L 11 R 2173/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 R 5637/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 2173/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.04.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger seit dem 08.09.2013 bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist und ob Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung besteht.

Der Kläger ist am 13.01.1969 geboren. Ab 08.09.2013 war er als Busfahrer für die Firma E. T. H. P. KG (Beigeladene zu 1) tätig. Über ein eigenes Fahrzeug verfügt er nicht. Einen schriftlichen (Rahmen-)Vertrag bzw eine Dienstvereinbarung gibt es nicht, sondern es werden Einzelaufträge für bestimmte Fahrten erteilt.

Am 08.10.2013 beantragte er bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status hinsichtlich dieser Tätigkeit (Bl 151 Verwaltungsakte), die er mit "freelancer als Busfahrer" umschrieb. Er teilte mit (Bl 185 Verwaltungsakte), er werde von der Beigeladenen zu 1) angerufen, wenn ein festangestellter Busfahrer beispielsweise wegen Krankheit ausfalle. Es gebe keine schriftliche Vereinbarung. Seine auf seiner Homepage veröffentlichten AGB hätten Gültigkeit. Außer Abfahrtsort, -zeit und Zielort erhalte er keine weiteren Vorgaben. So könne er beispielsweise Route, Pausenzeiten und Pausenorte selbständig festlegen. Er entscheide selbst, ob er tätig werde. Er nahm Bezug auf weitere laufende Statusfeststellungsverfahren bezüglich Fahrtätigkeiten als "freier Busfahrer/Freelancer" für andere Auftraggeber (vgl Senatsbeschluss vom 03.07.2014, L 11 R 1850/14).

Nach Durchführung von Ermittlungen und Anhörung des Klägers und der Beigeladenen zu 1) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 09.05.2014 (Bl 208 Verwaltungsakte) fest, dass der Kläger seine Tätigkeit als Busfahrer bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 08.09.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Im Rahmen dessen bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 08.09.2013. Die Abhängigkeit der Beschäftigung ergebe sich schon aus dem Umstand, dass der Kläger nicht über ein eigenes Fahrzeug verfüge. Im Übrigen unterliege der Kläger hinsichtlich der Ausführung der zu erbringenden Leistungen den Einschränkungen durch den Fahrauftrag und damit dem Weisungs- und Direktionsrecht des Auftraggebers. Er setze auch kein eigenes Kapital ein, sämtliche Arbeitsmittel würden vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt. Ein unternehmerisches Risiko sei nicht erkennbar.

Der hiergegen am 02.06.2014 erhobene Widerspruch wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2014 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 09.12.2014 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Ein eigenes Fahrzeug sei für die Annahme von Selbständigkeit nicht erforderlich. Auch unterliege er keinem Weisungsrecht des Beigeladenen zu 1). Im Übrigen trage er auch ein unternehmerisches Risiko. So habe er beispielsweise für die Erlangung der entsprechenden Fahrerlaubnis ca 10.000 EUR aufwenden müssen. Auch seien regelmäßige Fort- und Weiterbildungen erforderlich, wofür jeweils ca 800 bis 1000 EUR anfielen. Außerdem trete er stets in Vorlage und erhalte sein Geld erst nach Abschluss des Auftrags. Er habe für seine Tätigkeit einen Gründungszuschuss der BA erhalten und ein Gewerbe angemeldet. Er sei alleine für den Nachweis der Lenk- und Ruhezeiten verantwortlich und unterliege keinen arbeitnehmerähnlichen Nebenpflichten. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg habe in einem Urteil vom 16.12.2014 (L 11 R 2387/13) einen Baggerfahrer ohne eigenen Bagger als selbständig Tätigen anerkannt. Im Übrigen wiederholt er sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat auf die Begründungen der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.

Das SG hat mit Beschluss vom 30.01.2015 die Firma E. T. H. P. KG (Beigeladene zu 1), die Techniker Krankenkasse und Pflegekasse sowie die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen.

