 mit fraglicher Wurzelirritation und rezidivierenden Cervicobrachialgien bei Osteochondrose und Uncarthrose. Bei der Klägerin bestehen zur Überzeugung des Senats an der Halswirbelsäule geringe funktionelle Auswirkungen und an der Lendenwirbelsäule mittelgradige funktionelle Auswirkungen. Die Überzeugung des Senats beruht auf den von Dr. Hi. anlässlich der Erstellung des auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Gutachtens vom 02.04.2014 erhobenen klinischen Befunden und Bewegungsausmaßen. Dr. Hi. hat für die Halswirbelsäule eine schmerzhafte Seitneigung bis 20 ° (Norm: 45 °) und eine beidseits um die Hälfte schmerzhaft eingeschränkte Rotation befundet. Damit ist die HWS jeweils zur Hälfte in der Seitneigung und Rotation schmerzhaft eingeschränkt, was eine mittelgradige Bewegungseinschränkung darstellt. Eine Nervenwurzelreizsymptomatik wird von Dr. Hi. für die HWS, wie schon in den Vorgutachten, jedoch nicht beschrieben. Er bezieht diffuse Schmerzen im Nacken-Schultergürtelbereich mit Ausstrahlung vorwiegend in den linken Arm auf das von ihm diagnostizierte myofasciale Schmerzsyndrom im Übergang zur Fibromyalgie. Die von ihm diagnostizierte rezidivierende Cervicobrachialgie hat er auch keiner eigenen GdB-Bewertung unterzogen (vgl. Seite 13 seines Gutachtens). Belangvolle HWS-Beeinträchtigungen sind in den zu den Akten gelangten Arztbriefen auch früher nicht dokumentiert. Insoweit geht der Senat für die HWS von einem Teil-GdB 10 aus. Hinsichtlich der Brustwirbelsäule fand sich bei der Untersuchung durch Dr. Hi. ein ausgeprägter Klopfschmerz im Bereich der mittleren Brustwirbelsäule und am lumbosakralen Übergang. Das Ott’sche Zeichen als Maß für die Entfaltbarkeit der Brustwirbelsäule betrug 32/30 cm (Norm 29/30/32 bis 34). Die Beweglichkeit im Bereich der Brustwirbelsäule lag mithin in der Norm. Die Einschränkung der LWS rechtfertigt lediglich einen Teil-GdB von 20, was der Senat auch der überzeugenden versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Wo. vom 12.12.2014 entnimmt. Schließlich war bei der Untersuchung durch Dr. Hi. die Seitneigung in der Lendenwirbelsäule zu einem Drittel eingeschränkt, die Rotation war beidseits bis 40 ° möglich. Die Inklination war bis zu einem Fingerbodenabstand von 25 cm möglich bei Entfaltung der lumbalen Segmente, wobei jedoch eine Kyphosierung der Lendenwirbelsäule nicht erreicht wurde und eine Streckhaltung verblieb. Weiter diagnostizierte Dr. Hi. eine seiner Auffassung nach neurologisch nachgewiesene Wurzelreizung und klinisch nachgewiesene Wurzelschädigung, welche sich in einer Gefühlsminderung am linken Bein äußert. Hier geht der Senat entgegen der Einschätzung von Dr. Hi. lediglich von einer annähernd mittelgradigen Funktionsbeeinträchtigung der Lendenwirbelsäule aus. Die Seitneigung der Lendenwirbelsäule ist lediglich auf ein Drittel eingeschränkt und die Rotation bis 40 ° liegt im Bereich der Norm. Entgegen der Auffassung von Dr. Hi. kann alleine die chronische Wurzelreizung nicht zu einer Erhöhung des Teil-GdB für die Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule auf 30 führen. Selbst nach den Ausführungen von Dr. Hi. liegt lediglich eine funktionell wenig bedeutsame Gefühlsminderung im linken Bein vor. Gravierende neurologische bzw. motorische Ausfälle sind jedoch im Gutachten von Dr. Hi. nicht dokumentiert. Insbesondere war der Fußspitzen- und Fersenstand möglich. Dagegen konnte der Neurologe und Psychiater Dr. Wi. anlässlich der Untersuchung der Klägerin für die Erstellung des Gutachtens vom 09.04.2014 keine sensiblen Störungen infolge einer Wurzelkompression feststellen. Bei Dr. Wi. zeigte sich ein unauffälliges Gangbild. Es fanden sich auch keine Paresen. Damit liegen zur Überzeugung des Senats allenfalls mittelgradige Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (LWS) vor. Die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind als allenfalls mittelgradig zu bezeichnen. Auch das von der Klägerin geltend gemachte Schmerzsyndrom im Bereich der Wirbelsäule führt nicht zu einer Erhöhung des Teil-GdB von 20 für die Beeinträchtigungen der Wirbelsäule. Nach Teil B Nr. 18.1 Satz 3 VG sind grundsätzlich die mit einer Wirbelsäulenerkrankung üblicherweise verbundenen Beschwerden bereits im GdB enthalten. Nach Teil A Nr. 2 Buchst. j) VG schließen die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Lediglich dann, wenn nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, welche eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden. Vorliegend nimmt die Klägerin wegen ihrer Schmerzen lediglich bei Bedarf Schmerzmedikamente (Algix 60 sowie Ibuprofen) ein. Eine spezielle schmerztherapeutische Behandlung findet hingegen nicht statt. Damit sind bei der Bewertung der Wirbelsäulenbeschwerden die von der Klägerin geklagten Schmerzen bereits miteingeschlossen und rechtfertigen keine weitere Erhöhung. Folglich ist für die Beeinträchtigungen der Klägerin im Funktionssystem Rumpf ein Einzel-GdB von 20 ausreichend.

