L 7 KA 19/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 KA 95/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 19/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Februar 2012 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Berichtigung seines Honorars für das Quartal III/05 in Höhe von 1.398,60 Euro infolge einer zeitgestützten Plausibilitätsprüfung.

Der Kläger nimmt seit Januar 1992 als Haus¬arzt (Praktischer Arzt) an der vertragsärztlichen Versorgung in B (F) teil. Er führt die Teilgebietsbezeichnung "Sportmedizin". Die Praxis verfügt über besonders hohes Patientenaufkommen. Im Quartal III/05 betrug die Gesamtfallzahl 1.807.

Im Rahmen einer zeitgestützten Plausibilitätsprüfung für die Quartale III/05 bis II/06 teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16. April 2007 unter Übersendung der Tagesprofile mit, dass das Aufgreifkriterium von 46.800 Minuten pro Quartal für das Quartal III/05 mit 52.532 Minu¬ten überschritten sei und bat um Stellungnahme. Der Kläger erklärte hierauf unter anderem, häufig auch am Wochenende Sprechstunden durchzuführen. Seine Tagesleistungen seien unauffällig. Mit Bescheid vom 1. August 2008 hob die Beklagte den Honorarfestsetzungsbescheid für das Quartal III/05 im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung auf und kürzte das Honorar des Klägers um 4.157,59 Euro. Die Kürzung bezog sich auf die Ansetzung der GO-Nr. 03120 EBM neben der Ordinationszif¬fer sowie auf 80 % der Vergütung für die GO-Nr. 01410.

Die genannten EBM-Nummern in der Fassung des EBM 2000plus lauteten im streitigen Quartal:

01410 Besuch eines Kranken, wegen der Erkrankung ausgeführt 400 Punkte ( ) Ordinationskomplex:

Obligater Leistungsinhalt - Persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt

Fakultativer Leistungsinhalt - Betreuung und Behandlung bis zu 10 Minuten Dauer, - In Anhang 1 aufgeführte Leistungen,

einmal im Behandlungsfall 03110 für Versicherte bis zum vollendeten 5. Lebensjahr 155 Punkte 03111 für Versicherte ab Beginn des 6. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 145 Punkte 03112 für Versicherte ab Beginn des 60. Lebensjahres 225 Punkte Die Leistungen nach den Nrn. 03110 bis 03112 sind nicht neben der Leistung nach der Nr. 03115 berechnungsfähig.

03115 Konsultationskomplex

Obligater Leistungsinhalt

- Weiterer persönlicher oder anderer Arzt-Patienten-Kontakt gemäß 4.1 und 4.1.1 der Allgemeinen Bestimmungen,

je Arzt-Patienten-Kontakt 35 Punkte

Die Leistung nach der Nr. 03115 ist nicht neben den Leistungen nach den Nrn. 03110 bis 03112 berechnungsfähig. 03120 Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten, je vollendete 10 Minuten 150 Punkte

Die Leistung nach der Nr. 03120 ist im Notfall und im organisierten Not(fall)dienst nicht berechnungsfähig. Bei der Nebeneinanderberechnung der Leistungen nach den Nrn. 03110 bis 03112 und 03120 ist eine Dauer der Arzt-Patienten-Kontaktzeit von mindestens 20 Minuten Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120. Bei der Nebeneinanderberechnung diagnostischer bzw. therapeutischer Leistungen und der Leistung nach der Nr. 03120 ist eine mindestens 10 Minuten längere Arzt-Patienten-Kontaktzeit als in den entsprechenden Leistungen angegeben Voraussetzung für die Berechnung der Leistung nach der Nr. 03120.

