L 3 BK 2/13 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 22 BK 103/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 BK 2/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Ein Ordnungsgeldbeschluss kann auch noch nach dem Ende der mündlichen Verhandlung erlassen werden.
2. Zweck der Festsetzung von Ordnungsgeld gegen einen ordnungsgemäß geladenen, nicht erschienenen Beteiligten ist nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern.
3. Eine fehlende oder zumindest unzureichend begründete Ermessensausübung kann nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden (Fortführung der Senatsrechtsprechung; vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 5. August 2014 – L 3 AS 619/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 19).
I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Dezember 2012 aufgehoben.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 13. Dezember 2012, mit dem gegen sie wegen nicht ausreichend entschuldigten Ausbleibens ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 EUR verhängt wurde.

In dem dem Ordnungsgeldbeschluss zugrundeliegenden Verfahren hat die Klägerin die Bewilligung eines Kinderzuschlages nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) für den Monat Dezember 2008 für ihre Kinder begehrt.

Am 18. Mai 2011 hat vor dem Sozialgericht ein Erörterungstermin stattgefunden, in dem die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten wurde. Der Beklagten ist aufgegeben worden, zwei Vergleichsberechnungen nach den vom Sozialgericht vorgegebenen Maßgaben durchzuführen. Nach Eingang der Vergleichsberechnungen und ausgebliebener Stellungnahme der Klägerseite hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 9. Januar 2012 abgewiesen. Das zu berücksichtigende Einkommen übersteige den Bedarf, sodass kein Anspruch auf Kinderzuschlag bestehe.

Der Klägerbevollmächtigte hat daraufhin einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, ohne diesen zu begründen. Der auf den 17. August 2012 anberaumten Verhandlungstermin, zu dem das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet gewesen ist, ist auf Antrag des Klägerbevollmächtigten aufgehoben worden.

Mit Verfügung vom 23. September 2012, in der sechs Aktenzeichen aufgeführt sind, hat der Kammervorsitzende sodann einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 9. November 2012, 10.20 Uhr, bestimmt und das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet. In dem auf den 4. Oktober 2012 datierten Ladungsschreiben, das das Aktenzeichen des dieser Beschwerde zugrundeliegenden Klageverfahrens aufweist, ist die Klägerin auf die Folgen eines unentschuldigten Fehlens und der Möglichkeit der Festsetzung eines Ordnungsgelds bis zu 1.000 EUR hingewiesen worden. Die Ladung ist ihr am 5. Oktober 2012 durch Zustellungsurkunde zugestellt worden. Nach dem handschriftlichen Aktenzeichenzusatz in der Zustellungsurkunde ("u.a.") sind der Klägerin weitere Ladungen zugestellt worden.

Mit Schreiben vom 8. November 2012, beim Sozialgericht eingegangen per Telefax am gleichen Tag, hat der Klägerbevollmächtigte beantragt, den Verhandlungstermin aufzuheben, hilfsweise nach Aktenlage zu entscheiden und die Klägerin von der Anordnung des persönlichen Erscheinens zu entbinden. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er am selben Tag vor dem Amtsgericht S drei Verhandlungstermine wahrzunehmen habe, deren Verlegung nicht zugestimmt worden sei. Zudem sei die Klägerin auch aus persönlichen Gründen an der Wahrnehmung des Termins gehindert. Noch am gleichen Tag ist der Klägerbevollmächtigte durch das Sozialgericht per Telefax darüber informiert worden, dass der Termin sowie die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin bestehen bleibe. Ein Teil der Verfahren betreffe Anträge auf mündliche Verhandlung nach Gerichtsbescheid. Wenn die Klägerin nunmehr mitteilen lasse, dass ein Erscheinen nicht gewünscht sei, sei dies verwunderlich. Es möge der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgezogen werden. Im Übrigen stelle sich die Frage nach einer mutwilligen Fortführung des Rechtsstreites. Es sei beabsichtigt, bei Fernbleiben der Klägerin ein Ordnungsgeld zu verhängen. Mit Schreiben vom 9. November 2012, eingegangen beim Sozialgericht per Telefax um 09.42 Uhr, hat der Klägerbevollmächtigte erklärt, die Klägerin habe mitgeteilt, dass die Bearbeitung der bei der Beklagten gestellten Anträge durch ihren Ehemann erfolgt sei und sie daher zur Beantwortung eventueller Fragen zum Sachverhalt auf ihn verweisen müsste. Darüber hinaus wäre ein persönliches Erscheinen nicht erforderlich, sofern die Kammer gemäß ihrer anderweitig mitgeteilten Rechtsauffassung wegen des Nichteinreichens einer schriftlichen Vollmacht bei Klageerhebung von einem nicht heilbaren Verfahrensmangel und damit einer unwirksamen Klage ausgehe.

