L 7 KA 113/12 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 113/12 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Es erscheint fraglich, ob ein nach § 92 Abs. 3a SGB V bei Änderung der AM-RL stellungnahmeberechtigter Dachverband der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen die (vermeintliche) Verletzung seines Stellungnahmerechts gerichtlich geltend machen kann.
2. Es bestehen maßgebliche rechtliche Unterschiede zwischen der Stellungnahmeberechtigung eines Dachverbandes der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen nach § 92 Abs. 3a SGB V einerseits und den subjektive Rechte vermittelnden verfahrensbezogenen Mitwirkungsrechten etwa des Patientenvertreters oder der Trägerorganisationen des GBA andererseits.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Beschluss des Beklagten vom 19. April 2012 zur Bekanntgabe der Änderung von § 12 Abs. 6 der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) und rügt die Verletzung ihres Stellungnahmerechts.

Der Kläger ist eine ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaft auf dem Gebiet der anthroposophischen Medizin und stellungnahmeberechtigter Dachverband der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen im Sinne von § 92 Abs. 3a Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V).

OTC-Präparate (over the counter = über den Tresen verkäuflich) wurden durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) mit Wirkung vom 1. Januar 2004 grundsätzlich von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ausgeschlossen. Die Verordnung dieser Arzneimittel ist nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V nur ausnahmsweise zulässig. § 34 Abs. 1 Satz 1 bis 3 SGB V lautete in der seit dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung:

1Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. 2Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. 3Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen.

Auf dieser Grundlage enthielt die AM-RL in der Fassung vom 31. August 1993, zuletzt geändert auf der Grundlage eines Beschlusses des Beklagten vom 16. März 2004 mit Wirkung vom 15. Juni 2004, in Abschnitt F. Regelungen über "Gesetzliche Verordnungsausschlüsse bei der Arzneimittelversorgung und zugelassene Ausnahmen". Unter Nummer 16.4 waren in 41 Unterpunkten "schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung" im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgelistet. Abschnitt F. hatte auszugsweise folgenden Wortlaut:

F. Gesetzliche Verordnungsausschlüsse bei der Arzneimittelversorgung und zugelassene Ausnahmen

16. Apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V

16.1 Apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Die Verordnung dieser Arzneimittel ist nach § 34 Abs. 1 Satz 2 ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten.

16.2 Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.

16.3 Ein Arzneimittel gilt als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.

16.4 Schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung sind:

( )

16.4.27 Mistel-Präparate, parenteral, auf Mistellektin standardisiert, nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität.

( )

16.5 Für die in diesen Richtlinien im Abschnitt F aufgeführten Indikationsgebiete kann der Arzt bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist. Der Arzt hat zur Begründung der Verordnung die zugrunde liegende Diagnose in der Patientendokumentation aufzuzeichnen.

Auf dieser Grundlage bestand Unklarheit über die Reichweite des Begriffs "Indikationsgebiete" in Nummer 16.5 der AM-RL und darüber, ob beispielsweise Mistelpräparate nur in der palliativen Therapie oder auch zur kurativ-adjuvanten Behandlung verordnet werden durften. Der Unterausschuss "Arzneimittel" des Beklagten sah in der Folgezeit eine Ergänzung von Nummer 16.5 der AM-RL als sinnvoll an, um klarzustellen, dass neben den in Nummer 16.4 formulierten Anwendungsgebieten auch die geregelten Anwendungsvoraussetzungen für die Verordnung anthroposophischer und homöopathischer Arzneimittel zu gelten hätten.

Am 17. August 2004 beschloss der Beklagte die Einleitung eines Anhörungsverfahrens zur Änderung der AM-RL. Unter anderem sollten in Nummer 16.5 nach dem Wort "Indikationsgebiete" zur Klarstellung die Worte "und Anwendungsvoraussetzungen" eingefügt werden.

Mit Stellungnahmeschreiben vom 6. Oktober 2004 wandte der Kläger sich gegen die beabsichtigte Änderung von Nummer 16.5 der AM-RL, weil diese nahezu ausnahmslos zu einem Ausschluss der Verordnungsfähigkeit für anthroposophische und homöopathische Arzneimittel in den aufgelisteten Indikationsgebeten führe.