Zur Begründung des Bescheides vom 1. August 2008 führte die Beklagte an, der Kläger habe gegen die Verpflichtung zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Die abgerechneten Leistungen hätten in der abgerechneten Form nicht erbracht werden können. Die im Arztregister offiziell gemeldete Sprechzeit am Dienstag von 14.00 bis 20.00 Uhr entspreche einer Arztpräsenz von sechs Stunden. Dienstag, den 5. Juli 2005, habe der Kläger indessen 12 Stunden und 26 Minuten Leis¬tungszeit abgerechnet. Auch bei einer Praxisöffnung entgegen der gemeldeten Sprechzeiten um 8.00 Uhr hätten die Leistungen so nicht erbracht werden können. An diesem Tag hätten auf Grund der Abrechnung von 25 Gesprächen nach der GO-Nr. 03120 EBM neben der Ordinati¬onsziffer in denselben Fällen reine Gesprächsleistungen im Umfange von acht Stunden und 20 Minuten erbracht werden müssen. Neben den mit einer Leistungszeit versehenen Gebührenordnungsnummern, die zusammen einen Leistungsumfang von 12 Stunden und 26 Minuten ergäben, seien noch 40 weitere im Einzelnen angegebene GO-Nummern abgerechnet worden, deren Leistungszeiten keine Berück¬sich¬tigung im Tagesprofil fänden, weil der EBM insoweit keine Zeitvorgabe enthalte. Die Berechnung der Konsultationsgebühr in 19 und die Ab¬rech-nung der Ordinationsgebühr in 94 Fällen bedeuteten die Behandlung von 113 Patienten an diesem Tag. Dies sei bei gleichzeitiger Abrechnung von Gesprächsleistungen in einem Umfange von acht Stunden und 20 Minuten sowie vier Hausbesuchen in einem Umfang von einer Stunde in der dem Kläger zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu bewältigen. Es sei davon auszugehen, dass die Gesprächsdauer entsprechend der Leistungs¬legende des EBM von mindestens 10 Minuten zumindest in den Fällen, in denen sie neben der Ordinationsgebühr in Ansatz gebracht worden sei und daher zwingend eine Zeit von 20 Minu¬ten vorschreibe, nicht ordnungsgemäß und vollständig erbracht worden sei Weiterhin seien Hausbesuche in etlichen Fällen nicht ordnungsgemäß abgerechnet worden. Der grob fahrläs¬sige Fehlansatz eröffne Schätzungsermessen, zugleich gehe das Honorarrisiko auf den Ver¬tragsarzt über, der nunmehr die Beweislast für die vollständige und ordnungsgemäße Erbrin¬gung der Leistungen trage. Da Anhaltspunkte für eine einzellfallbezogene Honorarschät¬zung fehlten, habe der Vorstand beschlossen, die Bemessung des Rückforderungsbetrages be¬zogen auf den fehlerhaften Ansatz der GO-Ziffern 03120 und 01410 EBM vorzunehmen. Ge-strichen würden folglich 315 Fälle, in denen die EBM-Ziffer 03120 neben der Ordinationszif¬fer ab¬rechnet worden sei sowie 80 % der Hausbesuchsziffern nach GO-Nr. 01410 EBM. Mit Bescheid vom 9. März 2009 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab. Die erneute Überprüfung habe ergeben, dass die abgerechneten Hausbesuche in einem Blindenwohnheim mit eigenständigen und abgeschlossenen Wohneinheiten erfolgt seien, so dass die EBM-Ziffer 01410 ordnungsgemäß in Ansatz gebracht worden sei. Es verbleibe aber bei der Einschätzung, dass der Ansatz der Gesprächsleistungen ohne vorherige Erfüllung des fakultativen Leistungs¬anteils der Ordinationsgebühr fehlerhaft sei. Damit betrage die Kürzung des Honorars für das Quartal III/05 1.398,60 Euro.