Die Klägerin ist ebenso wenig wie ihr Prozessbevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung erschienen. Nach der Sitzungsniederschrift sind drei von sechs Klageverfahren mit der anwesenden Beklagtenvertreterin erörtert worden. In dem diesem Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Klageverfahren hat sie lediglich einen Antrag gestellt. Am Ende der mündlichen Verhandlung ist der Klägerin aufgegeben worden, bis zum 30. November 2012 (Eingang bei Gericht) ihr Fernbleiben in sämtlichen Verfahren trotz der Anordnung des persönlichen Erscheinens ausreichend zu entschuldigen. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes im Beschlusswege bleibe ausdrücklich vorbehalten. Schließlich ist in allen sechs Verfahren ein klageabweisendes Urteil verkündet worden. Mutwillenskosten sind in keinem Fall festgesetzt worden.

Mit Schreiben vom 30. November 2012 hat der Klägerbevollmächtigte mitgeteilt, dass zwischen ihm und der Klägerin vereinbart gewesen sei, dass er sie zum Termin mitnehme. Auf dem Weg zur Klägerin sei er jedoch mit seinem Fahrzeug liegengeblieben. Dieses habe in die Werkstatt verbracht werden müssen. Die Rechnung könne erforderlichenfalls nachgereicht werden. Der Klägerin sei es demnach nicht möglich gewesen, zum anberaumten Gerichtstermin zu erscheinen.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2012, der das Aktenzeichen des diesem Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Klageverfahrens trägt, hat das Sozialgericht gegen die Klägerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 EUR verhängt. Sie sei trotz Anordnung ihres persönlichen Erscheinens ohne Mitteilung von Hinderungsgründen zum Termin nicht erschienen. Auch der Gelegenheit, ihr Nichterscheinen nachträglich ausreichend zu entschuldigen, sei sie nicht nachgekommen. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten aus dem Schriftsatz vom 30. November 2012 sei im Hinblick darauf, dass am 9. November 2012 keine Mitteilung über das angebliche Missgeschick des Prozessbevollmächtigten erfolgt sei, nicht nachvollziehbar. Das Gericht sei aufgrund der Art und Weise der Prozessführung überzeugt, dass der Vortrag des Prozessbevollmächtigten gelogen sei.

Gegen den ihr am 19. Dezember 2012 zugestellten Beschluss hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 17. Januar 2013 Beschwerde eingelegt, diese in der Folge aber nicht begründet.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat im Klageverfahren Az. S 22 BK 103/10 zu Unrecht der Klägerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 EUR auferlegt.

a) Nach § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 141 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann gegen eine im Termin ausgebliebene Partei Ordnungsgeld wie gegen einen im Verhandlungstermin nicht erschienenen Zeugen (vgl. §§ 380, 381 ZPO) festgesetzt werden. Gemäß § 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO wird einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein Ordnungsgeld auferlegt.

Die Entscheidung über die Festsetzung von Ordnungsgeld ergeht durch Beschluss (vgl. § 142 SGG). Das Sozialgericht konnte den Ordnungsgeldbeschluss auch noch nach dem Ende der mündlichen Verhandlung erlassen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – L 3 AS 90/10 B – [n. V., Beschlussumdruck S. 4]; Bay. LSG, Beschluss vom 10. März 2014 – L 2 AL 23/13 B – JURIS-Dokument Rdnr. 15; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 12 Rdnr. 2b; Kühl. in: Breitkreuz/Fichte, SGG, [2. Aufl., 2014], § 111 Rdnr. 3; Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung [30. Aufl., 2014], § 381 Rdnr. 5; a. A. Thür. LSG, Beschluss vom 22. September 2008 – L 1 B 33/08 U – JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.). Zwar wird in § 381 Abs. 1 ZPO danach unterschieden, ob eine Entschuldigung für das Ausbleiben rechtzeitig (vgl. § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO) oder nachträglich (vgl. § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO) erfolgt. Im letzten Fall wird der bereits erlassene Ordnungsgeldbeschluss wieder aufgehoben. An keiner Stelle hat der Gesetzgeber aber verbindlich vorgeschrieben, dass ein Ordnungsgeld noch in dem Termin, zu dem ein Beteiligter nicht erschienen ist, ergehen muss.