Am 21. Dezember 2004 beschloss der Beklagte die Ergänzung der Nummer 16.5 der AM-RL um die Worte "und Anwendungsvoraussetzungen". In der schriftlichen Begründung des Beschlusses ist unter Punkt 4.10 eine Auswertung der Stellungnahmen enthalten.

Eine Bekanntmachung der Änderung von Nummer 16.5 der AM-RL erfolgte nicht, weil das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung (BMGS) die Änderung mit Bescheid vom 18. Februar 2005 beanstandete. Dem aus § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB V folgenden Gebot, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen, werde die Änderung nicht gerecht.

Gegen die Beanstandungsverfügung beschritt der Beklagte den Rechtsweg zu den Sozialgerichten.

Vor rechtskräftigem Abschluss des sozialgerichtlichen Streitverfahrens und nach Durchführung eines Stellungnahmeverfahrens nach § 92 Abs. 3a SGB V beschloss der Beklagte am 18. Dezember 2008 und 22. Januar 2009 eine umfangreiche Neustrukturierung und Neufassung der AM-RL. In Abschnitt F. regelt nunmehr § 12 die Verordnungsfähigkeit apothekenpflichtiger, nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V. § 12 der AM-RL in der Fassung der Beschlüsse des Beklagten vom 18. Dezember 2008 und 22. Januar 2009 lautet auszugsweise:

F. Verordnungsausschlüsse in der Arzneimittelversorgung durch Gesetz zugelassene Ausnahmen

§ 12 Apothekenpflichtige, nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen.

(2) Die Verordnung dieser Arzneimittel ist nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten.

(3) Eine Krankheit ist schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.

(4) Ein Arzneimittel gilt als Therapiestandard, wenn der therapeutische Nutzen zur Behandlung der schwerwiegenden Erkrankung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht.

(5) Schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapeutika zu deren Behandlung sind in Anlage I aufgeführt.

Für die in der Anlage I aufgeführten Indikationsgebiete kann die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt bei schwerwiegenden Erkrankungen auch Arzneimittel der Anthroposophie und Homöopathie verordnen, sofern die Anwendung dieser Arzneimittel für diese Indikationsgebiete nach dem Erkenntnisstand als Therapiestandard in der jeweiligen Therapierichtung angezeigt ist. Die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt hat zur Begründung der Verordnung die zugrunde liegende Diagnose in der Patientendokumentation aufzuzeichnen. (Hervorhebung hier: Zur vormaligen Fassung wortgleiche Passagen)

§ 12 Abs. 6 der Neufassung der AM-RL entspricht seinem Wortlaut nach damit im Wesentlichen der Vorgängerregelung in Nummer 16.5 der AM-RL. Anlage I der AM-RL enthält seit dem Jahre 2009 die "zugelassenen Ausnahmen zum gesetzlichen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V (OTC-Übersicht)", darunter in Nr. 32 nach wie vor "Mistel-Präparate, parenteral, auf Mistellektin normiert, nur in der palliativen Therapie von malignen Tumoren zur Verbesserung der Lebensqualität".

Mit seiner gegen die Beanstandungsverfügung vom 18. Februar 2005 gerichteten Klage blieb der Beklagte beim Sozialgericht Köln und beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen erfolglos. Mit Urteil vom 11. Mai 2011 hob das Bundessozialgericht (B 6 KA 25/10 R) allerdings die vorinstanzlichen Entscheidungen auf und stellte fest, dass der Beanstandungsbescheid des BMGS vom 18. Februar 2005 rechtswidrig gewesen sei. Das Bundessozialgericht hat über die Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage entschieden, weil der Rechtsstreit sich durch die Neufassung der AM-RL ohne den streitigen Zusatz "und Anwendungsvoraussetzungen" durch die Beschlüsse des Beklagten vom 18. Dezember 2008 bzw. 22. Januar 2009 erledigt habe; die Beanstandungsverfügung habe ihre Regelungswirkung verloren. Der Beklagte habe allerdings erklärt, auf die beanstandete Einfügung nur bis zum Abschluss des anhängigen Rechtsstreits verzichten und die Einfügung in die Neufassung der AM-RL bei Erfolg der Klage vornehmen zu wollen, weshalb ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe. Die Beanstandungsverfügung des BMGS sei rechtswidrig gewesen, weil die Einfügung der Worte "und Anwendungsvoraussetzungen" in Nummer 16.5 der AM-RL keine Rechtsfehler habe erkennen lassen, sich im Rahmen der normativen Gestaltungsfreiheit des Beklagten bewege und die Vorgaben in § 34 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V eingehalten habe. Insbesondere könne aus § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht abgeleitet werden, dass der Beklagte im Rahmen der anthroposophischen und homöopathischen Therapierichtungen Arzneimittel wie etwa Mistel-Präparate sowohl für die kurativ-adjuvante wie für die palliative Therapie für verordnungsfähig erklären müsse.