Mit Bescheid vom 17. November 2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück. Ursächlich für die Quartalszeit¬überschreitung (Aufgreifkriterium 46.800 Minuten) sei, dass der Kläger im streitgegenständlichen Quartal die EBM-Nummer 03120 (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung, Dauer mindestens 10 Minuten) insgesamt 872 mal abgerechnet habe, davon 315 mal neben der Ordinationsgebühr. Zwei Arbeitstage (Freitag, 1. Juli 2005 und Dienstag, 5. Juli 2005) seien einer näheren Überprüfung unterzogen worden. Für den 5. Juli 2005 bleibe es bei der Auffassung, dass der Kläger bei insgesamt 113 Patienten nicht für 25 Patienten Gesprächsleistungen im Umfang von acht Stunden und 20 Minuten habe erbringen können. Für den 1. Juli 2005 habe der Kläger bei insgesamt 27 Patienten die EBM-Nr. 03120 neben der Ordinationsziffer abgerechnet, woraus sich Gesprächsleistungen im Umfange von neun Stunden ergäben. Darüber hinaus habe er an diesem Tag noch für weitere 87 Patienten den Ordinationskomplex abgerechnet, was einer zusätzli¬chen Leistungszeit von 2 Stunden und 54 Minuten entspreche. Dazu kämen 40 weitere Ein¬zelleistungen und ein Hausbesuch. Die Berechnung der Ordinationsgebühr in 114 Behand¬lungsfällen erfordere die Behandlung von 114 Patienten an diesem Tag. Dies sei bei einer gleichzeitigen Abrechnung von Gesprächsleistungen im Umfang von 9 Stunden in der zur Ver-fügung stehenden Zeit nicht zu bewältigen.

Zur Begründung seiner hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen angeführt, es fehle an Beweisen dafür, dass die Gesprächsleistungen nicht erbracht worden seien. Die Tätigkeitszeit von 11 Stunden und 44 Minuten am 1. Juli 2005 bzw. von 12 Stunden und 26 Minuten am 5. Juli 2005 sei nicht von vornherein implausibel. Er sei nicht ver¬pflichtet, die vollständige ordnungsgemäße Leistungserbringung nachzuweisen. Erforderlich für den Wegfall der Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung sei wenigstens eine grob fahrlässige Falschabrechnung. Ein Tatsachenvortrag, der eine grob fahrlässige Falschab-rechnung bestätige, liege jedoch nicht vor. Hierfür treffe die Beklagte die Beweislast.

Mit Urteil vom 29. Februar 2012 hat das Sozialgericht Berlin den angefochtenen Bescheid in seinem noch streitigen Umfang aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die vorliegenden Tagesprofile rechtfertigten nicht die Annahme der Implausibilität der Abrechnung. Es sei nicht erwiesen, dass der Kläger die zur Abrechnung eingereichten Leistungen unmöglich habe erbringen können. In der bisher ergangenen Rechtsprechung gebe es keine starren Kriterien dafür, welche Behandlungs¬zeiten an wie vielen Tagen im Quartal den geforderten Rückschluss auf eine implausible Ab¬rechnung in dem geschilderten Sinne erlaubten. Den hierzu veröffentlichten Entscheidungen lägen aber durchweg höhere Tagesbehandlungszeiten als diejenigen des Klägers zu Grunde. Hier sei maßgeblich, dass der Kläger lediglich an zwei Tagen im Quartal auffällige Tagesprofilzeiten aufweise, wobei auch nur der 5. Juli 2005 für sich gesehen das in § 8 Abs. 3 AbrPr-RL benannte Kriterium des Zwölfstundentages erfülle. Der von der Be¬klagten angeführte 1. Juli 2005 sei der erste Quartalsarbeitstag (Freitag) und der 5. Juli 2005 (Dienstag) der 3. Arbeitstag des Quartals III/05. Angesichts der großen Anzahl der vom Kläger be¬handelten Patienten, die den Durchschnitt der Fachgruppe deutlich überschreite, erscheine es der sachkundig besetzten Kammer nicht schlechterdings ausgeschlossen, dass unmittelbar zu Quartalsbeginn 114 Patienten (1. Juli 2005) bzw. 113 Patienten (5. Juli 2005) die Praxis des Klägers aufgesucht hätten und tatsächlich be¬handelt worden seien. Dem Ordinationskomplex an sich sei keine Ta-gesprofilzeit zugeordnet; die Leistungslegende erfor¬dere als obligatorischen Leistungsinhalt (le¬diglich) einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt. Zwar erscheine die tatsächliche Erbringung umfänglicher Gesprächsleistungen (acht Stunden und 20 Minuten bzw. 9 Stunden) gerade zu Beginn des Quartals auch aus Sicht der Kammer zweifelhaft; diese Zweifel begründeten aber noch nicht die erforderli¬che Gewissheit, dass die an diesen beiden Tagen insgesamt abgerechneten Leistungen unmöglich hätten erbracht werden können. Die Tagesprofile erfüllten damit nicht die Anforderungen an den erforderlichen Indi¬zienbeweis. Dies gelte umso mehr, als es sich bei den Gesprächsleistungen nicht um inhaltlich besonders qualifizierte Leistungen handele, so dass die tatsächliche Erbringung nicht ohne weiteres ausge-schlossen sei. Die Qualität der Leistungserbringung sei im Übrigen nicht Gegenstand der sachlich-rechnerischen Berichtigung im Rahmen der zeitgestützten Plausibilitätsprüfung. Die weiteren an beiden Tagen abgerechneten Leistungen seien nicht so umfangreich, dass insbeson¬dere in der besonderen Belastungssituation der ersten Quartalstage ihre Erbringung nicht mehr möglich sei. In solch besonderen Situationen seien auch ärztliche Anwesen¬heitszeiten in der Praxis von bis zu 16 Stunden vorstellbar, so dass die abgerechneten Leistungen noch nicht in dem geforderten Maße als unmöglich erbringbar erschienen.