Mit Urteil vom 17.04.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Tätigkeit als Busfahrer könne zwar sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbständige Tätigkeit erfolgen. Vorliegend würden diejenigen Merkmale überwiegen, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen würden. Der Aufgabenbereich des Klägers unterscheide sich nicht wesentlich von dem der bei der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigten Busfahrer. Durch den jeweiligen Auftrag seien Arbeitsort und die Art und Weise der auszuübenden Tätigkeit vorgegeben gewesen. Der Kläger sei daher in das Unternehmen der Beigeladenen zu 1) eingegliedert gewesen. Gewisse Entscheidungsspielräume würden in der Natur der Sache liegen, wenn zB aufgrund eines Staus oder einer Baustelle die Route habe geändert werden müssen. Der Kläger habe kein wesentliches Unternehmerrisiko getragen, insbesondere habe er nicht über ein Fahrzeug verfügt, sondern ein solches sei ihm stets unentgeltlich von der Beigeladenen zu 1) gestellt worden. Ihm sei für die Durchführung der jeweils übernommenen Tour eine feste Vergütung durch die Beigeladene zu 1) garantiert gewesen.

Gegen das seinem Bevollmächtigten am 30.09.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 21.05.2015 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das SG habe sich weder mit der Geschäftsidee des Klägers noch mit dem Wandel der Arbeitswelt in ausreichender Weise auseinandergesetzt. Er hat auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29.03.2011 (L 8 AL 152/08) Bezug genommen. Seitens der Busunternehmen bestehe ein rapide wachsender Bedarf nach kurzfristig und flexibel einsetzbaren Busfahrern als Dienstleistern ohne eigenen Bus, um auf Auftragsspitzen oder plötzliche Krankheitsfälle reagieren zu können.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.04.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.11.2014 aufzuheben und festzustellen, dass er seine Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1) seit dem 08.09.2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt und nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Schreiben des Berichterstatters vom 12.06.2015 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss nach § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen, da der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und einer mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 10.07.2015 gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger ist für die Beigeladene zu 1) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig, weshalb Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung besteht.

Der Senat weist die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter gemäß § 153 Abs 4 SGG zurück, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Verfahrensweise gehört worden.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Sie sind nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ergangen. Die Beklagte hat auch die Anforderungen an eine Statusfeststellung erfüllt, die das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17, SozR 4-2400 § 7a Nr 2; 04.06.2009, B 12 R 6/08 R, juris) und nicht nur eine isolierte Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung "dem Grunde nach" sondern auch über das Vorliegen von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung getroffen.

Auch inhaltlich (materiell-rechtlich) sind die Bescheide rechtmäßig, denn die Beklagte hat zu Recht Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt.

Nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antrag-stellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Diese entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungs-zweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Abs 7 der Vorschrift ordnet die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch bezüglich der Fälligkeit der Beiträge an (Satz 1). Mit dem rückwirkend zum 01.01.1999 durch das Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl I, 2000, 2) eingeführten Anfrageverfahren soll eine schnelle und unkomplizierte Möglichkeit zur Klärung der Statusfrage erreicht werden; zugleich sollen divergierende Entscheidungen verhindert werden (BT-Drs. 14/1855, S. 6).

Einen entsprechenden Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger am 08.10.2013 gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterlagen im streitgegenständlichen Zeit-raum in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 20 Abs 1 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch, § 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV in der ab 01.01.1999 geltenden Fassung. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7, BSG 04.07.2007, B 11a AL 5/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 8) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit Bundesverfassungsgericht 20.05.1996, 1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl BSG 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 7), SozR 4-2400 § 7 Nr 7).

Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG 08.08.1990, 11 RAr 77/89, SozR 3-2400 § 7 Nr 4; BSG 08.12.1994, 11 RAr 49/94, SozR 3-4100 § 168 Nr 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen (BSG 01.12.1977, 12/3/12 RK 39,74, BSGE 45, 199, 200 ff; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13; BSG 10.08.2000, B 12 KR 21/98 R, BSGE 87, 53, 56 = SozR 3-2400 § 7 Nr 15; jeweils mwN). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl hierzu insgesamt BSG 29.08.2012, B 12 KR 25/10 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 17 und B 12 KR 14/10 R, juris).