Den Beschluss hatte der Kammervorsitzende allein, das heißt ohne Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern, zu erlassen. Denn gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 SGG wirken ehrenamtliche Richter unter anderem bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit.

b) Die Klägerin war ordnungsgemäß geladen. Auch hatte der Kammervorsitzende gemäß § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG das persönliche Erscheinen der Klägerin zum Termin der mündlichen Verhandlung am 9. November 2012 angeordnet. Gemäß § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG ist dabei auf die Folgen des Ausbleibens, nämlich auf die Möglichkeit der Verhängung von Ordnungsgeld bei unentschuldigtem Ausbleiben (vgl. § 202 SGG i. V. m. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO), hinzuweisen. Das Ladungsschreiben vom 4. Oktober 2012 enthält einen formularmäßigen Hinweis, der diesen Anforderungen genügt.

Die Klägerin ist unbestritten zum Termin der mündlichen Verhandlung am 9. November 2012 nicht erschienen.

b) Der Ordnungsgeldbeschluss ist jedoch rechtswidrig, weil bereits nicht zu erkennen ist, ob das Sozialgericht überhaupt Ermessen ausgeübt hat (1). Im Übrigen läge ein Ermessensfehler vor, weil sich der Grund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens als Abwägungsgesichtspunkt nicht feststellen lässt (2).

(1) Die Entscheidung darüber, ob gegen einen Beteiligten, der trotz der Anordnung seines persönlichen Erscheinens ausgeblieben ist, ein Ordnungsgeld festgesetzt wird, steht im Ermessen des Gerichtes (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 111 Rdnr. 6a, m. w. N.).

Aus der Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses vom 13. Dezember 2012 ist nicht zu ersehen, ob dem Sozialgericht die Pflicht zur Ermessensentscheidung bewusst war. So findet das Wort "Ermessen" keine Erwähnung. Auch die Begründung dieses Beschlusses im Übrigen gibt Anlass für entsprechende Zweifel. Denn nach den Feststellungen über die ordnungsgemäße Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin und die Zustellung dieser Anordnung finden sich Ausführungen dazu, dass die Klägerin ihr Nichterscheinen nicht nachträglich ausreichend entschuldigt habe. Diese Ausführungen enden damit, dass nach Auffassung des Sozialgerichtes in einem solchen Fall ein Ordnungsgeld zu verhängen "ist". Sofern das Sozialgericht Ermessenserwägungen angestellt haben sollte, kommen diese jedenfalls nicht in den Beschlussgründen zum Ausdruck (zur Begründungspflicht nach § 142 Abs. 2 Satz1 SGG bei Ermessensentscheidungen: Sächs. LSG, Beschluss vom 20. Februar 2014 – L 3 AL 159/13 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 23 f.; Sächs. LSG, Beschluss vom 5. August 2014 – L 3 AS 619/12 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 17).

(2) Im Übrigen läge ein Ermessensfehler vor.

Wenn eine nach § 202 SGG i. V. m. § 141 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß geladene Partei im Termin trotz richterlicher Anordnung nicht erscheint, gestattet die Vorschrift des § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Festsetzung eines Ordnungsgelds. Zweck der Vorschrift ist aber nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. November 1997 – 2 BvR 429/97NJW 1998, 892 = JURIS-Dokument Rdnr. 7; BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007 – VI ZB 4/07NJW-RR 2007, 1364 = JURIS-Dokument Rdnr. 20 f.; BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011 – NJW-RR 2011, 1363 = I ZB 77/10 – JURIS-Dokument Rdnr. 16; BAG, Beschluss vom 20. August 2007 – 3 AZB 50/05NJW 2008, 252 = JURIS-Dokument Rdnr. 6; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. Februar 2013 – L 2 AS 948/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 12). Die Anordnung des persönlichen Erscheinens einer Partei zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 202 SGG i. V. m. § 141 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dann aufzuheben, wenn im Termin zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits keine Fragen zum Sachverhalt offen geblieben sind und der Rechtsstreit ohne weiteren Vortrag durch Urteil entschieden wird. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen eine trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienene Partei kann daher nur festgesetzt werden, wenn das unentschuldigte Ausbleiben der Partei die Sachaufklärung erschwert und dadurch den Prozess verzögert (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2007, a. a. O.; BGH, Beschluss vom 22. Juni 2011, a. a. O.; BAG, Beschluss vom 20. August 2007, a. a. O.; LSG Sachsen-Anhalt, a. a. O.; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Mai 2012 – L 10 AS 423/12 B – JURIS-Dokument Rdnr. 5). Ob das persönliche Erscheinen nach § 111 Abs. 1 SGG angeordnet und beim Ausbleiben des Beteiligten Ordnungsgeld verhängt werden darf, wenn das persönliche Erscheinen nur einem Einigungsversuch oder einem Hinwirken auf eine Klagerücknahme dienen soll, ist streitig (vgl. die Nachweise bei Leitherer, in: a. a. O.).