Hiergegen richtet sich die am 20. März 2012 erhobene Berufung der Beklagten. Es sei schlechthin nicht vorstellbar, dass der Kläger sich an einem Tag mit 113 Patientenkontakten für 25 Patienten jeweils 20 Minuten Zeit für Gespräche habe nehmen können. Bei Betrachtung der Tagesarbeitszeit seien auch weitere Behandlungszeiten für Patienten anderer Kostenträger und für Privatpatienten sowie Unterbrechungen zur Einnahme von Mahlzeiten oder für Pausen in Rechnung zu stellen. Keineswegs sei wegen Überschreitung der 12-Stunden-Grenze automatisch auf eine Falschabrechnung geschlossen worden. Maßgebend für die sachlich-rechnerische Richtigstellung sei vielmehr die konkrete Betrachtung zweier Behandlungstage. Bei der Erbringung der Gesprächsleistungen der EBM Nummer 03120 sei der Verweis auf eine kürzere Leistungszeit nicht möglich. Der Kläger nehme seit Januar 1992 als Arzt an der vertragsärztli¬chen Versorgung teil. Bei der Erstellung der Abrechnung für das Quartal III/2005 hätte ihm als langjährig tätigem Vertragsarzt bewusst sein müssen, dass am 5. Juli 2005 ein auffälliger und nicht nachvollziehbar Arbeitstag Eingang in die Abrechnung ge¬funden habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Das Überschreiten der 12-Stunden-Grenze dürfe nicht im Wege des Automatismus zur Annahme einer Implausibilität führen. Keinem Arzt sei es verboten, 12 Stunden und mehr an einem Tag zu arbeiten. Eine Nichterbringung abgerechneter Leistungen sei nicht erwiesen.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht Berlin der Klage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

1. Rechtsgrundlage für die angefochtene Honorarberichtigung (vgl. hierzu und zum Folgenden: Urteil des Senats vom 26. September 2012, L 7 KA 171/09) sind

- § 75 Abs. 2 Satz 2 und § 106a Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V), - die in den Abrechnungsprüfungs-Richtlinien (AbrPr-RL) enthaltenen Regelungen zur Plausibilitätsprüfung (insbesondere §§ 5, 7, 8, 12 und 13), - die von der Beklagten mit den Landesverbänden der Krankenkassen geschlossene Plausibilitätsvereinbarung vom 5. September 2007 in Verbindung mit der Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung.

a) Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen und die Vertragsärzte, soweit notwendig, zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten. Zu den vertragsärztlichen Grundpflichten gehört das Gebot der peinlich genauen Abrechnung der zu vergütenden Leistungen, denn die Funktionsfähigkeit des Leistungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung, an dem der Arzt durch seine Zulassung teilnimmt, hängt im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung entscheidend mit davon ab, dass die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen auf die ordnungsgemäße Leistungserbringung und auf die peinlich genaue Abrechnung der zu vergütenden Leistungen vertrauen können. Dieses Vertrauen ist deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil ordnungsgemäße Leistungserbringung und peinlich genaue Abrechnung lediglich in einem beschränkten Umfang der Überprüfung durch diejenigen zugänglich sind, die die Gewähr für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu tragen haben, nämlich die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen. Der Arzt verstößt gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung, wenn er Leistungen abrechnet, die er entweder nicht oder nicht vollständig oder - sofern sie sein Tätigwerden voraussetzen - nicht selbst erbracht hat (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. November 1993, 6 RKa 70/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22; Pawlita in jurisPK-SGB V, Rdnr. 383 zu § 95).

b) Die Voraussetzungen für die Prüfung vertragsärztlicher Abrechnungen auf Plausibilität regelt mit Wirkung vom 1. Januar 2004 § 106a SGB V (eingeführt durch Gesetz vom 14. November 2003, BGBl. I S. 2190), nachdem das Bundessozialgericht zuvor auf der Basis von Vereinbarungen der Partner der Bundesmantelverträge und gesamtvertraglicher Regelungen allgemeine Grundsätze zur Plausibilitätsprüfung entwickelt hatte (vgl. Urteil vom 8. März 2000, B 6 KA 16/99 R; hierzu Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, § 23 Rdnr. 5).

Danach prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106a Abs. 1 SGB V). § 106a Abs. 2 Satz 1 bis 4 SGB V lautet:

1Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität sowie die Prüfung der abgerechneten Sachkosten. 2Gegenstand der arztbezogenen Plausibilitätsprüfung ist insbesondere der Umfang der je Tag abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand des Vertragsarztes. 3Bei der Prüfung nach Satz 2 ist ein Zeitrahmen für das pro Tag höchstens abrechenbare Leistungsvolumen zu Grunde zu legen; zusätzlich können Zeitrahmen für die in längeren Zeitperioden höchstens abrechenbaren Leistungsvolumina zu Grunde gelegt werden. 4Soweit Angaben zum Zeitaufwand nach § 87 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz bestimmt sind, sind diese bei den Prüfungen nach Satz 2 zu Grunde zu legen.

Nach § 106a Abs. 6 SGB V vereinbaren die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach den Absätzen 2 und 3; die Richtlinien enthalten insbesondere Vorgaben zu den Kriterien nach Absatz 2 Satz 2 und 3.

c) Einzelheiten der Plausibilitätsprüfung ergeben sich dementsprechend aus den "Abrechnungsprüfungs-Richtlinien" (AbrPr-RL), die die Partner der Bundesmantelverträge auf der Grundlage von § 106a Abs. 6 Satz 1 SGB V mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbart haben.

Nach § 5 Abs. 1 AbrPr-RL stellt die Plausibilitätsprüfung ein Verfahren dar, mit dessen Hilfe aufgrund bestimmter Anhaltspunkte und vergleichender Betrachtungen die rechtliche Fehlerhaftigkeit ärztlicher Abrechnungen vermutet werden kann. Anhaltspunkte für eine solche Vermutung sind Abrechnungsauffälligkeiten. Diese sind durch die Anwendung von Aufgreifkriterien mit sonstigen Erkenntnissen aus Art und Menge der abgerechneten ärztlichen Leistungen zu gewinnende Indizien, die es wahrscheinlich machen, dass eine fehlerhafte Leistungserbringung zugrunde liegt.