Nach den genannten Grundsätzen gelangt der Senat unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) ausübt bzw ausgeübt hat und daher Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden hat.

Die Tätigkeit als Kraftfahrer kann zwar sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden (vgl Senatsbeschluss vom 03.07.2014, L 11 R 1850/14; Senatsurteile vom 06.11.2007, L 11 KR 2407/04; 17.01.2012, L 11 KR 1138/10; 18.07.2013, L 11 R 1083/12 = Die Beiträge Beilage 2014, 56 mwN, LSG Baden-Württemberg 23.01.2004, L 4 KR 3083/02; vgl auch BSG 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 5). Für die Statusabgrenzung ist sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht entscheidend, ob der Betreffende auch für andere Auftraggeber tätig ist bzw war (BAG 09.10.2002, 5 AZR 405/01, juris RdNr 23). Erforderlich ist selbst im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses stets eine Bewertung der einzelnen Arbeitseinsätze (BSG 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R, juris RdNr 26). Abzustellen ist daher nur auf die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1) im hier streitigen Zeitraum ab dem 08.09.2013.

Dabei kann unterstellt werden, dass der Kläger und die Beigeladene zu 1) kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen wollten. Dem sich aus mündlichen oder schriftlichen Vereinbarungen ergebenden Willen der Vertragsparteien kommt jedoch nur eine Indizwirkung zu, dessen Bedeutung zurücktritt, wenn die tatsächlichen Umstände der Durchführung des Vertragsverhältnisses dem widersprechen. In dem Urteil des BSG vom 28.05.2008 (B 12 KR 13/07, juris), auf das sich der Kläger beruft, hat das BSG Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach "dem im Vertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungs-pflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, jedenfalls dann indizielle Bedeutung zukommt, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich wider-spricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird" nicht beanstandet. Auch unter Berücksichtigung dieser Ausführungen, die der bisherigen Rechtsprechung des BSG entsprechen und denen sich auch der Senat anschließt, lässt sich eine selbständige Tätigkeit der Busfahrer nicht begründen. Denn das BSG hält auch in diesem Urteil daran fest, dass maßgebend das Gesamtbild der zu beurteilenden Tätigkeit ist. Der vom BSG entschiedene Fall unterscheidet sich jedoch deutlich von dem hier zu beurteilenden Sachverhalt. Das BSG wertete den persönlichen finanziellen Einsatz der Piloten in der Gestalt der von ihnen zu tragenden Kosten der Aufrechterhaltung ihrer Fluglizenzen, für deren Erwerb 40.000 bis 50.000 Euro aufzuwenden waren, und der Begleitkosten als Indizien für ein Unternehmerrisiko. Ferner berücksichtigte es, dass die Durchführung der Flüge im Wesentlichen der Erfüllung der Auflagen zur Aufrechterhaltung der Fluglizenzen diente und Zweck einer selbstständigen Tätigkeit nicht zwingend ein wirtschaftlicher, sondern auch ein anderer "eigener" Zweck sein kann. Einen den Piloten vergleichbaren Einsatz müssen die Busfahrer nicht erbringen. Ihre Tätigkeit ist daher nach den Maßstäben zu bewerten, die der Senat bei Fahrern von Lkw anwendet Beschluss des Senats vom 01.09.2014, L 11 R 3383/14 ER-B, nv).

Bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von Kraftfahrertätigkeiten kommt es entscheidend darauf an, ob der Fahrer ein eigenes Fahrzeug für die Transporte einsetzt. Nach der Rechtsprechung des BSG kann die Benutzung eines eigenen Fahrzeugs und die damit einhergehende Lastentragung in Verbindung mit anderen Gesichtspunkten für eine selbstständige Tätigkeit sprechen (BSG 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR 4-2400 § 7 Nr 5 mwN; 19.08.2003, B 2 U 38/02 R, SozR 4-2700 § 2 Nr 1). Wird dagegen - wie hier - kein eigenes Fahrzeug benutzt, spricht dies für eine Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers. Berufskraftfahrer ohne eigenes Fahrzeug sind deshalb regelmäßig abhängig beschäftigt (Senatsurteil vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12, Die Beiträge 2014, 56 mwN). Der Kläger setzt letztlich nur seine Arbeitskraft - und keine Arbeitsmittel - mit der ungewissen Aussicht darauf, Einnahmen zu erzielen, ein. Die Belastung mit Risiken gerade im Zusammenhang mit der - hier im Vordergrund stehenden - Verwertung der Arbeitskraft spricht jedoch nur dann für Selbstständigkeit, wenn ihr auch eine größere Freiheit bei der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft gegenüber steht (vgl BSG 13.07.1978, 12 RK 14/78, SozR 2200 § 1227 Nr 17; BSG 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 13 mwN). Dies war hier aber nicht der Fall. Die vom Kläger für den Erwerb der Fahrerlaubnis aufgewendeten Kosten begründen kein unternehmerisches Risiko. Es handelt sich dabei um die Kosten, die den Aufwendungen für eine Berufsausbildung vergleichbar sind. Das Risiko, derartige Kosten zu amortisieren, tragen sowohl abhängig Beschäftigte als auch Selbständige.

Die Kläger ist kein sog freier Mitarbeiter (Dienstvertrag). Die Eigenart der Tätigkeit als Busfahrer im Gelegenheitsverkehr, dem für die Ausübung der Fahrt ein gewisser Entscheidungsspielraum eingeräumt werden muss (zB wie mit plötzlich auftretenden Änderungen im Straßenverkehr umzugehen ist) und dessen Tätigkeit in Bezug auf den zeitlichen und örtlichen Arbeitsablauf durch Sachzwänge (Fahrziel, Abfahrtszeiten) bestimmt ist, bringt es mit sich, dass sich das Abgrenzungsmerkmal der äußeren Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Dauer des Arbeitseinsatzes so reduzieren kann, dass es eine sichere Unterscheidung zwischen abhängiger und selbständiger Ausübung nicht mehr erlaubt. Dagegen können aus der Art der Vergütung deutlichere Rückschlüsse auf die rechtliche Natur des Arbeitseinsatzes gezogen werden, je nachdem, ob sie mit einem - ggf. pauschalierten - Verlustrisiko belastet ist, deshalb einer Gewinnbeteiligung gleich kommt oder ob sie lediglich als Gegenleistung für geschuldete Arbeitsleistung (bzw Arbeitsbereitschaft) anzusehen ist. Nur für den Fall, dass die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen der Beteiligten etwa gleichermaßen die Deutung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis wie auch als selbständiges freies Mitarbeiterverhältnis zulässt, ist darauf abzustellen, was die Vertragsschließenden gewollt haben (Urteil des Senats vom 16.09.2008, L 11 R 1074/08 zur Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 14.05.1981, 12 RK 11/80 zur Anwaltstätigkeit). Dementsprechend hat der Senat zB die Tätigkeit eines Physiotherapeuten in einer fremden Praxis als freie Mitarbeit gewertet, weil der Betreffende keine feste monatliche Vergütung, sondern nur einen prozentualen Anteil am Honoraraufkommen der von ihm behandelten Patienten erhielt. Der wirtschaftliche Erfolg seiner Tätigkeit hing entscheidend davon, wie viele Patienten er für sich gewinnen konnte (Senatsbeschluss vom 11.05.2011, L 11 R 1075/11 ER-B, juris).