Hierauf beschloss der Beklagte am 19. April 2012, den Beschluss vom 21. Dezember 2004 mit redaktionellen Änderungen (Ersetzung von "Nummer 16.5" durch die Angabe "§ 12 Abs. 6 Satz 1") bekannt zu geben. Der bekannt zu gebende Beschluss lautet nunmehr:

I. In § 12 Abs. 6 Satz 1 werden nach den Wörtern "für diese Indikationsgebiete" die Wörter "und Anwendungsvoraussetzungen" eingefügt. II. Die Änderung der Richtlinie tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Die neuerliche Durchführung eines Stellungnahmeverfahrens sah der Beklagte insoweit nicht als erforderlich an. In den tragenden Gründen des Beschlusses vom 19. April 2012 führte der Beklagte hierzu aus, der nunmehrige Beschlussinhalt sei mit dem im Jahre 2004 zur Stellungnahme gestellten wortgleich. Die redaktionelle Anpassung an die zwischenzeitlich vorgenommene Paragraphierung habe kein neuerliches Stellungnahmeverfahren erfordert. Auch die Tatsachengrundlage sei unverändert. Gerade die Fortführung des Rechtsstreits vor den Sozialgerichten zeige, dass es nach wie vor um dieselbe Regelung bzw. Rechtsfrage gehe. Mit Abschluss des Rechtsstreits sei der Beklagte nicht mehr gehindert, die Ergänzung der AM-RL bekannt zu machen.

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unterzog den Beschluss vom 19. April 2012 einer rechtlichen Überprüfung und sah in einem Schreiben vom 23. Mai 2012 keine Gründe für ein aufsichtsrechtliches Tätigwerden.

Die Beschlüsse des Beklagten vom 19. April 2012 und vom 21. Dezember 2004 zur Änderung von Nummer 16.5 bzw. § 12 Abs. 6 der AM-RL wurden am 20. Juni 2012 im Bundeanzeiger bekannt gemacht.