Die regelhafte Plausibilitätsprüfung erstreckt sich auf die Feststellung von Abrechnungsauffälligkeiten durch Überprüfung des Umfangs der abgerechneten Leistungen im Hinblick auf den damit verbundenen Zeitaufwand (§ 7 Abs. 2 AbrPr-RL). Hierfür sind die im Anhang 3 zum Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) aufgeführten Prüfzeiten für die ärztlichen Leistungen zugrunde zu legen (§ 8 Abs. 1 AbrPr-RL). Für jeden Tag der ärztlichen Tätigkeit wird im Hinblick auf die angeforderten Leistungen ein Tageszeitprofil und ein Quartalszeitprofil ermittelt (§ 8 Abs. 2 AbrPr-RL). Die "Aufgreifkriterien" regelt § 8 Abs. 3 AbrPr-RL: Beträgt bei Vertragsärzten die auf der Grundlage der Prüfzeiten ermittelte arbeitstägliche Zeit bei Tagesprofilzeiten an mindestens drei Tagen im Quartal mehr als 12 Stunden oder im Quartalszeitprofil mehr als 780 Stunden (= 46.800 Minuten), erfolgen weitere Überprüfungen nach § 12. Ergibt die so vorgenommene Plausibilitätsprüfung Abrechnungsauffälligkeiten, hat eine weitere Prüfung auf der Grundlage von § 12 AbrPr-RL zu erfolgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eignen sich Tageszeit- ebenso wie Quartalszeitprofile als Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung (vgl. Beschluss vom 17. August 2011, B 6 KA 27/11 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 6; Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 144 zu § 106a; Engelhardt, a.a.O., Rdnr. 47 zu § 106a).

d) Auf der Grundlage von § 106 a Abs. 5 SGB V hat die Beklagte mit den Landesverbänden der Krankenkassen am 5. September 2007 eine Vereinbarung über die Durchführung der Prüfung der Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit und Plausibilität gemäß § 106a SGB V (Plausibilitätsvereinbarung) getroffen, die zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten ist und für die Prüfung von Abrechnungen ab dem Quartal III/06 gilt; nach einer Protokollnotiz hat die Beklagte allerdings erklärt, dass sie auch Prüfanträge der Krankenkassen bearbeitet, die die (vorliegend streitigen) Quartale II/05 bis II/06 betreffen. Die Plausibilitätsvereinbarung und die auf § 13 Abs. 1 und 2 der AbrPr-RL beruhende Verfahrensordnung der Beklagten zur Durchführung der Plausibilitätsprüfung enthalten nähere Regelungen zu Inhalt und Verfahrensweise.

e) Das Richtigstellungsverfahren wird durchgeführt, wenn die Plausibilitätsprüfung zu dem Ergebnis geführt hat, dass Leistungen fehlerhaft abgerechnet worden sind (§ 5 Abs. 2 AbrPrRL).

2. Gemessen an alledem ist die angefochtene Honorarberichtigung zu Recht erfolgt, denn die Plausibilitätsprüfung für das Quartal III/05 belegt eine fehlerhafte Honorarforderung des Klägers.

a) Die Richtigkeit der von der Beklagten erstellten Quartals- bzw. Tagesprofile ist zwischen den Beteiligten unstreitig; der Senat hat auch sonst keinen Anlass, an der Tragfähigkeit der von der Beklagten verwendeten Daten zu zweifeln, die auf den Abrechnungssammelerklärungen des Klägers beruhen. Für jeden Behandlungstag enthält der Verwaltungsvorgang der Beklagten eine Aufstellung der abgerechneten EBM-Nummern mit jeweiliger Anzahl und eine Zuordnung der darauf entfallenden Prüfzeit gemäß Anlage 3 zum EBM.

Für das streitige Quartal III/05 ist auf dieser Grundlage das als Aufgreifkriterium formulierte Quartalszeitprofil von 780 Stunden (46.800 Minuten) entsprechend dem im Tatbestand wiedergegebenen Wert (52.532 Minuten) um 5.732 Minuten (= 95,5 Stunden) überschritten. Damit durfte die Beklagte weitere Überprüfungen nach § 12 AbrPr-RL vornehmen. In diesem Zusammenhang hat sie die Tage 1. und 5. Juli 2005 einer näheren Betrachtung unterzogen und hierbei Leistungszeiten von 11 Stunden und 54 Minuten (1. Juli) bzw. 12 Stunden und 26 Minuten errechnet. Der Berechnungsvorgang hat sich beanstandungsfrei vollzogen. Er berücksichtigt fehlerfrei zweierlei, nämlich zum einen die vom EBM unmittelbar vorgegebenen Leistungszeiten von 20 Minuten pro Patientenkontakt bei gleichzeitiger Ansetzung des Ordinationskomplexes und der EBM-Nr. 03120 und zum anderen die in der Anlage 3 zum EBM enthaltenen Prüfzeiten, soweit sie geeignet sind, Tagesprofile zu prüfen (vgl. zur Statthaftigkeit dieses Vorgehens Bundessozialgericht, Beschluss vom 11. Dezember 2013, B 6 KA 37/13 B, zitiert nach juris, dort Rdnr. 5).