Für eine abhängige Beschäftigung spricht im vorliegenden Fall vor allem das fehlende wirtschaftliche Risiko (Unternehmerrisiko). Der Kläger als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine feste Pauschale von 140 EUR/Tag entsprechend seinem Zeitaufwand. Er muss für die Transportkosten (Treibstoff, Maut usw) nicht aufkommen. Seine Vergütung ist also nicht davon abhängig, wie viele Personen transportiert werden und wie hoch die Transportkosten sind. Er trägt damit gerade nicht das für einen Unternehmer typische Risiko, kann umgekehrt auch nicht davon profitieren, dass zB eine Reise von vielen Personen gebucht worden ist. Auch hat er auf die Höhe des Reisepreises keinen Einfluss. Er setzt wie andere Arbeitnehmer im Wesentlichen lediglich seine Arbeitskraft ein. Es besteht somit in allen wesentlichen Punkten kein wesentlicher Unterschied zu den festangestellten Busfahrern (Senatsbeschluss vom 01.09.2014, L 11 R 3383/14 ER-B). Die Vereinbarung eines festen Lohns in Relation zum Zeitaufwand entspricht auch der typischen Entlohnung eines abhängigen Beschäftigten (Senatsurteile vom 18.07.2013, L 11 R 1083/12 sowie vom 16.09.2008, L 11 R 1074/08, beide veröffentlicht in juris).

Aus diesem Grund ist der vorliegenden Sachverhalt auch nicht vergleichbar mit dem vom Kläger angeführten Senatsurteil vom 16.12.2014 (L 11 R 2387/13, juris). Mit dem dortigen Kläger war kein fester Lohn nach Zeitaufwand vereinbart, sondern aufgrund eines Werkvertrags ein Pauschalpreis, aufgrund dessen das Risiko bestand, für den Arbeitseinsatz uU keine Gegenleistung zu erhalten, denn der dortige Kläger musste die vereinbarte Leistung auch dann vollständig erbringen, wenn dies mehr Zeit erforderte, als von ihm kalkuliert. Hingegen erhält der Kläger vorliegend für jede Tour einen festen Tagessatz. Ein Unternehmerrisiko liegt nicht vor. Das Wagnis des Kläger besteht alleine darin, alle fünf Jahre eine kostenpflichtige Untersuchung bzw Prüfung ablegen zu müssen, um im Besitz seiner Fahrerlaubnis bzw der Erlaubnis zu deren Einsatz für gewerbliche Zwecke zu bleiben. Dieses Risiko trifft jedoch auch abhängig beschäftigte Fahrer, wie der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG selbst eingeräumt hat, da es nicht üblich ist, dass der Arbeitgeber diese Kosten trägt. Auch der Umstand, dass der Kläger nach eigenem Vortrag ca 10.000 EUR für den Erwerb der entsprechenden Fahrerlaubnis aufwenden musste, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn es handelt sich dabei um die Kosten, die mit den Aufwendungen einen Berufs- oder Hochschulabschlusses vergleichbar sind. Das Risiko, derartige Kosten zu amortisieren, tragen sowohl abhängig Beschäftigte als auch Selbständige (vgl Senatsbeschluss vom 03.07.2014, L 11 R 1850/14).

Soweit der Kläger für seine Fahrten jeweils Rechnungen mit ausgewiesener Mehrwertsteuer gestellt und sich auch steuerrechtlich dementsprechend als Gewerbebetrieb aufgeführt hat, kann dies nicht als wesentliches Indiz dafür herangezogen werden, dass er selbstständig tätig gewesen ist. Dies gibt nur Aufschluss darüber, wie der Kläger seine Tätigkeit selbst bewertet hat. Darauf kommt es aber nicht an. Die Anmeldung eines Gewerbes und die Vergütung in Form von Rechnungen setzen eine selbständige Tätigkeit voraus, begründen aber für sich allein keine solche (Senatsbeschluss vom 16.03.2015, L 11 R 2992/14 mwN).

Ebenfalls kein entscheidendes Kriterium für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers ist die Tatsache, dass er im streitigen Zeitraum auch für andere Auftraggeber tätig war. Denn auch ein abhängig Beschäftigter kann für mehrere Auftraggeber (abhängig) beschäftigt sein (Senatsurteile 18.07.0213, L 11 R 1083/12; 17.01.2012, L 11 R 1138/10, jeweils juris).