Im Funktionssystem der Arme konnte der Senat auf der Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen einen Teil-GdB von 20 feststellen. Die Klägerin leidet unter einer Funktionsbehinderung der Schultergelenke, einem beidseitigen Carpaltunnelsyndrom sowie einer Fingerpolyarthrose des vierten und fünften Fingers der linken Hand, die mit einem zusammenfassenden Einzel-GdB von 20 zu bewerten sind.

Für die Funktionsbeeinträchtigungen der beiden Schultergelenke ist ein Teil-GdB von 20 anzunehmen. Gemäß Teil B Nr. 18.13 VG ist bei einer Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) mit einer Armhebung nur bis zu 120 ° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ein Teil-GdB von 10 und bei einer Armhebung nur bis zu 90 ° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit ein Teil-GdB von 20 festzusetzen. Bei der Klägerin wurde wegen eines Impingementsyndroms des rechten Schultergelenks eine Dekompressionsoperation vorgenommen. Auch im linken Schultergelenk besteht ein Impingementsyndrom. Bei der Untersuchung durch Dr. Hi. war die Abduktion rechts schmerzhaft auf 90 ° eingeschränkt. Der Nackengriff war schmerzhaft gerade möglich, der Schürzengriff war knapp möglich. Auch hier gab die Klägerin deutliche Schmerzen an. Es bestand ein auffallender Druckschmerz über der Supraspinatus- und der langen Bizepssehne. Das Armvorwärtsführen war bis zu 120 ° möglich, das Rückwärtsführen bis 30 °. Hinsichtlich des linken Schultergelenkes bestand ein Druckschmerz über der Rotatorenmanschette und ein diffuser Kapseldruckschmerz. Die Abduktion war schmerzhaft auf 90 ° eingeschränkt, die Rotation war ebenfalls schmerzhaft. Jedoch waren der Nacken- und Schürzengriff etwas besser möglich als auf der rechten Seite. Die Anteversion war bis 120 ° möglich bei einer Retroversion von 30 °. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.08.2014 verweist Dr. Hi. auf ein chronisch schmerzhaftes postoperatives Syndrom nach der Dekompressionsoperation mit erheblichen Schmerzen infolge von Verwachsungen und Narbenbildung. Zwar ist ein Vorwärtsführen beider Arme bis 120 ° möglich, jedoch erscheint dem Senat unter Berücksichtigung der Schmerzen die Vergabe eines Teil-GdB von 20 für die Schultergelenksproblematik angemessen.

Die Klägerin leidet ferner unter einem beidseitigen Carpaltunnelsyndrom, welches mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten ist. Infolge des Carpaltunnelsyndroms kommt es ausweislich des Gutachtens von Dr. Wi. lediglich zu ganz leichten dysästhetischen Parästhesien in den Fingern 1 bis 3 rechts wie links, d.h. im Medianusversorgungsbereich. Sonst fanden sich keine weiteren sensiblen Störungen. Die der Klägerin bereits mehrfach empfohlene Operation hat sie bislang nicht durchführen lassen. Nach Teil B Nr. 18.13 ist bei einem vollständigen Nervenausfall des Nervus Medianus proximal ein Teil-GdB von 40 und distal ein Teil-GdB von 30 vorgesehen. Teilausfälle der genannten Nerven sind entsprechend geringer zu bewerten. Da vorliegend lediglich ganz leichte dysästhetische Parästhesien vorliegen, ist allenfalls die Annahme eines Teil-GdB von 10 für das beidseitige Carpaltunnelsyndrom möglich.