b) Ein hinreichend tauglicher Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung ist damit zur Überzeugung des Senats erbracht. Der Senat gründet seine Überzeugung auf eine detaillierte Analyse der Tagesprofile für den 1. und 5. Juli 2005 unter Zuhilfenahme der Expertise der beiden ärztlichen ehrenamtlichen Richter. Schon das Sozialgericht hat mit dem erstinstanzlichen Urteil (Umdruck S. 9) Zweifel an der tatsächlichen Erbringung bzw. Erbringbarkeit der abgerechneten Gesprächsleitungen formuliert. Für den Senat verdichten sich diese Zweifel zu der Gewissheit, dass die abgerechneten Gesprächsleistungen so nicht erbracht worden sein können. Im Zentrum der Betrachtung steht dabei die Nebeneinanderberechnung der EBM-Nummern 03111 und 03112 (Ordinationskomplex) einerseits und der EBM-Nummer 03120 (Beratung, Erörterung und/oder Abklärung) andererseits, die eine Leistungszeit von 20 Minuten erfordert.

aa) Für den 5. Juli 2005 brachte der Kläger diese Leistung 25 mal in Ansatz, was zu einer zwingenden Leistungszeit von 8 Stunden und 20 Minuten führt. Dieser Zeitwert gewinnt Implausibilität durch die Betrachtung der sonst noch abgerechneten Leistungen; die Gesprächsleistungen können im abgerechneten Umfang schlechthin nicht erbracht worden sein, weil auch die daneben abgerechneten Leistungen einen gravierenden Zeitaufwand erforderten.

bb) So treten zunächst Leistungen hinzu, die in der Anlage 3 zum EBM mit einer für das Tagesprofil geeigneten Prüfzeit im Sinne von § 106a Abs. 2 Satz 4 und § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V versehen sind. Diese Leistungen (Hausbesuche [4 mal], Ärztlicher Bericht nach Untersuchung [9 mal], Verordnung von medizinischer Rehabilitation [1 mal], Krebsfrüherkennungsuntersuchung beim Mann [1 mal], Gesundheitsuntersuchung [2 mal], Konsultationskomplex [19 mal], EKG [1 mal], Belastungs-EKG [1 mal], chirotherapeutischer Eingriff [2 mal], chirotherapeutischer Eingriff an der Wirbelsäule [4 mal], Massagetherapie [1 mal] und Abdrücke und Modelle I [2 mal]) summieren sich auf eine verbindliche Prüfzeit von 4 Stunden und 6 Minuten, so dass sich zusammen mit den Gesprächsleitungen zunächst eine bezifferbare Gesamtzeit von 12 Stunden und 26 Minuten ergibt für Leistungen mit Zeitvorgabe. Schon dieser Wert, der Pausenzeiten des Arztes unberücksichtigt lässt, bewegt sich im problematischen Bereich, ohne allerdings unvorstellbar zu sein.