Vorliegend lässt sich nicht feststellen, aus welchen Gründen das Sozialgericht das persönliche Erscheinen der Klägerin im Klageverfahren Az. S 22 BK 103/10 anordnete. Der Ordnungsgeldbeschluss enthält hierzu keine Ausführungen. Auch die Ladungsverfügung vom 23. Juli 2012 zu dem dann aufgehobenen Termin am 12. August 2012 und die Ladungsverfügung vom 23. September 2012 für den Termin am 9. November 2012 verhalten sich hierzu nicht, ebenso wie die Ladungsschreiben vom 26. Juli 2012 und 4. Oktober 2012. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 9. November 2011 lässt den Schluss zu, dass jedenfalls in den Verfahren Az. S 22 BK 106/10, S 22 BK 51/11 und S 22 BK 52/11 Erörterungsbedarf bestand. Dies allein würde allerdings die Anordnung des persönlichen Erscheinens in den anderen drei Verfahren, unter anderem auch im Verfahren Az. LS 22 BK 103/10, noch nicht rechtfertigen. Denn in dem zuletzt genannten Verfahren war ausweislich der Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids vom 9. Januar 2012, zu dem die mündliche Verhandlung beantragt worden war, die Sach- und Rechtslage aus Sicht des Sozialgerichtes geklärt. Das Schreiben des Gerichtes vom 8. November 2012 wiederum, in dem die Anträge auf Terminsaufhebung und Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin abgelehnt wurden, deuten darauf hin, dass die Klägerin entweder dazu bewogen werden sollte, den Antrag auf mündliche Verhandlung zu begründen oder zur Klage ergänzend vorzutragen, oder die Klage zurückzunehmen.

Wenn sich aber nicht feststellen lässt, aus welchen Gründen das persönliche Erscheinen eines Beteiligten angeordnet worden ist, fehlt der Ermessensentscheidung über die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen den nicht erschienenen Beteiligten ein wesentliches Abwägungselement. Eine fehlende oder zumindest unzureichend begründete Ermessensausübung kann nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden (str., vgl. die Nachweise zum Meinungsstand bei Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [28. Erg.-Lfg., März 2015], § 150 FN 14; wie hier gegen die Nachholung einer Ermessensentscheidung: Sächs. LSG, Beschluss vom 20. Februar 2014 – L 3 AL 159/13 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 25; Sächs. LSG, Beschluss vom 5. August 2014, a. a. O., Rdnr. 19; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [11. Aufl., 2014], § 176 Rdnr. 4; Krasney, in: Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens [6. Aufl., 2011], Kapitel X Rdnr. 54; a. A. z. B. Bay. LSG, Beschluss vom 22. November 2010, a. a. O.). Zwar prüft das Landessozialgericht gemäß § 157 SGG den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Diese Regelung betrifft allerdings den Regelfall des sozialgerichtlichen Verfahrens, in dem bereits das Sozialgericht eine Entscheidung, eine Maßnahme oder ein Unterlassen einer Behörde geprüft hat. Vorliegend ist aber Gegenstand des Beschwerdeverfahrens eine Entscheidung des Sozialgerichtes in einer Angelegenheit, die der Gesetzgeber nicht einer Behörde, sondern originär dem Gericht zur Entscheidung zugewiesen hat. In einem solchen Fall ähnelt die Verfahrenssituation derjenigen, in der das Sozialgericht eine Ermessensentscheidung einer Behörde zu prüfen hat. Hierbei ist das Sozialgericht auf eine Rechtskontrolle der Ermessensentscheidung beschränkt (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 54 Rdnr. 28 ff.). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb der Kontrollumfang in Bezug auf eine gerichtliche Ermessensentscheidung ein anderer sein soll als in Bezug auf eine behördliche Ermessensentscheidung (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 20. Februar 2014, a. a. O.).

2. Die Kostenentscheidung erfolgt analog § 193 SGG.

3. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (vgl. § 177 SGG).

Dr. Scheer Höhl Strahn
Rechtskraft
Aus
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