Am 20. Dezember 2012 hat der Kläger Klage gegen den Beschluss des Beklagten vom 19. April 2012 erhoben. Ein Feststellungsinteresse bestehe im Hinblick auf die drohende Wiederholung einer Missachtung von Stellungnahmerechten; gerügt werde allein die Umgehung des in § 92 Abs. 3a SGB V verbrieften Stellungnahmerechts. § 12 Abs. 6 der AM-RL sei wegen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers nichtig, denn vor dem Beschluss vom 19. April 2012 hätte ein erneutes Stellungnahmeverfahren durchgeführt werden müssen. Die Anknüpfung an den Beschluss vom 21. Dezember 2004 sei verfehlt, weil dieser sich durch die Neufassung der AM-RL vom 18. Dezember 2008 bzw. 22. Januar 2009 erledigt habe. Zudem hätten sich nach Ablauf von Jahren Tatsachengrundlage und auch Beschlussinhalt maßgeblich geändert. Zwischenzeitlich gebe es neue Erkenntnisse über den Nutzen anthroposophisch-homöopathischer Arzneimittel. Unabhängig davon sei das im Jahre 2004 durchgeführte Stellungnahmeverfahren fehlerhaft gewesen. So habe etwa der Anhörungsentwurf keine Begründung, Erläuterung oder Dokumentation enthalten. Zudem habe der Beklagte seine Stellungnahme – wie auch die Stellungnahmen Dritter – zur beabsichtigten Änderung von Nummer 16.5 der AM-RL nicht ordnungsgemäß in seine "Auswertung" einbezogen. Auch hätten die stellungnahmeberechtigten Verbände mit dem Versorgungsstrukturgesetz vom 22. Dezember 2011 das Recht erhalten, im Stellungnahmeverfahren mündlich angehört zu werden (§ 91 Abs. 9 SGB V); das habe der Beklagte missachtet. Nichts anderes ergebe sich aus der aufsichtsrechtlichen Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 11. Mai 2011. An jenem Verfahren sei der Kläger nicht beteiligt gewesen.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten über die "Bekanntgabe des Beschlusses zur Klarstellung der Verordnungsvoraussetzungen für Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen" vom 19. April 2012, bekannt gegeben im Bundesanzeiger vom 20. Juni 2012, nichtig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger als lediglich stellungnahmeberechtigter Dachverband über kein Feststellungsinteresse verfüge. Die bloße Veröffentlichung des Beschlusses vom 21. Dezember 2004 berühre die Mitwirkungsrechte des Klägers nicht. Das Stellungnahmerecht diene lediglich öffentlichen Interessen. Jedenfalls habe der Kläger kein Recht, eine umfassende Normenkontrolle zu veranlassen. Die Interessen der unmittelbar betroffenen Vertragsärzte dürfe der Kläger nicht geltend machen. Unabhängig davon sei der Beschluss vom 19. April 2012 formell und materiell rechtmäßig. Die verfahrensbezogenen Mitwirkungsrechte des Klägers habe er nicht verletzt, denn im Zuge der Beschlussfassung vom 21. Dezember 2004 habe der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Die Bekanntmachung der Änderung von Nummer 16.5 der AM-RL sei aufgrund der Beanstandungsverfügung des BMGS lediglich ausgesetzt worden. Das habe auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 11. Mai 2011 so gesehen und ein Fortsetzungs¬feststellungsinteresse bejaht. Nach 1. Kapitel § 14 der Verfahrensordnung (VerfO) sei ein erneutes Stellungnahmeverfahren nur durchzuführen, wenn sich die Tatsachengrundlage oder der Beschlussinhalt gegenüber dem zur Stellungnahme gestellten Entwurf wesentlich verändert hätten und der Stellungnahmeberechtigte von den Änderungen unmittelbar betroffen sei. Hiervon könne vorliegend keine Rede sein. Zu dem Beschlussgegenstand habe der Kläger sich im Jahre 2004 hinlänglich äußern können. Geändert habe sich der Inhalt des Beschlusses bei Bekanntmachung im Jahre 2012 nur in wenigen redaktionellen Details, die unerheblich seien. Eine Rückgängigmachung der Änderung von § 12 Abs. 6 der AM-RL könne der Kläger über das vorliegende Verfahren nicht erreichen; gegebenenfalls müsse anderweitig im Rahmen von § 12 Abs. 4 der AM-RL über den therapeutischen Nutzen von Mistelpräparaten und ihre weiter gehende Aufnahme in die OTC-Übersicht gestritten werden. Eine Nutzenbewertung sei dagegen nicht hauptsächlicher Gegenstand der Ergänzung von § 12 Abs. 6 der AM-RL. Ohnehin enthalte die Ergänzung von § 12 Abs. 6 der AM-RL nur eine Klarstellung der bisher schon geltenden Rechtslage und keine konstitutive Neuregelung, was auch das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 11. Mai 2011 ausdrücklich so beurteilt habe.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg, denn Rechte des Klägers sind nicht verletzt.

I. Für die Klage ist das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg erstinstanzlich zuständig, § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Kläger wendet sich gegen eine Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses in Bezug auf die Arzneimittel-Richtlinie.

Der Senat behandelt die Streitsache als eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts im Sinne der §§ 10 Abs. 2 Nr. 1, 31 Abs. 2 SGG (siehe auch Abschnitt B II 1 a [2] des "zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG").

II. Die Klage ist als Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Die Beteiligten streiten im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit des Beschlusses des Beklagten vom 19. April 2012 um das "Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses". Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Senats können juristische und natürliche Personen, die durch untergesetzliche Normen in ihren rechtlich geschützten Belangen betroffen sind, Klage direkt gegen diese richten, wenn sie ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können. Danach ist im sozialgerichtlichen Verfahren ungeachtet des Fehlens einer § 47 VwGO entsprechenden Norm Rechtsschutz gegen Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses im Wege der Feststellungsklage zu gewähren (vgl. etwa Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2014, B 6 KA 29/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11 [Patientenvertreter]; Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 34/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25 [Vertigoheel]; Urteil des Senats vom 10. Dezember 2014, L 7 KA 79/12 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 56 [Lacteol]).