cc) Die Grenze zur Implausibilität ist indessen überschritten, wenn die sonstigen abgerechneten Leistungen, für die weder der EBM noch Anlage 3 zum EBM eine im Tagesprofil verwertbare konkrete Zeitvorgabe enthalten, in die Würdigung einbezogen werden. Es handelt sich hier um 12 verschiedene EBM-Nummern, die am 5. Juli 2005 insgesamt 40 mal abgerechnet wurden: Fixierender Verband (9 mal), Anwendung von Lokalanästhetika (2 mal), Einzelinhalationstherapie mit Vernebler (1 mal), Einzelinhalationstherapie mit speziellem Verneblersystem (1 mal), Wärmetherapie (7 mal), Elektrotherapie (5 mal), Koordination der hausärztlichen Betreuung (1 mal), Koordination der hausärztlichen Betreuung bei Versorgung in beschützenden Wohnheimen (1 mal), Behandlung/Betreuung eines Patienten mit chronisch-internistischer Grunderkrankung ("Chronikerpauschale", 2 mal), Behandlung/Betreuung eines Patienten mit chronisch-degenerativer u/o entzündlicher Erkrankung(en) des Bewegungsapparates ("Chronikerpauschale", 2 mal), Ganzkörperstatus (8 mal) sowie orientierende Erhebung des psychopathologischen Status (1 mal). Es ist für den Senat nicht vorstellbar, dass der Kläger die Summe der abgerechneten Leistungen an einem Arbeitstag erbracht haben kann. Auffällig ist insbesondere, dass der Kläger neben der verbindlich berechneten Leistungszeit von schon 12 Stunden und 26 Minuten für 13 Patienten aufwändige ärztliche Leistungen abgerechnet hat, die zum Kernbereich ärztlicher Tätigkeit gehören, erhebliche Sorgfalt erfordern und mit deutlichem Zeitaufwand verbunden sind, nämlich in 4 Fällen die Chronikerpauschale, in 8 Fällen die Erhebung des Gesamtkörperstatus und in einem Fall die Erhebung des psychopathologischen Status. Hiermit ist die Grenze des Vorstellbaren auch unter Berücksichtigung der Tatsache überschritten, dass der Kläger einige der insgesamt abgerechneten Leistungen auf sein nichtärztliches Praxispersonal delegieren konnte.

dd) Die Analyse des Tagesprofils vom 1. Juli 2005 ergibt nichts anderes. Hier hat der Kläger eine verbindliche Leistungszeit von 11 Stunden und 54 Minuten erreicht, darunter sogar 9 Stunden Gesprächsleistungen (27 Patienten zu jeweils 20 Minuten wegen Nebeneinanderberechnung der EBM-Nummern 03111 und 03112 einerseits und EBM-Nummer 03120 andererseits). Auch hier tritt noch eine Fülle sonstiger abgerechneter Leistungen hinzu, die den Indizienbeweis für eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung erbringen.

c) Den danach aufgrund der Tagesprofile gegebenen Indizienbeweis hat der Kläger nicht entkräftet. Es hätte an ihm gelegen, die ordnungsgemäße Leistungserbringung im Einzelnen nachzuweisen, um die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides substantiiert darzutun (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 26. Januar 1994, 6 RKa 29/91, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26). Das ist jedoch nicht geschehen.

d) Ihr weites Kürzungsermessen (vgl. hierzu Urteil des Senats vom 10. Oktober 2007, L 7 KA 56/03, zitiert nach juris, dort Rdnr. 34) hat die Beklagte nach alledem in rechtlich beanstandungsfreier Weise ausgeübt. Es liegt in der Natur der Sache, dass im Rahmen der Plausibilitätsprüfung nicht eindeutig feststellbar ist, welche der abgerechneten Leistungen mängelbehaftet sind, während gleichzeitig feststeht, dass die Gesamtheit der abgerechneten Leistungen so nicht erbracht worden sein kann (vgl. Clemens in jurisPK-SGB V, Rdnr. 156 f. zu § 106a). Weil vorliegend nach der Analyse der genannten Tagesprofile insbesondere an einer ordnungsgemäßen Erbringung der Gesprächsleistungen zu zweifeln ist, hat die Beklagte zu Recht die 315 Fälle vom Honorar des Klägers für das gesamte Quartal III/05 abgesetzt, in denen die EBM-Ziffer 03120 neben den Ordinationszif¬fern ab¬rechnet wurde. Die Erstreckung dieser Absetzung auf das gesamte Quartal mit der Folge einer Honorarkürzung um rund 1.400,- Euro erscheint nicht ansatzweise unverhältnismäßig.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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