Ferner leidet die Klägerin unter einer Polyarthralgie der Finger mit einer ausgeprägten Heberdenarthrose des Kleinfingers links. Bei der Untersuchung durch Dr. Hi. war die Dorsal/Plantarflexion mit 80-0-70 ° beidseits mit deutlicher Schmerzangabe endgradig möglich. Die Streckung und Beugung der Finger war frei und der Faustschluss war möglich. Der Händedruck war beidseits auf die Hälfte reduziert. Es bestand über dem Daumensattelgelenk beidseits ein mittelgradiger Druckschmerz. Das Endgelenk des kleinen Fingers links zeigte eine leichte Deformierung im Sinne einer Heberdenarthrose. Eine segmentale Gefühlsstörung war nicht auszumachen. Nach Teil B Nr. 18.13 VG bedingt eine Bewegungseinschränkung des Handgelenks geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis 30-0-40) einen Teil-GdB von 0 bis 10 und eine Versteifung des Handgelenks in günstiger Stellung (leichte Dorsalextension) einen Teil-GdB von 20. Vorliegend rechtfertigen die bei der Klägerin vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen allenfalls einen Teil-GdB von 10.

Die Schulterbeschwerden und die Beschwerden durch das CTS sowie die Polyarthrose der Finger sind zusammenfassend mit einem Einzel-GdB von 20 für das Funktionssystem Arme zu bewerten.

Im Funktionssystem der Beine konnte sich der Senat allenfalls vom Vorliegen eines Teil-GdB von 20 überzeugen. Der Gutachter Dr. Hi. fand bei der Untersuchung des rechten Kniegelenks eine normale Kontur mit negativen Meniskuszeichen und einem festen Bandapparat. Die Patella war ohne Schmerzangabe frei verschieblich. Es fand sich kein Erguss. Die Streckung/Beugung war mit 0-0-150 ° frei. Beim linken Kniegelenk fand sich eine reizlose Narbe nach ASK und bei Innenmeniskusentfernung. Weiter fand sich ein mäßiger Druckschmerz am medialen Gelenkspalt und im Bereich der medialen Gelenkkapsel sowie eine leichte Seitenbandinstabilität. Die vordere Schublade war jedoch fest und es fanden sich keine Anzeichen für eine Kreuzbandinsuffizienz sowie keine Blockade und kein Erguss. Die Beugung war um 10 ° schmerzhaft eingeschränkt bei 0-0-140 °. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 27.08.2014 verwies Dr. Hi. auf eine deutliche Umfangsdifferenz des linken Oberschenkels von zwei bis drei Zentimetern, was auf eine verminderte Belastbarkeit schließen lasse. Nach Teil B Nr. 18.14 der VG rechtfertigt eine einseitige Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis 0-0-90) einen Teil-GdB von 0 bis 10 und eine beidseitige Bewegungseinschränkung geringen Grades einen Teil-GdB von 10 bis 20. Bei einer muskulär kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparates sieht Teil B Ziff. 18.14 VG einen Teil-GdB von 10 vor, bei einer unvollständig kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparates mit Gangunsicherheit einen Teil-GdB von 20. Vorliegend war das rechte Kniegelenk frei beweglich. Beim linken Kniegelenk fand sich lediglich eine um 10 ° eingeschränkte Beugung, wogegen bei der Untersuchung durch Dr. Wi. noch beide Gelenke frei beweglich gewesen sind. Es fand sich auch kein Erguss. Aufgrund der Seitenbandinstabilität und der Druck- und Belastungsschmerzen nach arthroskopischer Operation kann allenfalls von einem Teil-GdB von 20 für die Kniegelenksproblematik ausgegangen werden.

Im Funktionssystem der Atmung konnte sich der Senat allenfalls vom Vorliegen eines Teil-GdB von 10 überzeugen. Die Klägerin leidet unter einem Asthma bronchiale, wofür Teil B Nr. 8.5 VG ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion mit Hyperreagibilität mit seltenen (saisonalen) und/oder leichten Anfällen einen Teil-GdB von 0 bis 20 vorsieht. Ausweislich des vom SG beigezogenen, im Rentenverfahren von der DRV Baden-Württemberg eingeholten Gutachtens von Dr. He. vom 07.02.2011 fanden sich normale Lungenfunktionswerte sowie ein medikamentös gut eingestelltes Asthma bronchiale. Dies rechtfertigt nach Auffassung des Senats die Vergabe eines Teil-GdB von 10. Weiter leidet die Klägerin unter Allergien insbesondere gegen Aeroallergene (Birke und Hasel) sowie gegen Tierhaare (Meerschweinchen). Weitere dadurch bedingte Funktionseinschränkungen sind jedoch nicht dokumentiert, sodass für das Funktionssystem Atmung ein Einzel-GdB von 10 anzunehmen ist.