III. Rechte des Klägers sind indessen nicht verletzt, so dass die Klage jedenfalls unbegründet ist. Der Senat brauchte deshalb Zweifeln, ob mit dem Stellungnahmerecht überhaupt prozessual durchsetzbare subjektive Rechte des Klägers verbunden sind oder ob es sich um eine objektivrechtliche Regelung handelt, die die Rechtsstellung des Klägers nur reflexartig berührt (vgl. zum Erfordernis "eigenrechtlich geschützter Belange" Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2014, B 6 KA 28/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27 [Photosoletherapie]) nicht weiter nachzugehen.

1. Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Annahme des Klägers, sein Stellungnahmerecht aus § 92 Abs. 3a SGB V sei von dem Beklagten verletzt worden. Nach dieser Vorschrift (Satz 1) ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Arzneimitteln nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 und Therapiehinweisen nach § 92 Absatz 2 Satz 7 Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen (Satz 2). Statuiert ist damit ein Stellungnahmerecht des Klägers in seiner Funktion als Dachverband in Zusammenhang mit Entscheidungen des Beklagten über die AM-RL. Mit der Gewährung eines Stellungnahmerechts für die im Einzelnen aufgeführten Berechtigten soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs.13/7264 S. 64) sichergestellt werden, dass bei Erarbeitung der AM-RL die jeweilige Sachkenntnis einbezogen wird. Die so vorgesehene Einbeziehung externen Sachverstands kann dazu beitragen, unsachliche interessengeleitete Einflussnahmen auf Entscheidungsprozesse des Beklagten zu begrenzen und einen sachgerechten Interessenausgleich zu gewährleisten (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2014, B 6 KA 29/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 28 [Patientenvertreter], mit Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 5. März 1974, 1 BvL 27/72, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69 [Stabilisierungsfonds für Wein]). Vor diesem Hintergrund spricht einiges dafür, § 92 Abs. 3 a SGB V jedenfalls für den Kläger als sachverständigen Dachverband von Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen lediglich als objektivrechtliche Regelung zu begreifen, die kein wehrfähiges subjektives Recht zu vermitteln vermag; es kam dem Gesetzgeber hier darauf an, dem Beklagten externen Sachverstand zugänglich zu machen; nicht aber stand im Mittelpunkt der gesetzgeberischen Absicht, dem stellungnahmeberechtigten sachverständigen Dachverband zur Durchsetzung eigener Rechte zu verhelfen oder solche für ihn zu statuieren. Das Stellungnahmeverfahren dient nämlich vorrangig dem öffentlichen Interesse, über die Sachkunde der Mitglieder des Beklagten hinaus die Sachkenntnis Dritter bei der Ermittlung des der Normsetzung zu Grunde liegenden Entscheidungssachverhaltes und zur Erleichterung der vorzunehmenden Abwägungsprozesse einzubeziehen; dem Schutz privater Interessen einzelner Sachverständiger hingegen dient das Stellungnahmeverfahren nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 27. Februar 2008, L 7 B 112/07 KA ER, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23 [Acomplia]; vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 22. Oktober 2014, B 6 KA 34/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 34 [Vertigoheel]; Roters in Kasseler Kommentar, Stand: Juni 2014, § 92 SGB V RdNr. 27) Der Kläger dürfte somit in Bezug auf die AM-RL keine einfach- oder grundrechtlich geschützte Position innehaben, anders als etwa die betroffenen stellungnahmeberechtigten pharmazeutischen Unternehmer, denn letztere fallen in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG und sind grundsätzlich klagebefugt, wenn es um Detailregelungen in den AM-RL in Bezug auf von ihnen hergestellte Arzneimittel geht (vgl. Urteil des Senats vom 7. Juni 2013, L 7 KA 164/09 KL, zitiert nach juris, dort Rdnr. 61).