Der Kläger kann zwar einen ihm angebotenen Auftrag annehmen oder ablehnen. Dieser Gesichtspunkt spielt hier jedoch nach dem Vorstehenden keine ausschlaggebende Rolle. Die Möglichkeit, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen, kann grundsätzlich zwar als Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit angesehen werden kann, weil der Betroffene damit den Umfang seiner Tätigkeit in gewisser Weise selbst bestimmt. Doch sind auch im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse Vertragsgestaltungen nicht unüblich, die es weitgehend dem Arbeitnehmer überlassen, ob er im Anforderungsfall tätig werden will oder ob er ein konkretes Angebot im Einzelfall ablehnt. Denn auch in solchen Fällen, in denen auf Abruf oder in Vertretungssituationen beispielsweise wegen Erkrankung ständiger Mitarbeiter lediglich im Bedarfsfall auf bestimmte Kräfte zurückgegriffen wird, kann dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt sein, ein konkretes Arbeitsangebot abzulehnen (vgl LSG Baden-Württemberg 24.02.2006, L 4 KR 763/04; LSG Baden-Württemberg 21.11.2008, L 4 KR 4098/06, juris). Nimmt der Betroffene das angetragene Angebot jedoch an, übt er die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit in einem fremden Betrieb und damit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus und wird nicht allein wegen der grundsätzlich bestehenden Ablehnungsmöglichkeit zum selbstständig Tätigen (Senatsurteil vom 17.01.2012, L 11 R 1138/10, juris). Da der Kläger zudem keinen Einfluss darauf hatte, ob und welche Aufträge ihm angeboten wurden, war er insoweit in Bezug auf die Gestaltung und den Umfang seiner Tätigkeit von der Beigeladenen zu 1) abhängig.

Soweit der Kläger einen Gründungszuschuss nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch bezogen haben sollte, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Regelung der Bundesagentur für Arbeit erschöpft sich in diesem Fall in der Gewährung einer Sozialleistung. Sie enthält keine Feststellung, dass die Tätigkeit, für die der Zuschuss gewährt wird, eine selbständige Tätigkeit ist. Zu einer die Antragsgegnerin rechtlich bindenden Entscheidung war die Bundesagentur für Arbeit auch gar nicht befugt (Beschluss des Senats vom 04.09.2013, L 11 R 2315/13 ER-B, juris). Nach dem Wortlaut des § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV ist ein Verfahren zur Statusfeststellung unzulässig, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Versicherungspflicht bzw -freiheit (zB §§ 28h Abs 2, 28p Abs 1 SGB IV) hinsichtlich des Auftragnehmers anhängig oder bereits abgeschlossen war. Mit dieser Regelung (sog Sperrwirkung) wird sichergestellt, dass die Verfahrensbeteiligten sich nicht durch eine Antragstellung nach § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV der Zuständigkeit weiterer Sozialversicherungsträger durch einen Antrag auf Statusfeststellung entziehen können. Bei der Bewilligung eines Gründungszuschusses wird nur inzident geprüft, ob eine selbstständige Tätigkeit aufgenommen werden soll, dagegen handelt es sich nicht um ein Verfahren zur Versicherungspflicht bzw -freiheit. Schon nach dem Wortlaut von § 7a Abs 1 Satz 1 SGB IV führt die Gewährung eines Gründungszuschusses daher nicht zu einer Sperrwirkung. Die Regelung in § 7 Abs 4 SGB IV in der bis zum 30.06.2009 geltenden Fassung, wonach für Personen, die für eine selbständige Tätigkeit einen Zuschuss nach § 421 l SGB III beantragen, widerlegbar vermutet wird, dass sie in dieser Tätigkeit als Selbständige tätig sind und die für die Dauer des Bezugs dieses Zuschusses als selbständig Tätige gelten, findet auf den Gründungszuschuss nach § 57 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung keine Anwendung.

Zusammenfassend steht nach alledem zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht und damit der Beitragspflicht in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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