Schließlich ist für das Funktionssystem Verdauung ein Einzel-GdB von 10 zu vergeben. Die Klägerin leidet unter einer Laktoseintoleranz und diversen Nahrungsmittelallergien, insbesondere gegen Weizen. Dies folgt aus dem Gutachten von Dr. He. sowie aus dem Befundbericht des O. Klinikums vom 25.01.2011 und dem Befundbericht von Dr. B. (Bl. 90 und 91 der SG-Akte). Nach Teil B Nr. 10.2 der VG ist der GdB bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darm-Kanals nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besondere von Diätkost zu beurteilen; bei allergisch bedingten Krankheiten ist auch die Vermeidbarkeit der Allergene von Bedeutung. Unter Berücksichtigung des guten Ernährungszustandes der Klägerin und der Vermeidbarkeit von Laktose und Weizen ist hier allenfalls ein Teil-GdB von 10 angemessen. Weitere Funktionsbeeinträchtigungen sind nicht dokumentiert, insbesondere konnte eine Zöliakie bzw. Sprue, für die die VG ohne wesentliche Folgeerscheinungen unter diätischer Therapie einen GdB von 20 vorsehen, nicht festgestellt werden, weshalb es bei einem Einzel-GdB von 10 für das Funktionssystem Verdauung bleibt.

Weitere bisher nicht berücksichtigte GdB-relevante Funktionsbehinderungen, die einen Einzel- bzw. Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, wurden weder geltend gemacht, noch konnte der Senat solche feststellen.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Arztauskünfte und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben mit den sachverständigen Zeugenauskünften und den Gutachten dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinisch festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung des GdB unter Einschluss der Bewertung der sich zwischen den einzelnen Erkrankungen und Funktionsbehinderungen ergebenden Überschneidungen und Wechselwirkungen.

Nach Überzeugung des Senats ist der Gesamt-GdB unter integrierender Bewertung der Funktionsbehinderung und unter Beachtung ihrer gegenseitigen Auswirkungen mit 40, gebildet aus Teilwerten von

- 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems Gehirn einschließlich Psyche (Dysthymie mit Somatisierungstendenz, Tinnitus und Kopfschmerzsyndrom), - 20 für das Funktionssystem des Rumpfes (Wirbelsäule und Schmerzsyndrom), - 20 für das Funktionssystem der Arme (Schulterbeschwerden beidseits, Carpaltunnelsyndrom beidseits sowie Polyarthrose der Finger), - 20 für das Funktionssystem der Beine (Gonarthrose), - 10 für das Funktionssystem Atmung (Asthma Bronchiale sowie Allergien gegen Aeroallergene) und - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems Verdauung (Allergien gegen verschiedene Nahrungsmittel/Laktoseintoleranz),

wobei Teil-GdB-Werte von 10 regelmäßig nicht erhöhend wirken, zu bemessen. Dabei war zu bedenken, dass sich hinsichtlich der Dysthymie mit Somatisierungstendenz und des Schmerzsyndroms Überschneidungen ergeben. Ferner ist nach der Rechtsprechung des Senats die Feststellung der von der Klägerin angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht gerechtfertigt. Die schwerwiegendste Funktionsstörung ist hier eines der vier mit einem GdB von 20 bewerteten Leiden. Einen höheren GdB als 20 bedingt keines davon. Wenn mit einem GdB 20 bewertete Behinderungen nach den VG es vielfach nicht rechtfertigen, den Gesamt-GdB zu erhöhen, ist es grundsätzlich nicht geboten, aus einer Häufung solcher Behinderungen die Schwerbehinderteneigenschaft zu folgern. Ein GdB von 50 kann daher nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ohne zumindest eine mit einem GdB von 30 bewertete einzelne Funktionsstörung in der Regel nicht angenommen werden (vgl. Urteil des Senats vom 17.12.2010 - L 8 SB 1549/10 -; juris).

Mit dem vom Senat festgestellten Gesamt-GdB von 40 ist im Vergleich zum Bescheid vom 20.03.2008 eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten, der der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden bereits Rechnung getragen hat, weshalb der Klägerin kein Anspruch auf weitere Erhöhung ihres GdB zusteht.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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