Das Stellungnahmerecht aus § 92 Abs. 3a SGB V unterscheidet sich danach maßgeblich von anderen "verfahrensbezogenen Mitwirkungsrechten", die subjektive Rech¬te vermitteln, weil sie nach Art einer Kompetenzzuweisung zur unmittelbaren Teilhabe an den Beratungen des GBA und an seiner Beschlussfassung berechtigen. So garantiert etwa § 140 f Abs. 2 SGB V im Falle des Patientenvertreters ein Mitberatungs- und damit ein unmittelbares Mitwirkungsrecht (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Mai 2014, B 6 KA 29/13 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 11). Weitere "verfahrensbezogene Mitwirkungsrechte" hat das Bundessozialgericht etwa für die Trägerorganisationen des GBA bejaht (Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/09 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25 bis 38). An der ein subjektives Recht vermittelnden "Kompetenzzuweisung" dürfte es bei einem stellungnahmeberechtigten Dachverband der besonderen Therapierichtungen nach § 92 Abs. 3a SGB V gerade fehlen, denn mit dem Stellungnahmerecht gehen keine weiteren Befugnisse in Bezug auf die Normsetzungstätigkeit des GBA einher; wehrfähige eigene Rechte des Stellungnahmeberechtigten resultieren aus dem einfachen Recht nicht. Ein Klagerecht vermittelnde grundrechtliche Gewährleistungen etwa aus Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (Berufsfreiheit) sind daneben nicht erkennbar (vgl. dazu Bundessozialgericht, a.a.O., Rdnr. 50 bis 52); das Stellungnahmerecht entfaltet keine berufsregelnde Tendenz, "stärkt" nicht die rechtliche Stellung des Klägers, sondern nur die Stellung des Beklagten, dem die Expertise des Klägers im Prozess der Normsetzung zugute kommen soll.

2. Ob § 92 Abs. 3a Satz 1 SGB V prozessual durchsetzbare Rechte für den Kreis der Stellungnahmeberechtigten verbrieft, kann aber letztlich deswegen offen bleiben, weil der Beklagte zur Überzeugung des Senats das Stellungnahmerecht des Klägers aus § 92 Abs. 3a SGB V nicht verletzt hat. Das Stellungnahmeverfahren vor Fassung des später vom BMGS beanstandeten Beschlusses des Beklagten vom 21. Dezember 2004 begegnet keinen rechtlichen Bedenken (unten a). In Zusammenhang mit der Bekanntgabe des inzwischen redaktionell angepassten Beschlusses vom 21. Dezember 2011 – also vor Fassung des Beschlusses vom 19. April 2012 – war ein neuerliches Stellungnahmeverfahren nicht durchzuführen (unten b).

a) Bei Fassung des Beschlusses vom 21. Dezember 2004 ist der Beklagte seinen Pflichten aus § 92 Abs. 3a SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes nachgekommen. Danach ist den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer und der Apotheker sowie den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Arzneimitteln nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Wesentliche Mängel des Normsetzungsverfahrens, die auf einer Verletzung des Stellungnahmerechts des Klägers beruhen und Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Norm haben könnten, sind nicht ansatzweise erkennbar.

Aus der vom Beklagten vorgelegten Normsetzungsdokumentation ergibt sich, dass die stellungnahmeberechtigten Organisationen, darunter der Kläger, auf der Grundlage eines Beschlusses des Beklagten vom 17. August 2004 mit Schreiben vom 10. September 2004 zur Stellungnahme aufgefordert wurden. Die in Nummer 16.5 beabsichtigte Änderung in Gestalt der Einführung der Worte "und Anwendungsvoraussetzungen" wurde, was ausreichend ist, mitgeteilt. In der 3. Sitzung der Arbeitsgruppe "OTC" des Unterausschusses "Arzneimittel" wurden die eingegangenen Stellungnahmen beraten, darunter diejenige des Klägers vom 6. Oktober 2006. Der Arbeitsgruppe "OTC" gehörten Vertreter der Kassen- und der Ärzteseite sowie Patientenvertreter an. Im Unterausschuss "Arzneimittel" erfolgte am 7. Dezember 2004 eine Abschlussdiskussion. In den tragenden Gründen des Beschlusses vom 21. Dezember 2004 erfolgte sodann eine ausführliche dreiseitige Auswertung der Stellungnahmen zur beabsichtigten Änderung von Nummer 16.5 der AM-RL.

Den Erfordernissen des § 92 Abs. 3a SGB V trug der Beklagte bei Fassung des Beschlusses vom 21. Dezember 2004 damit Rechnung. Der Kläger hatte die vorgesehene Gelegenheit zur Stellungnahme; seine Stellungnahme wurde auch in die Entscheidung einbezogen. Eine "Einbeziehung in die Entscheidung" erfolgt, sofern die tragenden Gründe der Entscheidung, die nach § 94 Abs. 2 Satz 1 SGB V im Internet bekanntzumachen sind, die Stellungnahme inhaltlich zumindest ansatzweise diskutieren. Dies ist in hinreichendem Maße geschehen. Die "Auswertung" der eingegangenen Stellungnahmen in den tragenden Gründen nimmt zwar nicht ausdrücklich Bezug auf die Stellungnahme des Klägers, diskutiert aber etwa den fachwissenschaftlichen Konsens über den Nutzen der Misteltherapie bei der kurativ-adjuvanten Behandlung maligner Tumore und nimmt damit sinngemäß auf zentrale Erwägungen im Stellungnahmeschreiben des Klägers vom 6. Oktober 2004 Bezug. Soweit diese Auswertung die Standpunkte des Klägers inhaltlich nicht teilt, kann daraus zur Überzeugung des Senats nicht der Schluss gezogen werden, eine "echte" inhaltliche Auseinandersetzung habe nicht stattgefunden. Die Bekanntmachung der tragenden Gründe erfordert schon nach dem begrifflichen Gehalt von "tragend" weder die Angabe aller Unterlagen, Erwägungen und Gründe noch eine umfassende, vollumfängliche Begründung mit allen wissenschaftlichen Belegen in Bezug auf alle vorgetragenen Argumente noch gar eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit allen weiteren denkmöglichen Argumenten und Problemkonstellationen (vgl. hierzu und zum Folgenden Bundessozialgericht, Urteil vom 17. September 2013, B 1 KR 54/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 23 bis 25 [Invega]). Es genügt insoweit die Mitteilung der Gründe, die aus der Sicht des Beklagten tragend sind, ihn also veranlasst haben, einen Beschluss mit einem bestimmten Inhalt zu fassen. Nach dem Zweck der förmlichen Begründung, den Normsetzungsakt transparent zu machen, schuldet der Beklagte mithin nur ein ernsthaftes Bemühen, die von ihm für maßgeblich gehaltenen Gesichtspunkte mitzuteilen. Insgesamt sind die Anforderungen auf dieser Ebene nicht zu überspitzen. Unerheblich ist grundsätzlich, ob die bekanntgemachten tragenden Gründe im Einklang mit den inhaltlichen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Beschlusses stehen. Aus den tragenden Gründen muss hervorgehen, dass sich der Beklagte mit den eingegangenen Stellungnahmen auseinandergesetzt hat. Dieses Erfordernis ist zur Überzeugung des Senats erfüllt.

b) Vor Fassung des Beschlusses vom 19. April 2012 war ein neuerliches Stellungnahmeverfahren nach § 92 Abs. 3a SGB V nicht durchzuführen.

Mit seinem Beschluss vom 19. April 2012 vollzog der Beklagte zweierlei: Zum einen änderte er den Beschluss vom 21. Dezember 2004 redaktionell und ersetzte "Nummer 16.5" durch die Angabe "§ 12 Abs. 6 Satz 1"; zum anderen entschied er, den Beschluss vom 21. Dezember 2004 in der redaktionell angepassten Form nunmehr im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Hiermit trug der Beklagte zwei Umständen Rechnung: Erstens war der Beschluss vom 21. Dezember 2004 nunmehr "bekanntgabereif", nachdem der Beklagte in dem Rechtsstreit gegen die Beanstandungsverfügung des BMGS obsiegt hatte; zweitens bedurfte der Beschluss vom 21. Dezember 2004 der redaktionellen (nicht: inhaltlichen) Änderung, weil sich die Paragraphierung der AM-RL durch ihre zwischenzeitliche Neufassung geändert hatte.

Ein erneutes Stellungnahmeverfahren war in diesem Zusammenhang nicht durchzuführen, weil sich die Tatsachengrundlage oder der Beschlussinhalt gegenüber dem im Jahre 2004 zur Stellungnahme gestellten Entwurf nicht wesentlich verändert hatten (vgl. hierzu mit sachgerechten Anforderungen die Verfahrensordnung des Beklagten, 1. Kapitel § 14).

Für eine veränderte Tatsachengrundlage ist nichts ersichtlich. Der Kläger führt insoweit an, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Nutzen von Mistelpräparaten hätten sich in der Zwischenzeit verbessert; Nachweise hierüber sind jedoch nicht erbracht und auch sonst nicht ersichtlich.

Auch ist der Beschlussinhalt gleich geblieben. Der Senat sieht den Vorgang der Neufassung der AM-RL insoweit als rechtlich unerheblich an, denn Nummer 16.5 der AM-RL a.F. ist inhaltlich mit § 12 Abs. 6 der AM-RL n.F. identisch. Geändert haben sich nur formulierungsmäßige Marginalien, nämlich die nunmehrige Bezugnahme auf die Anlage I der AM-RL sowie die dem Gender-Mainstreaming geschuldete doppelgeschlechtliche Aufführung "des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin". Die inhaltliche Aussage von § 12 Abs. 6 AM-RL ist gegenüber Nummer 16.5 der AM-RL gleich geblieben, was dem Umstand Rechnung trägt, dass auch das den Regelungen zugrunde liegende Gesetzesrecht in § 34 Abs. 1 SGB V gleich geblieben ist. Nach wie vor regeln die AM-RL in Abschnitt F. die Verordnungsfähigkeit apothekenpflichtiger, nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V. § 12 der AM-RL n.F. enthält dieselbe Struktur und weitestgehend wortgleiche Regelungen wie zuvor Nr. 16 der AM-RL.

Mit der Kontinuität von § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V als gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage der AM-RL und von § 34 Abs. 1 SGB V mit seinem materiellrechtlichen Arbeitsauftrag für den Beklagten hat auch die AM-RL vor und nach ihrer Neufassung aufgrund der Beschlüsse des Beklagten vom 18. Dezember 2008 und 22. Januar 2009 Normenkontinuität bewiesen, was sich im vorliegenden Zusammenhang auch darin zeigt, dass die zentralen Regelungen des Beklagten zu § 34 Abs.1 Satz 2 SGB V gleich geblieben sind.

Konsequent hatte demgemäß der Beklagte in dem wegen der Beanstandungsverfügung des BMGS durchgeführten Rechtsstreit angeführt, dass die Klärung der in dem Beanstandungsrechtstreit zu entscheidenden Rechtsfrage für das Verhältnis der Beteiligten weiter relevant sei, weil er nur bis zum Abschluss des anhängigen Rechtsstreits darauf verzichtet habe, eine erneute wortgleiche Einfügung in § 12 Abs. 6 der neu gefassten AM-RL vorzunehmen.

Dieser vom Bundessozialgericht als Begründung für ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse gesehene Aspekt hätte zugleich daran zweifeln lassen müssen, ob tatsächlich von einer Erledigung des Beanstandungrechtsstreits die Rede sein konnte: Denn die Beanstandungsverfügung des BMGS hatte ihre Regelungswirkung allein durch die zwischenzeitliche Neufassung der AM-RL nicht verloren, weil die streitgegenständliche Regelung, in die die Einfügung vorgenommen werden sollte, unter anderer Paragraphierung, doch systematisch und inhaltlich nahtlos fortbestand und zudem der Beklagte keinen Zweifel daran gelassen hatte, die umstrittene Einfügung auf der Grundlage seines Beschlusses vom 21. Dezember 2004 vornehmen zu wollen. Allein durch die Neufassung der AM-RL war kein "Wegfall der Beschwer" eingetreten, ebenso wenig ein "Wegfall des Regelungsobjekts" in Gestalt der zu ändernden Passage der AM-RL oder der Beanstandungsverfügung.

Schon aus diesem Grund kann zur Überzeugung des Senats aus der zwischenzeitlichen Neufassung der AM-RL bzw. aus dem Umstand, dass das Bundessozialgericht über eine Fortsetzungsfeststellungsklage entschied, nicht abgeleitet werden, dass der Inhalt des Beschlusses vom 21. Dezember 2004 sich gegenüber dem 19. April 2012 wesentlich verändert hätte. Die Annahme einer "Erledigung" der Beanstandungsverfügung ist dabei aber rechtlich unerheblich. Weil sich während des Streits um die Beanstandungsverfügung weder Norminhalt noch zugrunde liegender Sachverhalt in relevantem Maße verändert hatten, war der Beklagte vor Fassung seines Beschlusses vom 19. April 2012 nicht gehalten, ein neues Stellungnahmeverfahren durchzuführen. Die gegenteilige Sichtweise überspitzt die Anforderungen an die Verfahrenspflichten des Beklagten und bewegt sich jenseits des gesetzlich vorgesehenen Rahmens; sie würde dazu führen, zu derselben Regelung zwei Stellungnahmeverfahren durchzuführen; dies aber kann der Kläger sicher nicht beanspruchen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat der Senat die Revision zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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